Schiffe aus Ostia

  • Arius befindet sich im Bauch des gewaltigen Schiffes, als dieses endlich an seinem bestimmten Zielort ankommt, in den riesigen Hafen von Alexandria einläuft und an einem der unzähligen Piers festmacht.


    Die Reise erschien ihm endlos und fast jeden zweiten Tag wünschte er sich, von seiner Qual erlöst zu werden. Schon kurz nach Ostia, als das Schiff Italien kaum verlassen hatte, und noch bevor es die Meerenge bei Sizilien durchfuhr, litt er unter der gefürchteten Seekrankheit, entledigte sich seiner Mageninhalte und gab alles wieder in einem schleimigen, übelriechenden Brei zurück, was er zuvor nicht weniger schleimig, aber besser riechend zu sich genommen hatte. Der Sklave, welcher unter den Lenkern und Angehörigen der aurata als Arzt und Amateurchirurg praktizierte, versuchte sein Bestes, stand jedoch nach ein paar Tagen vor dem Scherbenhaufen seiner Künste. Arius kotzte weiter. Arius ließ sich nicht mehr auf die Beine bringen, bekam ein schweres Fieber und kämpfte als das Schiff vor der Küste Afrikas kreuzte mit dem Tode. Für einen Moment dachte die Reisegesellschaft darüber nach, den auriga in einem der kleineren Häfen auf der Route einfach an Land zu setzen, dort einem Arzt zu übergeben und dann alleine weiterzureisen. Doch Arius - sonst kaum zurechnungsfähig - nahm in diesem Moment all seine Geisteskraft zusammen, verweigerte einen derartigen Plan noch im Fieberwahn, beschwor seine Mitreisenden ihn nicht zum Sterben auf dem Boden Afrikas abzulegen und verfiel dann in einen tiefen, langanhaltenden Schlaf. "Lasst ihn schlafen!" sprach der Arzt, "Schlafen ist gut, er befindet sich auf dem Weg der Besserung!". Und in der Tat, wurde der Gesundheitszustand des aurigas in den folgenden Tagen besser. Er erholte sich von den fieberartigen Krämpfen, so dass er zeitgleich mit dem Eintreffen in Alexandria wieder über ausreichend Kräfte verfügte um zumindest Stehen und Gehen zu können. Der Arzt indess riet ihm davon ab, die Einfahrt in den Hafen an der Reling mitzuverfolgen.

  • Obwohl die drei Schiffe alle zur gleiche Zeit in Ostia abgelegt hatten, waren sie keineswegs im Geschwader unterwegs gewesen. Im Gegenteil verfolgte jeder Kapitän seine eigene Route ohne groß darauf zu achten, wohin der andere steuerte. Trotzdem kamen sie schließlich nach neun Tagen alle zuversichtlich zum gemeinsamen Zeitpunkt in der blühenden Hafenstadt des Ostens an.
    Ioshua Hraluch, der Tylusier, befand sich allerdings auf einem anderen Schiff als der Auriga der Factio Aurata, so daß dessen Erbrechens- und Schwindelanfälle nicht mitbekam.
    Er stand an Deck des Schiffes, als sie die prächtige Hafeneinfahrt passierten, links die Halbinsel Lochias mit dem Palast des Praefekten, rechts die Insel Pharos und gerade aus vor einem der Hafen, der Ostia in nicht wenig nachstehen konnte, wo sich Schiffe aus aller Herren Länder aneinanderreihten und sich die großen Waren-und Handelshäuser der Stadt aneinanderreihten.


    Die Schiffe machten an einem etwas entlegeneren Pier halt, wo der Andrang nicht so groß war und man die ungewöhnliche Fracht problemlos entladen konnte. Hoffentlich hatten die Tiere die Überfahrt gut überstanden. Ein Knecht hatte immer wieder nach ihnen gesehen.
    Nacheinander machten die Schiffe fest, einige Schaulustige sahen dabei zu und ein Beauftragter des Hafenmeisters stand auch schon bereit, um im Auftrag seines Herrn kräftig abzukassieren. Die Planken wurden ausgefahren und Ioshua betrat nach mehreren Wochen wieder alexandrinischen Boden.

  • Nachdem alle Pferde und Wagen, sowie die Kisten mit Kleidungen, Lebensmitteln, Zelten, Werkzeugen und Geschirr (für Pferde) von Bord des Schiffes geladen sind und sich an Land eine beachtliche Schar von Menschen tummelt, verlässt auch Arius das Schiff, schwach noch auf den Beinen und ein wenig schwankend, doch es geht. Er ist froh, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, noch dazu Boden, welcher seiner Heimat sehr nahe liegt. Auch wenn er sich nicht zu den religiösesten Juden zählt, ist er doch Jude und diese Gewissheit verbindet ihn mit allen anderen Angehörigen seines Volkes, ganz gleich wo sie sind. Jerusalem bleibt immer der Mittelpunkt ihres Denkens, auch wenn es viele Juden zeit ihres Lebens nie sehen und statt dessen in einem anderen Ort des römischen Imperiums oder des Partherreiches ihre Heimat finden, so wie hier in Alexandria.


    "Wir müssen diesen Ioshua Hraluch finden."


    bemerkt er plötzlich und es ist der erste Satz, seit langem. Das Sprechen ist ihm bisher schwer gefallen. Sein Blick geht zum Himmel, denn die Sonne steht hoch. Auch wenn eine Brise vom Meer die Hitze ertragbar macht, zieht er sich dennoch die Kaputze seines Mantels tiefer ins Gesicht. Als erstes würde er sich eine typische orientalische Bekleidung kaufen müssen. Einen Sonnenbrand oder Hitzeschlag kann er auf keinen Fall gebrauchen, wenn er schnell wieder auf den Beinen sein will, um Rennen zu fahren.

  • Ein zuständiger Schreiberling - jedenfalls hatte er eine Wachstafel und einen Griffel in den Händen, was ih unheimlich wichtig und geschäftsmäßig aussehen ließ - erreichte das Schiff der Factio Aurata, wo sich auch dessen Wagenlenker Quintus Arius aufhielt.
    Sowie hier hatte er Anweisung dafür zu sorgen, daß die Ladungen auf Wagen verstaut wurden und samt den Tieren aus der Stadt gebracht wurden. Nach Eleusis am Hadra-See war es ein halber Tagesmarsch und man wollte keine Zeit verlieren.


    Unheimlich wichtig wie er sich momentan vorkam, delegierte er Anweisungen, wies die Kutscher ihres Weges an und sorgte dafür, daß alles reibungslos von statten ging und nichts vergessen wurde.


    So trat er auch an die kleine Gruppe, in der sich Quintus Arius befand, nachdem er sich vergewissert hatte, daß sie zum Konvoi gehörten.


    "Salvete ! Die Tiere samt Ladungen werden heute noch nach Eleusis transportiert. Dort befindet sich das Gestüt und die Trainingsanlagen. Ich bitte euch entsprechend auf die Wagen aufzusteigen, sobald alles verladen ist, damit wir euch nicht zurücklassen."

  • Kaum hat Arius seinen ersten Satz seit langer Zeit ausgesprochen, erreicht sie schon ein Schreiber, welcher eine Wachstafel vor sich hertragend Anweisungen an Lastenträger und Dockarbeiter gibt. Wie es scheint, weiß er genau, was er zu tun hat und schon bald ist sich auch Arius sicher, dass man sie im Hafen schon erwartet hat. Der Tylusier muss an alles gedacht haben.


    "Es geht also nach Eleusis. Wo liegt diese Stadt?"


    fragt Arius, der sich nicht besonders gut in dieser Gegend auskennt.


    "Kann man hier irgendwo Karten erwerben?"


    Er bedient sich dabei der griechischen Sprache, er als Jude kann das, da er im Osten aufgewachsen ist und Griechisch hier die Grundlage des Überlebens darstellt. Nur in den oberen Verwaltungsetagen und im Umgang mit Römern sprechen die Menschen in Alexandria Latein.

  • "Einen halben Tagesmarsch von Alexandria aus, also nicht weit. Dort wird für alles gesorgt sein, ausreichend Unterkunft und Verpflegung." antwortete der Schreiber ebenso in griechischer Sprache.


    Auf die Frage des Lenkers, auf die er nicht vorbereitet war, wie man es ihm ansieht, überlegt er einen Moment.


    "Öhm, zwei Straßen weiter, in der XLII. müßte es einen Laden geben, da verkaufen sie allerlei Schriften und sicher auch Karten. Aber beeil Dich, denn sobald alles verladen ist, brechen die Wagen auf."

  • Der Schreiber kann Arius zum Glück weiterhelfen. Dankbar nickt er ihm zu und gibt den anderen Mitreisenden seiner Gruppe zu verstehen, dass sie mit anpacken sollen. Das Gepäck und die Wagenteile müssen auf den Wagen verstaut werden, welche sie nach Eleusis bringen sollen. Er selbst will in der Zwischenzeit ein paar Karten besorgen und dann wieder zu der Gruppe zurückfinden.


    Während die anderen anpacken, bricht er in Begleitung eines Sklaven auch gleich auf. Etwa eine halbe Stunde später ist er wieder zurück, in seiner Hand zwei, drei Karten mit sich führend, welche ihm fürs erste soweit weiterhelfen können, dass er sich in der Gegend zurecht finden kann, ohne immer auf einen einheimischen Führer angewiesen zu sein. Nichts desto trotz wird zusätzlich dennoch ein solcher gesucht und auch angeheuert.

  • Als die letzten Frachtstücke eingeladen und die Tiere in Reih & Glied in den Wagentross integriert waren, kam das Zeichen zum Abmarsch. Durch die engen Straßen Alexandrias würde der Konvoi noch seine Probleme bekommen, ehe man die Stadttore hinter sich lassen konnte und durch das fruchtbare Hinterland seinem Ziel entgegensteuerte.
    Drei Factiones aus Rom nahmen an dem Trainingsrennen teil, dementsprechend groß war der Transport, der sich durch die überfüllten Gassen schlengelte. So war es kein Wunder, daß der Tross große Aufmerksamkeit erregte, erst recht, wo der frisch ernannte Praefect für den kommenden Monat Wagenrennen angekündigt hatte.
    Einumsanderemal mußten sie stehen bleiben in den dicht bevölkerten Straßen und bis man die erlösenden Stadttore erreichte, von wo aus die Fahrt schneller vonstatten gehen würde, war es eine Kraftanstrengung für Kutscher und Tiere. Knechte gingen neben den Pferden her, um ein Aufschäumen in all der Aufgeregtheit zu verhindern. Sie hielten die Zügel fest und waren bemüht auf das Tier einzureden.


    ...


    Nach einiger Zeit hatte man es auch geschafft und passierte die Tore der Stadt in nördlicher Richtung auf dem Weg nahe Eleusis, zum angegebenen Gestüt

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