Atrium - Tiberius Flaccus stattet einen Besuch ab

  • Das Atrium bot in diesen Tagen einen hübschen Blick. Das Licht durchflutete den Raum durch das obligatorische Loch in der Decke, das Wasser im Springbrunnen sprudelte, hübsch zusammengesteckte Blumen fand man auf jedem kleinen Tisch, kurz: das Atrium lud zum Verweilen ein.


    Hierher führte der Ianitor den Besucher und bot ihm einen Platz an.


    Bitte wartet einen Moment, ich gebe dem Hausherrn Bescheid.

  • Das Atrium hatte nun eine wieder akzeptable Form angenommen. Die Arbeiten am Haus, die seine Schwester nach Einzug hatte vornehmen lassen, waren offensichtlich zu einem Ende gekommen. Es war keine Domus Tiberia, aber ein Haus von nobilitärem Aussehen.
    Flaccus nickte dem Sklaven zu und wartete, das Atrium betrachtend, auf den Herrn des Hauses.

  • Der Gast musste allerdings etwas warten. Der Ianitor, der dumme Sklave, hatte natürlich vergessen zu fragen, wer überhaupt zu Hungi wollte. Auf dieses Versäumnis hin hatte der Hausherr den Sklaven zu 3 Peitschenhieben verdonnert, so daß ein solcher Lapsus wohl nicht mehr vorkommen sollte. Gleich darauf ließ Hungi seinen Leibsklaven rufen, der ihm beim Anziehen helfen sollte, war Hungi - wie immer, wenn er zuhause war - nur mit seiner Tunika bekleidet, nebst Leibwäsche natürlich. Und diese gesamte Prozedur dauerte natürlich seine kleine Weile. Dann aber hatte er seine synthesis am Leib und war in der Verfassung, sich dem Besucher zu zeigen.


    Tiberius Flaccus. rief er aus. Schwager, mit deinem Erscheinen habe ich überhaupt nicht gerechnet. Du hast dich ja lange nicht blicken lassen. begrüßte Hungi den Bruder seiner Frau herzlich.

  • Flaccus hatte sich die Zeit im Atrium recht gut vetreiben können. Der Tiberier hatte hier schließlich die Möglichkeit, die neuesten architektonischen Geflogenheiten genauer zu betrachten. Waren die Haustypen doch auch alle gleich, so ließen die Baumeister stets neue Einfälle in ihre Planungen mit einfließen.
    Als der Hausherr dann erschien, wandte sich Flaccus mit einer grüßenden Geste an ihn.
    Vinicius Hungaricus, sei auch du mir gegrüßt! Ja, der Aufenthalt in Achaia dauerte länger, als ich ihn geplant hatte, und auch nach meiner Rückkehr lief Vieles anders als gedacht. Ich zog nach Misenum, bin dort Mitglied der munizipalen Kurie und auch in der Curia Italica. Jetzt, da ich wegen eben jener Sitzungen in Rom weilte, wollte ich mir diesen Besuch nicht mehr nehmen lassen.
    Wie ich sehe, hast du die Bauarbeiten an deinem Haus abschließen können. Du beweist einen feinen Geschmack.

  • Wie um sich selber zu überzeugen, sah sich Hungi um und nickte zu den Worten seines Schwagers.


    Ich danke dir, doch das Lob gebührt zum größten Teil Livia. Meine Pflichten machten es mir unmöglich, der Renovierung meines Hauses die größtmögliche Aufmerksamkeit zuteil werden zu lassen. Aber setz dich doch. Du möchtest sicher etwas Wein? Er bot dem Tiberier einen Platz an, setzte sich zugleich selber und winkte danach einem Sklaven.


    Ich habe von deiner Berufung in die Curia gehört, ich gratuliere nachträglich. Doch das letzte Mal, als ich dort war, hörte ich von einem Gesetzesentwurf, die die Curia abschaffen sollte. Hat sich diesbezüglich etwas ergeben?

  • Flaccus nahm den dargebotenen Platz an und setzte sich.
    Einen Becher Wein werde ich sicherlich nicht ablehnen.
    Ich danke dir für deine Gratulation, jedoch bedeutete es keine Mühe, den Sitz für Misenum zu bekommen, wählt man doch für die Stadt gern Männer, die ein gewisses Vermögen mitbringen.
    In der Kurie hat man nichts zustande gebracht. Du selbst hast erlebt, wie man dort diskutierte. Das Gesetz fand bei manchem große Ablehnung, nicht, weil es in dessen Augen fehlerhaft war, sondern weil so mancher eine Gefahr darin sah, dass ihm ein Amt abhanden kommen würde, dessen Einnahmen er für sich wollte. Man interessiert sich nicht dafür, dass Gelder an Beamte der Städte fließen, die längst nicht mehr im Amt sind. Die Städte sind zweitrangig, solange man sich nur im Saal der Kurie hervortun kann, um einen Teil der Finanzen Italias sein Eigen nennen zu können. Im Anschluss wird sich vermutlich noch der ein oder andere auf die Rostra stellen, um sein großes Engagement für die Regiones zu propagieren.
    Da ist es kein Wunder, dass so mancher es auch eilig hat, das Amt des Comes für sich zu beanspruchen, obwohl der Kaiser einen ernannte, dessen Amtszeit weder vorüber ist, noch wurde er vom Kaiser seines Amtes wieder enthoben. Auch deshalb kam ich zu dir, denn ich brauche deinen juristischen Rat, da ich diesem Vorhaben der Kurie nicht zustimmen konnte.

    Der Tiberier lehnte sich zurück, sichtlich ergriffen von den desolaten Zuständen und Verhaltensformen in der Kurie.

  • In der Zwischenzeit hatte der Sklave etwas Wasser und Wein sowie zwei Becher gebracht, schenkte den Herrschaften ein und reichte ihnen die Becher, bevor er sich wieder dezent zurückzog.


    Hungi hatte in der Zwischenzeit seinem Schwager gelauscht und je mehr er hörte, desto stärker runzelte sich seine Stirn. Er hatte schon geahnt, daß der neue Gesetzesvorschlag nur schwer Zustimmung finden würde. Und die Geschichte mit dem Comes war auch nicht von schlechten Eltern.


    Ein Affront gegen den Kaiser zweifelsohne. Er schüttelte den Kopf, ohne Verständnis für diese Situation. Mit welcher Begründung haben sie den neuen Comes gewählt?

  • Flaccus nahm sich einen Schluck des Weines und hörte sich die Frage des Hungaricus an.
    Sie wählten ihn mit einer Begründung, die mein vollstes Einverständnis gehabt hätte, jedoch nicht die Vorgehensweise.
    Da man einstmals keinen Comes fand, ernannte der Kaiser selbst Aurelius Cicero zu jenem. Dieser, und das ist wahr, ergriff offenbar die Flucht aus Rom und kam seinem Amt nicht nach. Doch anstatt den Kaiser zu informieren, ihn darum zu ersuchen den Mann des Amtes zu entheben um ordentliche Wahlen durchführen zu können, handelte man eigenmächtig und stellte, während der laufenden Amtszeit, einen anderen Comes auf, ohne den Kaiser zu unterrichten. Man nutzte die Geschäftigkeit des Augustus schamlos aus. Die Begründung war also, dass man eine schnelle Handlungsfähigkeit der Kurie wollte, doch hat nach den Gesetzen und der Geschäftsordnung der Comes keinen wirklichen Einfluss auf das Geschehen der Kurie, so dass es mir als Vorwandt erscheint.

    Während Flaccus es seinem Verwandten erzählte, bemerkte er selbst wieder die unglaubliche Verfrorenheit dieses Unternehmens. Doch trotz allen Ärgers über diese neuen "Sitten" versuchte er stoische Würde zu wahren und äußerliche Gefühlsregungen zu unterdrücken.

  • Dunkel konnte sich Hungi an den Aurelier erinnern, vor allem deswegen weil, wie sein Schwager schon sagte, Aurelius nicht gerade durch Anwesenheit glänzte. Hätten die Curienmitglieder das neue Gesetz beschlossen, dann wäre jetzt dieses Problem der Ernennung des neuen Comes erst gar nicht aufgetaucht. Allerdings hatte Hungi schon eine politisch intelligentere Lösung erwartet. Eine bemerkenswerte Situation.


    Und was gedenkst du nun zu tun?

  • Er setzte den Becher wieder auf dem kleinen Beistelltisch ab.
    Der Kaiser wurde bewusst über nichts informiert, denn ich selbst wies auf eine Benachrichtigung hin. Man setzte Aurelius Cicero auch nicht ab, sondern ernannte, ohne das Wissen des Kaisers, quasi einen Gegen-Comes zum bereits ernannten. Ich will, wenn es für derartiges Vergehen eine Rechtsformel gibt, dagegen angehen. Dazu wäre ich entschlossen, denn macht so ein Beispiel Schule, wäre es wohl nicht das letzte Vorgehen solcher Art.
    Zum Zeitpunkt des Gesprächs konnte Flaccus noch nicht wissen, mit welchen weiteren Unglaublichkeiten die Verschwörer in der Kurie vorgehen würden.

  • Auch Hungi hatte selbstverständlich keine Ahnung von den weiteren Geschehnissen in der Kurie und selbst wenn, dann hätte er sie nur als letztes Aufbäumen von einer mittlerweile überflüssigen Institution gehalten.


    Verständlich. antwortete Hungi zunächst. Doch ob es eine Rechtsformel gibt, kann ich dir aus dem Stand nicht sagen, leider habe ich nicht alle Gesetze im Kopf. Das heißt bis auf den einen hübschen Paragraphen, in welchem steht, daß die Anweisungen des Kaisers allgemein bindend sind. Ob es noch anderes gibt, weiß ich ad hoc wirklich nicht. Aber dein Bericht hat mir wieder einmal gezeigt, wie unsinnig eine Provinzkurie in Italia ist. Ich werde mich im Senat für die Gesetzesänderung aussprechen.

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