officium MAC | Die schlechte Nachricht einer Sklavin

  • Mit der hübschen Dame im Schlepptau gelangte der Nubier recht bald zum officium des dominus. Er bedeutete ihr, einen Moment zu warten, und klopfte gleich forsch an. Eine Weile tat sich nichts, dann aber drang die gedämpfte Aufforderung zum Eintreten durch die edle Holztür und Leone betätigte die Klinke. "dominus, verzeih die Störung, aber es gibt da eine Dringlichkeit, die nicht aufgeschoben werden sollte", läutete Leone sein Anliegen ein, denn schließlich hatte der dominus nicht gestört werden wollen. "Es betrifft deine Verlobte, Deandra. Das hier ist Kassandra, eine Sklavin aus dem Hause Claudia, und... Ah, am besten erzählt sie dir selbst, was ihr Anliegen ist. Bitte, komm herein", sprach Leone weiter und machte am Ende seiner Rede eine auffordernde Geste mit der Hand zu Kassandra hin.

  • Stumm wartete Kassandra vor dem officium, bis Leone sie angemeldet hatte und legte sich schon einmal die Worte zurecht, mit denen sie ihr Anliegen vvor tragen wollte. Andererseits gab es auch nicht viel vor zu bereiten, denn was sie zu berichten hatte war nun mal das Verschwinden seiner Verlobten. Wie sie so darüber nachdachte, wurde ihr erst bewusst welche Reaktionen diese Nachricht eventuell bei diesem Patrizier auslösen könnte. Insgeheim konnte sie nur darauf hoffen, dass dieser Marcus Aurelius nicht die gleichen Charaktereigenschaften besäße, wie gewisse Claud...


    ... doch weiter kam sie mit ihren Gedanken nicht, da wurde sie bereits herein gerufen. Leone´s auffordernder Geste folgend, trat Kassandra in den Raum und mit einem leisen "Salve Herr!" wartete sie dann bis der Aurelier gewillt wäre, das Wort an sie zu richten.

  • Bereits als ich Schritte vor meinem officium laut werden hörte, seufzte ich innerlich verärgert auf. Schließlich hatte ich Leone nicht umsonst gesagt, dass ich nicht gestört werden wollte. Ich brütete über einem äußerst heiklen Erbschaftsfall - es ging um einen sechsfachen Vater, der dem Onkel Neffen seines Vetters all sein Geld vermacht hatte, und dessen Testament seitens der fünf Söhne und der Tochter nun angefochten wurde. Leone war sonst recht zuverlässig, warum er es diesmal nicht war, vermochte ich nicht zu sagen. Entnervt sah ich auf und ließ den Nubier kaum zu Wort kommen. "Leone, verdammt noch eins, ich hatte gesagt, dass ich unter kei-" Doch da sprach er von Deandra. Meine Anweisungen galten schließlich nicht für die Familie, da ich so etwas unsinnig hielt, und Deandra gehörte definitiv zur Familie. Der grimmige und wütende Ausdruck auf meinem Gesicht wich einem verwunderten Gesichtsausdruck, mit dem ich den dunkelhäutigen Sklaven nun anstarrte. "Deandra? Warum, was ist denn?" fragte ich den Nubier und richtete, als er Kassandra vorstellte, einfach meinen fragenden Blick an sie, ohne die Frage nochmals zu wiederholen. Schließlich hatte sie gehört, was ich wissen wollte. Auf eine Begrüßung verzichtete ich diesmal bewusst, nickte der claudischen Sklavin allerdings leicht ungeduldig zum Gruße zu.

  • Einen Moment lang blieb Kassandra neben Leone stehen und wartete bis der Herr endlich von seinen Arbeiten aufsah. Das tat er auch sofort und er wirkte sehr genervt. Anscheinend hatten sie ihn auch noch zu einem ungünstigen Zeitpunkt gestört und das machte die Sache, mit der schlechten Nachricht, für Kassandra nicht unbedingt leichter. Sein ungeduldiger Blick traf sie schließlich und das war wohl gleichzeitig die Aufforderung zu sprechen.


    Schnell ging sie ein paar Schritte in den Raum hinein und deutete eine Verbeugung an. "...Die Herrin Deandra..." begann Kassandra und holte noch einmal Luft. Sie wollte eigentlich kein Detail aus lassen, andererseits ... sollte sie besser nicht lange um den heißen puls herum reden. Die Geduld des Aureliers schien ohnehin nicht sehr groß zu sein. "sieee ... ist heute, mit etwas Gepäck und zwei Sklavinnen, in einer Kutsche abgereist. Sie hat mir nicht gesagt, wohin sie wollte und ich durfte zuvor niemandem davon erzählen ..." Kassandra machte eine kurze Pause, bevor sie noch schnell hinzu fügte. “ ... nicht einmal meiner Herrin Epicharis. ... Nun hatten wir gehofft, sie wäre vielleicht hier bei euch, Herr ...“ Am letzten Satz konnte man bereits deutlich erkennen, dass sich diese Hoffnung wohl schon zerschlagen hatte. Mit einem fragenden und leicht ängstlichen Gesichtsausdruck wartete Kassandra nun auf die Reaktion des Aureliers.

  • Die Ungeduld wich nun zugunsten von Sorge. Ich steckte Feder, welche meine Hand eben noch geführt hatte, in ihren Halter und sah die hübsche Sklavin betroffen an. Die Sklavin war bereits verstummt, als ich immer noch wie vom Donner gerührt an ort und Stelle saß. Schließlich lehnte ich mich zurück, sah durch die Sklavin hindurch und barg grübelnd mein Kinn in der Rechten. Eine Weile dachte ich nach, ohne etwas zu sagen. Dass Deandra die Aussicht nicht gefallen hatte, nicht hier im Hause zu wohnen, sondern zu den Claudiern ziehen zu müssen, wusste ich ja. Aber dass sie dieser Umstand so sehr mitnahm? Ich kam zu dem Schluss, dass es das allein nicht sein konnte. Hatte sie nicht Menecrates und Epicharis ganz besonders lobend erwähnt und alle anderen Claudier ins selbe Boot gesetzt? Unwillkürlich kamen mir die liebevollen Gesten von Lupus wieder ins Bewusstsein. Konnte es sein...?


    Ich blinzelte und schüttelte andeutungsweise den Kopf. Mir kam die Sklavin wieder ins Gedächtnis, und zwar samt ihrer Worte. Keiner wusste, wohin sie gegangen war. Nun, egal wo sie hin wollte, weit konnte sie nicht gekommen sein bisher. "Sie würde wohl kaum mit einer Kutsche hier aufschlagen", bemerkte ich scharfsinnig und fuhr gleich fort. "Hat man bereits jemanden ausgesandt, um nach ihr zu suchen? Mir fallen auf Anhieb nicht viele Orte ein, zu denen sie mit nur einer Hand voll Sklaven aufgebrochen sein könnte." Ich überlegte erneut. "Und ihr...Menecrates ist umgehend benachrichtigt worden, nehme ich an?" Ich runzelte die Stirn und deutete auf Leone. "Du siehst mal nach, wo sich Lucius gegenwärtig aufhält. Aber bring ihn nicht her, mir reicht es, wenn ich weiß, wo er ist", erteilte ich grimmige Anweisung.

  • Abwartend stand Kassandra da und beobachtete den Patrizier, auch wenn es sich vielleicht nicht gehörte, ihn so zu mustern. Ihm schien es aber ohnehin nicht auf zu fallen und Kassandra war nur erleichtert, dass der befürchtete Wutausbruch aus blieb. Im Gegenteil wirkte der Aurelier eher gefasst und nachdenklich, so als wolle er die Angelegenheit rein sachlich angehen.


    Gut, vielleicht hatte Kassandra auch eine ganz andere Reaktion von ihm erwartet, doch seine sachlichen Fragen gaben ihr Gelegenheit ihm das zu berichten, woran sie sich erinnern konnte. "Ja Herr, meine Herrin wollte ihren Vater sofort unterrichten. Ob allerdings bereits jemand ausgesandt wurde weiss ich nicht, da ich sofort zu euch geschickt wurde." langsam entspannte sich Kassandra wieder, obwohl ihr Unbehagen über das plötzliche Verschwinden der Herrin Denadra immer noch groß war." ... andererseits, wo sollten wir suchen? ... Der Kutscher und die zwei Sklavinnen, die wir befragen könnten, sind noch nicht wieder zurück." je weiter sie sprach, umso mehr lies Kassandra ihre Gedanken einfliessen, die sie sich selbst andauernd gestellt hatte und sah grübelnd zu Boden. "... aber darauf warten, bis sie wieder hier sind? ... was ist, wenn die Herrin irgendwo umgestiegen ist, oder das erste Ziel nur ein Zwischenstop wäre?" Kassandra sah wieder fragend zu dem Patrizier hinüber "Habt ihr denn keine Ahnung wo sie hin sein könnte? ... sie sagte zu mir nur, sie brauche die Sklavinnen um sich einzurichten. Dann sollten sie umgehend zurück geschickt werden. Sagt euch das nichts?" zugegeben - es stand ihr sicher nicht zu, einen Herrn mit Fragen zu bedrängen, aber es war ja nur im Sinne der Aufklärung.

  • Was das Mädchen vortrug, klang logisch. Ich nickte zum Zeichen, dass ich den Ablauf des Aufbruchs verstanden hatte. Die Frage war nun also: Wo war Deandra hin? Ich lehnte mich vor, stützte die Ellbogen auf den Tisch und bettete das Kinn auf beide Fäuste. "Hm."


    Sie konnte bei Aebutia Valentina sein oder aber bei Nautia Aciscula. Erstere lebte in Rom, letztere in Misenum, wo Deandra eine Weile gelebt hatte. Oder war sie nach Mantua aufgebrochen, zur villa Aurelia, um vielleicht Annaea Minervina zu besuchen? Nachdenklich grübelte ich vor mich hin. In Rom konnte sie nicht sein, denn warum sollte sie mit einer Kutsche auf Freundesbesuch gehen? Es blieben also Misenum und Mantua. In Mantua aber befanden sich Sklaven vor Ort, warum sollte sie dann Sklaven zur Einrichtung mitnehmen, um sie anschließend wieder fortzuschicken? Gedankenverloren spielte ich mit einer Feder, mehrere Minuten lang, und ohne Kassandra zu beachten. Leone hatte bereits den Raum verlassen. Den Gedanken, dass auch ich eine Teilschuld daraun haben könnte, dass Deandra fort gegangen war, verdrängte ich erfolgreich.


    Und dann fiel es mir siedendheiß ein: Das alte Landhaus in Ostia, in dem Deandra eine Weile gewohnt hatte vor langer Zeit. Hier machte es Sinn, Sklaven mitzunehmen, und gewiss würde sie sich auch geborgen fühlen, hatte sie das Haus damals doch selbst ausgesucht und erworben. Triumphierend sah ich Kassandra an. "Mir fallen einige Orte ein, zu denen Deandra aufgebrochen sein könnte. Da wären..." Ich zählte ihre Freunde in Misenum und Mantua auf, äußerte aber zugleich meine Bedenken die Sklaven betreffend und den Umstand, dass sie die mitgenommenen zurückschicken wollte. "Und dann fiele mir noch ein Landhaus in Ostia ein. Es wäre mir lieb, wenn sich Menecrates um Misenum und Rom kümmern würde. Ich selbst werde gleich jemanden nach Mantua und Ostia schicken. Vielleicht wird sie ja noch eingeholt." Wobei ich gar nicht vor hatte, Deandra einzuholen....

  • Wieder blieb Kassandra nichts anderes übrig, als da zu stehen und ab zu warten, was der Herr auf ihre Worte hin erwiedern mochte. Dieser saß zumindest eine zeitlang einfach nur da, hatte sein Kinn aufgestützt, sah durch sie hindurch und spielte mit einer Schreibfeder vor sich. Dachte er überhaupt nach, wo sie sein könnte, oder was tat er da jetzt? Etwas merkwürdig fand Kassandra es schon, dass er so gar keine Reaktion auf das Verschwinden seiner Verlobten zeigte. Was er wohl für ein Amt ausübte? Vielleicht war er beim Militär, gar ein Stratege oder Feldherr?


    Zumindest für Kassandra waren das solche Männer, die stets die Ruhe und einen kühlen Kopf behielten und fast nie so etwas, wie Gefühle zeigen konnten. Was andererseits für ihre Pflichterfüllung nur dienlich war, konnte anderseits ...ahhh, jetzt sah er sie plötzlich wieder an. Und er schien Erfolg mit seinen Überlegungen gehabt zu haben! Kassandra erwiderte seinen Blick, nickte ab und zu und hört ihm gebannt zu, welche Orte er da beschrieb. "Ihr glaubt also, an einem dieser Orte befindet sie sich? " man hörte deutlich die Erleichterung in Kassandras Stimme. Das würde ihre Herrin sicher beruhigen. "Ja, dann werde ich sofort meine Herrin bitten, das Nötige zu veranlassen ... also Misenum und ....... Rom??" versprach Kassandra eifrig, doch als sie hörte, dass Menecrates auch in Rom suchen sollte, konnte man den skeptischen Frageton zum Schluß nicht überhören.

  • "Ja, das glaube ich", bestätigte ich. Schließlich kannte ich Deandra seit meiner Geburt, und sie war einfach niemand, der sich Hals über Kopf - und vor allem, ohne etwas zu sagen - in ein Abenteuer stürzte. Sicherlich neigte sie zu Hitzköpfigkeit und besaß in gewisser Weise auch einen nervenraubenden Starrsinn, was so manches betraf, aber wenn sie ernsthaft beabsichtigte, lange fortzubleiben, hätte sie vorher mit mir darüber gesprochen, auch wenn sie noch so enttäuscht oder wutend war. Davon war ich überzeugt. "Tu das. Misenum und Rom, genau. Letzteres ist zwar unwahrscheinlich, denn da hätte sie genauso gut in einer Sänfte reisen können, aber wir wollen besser nichts unversucht lassen", erklärte ich, hielt einen Moment inne und musterte die Sklavin. "Richte deiner Herrin meinen Dank für diese Information aus, und versichere Menecrates, dass ich alles in meiner Macht stehende tun werde, um sie zu finden." Ich rechnete es Epicharis hoch an, dass sie mich informiert hatte.

  • Kassandra nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte. Auch wenn der Aurelier sichtlich unbeeindruckt blieb, wollte er doch nichts unversucht lassen. Ob er sich vielleicht doch größere Sorgen um seine Verlobte machte, als er sich anmerken lies? "Ja Herr, also in Misenum und Rom ... ich werde es so ausrichten und meiner Herrin euren Dank überbringen." fasste Kassandra zusammen." Ich bin mir sicher, sie wird euch für euren Einsatz ebenso dankbar sein." erlaubte sich Kassnadra noch, im Namen ihrer Herrin, anzufügen.


    Dann überlegte sie kurz, ob es eventuell noch etwas zu sagen gäbe, das für die Suche von Bedeutung wäre. Doch bis auf den Brief an Epicharis, der wohl auch nicht viel Neues mehr enthalten hätte und die Tatsache, dass die Herrin Deandra sehr unglücklich gewirkt hatte, gab es wohl nichts mehr. "Dann werde ich mich, mit eurer Erlaubnis, nun auf den Rückweg machen, damit die Suche so schnell wie möglich beginnen kann." Kurz wartete Kassandra, ob der Herr noch etwas anfügen wollte und verabschiedete sich dann mit den Worten "Vale bene, Herr!" Mit einer Verbeugung wandte sich Kassandra um und ging zur Tür, an der immer noch Leone stand und der sie wohl wieder nach draußen begleiten würde.

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