Artaxata

  • „Schade.“, brummte der Satrap fast ein wenig enttäuscht. Er hatte sich in Gedanken bereits ein lebhaftes Bild von Germanien gemacht, das nun wie Staub in den Händen zerronn. Nunja, auch ein Herrscher konnte wohl nicht alles haben.
    Das Grinsen der Sklaven als Vorfreude fehlinterpretierend, begann auch Parthamasires die Zähne zu blecken.


    „Ich sehe, du bist bereits ungeduldig ob deiner Aufgaben. Nun gut.“
    Mit einem Wink schickte er einen Sklaven fort, um die zukünftige „Lehrmeisterin“ Sontjes zu holen.

  • Von dieser ihr nachgesagten Ungeduldigkeit hatte ie aber nichts gemerkt und war nun etwas verwundert, dass dieser Mann das bei ihr gesehen haben wollte. Allerdings war sie wirklich etwas neugierig was dieser Mann nun für Aufgaben von ihr erfüllt haben wollte. Viel blieb ja eigentlich nicht mehr übrig. Mit mulmigem Gefühl sah sie dem Sklaven hinterher und wartete was nun geschehen würde. Auf diesen vielen Kissen sitzend hatte sie nun nach langer Zeit die Möglichkeit über vieles nachzudenken. Bisher war so viel um sie herum passiert, dass sie daran keinen Gedanken verschwenden konnte...


    "Was wäre denn meine Aufgabe,"


    fragte sie noch einmal leise und vorschtig. Sie wollte das schon langsam wissen...

  • Fast hätte er, ganz unstandesgemäß, freudig zu kichern angefangen. Doch er beherrschte sich und winkte lediglich salopp ab.


    "Geduld, Geduld. Sie wird dir alles zeigen, keine Sorge.", erwiderte er und deutete auf die Sklavin, welche soeben den Raum betreten hatte.
    Die Haare waren unübersehbar gefärbt und ihr Gesicht hätte selbst mit weniger Farbe darauf faltig gewirkt. Nein, sie war keine Schönheit. Vielleicht einmal gewesen, vor vielen, vielen (vielen) Jahren.
    "Nun? Lauf, lauf, Schmetterling, wir sehen uns bald wieder."
    Und wieder zeigte sich ein wölfisches Grinsen.


    Aus den Augenwinkeln entdeckte er allerdings bereits wieder einen seiner Speichelle... einen seiner Berater. Ahura Mazda, nie hatte man seine Ruhe.

  • Die ersten Strahlen der Sonne erreichten die Stadt Artaxata. Es war ein typischer Morgen wie er hier Tag für Tag ablief. Die Menschen standen auf und begannen ihren geschäften nachzugehen ehe die große Hitze über Mittag das Leben lahm legte und am Nachmittag es wieder neu begann. Im Grunde gar nicht so anders als in Roma. Auch hier war es in den heißen Sommermonaten so. Eine von wenigen Gemeinsamkeiten die die beiden Städte verband.


    Doch eine Sache war heute anders als sonst. In der Stadt wimmelte es von vielen Menschen, Männern hauptsächlich, die dem Ruf ihres Heerführers gefolgt waren und sich heute hier sammelten. Am Vormittag wollte man losziehen und sich den Römern entgegenstellen. Auch hier
    war man sich ähnlich. Nur verteidigten die Parther ihr Reich gegen die Invasoren aus Roma.


    Ein jeder Mann, der kriegsfähig war, war dem Ruf gefolgt und noch damit beschäftigt letzte Hand an seine Ausrüstung zu legen. Es wurde alles kontrolliert und kleinere Reperaturen vorgenommen. Zur vereinbarten Zeit war ein jeder bereit den Worten ihres Satraps zu lauschen und ihm dann in den Kampf zu folgen...

  • Bedrohlich, imposant und undurchdringlich war der Eindruck, den der Bürger von Artaxata dieser Tage erhielt, wenn er von den Stadtmauern hinab, auf die „Besucher“ blickte, die vor seiner Stadt Stellung genommen hatten. Nichts schien ihnen entrinnen, nichts sie aufhalten zu können – und dennoch, kaum jemand in der Stadt hatte Angst. Denn sie hatten ihn. Parthamasires, Neffe des Sháh in Sháh, ihr Herrscher. Er würde sie vor den Römern beschützen.
    Seit die Legionen als schwarze Flecken am Horizont erkennbar gewesen waren, hatte der Satrap mit keiner Geste, keinem Wort Zweifel daran gelassen, dass es eine Kleinigkeit sei, diese Söhne einer Wölfin im Wüstenstaub zu zertreten wie die unwürdigen Insekten, die sie waren. Und genau das war es, was der junge Herrscher beabsichtigte. Sicherheit, Zuversicht schaffen. Denn er selbst war sich sicher: Niemand hier war im Stande, einen Angriff abzuwehren. Keinen Tag würden die Mauern Artaxatas standhalten, wenn sich der römische General endlich dazu entschloss, anzugreifen. Doch er schien zu zögern.


    Nein, Parthamasires war kein Feldherr. Doch er war auch kein Dummkopf. Er wusste, eine Panik in der Stadt würde das Unvermeidliche nur beschleunigen. Doch er würde die drei Legionen vor seiner Stadt so lange wie möglich am Weitermarsch hindern. Und sei es nur durch Finten und Tricks.
    Auf eben diese Art und Weise hielt er auch sein Volk bei Laune. So kam es, dass zu später Stunde der gesamte Palast hell erleuchtet war. Ein Fest, nach römischen Maßstäben ein ausuferndes Gelage, wurde gefeiert. Nur wenige, enge Ratgeber des Satrapen flüsterten sich hinter vorgehaltener Hand zu „Er ist verrückt geworden.“. Es laut auszusprechen war jedoch undenkbar. Er musste schließlich einen Plan haben. Irgendetwas.


    Parthamasires lag, umringt von Speichelleckern, lokalen Adligen und tanzenden Sklavinnen (und Sklaven), auf einem Pulk aus bequemen Kissen in jeder denkbaren Farbe. Sämtliche auffindbaren Kerzen und Kandelaber waren hervorgeholt worden und erleuchteten den Palast als wäre es helllichter Tag. Es wurde getrunken, gegessen, gefeiert als gäbe es kein Morgen. Nun, vielleicht gab es das auch tatsächlich nicht.
    „Er ist genial!“, lallte einer der hochrangigen Gäste seinem Nebenmann zu, der jedoch Auge und Ohr auf eine der wohlgestalteten Tänzerinnen gerichtet hatte.
    „Sieh dir das an! Er feiert, während die Römer vor den Toren der Stadt lagern. Er muss wirklich einen ausgefallenen und unnachahmlichen Plan haben! Ahura Mazda sei dank, dass wir ihn haben, ohne Parthamasires wären wir verloren!“
    Und damit sprach er aus, was alle Anwesenden dachte. Alle, bis auf einen. Dieser leerte gerade eines von ungezählten Weingläsern an diesem Abend und grinste zufrieden. Genie hatte man ihn bereits des Öfteren genannt. Zu dumm, dass Genie und Wahnsinn oft so Nahe beieinander lagen.
    „Sieh doch, er lächelt sogar!“, bemerkte ein weiterer Gast und nickte in Parthamasires’ Richtung. Er musste sich seiner Sache wirklich sicher sein.


    „Satrap.“, wandte sich Gotarzes, einer der engsten Vertrauten und militärischer Berater des jungen Herrschers an ihn, „Wollt ihr nicht wenigstens mir euren Plan verraten?“
    Doch Parthamasires lächelte nur hintergründig. Was gab es schon zu verraten? Wie lange er glaubte, diese Verzögerungstaktik noch durchhalten zu können?Wie er sich aus dem Staub machen würde, kaum waren die Tore gefallen? Wie er seinem Onkel, dem Sháh in Sháh das Desaster erklären würde?
    Mit einem weiteren Schluck aus dem frisch gefüllten Glas spülte er diese Gedanken beiseite. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er all diese Pracht hinter sich lassen musste. Bis dahin hatte er sich vorgenommen, es zu genießen.


    Und das tat er. Ohja, noch lange würde man von diesem Gelage sprechen.

  • Ach, diese palatinische Beamtenschaft (und gerade der Teil davon, der dort nur temporär als Schritt der senatorischen Laufbahn steckte) war schon teils echt witzig! Da gab es Situationen, in denen die ihre angeblich ach so wichtige Post an irgendwelche Statthalter am Cursus Publicus vorbei direkt den Praetorianern in die Hände drückten. Und auf der anderen Seite dann wurde der Cursus Publicus nun beauftragt einen Brief über die Imperiumsgrenzen hinaus zu befördern - dorthin, wo nicht in regelmäßigen Abständen Pferdewechselstationen standen; dorthin, wo man sich als einfacher Tabellarius nicht mehr ganz so sicher sein konnte, dass man auch wirklich lebend wieder vom Austragen der Post zurückkehrte; dorthin, wo der Cursus Publicus eigentlich absolut nicht zuständig war! Möchtegernsenatorische Flachzangen!


    Nach langer Reise mit dem Schiff ins cappadocische Trapezus wurde das diplomatische Schreiben aus Rom auf dem Landweg bis zum Legionsstandort Satala transportiert und dort einem peregrinen Tabellarius mit armenischem Migrationshintergrund (hier in der Provinz Cappadocia gab es einige davon) übergeben. Dieser führte anschließend (ja, bei all diesem Aufwand verging sehr viel mehr Zeit als sonst bei den Briefbeförderungen üblich) den Zustellungsauftrag aus und reiste über Carana und Atragira bis nach Artaxata, wo ein Beamter des armenischen Königs die Nachricht auch entgegennahm:


    Ad
    Rex
    Parthamaspates
    Artaxata - Armenia


    An den ehrenwerten König von römischen Gnaden, Parthamaspates


    Wir grüßen unseren treuen Verbündeten mit großer Achtung. Der Kaiser des römischen Reiches blickt mit großem Interesse auf die östliche Region seines Reiches und möchte dir versichern, dass er das freundschaftliche und kooperative Verhältnis zu Armenien wahren möchte. Zu diesem Zwecke würde er gern erfahren, wie es derzeit um dein Königreich bestellt ist. Vor allem sorgt man sich in Rom um die Sicherheit Armeniens vor den Parthern. Diesbezüglich würden wir uns über einen aktuellen Statusbereicht freuen. Wie steht es derzeit an der armenischen Grenze? Wie verhält sich das Partherreich? Gab es in der vergangenen Zeit Spannungen?


    Darüber hinaus ist uns vor allem auch deine eigene gesicherte Position als vertrauter Roms wichtig. Wie steht es derzeit um deinen Rückhalt auf dem Thron? Wie viel Einfluss haben ausländische Mächte innerhalb deines Reiches, hier natürlich im speziellen wieder das Partherreich? Sei dir in jedem Fall sicher, dass sich Rom deiner Sorgen annehmen wird, sollte es dergleichen geben. Einen getreuen Klienten wird Kaiser Cornelius Palma nicht im Stich lassen.


    Wir hoffen, dass eine zeitnahe Antwort erfolgt.



    Vale bene,


    Lucius Tiberius Lepidus
    ~~Quaestor Principis - Administratio Imperatoris~~




    Der Rückweg allerdings verlief weniger leicht: Weil der Fluss Araxes nach starken Niederschlägen in den Bergen über die Ufer getreten war, musste der Tabellarius einen kleinen Umweg über die armenische Stadt Caenepolis machen. Sein Reituntersatz, den zu wechseln hier im nichtrömischen Land der Armenier ja nicht so einfach war, überlebte daraufhin den weiteren Kraftakt nicht und brach einige Meilen vor Carana erschöpft zusammen. Er war auf der Stelle tot. Der restliche Weg des Postboten bis über die rettende Grenze war dann ebenfalls alles andere als ein Honigschlecken: Banditen lagerten hier und dort und raubten ihn nicht nur einmal aus, nachdem sich irgendwie herumsprach, dass er aus dem römischen Imperium kam und ohne seinen schnellen Reituntersatz eine leichte Beute abgab.... Doch letztlich kam der Tabellarius irgendwie mit seinem Leben davon. Klar war jedoch: In der cappadocischen Hauptstadt Caesarea würde der Praefectus Vehiculorum der Provinz noch einen bitterbösen Beschwerdebrief nach Rom schreiben. Dieser verantwortungslose Auftrag vom Palatin sollte noch ein Nachspiel haben!

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