Kurzer Zwischenstopp

  • Ostia, zu sehen war eine Sache für sich. Wieder stand sie am Deck und blickte auf den Hafen, auf den sie langsam zuschipperten. Sciurus hatte sie schon vor ein paar Minuten darauf aufmerksam gemacht, dass sie bald die Stadt erreichen würden. In den letzten Monaten hatte sie die Hoffnung schon aufgegeben jemals wieder die Erde Italiens unter ihren Füßen spüren zu können. Sie zog ihre Kapuze fester in ihr Gesicht, da ein starker Wind die See in Aufruhr brachte. Den, den sie als Sklave Hannibal dachte, sah keineswegs gesund aus... Das sollte aber nicht ihre Sorgen sein. Sie schätzte, dass der Sklave alles vorbereiten würde und der Aufenthalt in Ostia nicht länger als eine Stunde betragen würde. Das hoffte sie zumindest, denn es gefiel ihr als Patrizierin garnicht wenn etwas nicht nach ihrem Kopf ging. Minervina fröstelte ein wenig und zog sich bist zur Ankunft wieder unter das Deck zurück. Es musste niemand wissen, dass sie hier war.

  • Grausilberne Wellen kämmten am Bug entlang. Zahlreiche Möwenschreie begleiteten das Schiff und hießen die Reisenden in Landnähe schon in Italia willkommen. Eine halbe Hora bevor das Schiff in Ostianähe kam, glitten auch die Rückenfloßen zweier graublauer Delphine durch das Mittelmeer, tanzten einige Atemzüge auf der Gischt der Wellenkämme, streckten ihren Kopf in den diesig grauen Himmel, der Italia zu umgeben schien und verschwanden wieder in den Tiefen des Wassers. Die Seeleute warfen ihnen noch schnell einige Gaben hinterher, murmelten einige Gebete, waren dies doch die Tiere der Nerines des Meergottes, die die Seeleute beschützten und, wie man munkelte, angeblich das ein oder andere Mal aus den Armen der See erretteten. Hannibal stand am Bug, blickte einen Augenblick auf die Delphine hinab. Gleichwohl es ihm immer noch Hunde elends ging, glitt ein Lächeln auf seine Lippen. Seine Augen richteten sich gleich darauf auf das Land, Ostia kam immer näher und das hektische Treiben auf dem Schiff wurde noch emsiger. In Hannibals Augen wirkte es hektisch, im Grunde waren es doch feste Handlungen, die die Mannschaft schon seit vielen Jahren tätigte und die ihnen in Fleisch und Blut übergegangen war. Aus den Augenwinkeln bemerkte Hannibal auch kurz die Flavierin, ließ sie jedoch in Ruhe, so wie sie es auch die Fahrt über gewünscht hatte. Das Schiff hielt mit der Bugspitze direkt auf Ostia zu, nahm dann jedoch noch etwas weiter an Fahrt auf, einige der Segel wurden schließlich gerafft und das Handelsschiff glitt auf den nördlichen Hafen von Ostia zu, den großen Warenumschlagplatz Italias. Zahlreiche andere Schiffe drängten sich in das Hafenbecken, ägyptische Handelsschiffe, römische Corbitae, wie das auf dem sie reisten, und andere exotischere Schiffe lagen hier vor Anker. Auch die Corbita aus Hispania landete in diesem Hafen. Die Habseligkeiten der Patrizierin wurden an Land gebracht, ebenso Mann und Maus, oder mehr die Sklaven und der jungen Flavierin wurde ebenso Bescheid gegeben. Hannibal wandte sich derweil schon an Land an Sciurus. „Ich organisiere eine Sänfte für die Herrin. Dort drüben ist eine gute Taberna. Sie kann sich dort kurz erfrischen.“


    Hannibal wandte sich von Sciurus ab, überließ ihm die Unterhaltung der Patrizierin und marschierte durch das aufkommende Getümmel um das Handelschiff. Einige Strassenkinder lauerten schon am Hafenkai, um Waren zu stibitzen oder Reisende an zu betteln. Grob schob Hannibal diese zur Seite und ignorierte auch die Händler, die allerlei Schnickschnack in Bauchläden vor sich her trugen und sich gleich mit lautstarken Anpreisungen auf die patrizische Reisegesellschaft stürzten. Hannibal verschwand in der Menge der Menschen. In Ostia kannte sich Hannibal durchaus aus, nicht nur, weil er hier vor einiger Zeit einen Mordanschlag geplannt hatte. So war es nicht schwer, einen Betreiber zu finden, der Sänften an die ankommenden Reisenden vermietete. Einige Worte wurden gewechselt, einige Münzen überreicht und eine viertel Hora später trabten einige tief braun gebrannte Sklaven mit einer Ebenholzfarbenen Sänfte wieder in Richtung der Taberna am Hafenbecken, die zu der gehobeneren Sorte gehörte, gerade auf hoch stehende Reisenden ausgerichtet war und den Namen 'Zum goldenen Neptun' trug. Die dunkelblauen Vorhänge der Sänfte flatterten ein wenig, als die Sänfte vor der Tür auf die Pflastersteine herunter gelassen wurden. Hannibal wies die Sklaven an, dort zu warten und suchte die kleine Reisegesellschaft auf. Stumm deutete er den Sklaven, das Gepäck zu verladen und wandte sich dann, schon etwas weniger grünlich im Gesicht, aber immer noch mit einer ungesunden Farbe, an die Patrizierin. Vollendet verbeugte er sich vor ihr, derartige Gesten wurden ihm schließlich in die Wiege gelegt. „Domina, die Sänfte steht zur Weiterreise bereit.“

  • Es stank. Es stankt entsetzlich nach Fisch und elendigem Pöbel. Die Patrizierin rümpfte die Nase. Ihrer Meinung nach war Ostia ein dreckiges Loch, dementsprechend war dann auch ihre Laune. Langsam blickte sie auf den Hafen. Emsiges Treiben von Händlern und Bettlern, von Reisenden und Einwohnern machte aus dem Schiffanlegeplatz einen gefährlichen Sumpf. Zumindest ihrer Ansicht nach. Gut unter einem schwarzen Umhang mit Kapuze versteckt konnte sie niemand erkennen.
    Minervina ging vom Schiff, umringt von Leibwächtern und Sklaven, die die Patrizierin vom gemeinen Pöbel abschirmten. Die Traube entfernte sich langsam vom Schiff und führte sie in eine Taberna. Es war ein graus. Auch wenn diese einen Gewissen höheren Standart hatte als andere ihrer Art, war es noch lange nicht genug. "Zum goldenen Neptun" würde nie mehr ihr Gesicht sehen. Wortkarg wollte sie lediglich ein wenig stark verdünnten Wein. Einer der Sklaven bezahlte den Wirt und dann kam auch schon Hannibal. Seine Art gefiel ihr. Die Sänfte nicht. Aber langsam war es ihr egal wie sie denn nach Rom kam. Gut. Lasst uns keine Zeit verlieren Ein letzter Blick auf das Meer, ein letzter Blick auf den Hafen und sie verschwand in der Sänfte.

  • Die Seefahrt war erneut ein Graus gewesen. Obgleich die Dame Minervina diesmal an Bord des Schiffes war, so gab es kaum etwas zu tun, denn sie zog vor die Stunden in Einsamkeit zu verbringen und nur zum Bringen des Mahles duldete sie Sciurus' Anwesenheit. So suchte sich auch Sciurus wieder ein Fleckchen an Deck, wo ihn niemand störte und er die meiste Zeit für sich war, jedoch einen guten Ausblick auf das Speiloch hatte - denn Hannibals Opferungen an die Seegötter zu zählen war eine der wenigen Beschäftigungen, die noch blieben.


    Endlich in Ostia blieb es an Sciurus, die Dame bei Laune zu halten, was mehr als schwierig war. An allem und jedem hatte sie etwas auszusetzen, ihr Gesichtsausdruck glich einer einzigen Missbilligung. Wie Sciurus' Herr gar immer den Anschein gab, als wäre das Leben eine einzige Last, so gab seine Schwester immer den Anschein, als wäre das Leben ein einziges Ärgernis, mit dem Unterschied, dass Gracchus die Ursachen in sich selbst suchte, Minervina diese dagegen nur in ihrer Umgebung sah. Obgleich sein Herr durchaus in einigen Belangen mehr als weibisch war, so schätzte sich Sciurus doch froh, dass er einem Patrizier und keiner Patrizierin diente. Es war weitaus besser einem verweichlichten, weinerlichen und stets von seiner Nichtigkeit überzeugten Herrn zu dienen, als einer Frau, die sich für die Krone der Schöpfung hielt und dazu die Macht besaß, dies ihre Umgebung spüren zu lassen. Nichts von diesen Überlegungen spiegelte sich jedoch auf Sciurus' Gesicht oder in seinen Handlungen wieder, doch er war froh, als die Dame endlich in der Sänfte verschwand und sie zur letzten Etappe ihrer Reise aufbrachen. Wenn sie Glück hatten - und dies war ob der Dringlichkeit, welche die Herrin forderte durchaus wahrscheinlich - würde Minervina bis zur Villa Flavia nicht mehr ihren Kopf aus der Sänfte herausstrecken.


    Der Tross setzte sich in Bewegung in Richtung der ewigen Stadt.

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