• Timokrates holt tief Luft. Dann fängt er an, zu reden, pathetisch und blumig, so als hätte er es schon dutzende Male gesagt:


    "Als ich nach Alexandria kam, war ich ein Fremder hier, nur eine weitere Nummer in der großen Zahl der Fremden, die tagtäglich die Schiffe am Hafen verlassen um hier ihr Glück und eine neue Heimat zu finden. Und ich habe mich in der Stadt umgesehen, mit den Augen eines Fremden, unvoreingenommen habe ich die Stadt und ihre Bewohner beobachtet.


    Und mir hat diese Stadt gefallen. Mir gefällt sie immer noch. Sie ist die schönste und großartigste und bunteste Stadt, die ich jemals in meinem Leben gesehen habe.


    Aber ich habe auch die Kehrseiten gesehen: Die drückende Armut und den Hass zwischen den Völkern. Freie Bürger haben kaum eine Möglichkeit, ihr täglich Brot zu kaufen und begeben sich in die Schuldknechtschaft der Reichen. Und von allen Seiten wächst der Hass. Jüdische und Ägyptische Fanatiker wollen die Griechen aus der Stadt verjagen. Und ich habe mich gefragt, was der Grund dafür zu sein scheint.


    Dann habe ich die öffentlichen Plätze besucht, die Agora, das Gymnasion, das Theater. Ich habe mit vielen mächtigen, reichen und einflussreichen Männern geredet, mit Großhändlern, Magistraten und Demagogen. Und dort ist mir aufgefallen, wo das Problem dieser Stadt liegt: Alexandria wird seit Jahrzehnten von ein paar wenigen alten und selbstgefälligen Familien regiert, Familien, die sich einen Dreck um das Volk scheren und damit beschäftigt sind auf ihren Landsitzen weitab der Stadt zu sitzen und sich den Bauch vollzuschlagen. Ihre Politik besteht darin, die eigenen Pfründe zu sichern und Intrigen zu spinnen um ihren Reichtum zu vergrößern. Das Herz der Stadt ist faul."


    Dann fügt er ausdrücklich hinzu:


    "Die Krateiden sind eine dieser Familien."


    Er fährt fort:


    "Deshalb habe ich beschlossen, in die Politik zu gehen. Diese Stadt braucht einen Führungswechsel, einen neuen Frühling. Die alte und korrupte Elite hat versagt, wir brauchen fähige Männer und vor allem Männer mit Idealen, Männer, die anpacken und diese Stadt zu dem machen wollen, was sie einst war."

  • Leonidas stutzte. Sein Großvater war ebenfalls in der Politik tätig gewesen, sein Vater hatte gerade einmal die unterste Stufe bekleidet. Genaugenommen waren sie auch eine dieser faulen Familien gewesen - nur hatten sie ihren Einfluss nicht halten können. Die Krateiden hatten es...und das war das Problem.


    Allerdings sah Leonidas darin keinen Grund, den Mann nicht zu unterstützen, solange er half, die Krateiden loszuwerden. Und wer wusste schon, vielleicht sprang auch etwas für ihn dabei heraus...vielleicht konnte er seine Familie wieder dorthin bringen, wo sie einst gewesen war!


    Trotzdem schüttelte er etwas traurig den Kopf.


    "Bei allem Respekt vor dieser idealistischen Weltsicht, Timokrates - aber das wird den großen Demagogen nicht unbedingt gefallen. Und denen gehören sehr viele Stimmen...eine drückende Mehrheit genaugenommen.


    Ohne sie wirst du während der Ekklesia kaum irgendwohin kommen als in die letzte Reihe im Theatron. Ihre Politik ist verdorben, aber trotz allem erfolgreich.


    Mein Rat: Suche Dir ein erfolgversprechendes Wahlbündnis, mit dem ein oder anderen dieser Oligarchen..."

  • Timokrates grinst nur gewinnend. Timokrates hat beschlossen, sich als Stimme des einfachen Volkes aufzuspielen, denn ein Bein in der Türe der großen Familien konnte er als Lybier kaum erwarten. Bei den einfachen Händlern, Handwerkern und Tagelöhnern war die Sache schon anders. Also spielt Timokrates seine Rolle.


    "Ich bin mir dessen durchaus bewusst, dass die großen Familien das Geld haben, um sich die Stimmen der Wähler zu kaufen, aber was die können, kann ich schon lange.


    Aber ich bin mir auch dessen bewusst, dass ich es allein kaum schaffen werde. Ich werde wohl auf die Unterstützung einer der traditionellen Familien angewiesen sein. Hast du eine Ahnung, an welche ich mich da wenden könnte...?"

  • Eine traditionell erfolgreiche Familie, die sich mit einem dahergelaufenen Lybier verbünden würde...schwierige Frage...
    Eine ganze Zeit lang musste Leonidas überlegen. Am besten jemand, den er gut kannte...Aristophanes? Aber der würde seine Stimmen sicherlich nicht für einen Fremden geben...


    "Aristophanes ist ein alter Freund von mir. Vielleicht könnten wir ihn gewinnen."


    Wir? Hatte er da gerade "wir" gesagt? Wollte er denn auch in die große Politik? Hatte er überhaupt genügend "Hintergrund"? Nunja, Aristophanes war ein guter Freund, der konnte die eine oder andere Stimme bieten. Und Timokrates schien als Händler erfolgreich zu sein...fehlte nur noch etwas finanzielles...aber die Unwägbarkeiten...Nein!


    Plötzlich hatte Leonidas das Gefühl, als hätte sein Vater dieses "Nein!" gesprochen, als hätte er ihm befohlen, seine Chancen zu nutzen.


    "Was hältst du davon, wenn wir ein Dreiergespann machen? Du, Aristophanes, ich?


    Ich weiß gerade nicht, ob Aristophanes selbst politisch ambitioniert ist, aber wenn ich selbst zur Wahl stehe und mit dir zusammenarbeite, könnte er freigiebiger sein..."

  • Timokrates grinst wie ein Fischer, der den lang ersehnten Fisch an seinen Angelhaken hat: "Na wenn dieser Aristophanes ebenso redegewandt ist wie sein ehrbarer Namensvetter aus Athen, dann sollte dem nichts im Wege stehen. Gründen wir also ein Wahlbündnis!"


    Timokrates spuckt sich in die Hand und reicht sie Leonidas, eine uralte Geste des Handelsgewerbes zum Vertragsabschluss. Wirklich, als Außenstehender könnte man durchaus den Eindruck kriegen, Timokrates sei entweder naiv oder nicht ganz dicht. In seinem Kopf rattert es derweil wieder gehörig. Jetzt geht es um die Planung im Vorfeld. Er hat da schon einige Ideen aber wartet erst einmal, was Leonidas noch zu sagen hat.

  • Leonidas tat es dem Kyrener gleich, spuckte in die Hand und ergriff die des anderen. Auf diese Weise hatte er noch keinen Vertrag besiegelt, was aber wohl daran lag, dass er kein richtiger Händler war.


    "Sehr gut. Dann muss ich dich wohl doch auf ein späteres Treffen im Gymnasion vertrösten. Ich muss mit Aristophanes sprechen - oder besser wir beide. Oder was meinst du?"


    Leonidas hatte selbst noch nie Wahlkampf für sich geführt, folglich konnte er auch nicht sagen, wie man das ganze am besten anging. Sicher hatte er dem ein oder anderen Freund geholfen, aber da hatte er eine Bitte bekommen und war dieser anschließend nachgekommen.

  • Eigentlich kommt dem Lybier Lenoidas Vorschlag ganz recht. Schließlich hat er auch noch so einiges zu erledigen.


    "Gut, mach das mal lieber. Ich würde vorschlagen, dass du dich erst einmal alleine mit Aristophanes triffst. Wir könnten uns dann heute Abend alle drei in einer der Tavernen beim Pharos treffen um das Weitere zu besprechen. Bei gutem Essen und gutem Wein redet es sich doch viel angenehmer."


    Zumindest hat Timokrates gehört, dass um den Pharos herum die besten und edelsten Lokale der Stadt stehen sollen.

  • Hm, der Pharos...dort war er schon lange nicht mehr gewesen.


    "Gut, dann...bis heute Abend!"


    verabschiedete er sich und machte sich erst einmal auf den Weg nach Hause - denn bevor er zu Aristophanes ging, musste er sich erst einmal gut vorbereiten!

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