• Zitat

    Original von Corax Syphax
    Aber wie konnte es dann außer der Völkerwanderung dazu kommen, dass das römische Reich unter ging?


    Da muss man schon ein wenig differenzieren. Erstens sind Staaten und Gesellschaften nie was festes, das Römische Reich war das auch nicht.


    Zweitens kann man die Geschichte mit dem "Untergang" ein bisschen differenzieren, wenn man bedenkt, dass nur die "Westhälfte" überrannt wurde. Die Osthälfte hielt noch bis ins Jahr 1453 n.Chr. durch und hielt die antike Tradition und Kultur (freilich auch wieder in einigen Abwandlungen) aufrecht. Diese Kontinuität setzte sich übrigens im Bewusstsein der ehemals oströmischen christlichen Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert hinein fort, wo sich die Landbevölkerung in einigen Gegenden Griechenlands immer noch selbst als "Rhomäer" bezeichneten. An orthodoxen Kirchen wird heute noch das römische Banner gehisst. Die türkischen Sultane nannten sich selbst auch noch "Basileos tou Rhomaion", setzten also das römische Kaisertum unter anderer Religion fort.


    Auch im Westen kann man in gewisser Weise sagen, dass die römische Idee noch weiterhin bis ins 19. Jahrhundert in Form des Heiligen Römischen Reiches lebendig war. Die mittelalterlichen und neuzeitlichen römischen Kaiser standen durchaus in der Traditionslinie der antiken Kaiser. Auch die katholische Kirche beruft sich auf die römische Tradition. Gewisse italienische Adelsgeschlechter können ihren Stammbaum nachweislich auf die römische Nobilität zurückführen.


    Man vergisst oft, dass Epochenwechsel von der Historiographie nachträglich gesetzt werden und oft nicht viel mit den Denkweisen der Menschen zu tun haben, die damals lebten.

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Zitat

    Auch im Westen kann man in gewisser Weise sagen, dass die römische Idee noch weiterhin bis ins 19. Jahrhundert in Form des Heiligen Römischen Reiches lebendig war. Die mittelalterlichen und neuzeitlichen römischen Kaiser standen durchaus in der Traditionslinie der antiken Kaiser. Auch die katholische Kirche beruft sich auf die römische Tradition. Gewisse italienische Adelsgeschlechter können ihren Stammbaum nachweislich auf die römische Nobilität zurückführen.


    Aber tatsache ist, dass es eine Rückentwicklung gab. Zum Beispiel hat sicher irgendein griechischer Astronom irgednwas schon vor 2000 Jahren entdeckt, was dann wieder verloren ging. Und dann im Mittelalter hat es wieder jemand entdeckt, der dann sicher behauptet hätte, dass er es als erster endeckt hat, obwohl schon jemand vor ihm das entdeckt hat.
    Deshalb bin ich in der Hinsicht dem Mittelalter etwas fremd gegenüberstehend.
    Das einzige, was mich am Mittelalter immer fasziniert hat, waren die Burgen und die Waffen.

  • In der Vorlesung "Römisches Strafrecht" haben wir mal rumgesponnen, und wir kamen zum Ergebnis, dass das römische Reich, rein rechtlich gesehen, gar nicht untergegangen ist, solange es noch den Vatikanstaat gibt.


    Der Papst war ursprünglich auch Oberhaupt des Dukates von Rom im 6 Jahrhundert, also zur Zeit Justinians, und das ist er eigentlich bis heute noch. Damit ist nachdem Untergang und Eroberung von Byzanz der Vatikansstaat der letzte Rest des Oströmischen Reiches und damit des gesamten Imperiums.


    Auch das Papstamt an sich, das Pontifikat (pontifex maximus), ist ja die direkt Linie zu den römischen Kaisern.

  • Zitat

    Original von Marcus Decimus Mattiacus
    In der Vorlesung "Römisches Strafrecht" haben wir mal rumgesponnen, und wir kamen zum Ergebnis, dass das römische Reich, rein rechtlich gesehen, gar nicht untergegangen ist, solange es noch den Vatikanstaat gibt.


    Der Papst war ursprünglich auch Oberhaupt des Dukates von Rom im 6 Jahrhundert, also zur Zeit Justinians, und das ist er eigentlich bis heute noch. Damit ist nachdem Untergang und Eroberung von Byzanz der Vatikansstaat der letzte Rest des Oströmischen Reiches und damit des gesamten Imperiums.


    Auch das Papstamt an sich, das Pontifikat (pontifex maximus), ist ja die direkt Linie zu den römischen Kaisern.


    Aber da hat die Kirche auch viel rumgeschummelt. Die Legitimation des Papstes als Stellvertreter Gottes auf Erden kam niemals von einem rechtmäßigen römischen Kaiser sondern ist ein eigenes Konstrukt, das der östliche Kaiser sogar überhaupt nicht ab konnte und der westliche auch lieber nicht gehabt hätte. Nur dummerweise hatte die Kirche damals das Meinungsmonopol inne.


    Allerdings: Wenn man sich überlegt: Der Papst wurde im Mittelalter vor der Kardinalsordnung durch den römischen Stadtrat bestimmt und aus seinen Reihen gewählt. Und wenn man weiter denkt: Wer saß damals im römischen Stadtrat? Richtig! Die Nachkommen jener Familien, die schon in römischer Zeit im Senat saßen. ;)

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Die Legitimation des Papstes ist ja auch eher ne ganz andere, mehr theologische als rechtliche, Geschichte.


    Fest steht aber, dass der Titel Pontifex Maximus und das Pontifikat die, mal juristisch betrachtet, Weiterführung des Amtes aus der Republik ist, dass sich Augustus mit als Legitimation für sein Prinzipat zugelegt hatte und danach die nachfolgenen Kaiser.


    Und mit dem Stadtrat hast du Recht: Den Senat von Rom gab es bis zur Zeit des Dukats von Rom, also auch in der Zeit von Justinian. Bis dahin wählte der Senat auch noch Konsuln.
    Die heutige Konklave ist bestimmt , über ein paar Ecken, eine Weiterentwicklung bzw. Rest des antiken Senats.

  • Oh, sorry, hab zu viel zitiert. Mir gings eigentlich nur um den Satz:


    Zitat

    Auch das Papstamt an sich, das Pontifikat (pontifex maximus), ist ja die direkt Linie zu den römischen Kaisern.


    Im anderen stimm ich dir zu ;)


    @Corax: Ich sehe nirgendwo eine "Rückentwicklung". Nur eine gesellschaftliche Weiterentwicklung in Richtung Aristokratie, Feudalismus und Einheitsreligion, die dazu geführt hat, das Wissen nicht mehr einer breiten Öffentlichkeit zugänglich war sondern nur noch einer kleinen Elite, die dazu nicht einmal mehr Forschung betrieb, sondern nur sammelte und kopierte. Diese Tendenzen kommen aber schon aus der römischen Gesellschaft, aus den Reformen des Diokletian und des Theodosius, die Germanen waren da nur Lehrmeister.
    Und wenn man sich Byzanz und die islamische Welt im Mittelalters anschaut, kann von einen zivilisatorischen Rückfall gar nicht reden.


    /edit: Die Germanen waren natürlich Schüler, nicht Lehrmeister ;)

  • Zitat

    Original von Theodoros Alexandreus
    ... das Wissen nicht mehr einer breiten Öffentlichkeit zugänglich war sondern nur noch einer kleinen Elite, die dazu nicht einmal mehr Forschung betrieb, sondern nur sammelte und kopierte...


    Der (Halb-)Satz tut mir irgendwie weh, daher protestiere ich jetzt mal global und ohne Erwartung eines Widerspruchs, denn:


    Sind wir jetzt net schon ein bissl offtopic?

  • Zitat

    Original von Marcus Vinicius Hungaricus
    Sind wir jetzt net schon ein bissl offtopic?


    *ersten satz mal unkommentiert lass*


    Sind wir das nicht schon lange? ;)

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Zitat

    Original von Corax Syphax
    Also waren die Soldaten ungefähr so gut ausgerüstet wie im frühen Mittelalter.
    Aber wie konnte es dann außer der Völkerwanderung dazu kommen, dass das römische Reich unter ging?


    Soldaten machen nunmal nicht alleine ein Imperium ;). Ich finde es eher faszinierend, daß es Rom geschafft hat solange trotz der geringen Mannstärke es geschafft hat noch so lange zu existieren (Also als es sich so ausgedehnt hatte). 300.000 Mann für eine Grenze von der Nordsee bis zum schwarzen Meer von Kleinasien bis nach Nordafrika sind nicht wirklich viel wie ich finde

  • Das ist viel. Aber sag' hätte es überhaupt keine Möglichkeit gegeben, dass das römische Reich länger gedauert hätte? Ich meine es weiß ja auch jeder, auch die die nicht dieser Meinung sind, dass durch den Untergang vieles veloren gegangen ist. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, dann wären wir jetzt mit unserer Entwicklung sicher einige Jahrzehnte voraus.

  • Zitat

    Original von Corax Syphax
    Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, dann wären wir jetzt mit unserer Entwicklung sicher einige Jahrzehnte voraus.


    Ich glaube nicht. Die römische Kultur funktionierte ganz anders als die unsere funktioniert, auch was die Wissenschaft angeht. Die Griechen kannten auch schon bereits die Prinzipien von Elektrizität, Differentialgetrieben oder Dampfkraft. Trotzdem haben sie diese Erkenntnisse eher dazu genutzt, lustige Spielsachen zu bauen. Wenn es das Römische Reich immer noch geben würde, wäre wahrscheinlich niemals jemand auf die Idee gekommen, so was im großen Stil nutzbringend anzuwenden.


    Außerdem: Erscheint es dir wirklich erstrebenswert, unter einer göttlich legitimierten Militärdiktatur zu leben? Willst du wirklich als quasi rechtsloses Subjekt in einen strengen Kastensystem leben und der Willkür dekadenter Aristokraten ausgesetzt sein?

  • Zitat

    Original von Corax Syphax
    Das ist viel... .


    Wenn du das meinst und damit die Mannsatärke meinst kann ich dir nicht folgen. 300.000 Mann für Tausende von Kilometer Grenze findest du viel? Hmm also irgendwie haben wir da andere Vorstellungen.
    Selbst wenn man da Hilfstruppen und Flotte mitreinrechnet hatte das Imperium erschreckend wenig Truppen an seinen Grenzen und einige truppen waren nichtmal an dieser stationiert.

  • Zitat

    Außerdem: Erscheint es dir wirklich erstrebenswert, unter einer göttlich legitimierten Militärdiktatur zu leben? Willst du wirklich als quasi rechtsloses Subjekt in einen strengen Kastensystem leben und der Willkür dekadenter Aristokraten ausgesetzt sein?


    Nein, natürlich nicht, aber das müsste ja nicht heißen, dass es heute auch noch so weiterlefe wie vor 2000 Jahren. Vielleicht wäre alles so wie heute Demokratie,........aber eben nur um 1000 Jahre mindestens weiterentwickelt.

  • Zitat

    Wenn du das meinst und damit die Mannsatärke meinst kann ich dir nicht folgen. 300.000 Mann für Tausende von Kilometer Grenze findest du viel? Hmm also irgendwie haben wir da andere Vorstellungen.
    Selbst wenn man da Hilfstruppen und Flotte mitreinrechnet hatte das Imperium erschreckend wenig Truppen an seinen Grenzen und einige truppen waren nichtmal an dieser stationiert.


    Ach so, für eine Grenze von Tausenden von Kilometern sit es viel zu wenig, du hast recht. Wieso rekrutierten sie dann nicht mehr Soldaten oder forderten die Familien auf mehr Kinder zu zeugen, damit die Bevölkerung stieg, und damit auch das Heer. Große Angst um Krankheiten mussten sie ja nciht haben, sie hatten ja die Kanalisation. Im Mittelalter gab es keine Kanalisation, also wiedermal eine Rückentwicklung.

  • So, mein definitiv letzter Senf dazu:


    1. Geschichte ist nicht Civilization VI. Es gibt in echt keinen Forschungsstammbaum. Für Ansichten, die sowas annehmen gibt es übrigens einen Fachbegriff Evolutionismus, der zurecht für ein sehr eingeschränktes und chauvinistisches Welt- und Menschenbild steht.


    2.

    Zitat

    Original von Corax Syphax
    Wieso rekrutierten sie dann nicht mehr Soldaten oder forderten die Familien auf mehr Kinder zu zeugen, damit die Bevölkerung stieg, und damit auch das Heer. Große Angst um Krankheiten mussten sie ja nciht haben, sie hatten ja die Kanalisation.


    Meinst du das eigentlich noch ernst? Denk mal ein bisschen nach, vielleicht kommt dir die Erkenntnis ja von selbst. ;)


    3. @ Germanicus: Schließ mich deiner Forderung an. (Das mit dem Thread teilen und nicht mit der Germanenseele natürlich :D)




    /edit: Link geändert

  • Ja, ich versuche zu überlegen, wie man das römische Reich hätte retten können.
    Und wie sonst hätte man mehr Soldaten rekrutieren können, ich meine 300.000 ist für eine Grenze eines solchen Reiches viel zu wenig?!

  • Zitat

    Original von Corax Syphax
    Ja, ich versuche zu überlegen, wie man das römische Reich hätte retten können.
    Und wie sonst hätte man mehr Soldaten rekrutieren können, ich meine 300.000 ist für eine Grenze eines solchen Reiches viel zu wenig?!


    Kommst ein paar Jahre zu spät... :D Reiche kommen und gehen. So wird das wohl auch noch eine weile bleiben. ;)

  • Das römische Reich wurde im 2. und noch mehr im 3. nachchristlichen Jahrhundert vielfach dadurch geschwächt, dass irgendwo in den Provinzen diverse Befehlshaber zu Kaisern ausgerufen wurden. Das Chaos, das danach entstand und der Bürgerkrieg, der zum Teil in den Herzlanden des Reiches entflammte, wurde von Völkern von aussen ausgenutzt. Nur schwer gelang es den römischen Truppen schon damals, die einfallenden Horden zu schlagen.
    Irgendwann kamen dann Nachschubprobleme, denn die Institutionen, die die militärische Sicherheit garantieren sollten, wurden ja auch ständig wieder durcheinander gebracht. Die Folge waren relativ brüchige Bündnisse mit Völkern, die an den Grenzen lebten. Auch das war sicherlich nicht das Beste für das Reich.

    Ich bin sicher das römische Reich hätte etwas länger durchgehalten hätte es einen oder mehrere Herscher gehabt, die so umsichtig und vorsichtig wie z.B. Augustus regiert hätten. Stattdessen wurde es durch Machtgier und Arroganz langsam aber sicher immer mehr geschwächt. Die ständigen Kämpfe gegen Hunne, Goten, Vandalen und andere Völker zermürbten es zusätzlich.


    Die Holzköpfe, die dann im 5. Jahrhundert an der Macht waren, hatten einfach nicht mehr die Truppenstärke um irgendetwas auszurichten. Der Anteil der Soldaten nichtrömischer Herkunft wuchs und wuchs immer weiter. Rom hatte spätestens zu diesem Zeitpunkt praktisch schon sein Gesicht verloren und sich gewandelt. Es war auch nicht mehr das Italien der Römer sondern das vieler Völker. Schließlich wurde dann ja auch der letzte weströmische Kaiser einfach so vom Oberbefehlshaber seiner Truppen abgesetzt...


    Fazit:
    Das römische Reich war stark und mächtig und relativ geeint bis ins frühe 3. Jahrhundert. Danach begann ein Zersetzungsprozess, der es innerhalb von 250 Jahren zerstörte. Dabei waren Faktoren von innen und aussen im Spiel, denen es in ihrer Summe nicht standhalten konnte.




    Stimmt doch so in etwa hm ? ;)



    Gruß,
    Lucius

  • Genau. Der Zersetzungsprozess des römischen Reiches ging bereits von innen heraus aus. Die Germanenzüge waren nur noch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte.


    Trotzdem will ich noch mal ergänzen, dass der Zusammenbruch nur für den Westen galt. Im Osten schaffte es das Reich, noch ein ganzes Jahrtausend weiter zu existieren.

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

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