Ein Unterrichtsraum für zwei Discipulae

  • Unterrichtsraum für Octavia Severa und Aelia Claudiana Dolabella


    Der karg eingerichtete Raum gibt wenig Möglichkeiten, etwas anderes zu betrachten als saubere, weiß gekalkte Wände, ein kleines Fenster zu einem hinteren Teil eines anderen Tempels hin und den aufgestellten Tischen und Bänken - gerade als wollte man vermeiden, dass die Gedanken und die Phantasie der jungen Schülerinnen auf die Reise gingen.
    Grundsätzlich riecht es hier auch etwas verstaubt, man merkt dem Raum selbst auf jeden Fall an, dass hier einstmals das officium eines inzwischen verstorbenen Marspriesters eingerichtet war, welches längere Zeit nicht angetastet worden war - die ideale, wenig anregende Atmosphäre für Unterricht also.

  • Dolabella trat in den Raum und sah sich flüchtig um. Sie hatte den Weg hierher zwanghaft überlegt , was er noch meinen könnte und was noch fehlen würde. Bisher war ihr nichts eingefallen. Es war ihr unangenehm, denn Dolabella war ehrgeizig und sie würde lieber mit wissen glänzen als mit nicht wissen, aber dann beruhigte sie sich, sie war ja hier um zu lernen.


    Außer vielleicht Priesterinnen, fällt mir leider nicht ein , was du meinen könntest, vielleicht hilfst du uns noch ein wenig auf die Sprünge?
    Sie sah rüber zu Octavia. Oder würde sie es wissen? Sie schien schon viel weiter zu sein als Dolabella

  • "Nun, es ist eigentlich ganz einfach, aber wahrscheinlich ist es wieder ein typischer Fall vom sehen der Bäume im Wald, das ist nicht schlimm - setzen wir uns erst einmal, dann werde ich auseinandernehmen, was von euren Ideen brauchbar und was nicht notwendig ist," sagte ich freundlich und wies den beiden discipulae die Sitzplätze hinter den Tischen, während ich mir einen Stuhl heranrückte und mich zu ihnen setzte.
    "Wenn man unter dem bereits genannten Opferzubehör die Dolche und sonstige Messer einrechnet, fehlen die Schalen für Weihrauch und alle Opferungen von wohlriechenden Hölzern und Rauchwerk - vielleicht neben einem Altar einer der wichtigsten Einrichtungsgegenstände in einem Tempel. Aber ich gebe zu, es war missverständlich gefragt."


    Ich lehnte mich bequem zurück, überlegte kurz, was bereits gesagt worden war, und reckte mich dann, die beiden jungen Frauen eingehend anblickend:
    "Eine Götterstatue, ein Altar, Waschbecken oder eine Quelle zur Reinigung, Priester, Opferzubehör und Verwaltungsräume, Blumen, Kerzen und ein Beichtraum waren genannt worden. Die Götterstatue brauchen wir in jedem Fall, und geweiht sollte sie auch sein, der Altar steht ebenso außer Frage, aber ein Wasserbecken zur Reinigung brauchen wir nicht unbedingt, ein kleiner Tempel kommt auch ohne dergleichen aus. Priester - nungut, die braucht es auch, aber als Einrichtungsgegenstand werden wir allgemein nicht gern bezeichnet," hier zwinkerte ich den beiden Frauen vergnügt zu, ".. das Opferzubehör sollte der jeweilige Priester auch selbst besitzen oder beaufsichtigen, Opferdolche liegen nicht einfach so herum. Verwaltungsräume sind für die Verehrung nicht wichtig und man wird sie nur in großen Tempeln wie hier in Roma finden, Blumen, Kerzen sind Beiwerk und ebenso nicht zwingend nötig - während Göttinnen wie Flora viel Wert auf derlei Schmuck legen, wird Mars weniger damit anfangen können, für die Verehrung notwendig sind sie jedenfalls nicht. Was meintest Du eigentlich mit der Beichte beziehungsweise dem Beichtraum, Claudiana Dolabella?"

  • Ich nahm hinter einem der Tische platz und setzte mich überaus gerade hin. Meine Augen verfolgten den Lehrer sozusagen auf Schritt und Tritt, hatte ich doch den ehrgeizigen Anspruch alles genau zu lernen und in mich aufzunehmen. So schnell es ging wollte ich Venuspriesterin werden und jetzt da mein Vater mir auch die Erlaubnis dazu gegeben hatte, konnte mir das gar nicht schnell genug gehen.
    Als er das Wort an mich richtete , sah ich ihn an und war etwas verlegen. Kannte er denn keinen Beichtstuhl?



    Kennst Du denn keinen Beichtstuhl? Wo die Sünder ihre Laster beichten? fragte ich darum

  • Jetzt musste man mir die Überraschung deutlich angesehen haben, als sie mit derlei Dingen anfing - welche Religion machte denn so etwas? Blinzelnd schüttelte ich den Kopf und meinte gutmütig: "Das ist sicherlich irgendeine Eigenheit sonderbarer Kulte aus dem Osten, aber wir Römer brauchen derlei nicht. Die Götter wissen, was Du tust, wenn Du fehlgest oder Dinge tust, die gegen Moral und Anstand sind, warum solltest Du sie auch noch aussprechen müssen? Du bist allein für Dein Gewissen verantwortlich, und sei Dir sicher, jede schlechte Tat wird ebenso bemerkt werden wie die guten Taten zum Wohle anderer. Wenn es den Göttern gefällt, wirst Du für Dein Handeln bestraft oder belohnt werden, ansonsten solltest Du versuchen, aufrichtig und gut zu handeln."Irgendwer musste ihr seltsame Flausen in den Kopf gesetzt haben, aber dem konnten wir im Unterricht abhelfen, soviel war sicher.


    Sim-Off:

    Nur damit keine Verwirrung entsteht :) Einen Beichtstuhl und das Prinzip des Sünden-Beichtens kennt man im antiken Glaubensverständnis nicht, in sofern lassen wir es am besten einfach dabei, dass Claudiana da irgendwas komisches mal gehört hat, okay?

  • Dolabella war deutlich verlegen und überlegte wo sie das her hatte und ob die Möglichkeit bestand das sie etwas falsch verstanden oder gelesen hatte, wofür sie sich letztlich entschied und Flavius zunickte.


    Ich weiß gar nicht mehr woher ich das habe, sicher hast du recht und ich hhabe da was falsch verstanden . Schliesslich bist du der Erfahrrene und ich die Schülerin beeilte sie sich zu sagen.


    versuchte sie dann abzulenken und tat wißbegierig

  • Severa war bei dieser Unterhaltung nicht dabei, als es um den Beichtstuhl ging. Unterwegs spürte sie, dass sie etwas scharfes in ihrer Sandale hatte und mußte ihren Mentor unterbrechen und fragen, ob sie nachschauen kann, nicht dass sie sich verletzte. Wie erleichtert war Severa, als sie, nachdem sie das Zimmer verließ und sich außen nach einer Sitzmöglichkeit umsah, sich auf eine Bank kurz setzte und ihre Sandale auszog... wir werden hier nicht beschreiben, wieviel Herzen, Augen und andere Körperteile, geschweige von Gedanken einiger Priester jede Bewegung der grünäugigen Severa beobachten und davon träumten, das Leder zu sein, welches ihre feinen kleinen Füsse bedeckte. Severa eilte sich nicht, möglichst schnell ins Unterrichtszimmer zu gehen. Sie stützte auf ihre gestreckten Arme und genoß die Sonne in vollen Zügen. Dann stand sie auf und erschien gerade richtig zu den letzten Worten ihrer neuen Freundin. Verzeiht, in meiner Sandale war ein ganz gemeiner Stein verkrochen. Severa nahm schnell ihren Platz und blickte mit einem völlig unschuldigen Blick zu Aquillius. Habe ich Eure Antwort schon verpasst, ehrenwerter Priester? Ist die Diskussion zu Ende

  • "Nungut, lass Dir aber nicht allzu oft solche Sachen erzählen, discipula Claudiana Dolabella," versuchte ich streng zu klingen, auch wenn es mir wohl im Beisein von Frauen niemals so gelingen würde, wie es mir bei Männern gelang. "Auch wenn unsere Glaubensrituale oft komplex und vielschichtig sind, so sind sie doch zu durchblicken." Dass Octavia Severa nun doch noch den Raum gefunden hatte, in dem der Unterricht fortan stattfinden würde, ließ mich kurz tadelnd die Brauen heben, eine solche Verspätung war einfach indiskutabel, auch wenn sie vielleicht einen guten Grund gehabt haben mochte.
    "Die Diskussion ist noch nicht beendet, und das nächste Mal erscheinst Du pünktlich und zeitnah, Octavia Severa, haben wir uns verstanden? Wir sind vielleicht hier nicht bei der legio, doch ist Pünktlichkeit eine Tugend, die sich auch und vor allem für Frauen aus gutem Hause schickt."


    Damit wandte ich mich beiden wieder zu, glättete ein eigentlich nicht vorhandenes Fältchen an meiner toga und räusperte mich, um den Beginn des neuen Themas angemessen einzuleiten.
    "Wir haben also zusammengestellt, was ein templum alles beinhalten sollte, um auch wahrhaftig als solcher gelten zu können. Kommen wir zu einer kleinen Zusammenfassung aller Feste, die ein Römer im Lauf seines Lebens feiern sollte - überlegt euch, welche Feste besuchen alle Männer und Frauen, wenn sie einigermaßen götterfürchtig sind, welche Rituale sind Teil unseres Lebens?"

  • Ja, Verzeihung! Octavia gab sich kleinlaut, ihre Lippen zitterten ein wenig, als ob sie jetzt weinen würde. Diese schroffen Worten haben sie wirklich gekränkt. Um ihr Gemüt zu beruhigen und wieder sonnenklar zu denken, schwieg sie eine Weile und dann... AMBARVALIA! Octavia lachte laut. Wir, kinder, haben immer die Sau oder das Schaf über die Felder getrieben! Das war ein Spaß!!! Der dumme Lucius ritt das arme Schaf, bis das arme Tier unter seinem Gewicht zusammenbrach. Paganalia ist das Lieblingsfest meiner Mutter. Sie fühlt sich da immer so wichtig und bäckt Kuchen so groß wie ein großgewachsenes Ferkel! Mein Lieblingsfest ist aber Saturnalia. Octavia plapperte plötzlich wie ein Wasserfall und ihre Augen leuchten fröhlich und begeistert. Von ihrer Kränkung gab es keine Spur mehr. Sie schien weder Aquilius noch Dolabella mehr zu bemerken. So vertieft war sie in ihre Erinnerungen.

  • Wehe, wenn sie losgelassen - dieses Sprichwort schien mir im besonderen Maße auf die lebenslustige Octavierin zuzutreffen, zumindest, wenn es nichts gab, was ihrem Redeschwall eine Schranke auferlegt hätte. Einen kurzen Augenblick verirrten sich meine Gedanken in eine Richtung, in der ich ihr nicht nur im Unterricht gern gelauscht hätte, um ein vages Echo dieser übersprudelnden inneren Lebendigkeit zu fühlen, doch die Tatsache, hier als Lehrer stehen zu müssen, ließ mich diesen Gedanken schnell begraben.
    "Erzählst Du uns, wieso Du die Saturnalia besonders gern magst, Octavia Severa? Das sind bisher jedenfalls gute Beispiele, doch wollen wir nun auch noch einige Festivitäten nennen, die jeder Römer einmal im Leben erlebt oder erleben sollte - was fällt euch da ein, welche Feiern sind für römische Familien jeder Herkunft besonders wichtig?"
    Besonders Frauentypisch erwartete ich da ein Zweigestirn, auf das sich die Frauen meist besonders freuten, wenngleich Männer diese Art Fest eher über sich ergehen ließen und sie mehr mit viel Alkohol ertrugen - ich mochte es selbst nicht, zu solchen Feiern genötigt zu werden und ein kleiner Teil von mir hoffte wider besseres Wissen, dass mir solches noch eine Weile erspart bliebe.

  • Severa wurde aus ihren Gedanken gerissen. Weil...weil meistens gerade zu diesem Fest sich alle zu Hause versammelten. Besonders, als ich noch ganz klein war. Der Vater brachte mir immer Geschenke und sogar Cato spielte mit mir, um unsere Mutter zufrieden zu stellen. Es ist die Zeit, wo man jedem und alles vergibt, man singt und tanzt und ... Severa errötet und lächelt, einen Blick auf die weiße Toga des Lehrers werfend. Wir durften tun, was wir wollten. Mutter hat nicht einmal geschimpft, wenn ich meine Kleidung im Spiel mit den Kindern unserer Sklaven dreckig machte. Und es gab ein Bad am Anfag des Festes. Mit wohltuenden Kräutern, die das Blut, Seele und das Hirn säuberten. Man legt alles ab, was stört und ist endlich so, wie ihn die Götter geschaffen haben. Es gibt keine ehrlichere und fröhlichere Feier als diese. Plötzlich verwandelt ihr lebhaftes und kesses Gesicht zu einer stolzen Höflichkeit und sie gibt mit gewählten ruhigen Worten ihr bestes Saturnalien beginnt man am 17. Dezember feiern. Das Fest dauert 5 Tage und alle öffnetlichen Einrichtungen sind an diesen Feiertagen geschlossen. Das Fest ist zu Ehren Saturnus, dem Gott der Zeit, er brachte uns Menschen Acker- und Weinanbau und seine Regenschaft gilt als Goldenes Zeitalter. Ich verstehe nur nicht, warum die Götter so grausam zu ihm waren und in Ketten legten. Er hat doch so viel gutes getan... Die Tempel öffnen an diesen Tagen ihre Türen und überall herrscht die freudige Stimmung. Man hilft den Armen und Bedürftigen. Jede gute Tat zählt und bringt uns den Göttern nah, erfreut sie und läßt zu uns Sterblichen nachsichtig erscheinen.
    Severa machte eine Pause und blickte fragend zu Aquilius. Und die persönlichen Riten wie Verlobung, Hochzeit, Begräbnisse, Trauer haben ihre strenge Struktur, die diese Ereignisse unterstützt, in unser Gedächtnis einprägt und aus der Masse anderer kleinen Geschehnisse hervorhebt. Es ist unheimlich wichtig, die vorgeschriebenen Rituale nicht nur selbst einzuhalten, sondern den anderen nahe beizubringen, ihnen ihren tiefen Sinn zu erklären, der vielleicht nicht immer auf den ersten Blick zu sehen ist. Severa wirkte plötzlich unsicher, ob es richtig war, ihre eigenen Gedanken und Empfindungen auszusprechen. Der Blick der großen grünen Katzenaugen bat schon im voraus um entschuldigung, falls sie etwas dummes gesagt haben sollte. Es war von ihr nicht ausgesprochen, doch wie sie zu Dolabella schaute, als ob sie von ihr erwartete, von ihr ausgelacht zu werden, deutete daraufhin, dass sie nicht geschult war, ihre Meinung zu äußern, doch es war zumindest eins positiv daran, dass Severa ihre eigene Meinung hatte.

  • Ihr Eifer, ihre Lieblingsfeste zu erklären, ließ mich einen kurzen Augenblick lang lächeln, und ich lauschte Severas Worten mit Interesse, denn sie verrieten einen halbwegs intakten Familienhintergrund, etwas, was den wenigsten Menschen wirklich vergönnt war.
    "Damit hast Du eine der wichtigsten Aufgaben eines sacerdos schon genannt, Octavia Severa. Denn es ist nicht nur wichtig, die öffentlichen Opfer zu zelebrieren und unseren Pflichten vor dem Volk, dem Staat und den Göttern nachzukommen - nein, ein sacerdos muss vor allem die Hingabe an die Götter und die Wichtigkeit der Opfer und aller damit verbundenen Pflichten anderen vorleben und ihnen damit Anleitung und Inspiration bringen."


    Damit wandte sich mein Blick von Severa ab und galt nun wieder beiden Schülerinnen gleichermaßen, die ich freundlich betrachtete. So jung, und doch voller Eifer, ihre Aufgaben richtig abzuschließen, was wollte man sich mehr wünschen? Nun, was sich ein Mann mehr wünschen könnte - gutaussehende, angenehme Schülerinnen - war ebenso eingetreten.
    "Und da wir diesen Bogen schon elegant geschlagen haben, wollen wir uns gemeinsam überlegen, welche Aufgaben und Pflichten einen sacerdos auszeichnen. Claudiana Dolabella, was meinst Du, welche Aufgaben könnte ein sacerdos noch haben ausser jenen, die wir gerade bereits besprochen haben?"

  • Severa warf einen Blick voller Ermunterung auf Dolabella und nickte ihr freundlich zu. Du weißt doch das. flüsterte sie und senkte ihren Blick mit leichter Röte auf den Wangen unter dem strengen Blick des Mentors. Sie war ungeduldig, ohne Frage, doch sie verstand ihren Fehler und wurde sofort ganz still. Die roten Lippen öffnen sich ein wenig, als ob Severa innerlich die Antwort auf die gestellte Frage vor sich gab.

  • Nachdem Dolabella anscheinend noch eine ganze Weile überlegen musste, um auf die richtige Antwort zu kommen - allem bisher gezeigtem Eifer zum Trotz konnte man auch kaum auf jede Frage eine perfekte Antwort kennen - nickte ich Octavia Severa leicht zu. "Sage Du mir doch, was Du meinst, dass die Aufgaben und Pflichten eines sacerdos seien ... sprich ruhig über bisherige eigene Erfahrungen und über das, was Du Dir vorstellst."
    Immerhin wollte ich mit dieser Einstiegsfrage keine halbe Ewigkeit vertrödeln, wir hatten noch mehr Inhalte des Unterrichts, um die wir uns kümmern mussten. Irgendwann würden diese beiden Frauen im Dienst der Götter und des römischen Volkes stehen, und dann sollte sich niemand über eventuell geringes Wissen beklagen können.

  • Sacredos ist... Ich weiß nicht, aber aus allem, was ich gelesen und beobachtet habe, ist das eine Person, die zwischen dem Menschen und dem Göttlichen eine Verbindung darstellt. Durch Deutungen der Götterzeichen zum Beispiel, durch Gebete, durch Worte, die Götter in sie legen. Vielleicht idealisiere ich diesen Beruf, doch ich denke, es ist eine Berufung. Die Person, die sich entschlossen hat, sacerdos publicus populi Romani Quiritium zu werden, muß es in ihrem Inneren spüren, dass sie diese Entscheidung nicht bereuen wird. Mit Demut und mit Stolz den Göttern und den Menschen gegenüber. Severa errötet plötzlich und duckt sich. Ein schneller Blick zum Mentor sagte mehr als andere Worte. Sie war es nicht gewohnt, ihre wirkliche Meinung offen zu sagen. Nicht das, was in ihre Erziehung und ihre Eltern hören wollten, sondern das, was sie selbst denkt. Zu Sacredos`Aufgaben gehören Verrichtung der heiligen Handlungen und der Opferungen. Zusätzlich sind sie für das gute Verhältnis von Menschen und Göttern zuständig und haben die Aufgabe, den Willen der Götter zu ermitteln. Aber auch den Tempel und Altar in Ehre und Reinheit halten. Der letzte Satz war mit kleiner Prise Ironie gesagt und meinte damit eigentlich ein paar Priester, die es nicht so ernsthaft mit der Sauberkeit hatten.

  • "Natürlich idealisierst Du, aber wo kämen wir in dieser Welt schon ohne eine gute Portion Idealismus hin?" versetzte ich schmunzelnd und blickte Octavia Severa etwas genauer an. "Aber die Berufung selbst, ob nun aus Pragmatismus, innerer Überzeugung oder ähnlichen Grunden gewonnen, ist nicht für die Beantwortung meiner Frage vonnöten. Es ist sicher wünschenswert, wenn ein sacerdos sich am richtigen Ort fühlt, wenn er im Tempel seinen Dienst verrichtet, aber es geht auch ohne dies."
    Ich schritt ein paarmal auf und ab, um die beißenden, ironischen Worte, die ich über den Pflichteifer so einiger meiner Kollegen hätte verlieren können, zu unterdrücken. Besser war es ...


    "Im Zweifelsfall jedoch ist jeder Mensch, jeder römische Bürger, und insbesondere der Kaiser als der wichtigste von uns dafür verantwortlich, dass sich Götter und res publica in einer Einheit bewegen. Wir sacerdotes sind nur Mittler, das Werkzeug, Riten korrekt auszuführen, den Glauben können wir weder erzwingen noch ersetzen. Ob jemand mit Falschheit im Herzen opfert, können wir nicht sehen, das liegt bei den Göttern allein. Überlege Dir, wieviele verschiedene Arten an Priestern es in Rom gibt - welche fallen Dir ein?"
    Diese Frage war wieder eine der einfacheren - wer halbwegs oft an kultischen Handlungen innerhalb der eigenen Familie teilnahm, würde sie gut beantworten können, und ich war mir eigentlich sicher, dass Severa damit nicht viele Schwierigkeiten haben würde, hatte sie sich bisher doch durchaus mit ihrer schnellen Auffassungsgabe hervorgetan.

  • Mit Falschheit im Herzen opfert? Severas Augen wurden traurig. Ich kann es mir nicht vorstellen. Wie kann nur der Mensch so zwielichtig sein! Doch ich denke,ein Priester ist nicht dazu da, solche Menschen zu verurteilen. Oder? Ich würde mich hüten und..ich glaube ich würde es nicht tun können. Severa mit ihrer lebhaften Fantasie stellte dieses Szenario vor ihrem geistigen Auge und war kurz davor in Tränen auszubrechen. Zu wohlbehütet wuchs sie und kannte noch keine bösartigen Seiten des menschlichen Daseins. Bitte..ich brauche ein paar Minuten.. Severa wollte nicht, dass jemand sie in diesem Zustand sieht. Schnell stand sie auf und stürzte aus dem Unterrichtsraum auf die frische Luft. auch so kann man durch ein Wort oder durch einen Satz einem Heranwachsenden die Augen öffnen. Severa überquerte im schnellen Tempo die Parkanlage. Ihre Gedanken waren verwirrt und unordentlich. Plötzlich blieb Severa stehen und blickte zurück zum Gebäude, wo sie ihren Mentor und ihre neue Freundin allein gelassen hat. Warum mache ich mir überhaupt darüber Gedanken? Ich bin nicht für jeden und alle verantwortlich! Sie erinnerte sich an die Worte seines Vaters, dass sie nur für sich selbst die Schuld tragen soll... Vater hat recht! murmelte Severa, drehte sich abrupt und ging zurück zum Unterrichtsraum. Ihre Tränen trockneten sich rasch. Sie stand nun vor der Tür und bekam plötzlich Angst, diese zu öffnen. Die wildesten Ideen durchdringen ihren Kopf. Vor allem jedoch schämte sich Severa abgrundtief für ihren Aufbruch, sie tadelte sich selbst und beschimpfte sich innerlich mit Worten, die sie von den Sklaven hörte. Aus Respekt vor diesem heiligen Ort werden diese Zeilen nicht an dieser Stelle aufgeschrieben, sondern bleiben immer verborgen...

  • Ich war nicht wenig erstaunt, als sich Severa so eilig verabschiedete - was war denn plötzlich in sie gefahren? Wieder einmal wurde mir mit einiger Heftigkeit vor Augen geführt, dass ich von Frauen wohl immer wieder erstaunt werden würde. Aber welcher Mann konnte wirklich verstehen, was im Kopf einer Frau vor sich ging? Blinzelnd blickte ich ihr nach, und tauschte einen kurzen Blick mit Dolabella, dann holte ich tief Luft.
    "Sie wird sicher gleich zurückkehren, machen wir solange Pause. Wir haben jetzt so vieles erörtert, ein bisschen frische Luft wird auch Dir guttun," sagte ich und machte mich dann auf die Suche nach meiner entschwundenen discipula. Dass sie dann direkt vor der Tür stehen würde, die Augen noch ein klein wenig gerötet, als hätte sie geweint oder wäre kurz davor gewesen, hatte ich auch nicht erwartet, aber an manchen Tagen kamen die Überraschungen eben pfundweise.


    "Komm, gehen wir einige Schritte, Severa, und Du erzählst mir, warum Du weggelaufen bist. Es gibt nichts, das Dich so tief bestürzen sollte, dass Du die Einsamkeit suchen musst."
    Für einen kurzen, aber wirklich sehr kurzen Augenblick fühlte ich mich wie der Aufseher der heiligen Gänse, immer hinter dem schnatternden Federvieh herrennend, um dieses dazu zu bewegen, keinen Unfug anzustellen ...

  • Es war nur eine vorübergehende Schwäche. Glaube mir. Doch ich würde gern mit dir etwas besprechen, was mich beschäftigt, wenn du Zeit für mich hast. Die Theorie ist gut und schön, doch deine erste Erzählung über deine Versuche.. Severa wollte ihren Mentor nicht bloßstellen. hat mich zum Entschluß gebracht, dass ich mir mehr praktisches wünsche. Wäre es also möglich, dass ich eine Priesterin oder einen Priester oder gar dich zu einem Opferfest begleite und mitmache? Bitte, es ist mir sehr wichtig. Über ihre Ideale schämte sie sich mit Aquilius zu reden. Nur so kann ich mich selbst überprüfen, ob ich für den Dienst den Göttern geeignet bin. Was nutzt mir all meine Kenntnis, wenn ich feststelle, dass es mir nicht möglich ist, Riten durchzuführen. Ich hoffe, du verstehst mich. Heute fährt mein Vater nach Hispania. Ich würde gern nach Hause gehen und ihm gute Reise wünschen.

  • "Die praktischen Übungen werden auf jeden Fall auch einen Teil des Unterrichts ausmachen, doch will ich euch nicht zu einem Opfer schicken, wenn die Grundlagen noch fehlen - die Fehler, die ihr begehen könntet, würden die Götter erzürnen und ich denke, es gibt einen besseren Beginn der Priesterlaufbahn, als sich den Zorn eines missgelaunten Gottes zuzuziehen, nur weil ein Opfer nicht gut verlaufen ist," versuchte ich beruhigend und ermunternd zugleich zu klingen. Sie sah in diesem Augenblick so zart aus, so verletzlich, dass ich gegen den Drang ankämpfen musste, sie in meinen Arm zu ziehen, um sie zu trösten - der denkbar schlechteste Gedanke, den man in einer solchen Situation, vor allem als ihr Mentor, haben konnte.


    "Nungut, meinetwegen lassen wir den Unterricht heute früher enden. Aber für morgen möchte ich meine Antwort haben - die verschiedenen Arten der Priester dieser Stadt. Denke darüber nach, ich bin mir sicher, Dir fallen welche ein." Damit nickte ich ihr leicht zu und wandte mich in Richtung des Unterrichtsraums zurück, um auch Aelia Claudiana Dolabella von der freudigen Nachricht in Kenntnis zu setzen, dass wir heute früher Schluss machen würden.

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