So liebevoll und sanft wie er zu ihr war, wäre Epicharis nie im Leben auf die Idee gekommen, dass Aristides ein regelmäßiger Lupanargänger war. Sie gab sich große Mühe, nicht nochmals in Tränen auszubrechen, als er sie zum wirklich letzten Mal koste und ihr wie einem traurigen Kind versicherte, dass er heil zurückkommen würde. Der Gedanke an ein Kind ließ sie sich verwundert fragen, ob denn aus Arisitdes' Familie niemand zugegen war, und wie auf ein geheimes Zeichen hin gewahrte auch sie eine Sklavin, die auch Marcus zu kennen schien. "Ich hoffe es", flüsterte sie mit zittriger Stimme und schloss die Augen, um sich sanft küssen zu lassen.
Kurz darauf war Aristides im Gewimmel verschwunden und Epicharis und Kassandra blieben allein zurück. Die Tränen rollten nun doch, allerdings kam nicht ein Laut über die Lippen der jungen Frau. Sie riss sich zusammen, ließ sich mit einer unwirschen Geste erneut das Tuch reichen und trocknete die salzigen Perlen, die nun immer zahlreicher zu Tage kamen. "Oh Kassandra" klagte Epicharis. "Ich habe ein so schrecklich ungutes Gefühl bei dieser ganzen Angelegenheit! Gewiss werde ich ihn niemals wiedersehen und als alte, unansehnliche und kinderlose Jungfer sterben!" Epicharis warf Kassandra einen vorwurfsvollen Blick zu und seufzte tief. Erst eine Weile später setzte sie sich erneut in Bewegung, strebte der Menschenmasse und anschließend Hafenmauer zu. Medeia würde weiter oben warten, an der Sänfte, so hatten sie es abgesprochen.
Epicharis und Kassandra brauchten eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich bei Medeia angekommen waren. Zusammen betrachteten sie das Gewühl, in dem ein einzelner Centurionenkopfschmuck gar nicht ins Auge stach, da es derer so viele gab, wie Epicharis enttäuscht feststellen musste. Sie würden hierbleiben, bis die Schiffe ablegten, und wer wusste, ob sie hier oben auf dem Hügel vielleicht besser zu sehen waren als dort unten, in der Nähe des Kais. "Großer Neptun, geleite die Schiffe sicher in parthische Gefilde" flüsterte Epicharis und umklammerte das feuchte Tuch beschwörerisch.
Macht doch nichts, Plautius