Der letzte Abend in Zeugma

  • Es war der Abend, bevor die Legionen das grosse Heerlager verlassen und über den Euphrat schreiten würden. Die Sonne stand schon tief am Horizont, lange würde es nicht mehr hell sein, bald würden in den Zelten der Legion die Fackeln und Lagerfeuer entzündet und in den Wohn- und Geschäftshäusern der Stadt würden unzählige Öllampen für etwas Helligkeit sorgen.


    Die meisten Offiziere hatten ihren Männern für diesen Abend Ausgang gegeben, so herrschte in Stadt ein reges Treiben, findige Händler verkauften den Legionären die unschiedlichsten Dinge, meist kleine Glückbringer, die Tabernen waren voll und in den Lupanaren herrschte ein Betrieb, wie schon lange nicht mehr.


    Auf der Haupstrasse, welche die Stadt und ihr rechwinkliges Strassennetz durchschnitt und vom Stadtor im Westen zur Brücke über den Euphrat im Osten führte, war auch Tiberius Vitamalacus unterwegs, allerdings nicht allein hatte er es doch geschafft, sich diesen Abend freizuhalten und war zusammen mit seiner Verlobten aufgebrochen, um mit ihr einen ruhigen Abend zu verbringen.


    Allerdings war an Ruhe in dieser Stadt nicht zudenken, nicht an diesem Abend, überall waren Soldaten, mehr oder weniger nüchtern. Und jene, die noch nüchtern genug waren, grüssten den Tribun in seiner kompletten Rüstung. Und anders als für einen römischen Magistrat oder Stabsoffizier üblich, erwiederte Tiberius Vitamalacus jeden der Grüsse, zumindest mit einem knappen Nicken.


    Sie hatten gerade die Agora kurz vor der Brücke betreten, da wandte sich Tiberius Vitamalacus an seine Begleiterin. "Was hälst du davon, das dein Xamander uns einen kleinen Korb mit etwas Wein und einer kleinen Stärkung besorgt und wir uns dann etwas ausserhalb der Stadt den Euphrat ansehen ?"


    Sicher hätte er auch Titus beauftragen können, der ihnen genau wie Xamander folgte, aber dann hätte die Stärkung wohl aus einem Klumpen Puls bestanden.

  • Die letzten Tage und Wochen waren so sehr von Ereignissen angefüllt gewesen, dass es Iulia Helena schwer fiel, die Gedanken zu sammeln und all jene Dinge wieder ins Gedächtnis zu rufen, die ihr als außergewöhnlich aufgefallen wären. Letztendlich war sehr vieles außergewöhnlich gewesen, die gesamte Reise an sich war nichts, was jede Frau mitgemacht hätte, denn auch wenn man vieles dabei recht bequem hatte absolvieren können, die Tatsache allein, so manches Mal am frühen Morgen aufzustehen, alles einpacken zu müssen, um weiterziehen zu können, wäre so mancher Frau wohl auf die Nerven gefallen. Nicht so der Iulierin, die den dauernden Wechsel der Eindrücke und Einblicke genoss - je mehr Wechsel, desto besser. Das altvertraute Gefühl des Besonderen eines jeden Landes kehrte zurück, und sie fragte sich so manches Mal insgeheim, warum sie so lange bereit gewesen war, sich zu begraben, an einem Ort zu verharren, und die relative Sicherheit eines eigenen Heims gegen die aufregenden Neuheiten jedes anderen Tages auf Reisen einzutauschen. Doch mit dem Tod ihres ersten Mannes hatte sich vieles geändert, und so blickte sie der Zukunft freundlich entgegen, an der Seite eines Mannes, dem sie ehrlich zugetan war und der sich langsam aber sicher einen Platz in ihrem Herzen erobert hatte, ohne zu drängen.


    Mit einem leichten Schmunzeln auf den Lippen registrierte sie, wie oft Vitamalacus gegrüßt wurde - und zumeist respektvoll, nicht eben nur rein des Grußes wegen. Anscheinend war er bei seinen Leuten durchaus beliebt, und sie wusste als ehemalige Offiziersehefrau sehr wohl, wann ein Gruß respektvoll ausgeführt wurde und wann nicht - auch wenn sie es ihm nicht sagen würde, allein die Grüße der Soldaten machten sie schon stolz auf ihren Verlobten, und sie war froh darum, ihn im Gegensatz zu vielen anderen Offiziersfrauen und -verlobten begleitet zu haben. "Warum nicht? Es wird uns gut tun, einmal an einen Ort zu kommen, an dem Du nicht dauernd nicken musst," scherzte sie gutgelaunt. "Du wirst heute abend einen ganz verspannten Nacken haben und ich muss Dir dann die Muskelkrämpfe wegmassieren." Vergnügt schlenderte sie an seiner Seite voran und winkte Xamander heran, dem sie mit kurzen, knappen Worten ihre Wünsche mitteilte und dem dauerlächelnden Griechen einen kleinen Beutel Sesterzen übergab, die mehr als genug sein würden für das bestellte, einfache Mahl. "Und wir waren schon lange nicht mehr spazieren .. zumindest wird es jetzt sicher nicht regnen wie damals am Strand von Ostia."

  • Titus, der neben Xamander etwas hinter der Iulierin und seinem Tribun hergelaufen war, fiel genau das auf, was ihm immer auffiel, wenn sein Tribun in ihrer Nähe war. Auf dem Gesicht des sonst so kühlen und emotionslosen Offiziers zeigte sich eine unübliche Gelassenheit, immer wieder war ein Lächeln oder gar leise Lachen zu vernehmen. Ihn verwunderte das nicht, hatte er doch fast von Beging an mitbekommen, was sich da zwischen den Beiden entwickelte, auch wenn sein Tribun sicher nicht mit Titus einschätzung übereinstimmen würde.


    Wieder hatte Tiberius Vitamalacus einem Miles zugenickt in Kombination mit einem "Optio Sebelius !", denn immer wieder mal nannte er einen Namen, gab den Miles das Gefühl, das er jeden von ihnen kannte, auch wenn das bei rund 5000 Miles unmöglich zutreffen konnt. "Vielleicht sollten wir dann doch einfach nur durch die Stadt marschieren," erwiederte er leise lachend ihre scherzende Worte, "doch ich denke, es würde vielen befremdlich erscheinen, wenn der Tribun Laticlavius in Begleitung seiner wunderschönen Verlobten beginnt in Zeugma Wache zu laufen, wie ein einfacher Miles. Im Castellum wirkt es auf manchen schon befremdlich, wenn ich mich allein auf dem Vallum blicken lasse."


    Er lachte leicht, sein linke Hand legte sich dabei kurz auf ihrer Linken, die leicht auf seinem rechten Arm ruhte, den er ihr gereicht hatte. Und als Xamander sich auf den Weg machte auf der Agora das kleine Mahl zu beschaffen, lenkte er ihre und seine Schritte nordwärts, direkt auf jene Strasse, die dicht am Euphrat entlang nach Norden führte.


    "Es soll hier tatsächlich seltener regnen als in Italia, habe ich mir sagen lassem," meinte er lächelnd, als sie das Tor passierten und rechts von ihnen der Euphrat erschien, in dem sich das Mondlicht spiegelte. "Aber sollte es doch passieren, so führt die Strasse eine knappe Meile weiter durch einen Tunnel, der in einen Felsvorsprung gehauen werden musste, weil er der Strasse im Weg stand."

  • "Wie merkst Du Dir eigentlich all diese Namen und Männer?" fragte Iulia Helena mit einem Mal und blickte dann zu ihrem Verlobten auf. "Ich habe bei der Stadtverwaltung immer zu den Namen und Gesichtern versucht, Verbindungen herzustellen - aber bei so vielen Offizieren und milites, wie soll das gehen? Ich vermute fast, Du hast einen Helfer, der Dir all diese Namen aufschreibt, damit Du einem jeden das Gefühl geben kannst, Du würdest ihn kennen." Sie war immer stolz darauf gewesen, sich neue Namen und Menschen relativ schnell merken zu können, aber die schiere Masse an Legionären war dann doch mehr, als sich ein Mensch leichthin merken würde können - er musste also irgendwie einen geheimen Trick haben, mit dem er das bewerkstelligte, anders konnte es nicht sein.
    "Und warum sollten wir nicht einmal die Runde durch das Lager machen? Bei manchen Männern wirkt ein freundliches Lächeln einer Frau Wunder, es erinnert sie stets an ihre Liebsten zuhause - ich weiss noch gut, dass solche Gänge für meinen Gemahl damals und mich normal waren. Weibliche Fürsorge erwärmt das Herz schneller und direkter als Strafexerzieren oder was immer man sonst noch so macht, um die Disziplin der Truppe wieder einheitlich auszurichten."


    Die Straße war ausgetreten, man konnte ihr durchaus anmerken, dass es hier in der letzten Zeit einiges an Truppenbewegungen und Meldereitern gegeben hatte - selten war sie so weit weg von jedem wirklichen Zeichen der Zivilisation gewesen, und das bevorstehende Abenteuer, Zeugma hinter sich zu lassen, beflügelte sie geradezu, die Krankheit schien nur noch ein vages Echo einer längst vergangenen Zeit. Ein wenig fester drückte sie seine Hand, bevor sie sich direkt zu ihm wandte:
    "Du nimmst mich doch mit, Quintus? Dieses fremdartige Land ist viel zu schön, als dass ich Dich allein mit Deinen Legionären den Spaziergang machen lassen könnte. Sieh doch nur, wie rauh und einsam es wirkt, wie ein Land, das entdeckt werden will, es wartet nur auf uns." Die blauen Augen schimmerten aufgeregt, fast fiebrig, lebendig in einer Weise, die ihr Gesicht lange nicht mehr gespiegelt hatte - sie schien wahrhaftig die lange Schwäche überwunden zu haben.

  • Die Strasse führt so dicht am Euphrat entlang, das man jetzt, da der Lärm der Stadt langsam verebbte das liese Plätschern des Flusse hören konnte, das sich mit dem Geräusch der Schritte vermischte. "Es ist bei weitem nicht so, das ich jeden Miles mit Namen kenne, aber ich bemühe möglichst vielen Gesichtern Namen zuzuordnen. Schon als Kind hat mich mein Grossvater darauf gedrillt, mein Namensgedächnis zu trainieren. Beim ersten Zusammentreffen frage ich einfach mein Gegenüber, wie er heisst. Das besondere Gefühl der Achtung entsteht eben dann, wenn ich den Namen ein Zweitesmal verwende. Und das tue ich eben, wann ich die Gelegenheit dazu habe."


    Es war eine der Lektionen des alten Legatus, die Tiberius Vitamalacus besonders zu schätzen gelernt hatte, auch wenn er als Kind oftmals den Sinn nicht hatte einsehen wollen oder gar können. "Und bei einer Legion genügt es auch, nur jeden dritten mit Namen zu kennen. Selbst wenn man einen Befehl gibt," ergänzte er mit einem Schmunzeln, "reicht es oftmals, wenn man den Befehl mit dem Namen von einen anwesenden Miles versieht, auch wenn man ihn nicht ganz genau zuordnen kann. Der Angesprochene wird sicher reagieren."


    Irgendwie konnte er im ersten Momment ihrem Vorschlag zuzustimmen, vielleicht hatte er zu lang unter den einfachen Soldaten gelebt, hatte zu oft gehört, mit welchen Worten sie gerne einer Frau gedachten. Und das war ein Gedanke, der ihm nicht gefiel. Aber anderseits wusste sie selbst, wie derbe oftmals Soldaten sein konnten, passte sie nicht gerade deshalb so gut zu ihm, weil sie wusste, wie das Leben in einem Castellum war ? So hatte er einen Moment zwar geschwiegen, aber dann meinte er: "Du hast recht, es könnte ein gute Idee sein."


    Als sie seine hand etwas fester drückte, blieb er stehen und drehte sich zu ihr, legte seine Hand dabei sachte auf ihre Hüfte, stellte so ein Nähe her, die nur hier angemessen war, wo sie, abgesehen von ihren beiden Schatten, unter sich waren. "Es wird kein Spaziergang, meine Liebe," meinte er ernst, wahrend er in ihre Augen blickte, "du hast recht, es ist ein raues und fremdartiges Land, aber es reafiert feindselig auf jene, die in es Eindringen wollen." Er war entschlossen, sie hier in Zeugma zurück zulassen, denn hier war sie in Sicherheit. Doch ihr Blick zeugte nicht nur von ihrer Entschlossenheit, er hatte auch etwas, das es seiner eigenen Stimme der Vernunft schwerer machte, zu Wort zu kommen.


    Und um diesem Blick auszuweichen, trat er die Fluchtnach vorn an, zog sachte ihren Kopf etwas dichter zu sich, küsste sie auf die Stirn und blickte dann über der Euphrat, dort hin, wo die Legion schon am nächsten Tag hinmarschieren würde. "Die Parther werden es uns nicht leicht machen, sie werden jede hinterhaltige Taktik anwenden, um uns den Vormarsch zu erschweren. Hier in Zeugma wüsste ich dich in Sicherheit."

  • Es wurde so still, je weiter sie sich von Zeugma entfernten, dass es sie wirklich erstaunte - vielleicht hatte sich die Iulierin auch einfach innerhalb kürzester Zeit zu sehr an die Geschäftigkeit Roms gewöhnt, dass es jetzt seltsam war, diesen allgegenwärtigen Lärm nicht mehr zu vernehmen. Selbst nachts gab es immer einen gewissen Geräuschpegel, es schien, als könnte Rom niemals zur Ruhe kommen, wenn die anständigen Bürger schliefen, trieben sich die weniger anständigen herum und suchten sich ihr Vergnügen, oder schlimmer noch, ihren Vorteil. Hier, in diesem wilden, fremden Land, fehlten diese deutlichen Hinweise auf eine fluktuierende Gesellschaft, und der Puls des Lebens erwies sich eher im sanft über das Land streichenden Wind, die fremdartigen Gerüche nach genügsamen Gräsern und Staub, am Gestank der Tierexkremente und überhaupt dem gesamten prächtigen Naturschauspiel, dem man endlich auch Beachtung schenken konnte. Helena stellte fest, dass sie das geschäftige Rom im Grunde nicht einmal vermisste. Das Wichtigste in ihrem Leben war die Familie gewesen, und nachdem neben ihrem ersten Gemahl nun auch noch ihr Lieblingsbruder gestorben war, gab es außer ihren Eltern nur noch einen wichtigen Menschen für sie - den Mann, der vor ihr stand.


    "Also alles reine Berechnung," neckte sie ihn gutmütig und griff nach seiner kräftigen, schwieligen Hand, die doch so sanft und zärtlich sein konnte, wenn er es wollte. Sie zweifelte nicht daran, dass er von seinen Männern gerade auch für dieses Wissen um Namen besonders geschätzt wurde, von den meisten patrizischen Offizieren wurde doch eher erwartet, dass sie einen gewissen Abstand zu den Plebejern hielten, zu viele Patrizier waren einfach unangemessen arrogant. "Ich weiss, dass es nicht leicht sein wird, an Deiner Seite zu stehen und zu bleiben, und auch, dass ein Feldzug keine Nachmittagsunterhaltung ist, bei der man dann abends gelassen nach Hause gehen kann, ohne sich weiterhin Gedanken machen zu müssen. Ich weiss, was es bedeutet, einem Mann ins Feld zu folgen, zumindest so weit, wie es eben möglich ist. Glaubst Du, ich folge Dir um die halbe Welt, um dann wie ein Feigling in einem Haus zu sitzen und jeden Tag die Tür anzustarren, weil ich auf Nachricht von Dir warte?" Sachte und mit einem Lächeln schüttelte sie den Kopf.


    "Nein, Quintus, zu dieser quälenden Folter kannst Du mich nicht verdammen. Wärst Du ein ausgesuchter Gemahl, den ich zum Wohl meiner gens hätte nehmen müssen, vielleicht. Aber nicht, wenn ich selbst wählen kann. Wir stehen das gemeinsam durch, und wenn du des Abends mit Wunden vom Schlachtfeld zurückkehrst, werde ich Dich pflegen. Wenn Du tot zurückkehrst, werde ich Deine Leiche waschen und für Dein Begräbnis sorgen, dafür, dass Deine Verwandten informiert sind und alles den rechten Gang geht." Sie blickte ihm direkt in die Augen, hatte den Kopf gehoben, als gelte es, einem Feind gegenüber zu treten und ihn allein durch Entschlossenheit wieder zu vertreiben. Vielleicht war es gerade diese Entschlossenheit, die sich vom großen Caesar auf seine Nachkommen vererbt hatte, mal stärker, mal schwächer ausgeprägt - allerdings gab es auch die weniger schmeichelhafte Bezeichnung des 'iulischen Starrsinns' für einen solchen Charakterzug. "Zeugma mag sicher sein, aber ich will bei Dir sein, Quintus, im Frieden wie im Krieg. Du bist Soldat, und ich werde die Frau eines Soldaten sein. Glaubst Du wirklich, es könnte mir in irgendeiner Form angenehm sein, nicht zu wissen, was mit Dir geschieht?"

  • Wenn er ehrlich zu sich war, musste er sich selbst eingestehen, das sein Versuch, sie zum bleiben in Zeugma zu überreden, eigentlich von anfang an vergeblich gewesen war. Vielleicht war war es unterbewusst ein Absicherung für sich selbst gewesen, das sie wirklich die Frau war, die das Leben an der Seite eines alten Soldaten ertragen konnte. Und das war sie wirklich, er konnte sich wirklich glücklich schätzen, sie gefunden und auch noch für sich gewonnen zu haben.


    "Ein Soldat muss wissen, wann er geschlagen ist. Du wirst mich also begleiten, dorthin, wo ein Marcus Antonius schon geschlagen worden ist," stellte er mit ernster Stimme seine Niederlage in dieser Diskussion fest, doch schwang in dem Ernst auch etwas von dem Glück mit, das er in ihrer Gegenwart spürte. Und im Mondlicht, das die Gegend leicht erhellte uind sich im dunklen Wasser des Euphrat spiegelte, erschein auch ein leichtes lächeln auf seinem Gesicht, ein Lächeln, das auch seine Augen erreichte.


    "Vielleicht ist es auch besser, ich habe dich in meiner Nähe, denn auch in vermeindlicher Sicherheit kann viel passieren," meinte er, sich an den Feldzug gegen die Germanen erinnernd. Nicht ihm, der sich dem Feind entgegen stellte, war etwas passiert, sondern Nova, im vermeindlich so sicheren Rom. "Unsere Zelte sind soweit im Innern des Lagers, das kaum ein feindlichen Beschuss sie erreichen kann. Aber, meine Liebe, es wird schwer sein, Meeresfrüchte im Zweistromland aufzutreiben. Damit, und der Tatsache, das du einen Verlobten hast, der sich auch offen den Feind gegenüberstellt und sich nicht Versteckt, wirst du leben müssen."


    Damit war für ihn dieses Thema abgeschlossen, er verlor nicht viele Worte darüber, wie froh er war, das sie darauf bestand ihn weiter zu begleiten und wie stolz er deshalb auf sie war. Doch der Blick, den er ihr schenkte, sagte darüber mehr aus als viele blumige Worte.


    Jetzt, da der Lärm der Stadt hinter ihnen lag, die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war und die Landschaft nur noch vom Mond und den Fackeln in den Händen der beiden Begleiter, erhellt wurde, mischte sich ein neues Geräusch in die Kulisse, erst ganz leise, dann langsam lauter werdend, begannen die Grillen in den grünen Feldern am Lauf des Flusses zu zirpen. Anders als im Hinterland, war hier direkt am Fluss die Landschaft wesentlich Grüner, auch wenn es kaum mit Italia im allgemeinen und Mantua im speziellen konkurien konnte.


    Ein kleines Stück vor ihnen erspähte Titus, der ein paar Schritte voran ging, die Stelle, welche er hier erwartete. Nicht, das Titus sich hier auskannte, aber der Hünne hatte mit einem der Kundschafter gesprochen, der ihm genau dieses Stelle genannt hatte, als ein Ort, der auch für ein kleines improvisierste Abendessen geeignete.
    Die Strasse führte so dicht am Fluss entlang, war an manchen Stellen eingepresst zwischen diesem und den Felsigen Hügeln. Und genau hier war es, dass eine Felszunge bis in den Fluss hineinragte. Die römischen Strassenbauer hatten einen Tunnel hindurch geschlagen, um die Strasse schnurgerade fort zu stetzen. Auf dieser Seite des Tunnels führte ein alter Pfad direkt auf das kleine Plateau hinauf, ein Pfad auf dem früher die Bauern entlang getrieben hatten und auf den Titus jetzt die Iulierin und seinen Tribun führt.


    Es war nur ein kleines Stück, das vielleicht etwas beschwerlicher war, als die Strasse, doch immer wenn es nötig war, half Tiberius Vitamalacus seiner Verlobten über kleinere Stolperfallen.


    Titus hatte seine Fackel schon zwischen zwei Steine geklemmt, die jetzt das kleine, mit Grass und Streuchern bewachsene Plateau beleuchtete. Die Stäucher schirmten es nach Norden und Süden ab und ein einzelner Olivenbaum würde Schatten spenden, wenn noch die helle Tagessonne scheinen würde. Bemerksenwert waren aber die Steingruppe, die so platziert war, das einige kleinere Steine um einen Grösseren herum standen, fast wie ein Tisch.


    Tiberius Vitamalacus blickte sich um, sah dann seine Verlobten an. "Da hat Titus uns zielstrebig wohl zum dem Platz gebracht, an dem die örtlichen Viehhirten ihr Mittagessen einnehmen. Was hälst du davon, wie sehen uns mal an, was Xamander in Zeugma auf die schnelle finden konnte ? "

  • Statt einer Antwort voller vieler Worte drückte die Iulierin einfach still die Hand ihres Verlobten. Eigentlich hatte sie mit einer Diskussion gerechnet, die sich den ganzen Abend hingezogen hätte, aber in einem war sie sich ziemlich sicher - dass er ihr auch ohne Worte wieder einmal klar gemacht hatte, wie wichtig es für ihn war, sie an seiner Seite zu wissen.


    "Ich glaube, auf die Meeresfrüchte kann ich eine Weile verzichten," sagte sie schließlich mit einem deutlichen Lächeln auf den Lippen. "Außerdem verlieren alle Dinge ihren Reiz, wenn man sie täglich und ohne Schwierigkeiten bekommen kann. Du wirst sehen, sobald wir wieder nach Italia zurückgekehrt sind, wann auch immer das sein wird, wissen wir Meeresfrüchte wieder ganz anders zu schätzen. Und dann gehen wir wieder nach Ostia, an den Strand, und essen gemeinsam aus einer Schale die Sachen, die Du für uns gekocht hast." Es war ein schönes Bild, eine schöne Erinnerung, die sie mit ihren Worten heraufbeschwor, und sie freute sich auch darauf, irgendwann diesen Worten Taten folgen zu lassen - zur rechten Zeit.


    Was sein Engagement im Krieg anging, sagte sie nichts. Eigentlich wollte sie daran auch gar nicht denken, die Gefahr, der er sich jeden Tag aufs Neue aussetzen musste, um seiner Pflicht zu folgen. Denn mit diesen Gedanken kam auch eine Erinnerung zurück, die sie in den tiefsten Regionen ihrer Seele vergraben hatte und nicht hervorholen wollte, wenn sie es nicht unbedingt musste. Der Tag, an dem man ihren damaligen Gatten vom Weld zurückgebracht hatte, leblos, geschlagen, mit schrecklichen Wunden. Sie hatte nicht geweint, wie man es von einer Römerin auch erwarten konnte, dafür war zu viel in diesem Augenblick in ihr gestorben, und erst wieder auf einem Streitwagen erwacht, im circus maximus. Gemächlich schritt sie an seiner Seite weiter, und ließ den Blick über die fremdartige, ungezähmte Landschaft wandern. Kein wirklicher Vergleich zu Italia, befand sie, aber doch mit einem eigenen Reiz.


    Als Titus zu ihnen aufschloss, folgte sie ihm und Vitamalacus voller Vertrauen, denn auch wenn sie mit dem bulligen Vertrauten ihres Verlobten wenig anfangen konnte, wusste sie doch, dass er ihm vertraute und er oft genug irgendwelche unangenehmen Dinge für ihn erledigte. Grund genug, ihm zumindest nicht zu misstrauen, wie sie es bei vielen Menschen von Grund auf tat. Dass es dann eine Art natürlicher Rastplatz wurde, den sie erklommen, ließ sie lächeln. "Zumindest sind jetzt keine Viehhirten hier, und ich denke, hier werden wir in Ruhe und vor allem sehr angenehm essen können." Xamander hatte das Paar vor einer Weile wieder eingeholt und trug einen großen Korb mit sich, aus dem auch ein Krug mit irgendetwas darin herausragte - das Organisationstalent des Griechen war beachtlich und sie gratulierte sich abermals dazu, ihn mitgenommen zu haben.


    "Domina, ich konnte neben diesem Fladenbrot, das man hier gern isst, einige frische Früchte bekommen, und hier geräucherten Fisch und etwas Fleisch, dazu einen milden Ziegenkäse und Oliven," während er erklärte, packte Xamander eins ums andere aus und häufte seine Mitbringsel auf die 'Steintischplatte' auf, nicht ohne Titus einen 'rühr das bloß nicht an' Blick zugeworfen zu haben. Sicher war sicher, so hatte sich der Grieche geschworen, und er wollte schließlich, dass sich die domina und ihr Verlobter wohlfühlten. "Sogar einen griechischen Wein aus der Nähe von Sparta konnte ich auftreiben." Jetzt klang er unzweifelhaft stolz.

  • Ein leises Lachen war die Antwort des Tiberiers, als Helena erwähnte, das sie wohl nicht von irgendwelchen Viehhirten gestört werden würden. Das Lachen war zwar leise, aber dennoch so unüblich für den Tribun der Prima, vom dem mancher sagte, er würde zum Lachen in den Keller gehen. Denn in ihm schwang eben jene Gelösstheit, die nur in der anwesenheit seiner Verlobten zum Vorschein kam.


    Ein gänzlich anderes auflachen kam von Titus, der dabei sogar leicht sein rechte Faust ballte, würde diese doch jeder Störenfried zu spüren bekommen. Und in der Natur des Hünen lag es, das er nur zu gerne seine Rechte zum Einsatz bringen würde. Aufjedenfall stellte er sich demonstrativ breit dort hin, wo der Weg zu dem kleinen Ruheplatz führte und aufjedenfall fiel es ihm nicht schwer, den Zugang allein durch seine Masse zu versperren.


    Quintus Tiberius Vitamalacus war sich bewusst, das sein vertrauter Schatten sie abschirmen würde, allerdings beobachtete wesentlich interessierter was Xamander ihnen heute servieren würde. Und für die Kürze der Zeit war es wirklich beeindruckend, was der Grieche hatte organisieren können.


    "Ein Wein aus Sparta ? Wirklich eine passende Wahl, Xamander," lobte er den Sklaven aufrichtig, waren doch die Spartaner egentlich die einzigen Griechen, welche der Tribun wirklich schätzte. Er führte seine Verlobte direkt zu dem einfachen Tisch aus Stein und half ihr, sich zu seten. Es mochte zwar nur ein der einfache Boden des Grenzgebietes sein, doch stand dieser Platz kaum dem an Bequemlichkeit nach, was sie bisher auf dem Weg der Legion erlebt hatten und noch erleben würden.


    "Es ist wirklich ein schönes Mahl, das Xamander uns besorgt hat," meinte er zu seiner Verlobten, als er sich neben sie setzte. "Jenseits der Grenze, jenseits des Euphrats, wird es schwieriger werden, so etwas zu finden, denn die Parther scheuen sich nicht, die schlimmsten Taktiken an zu wenden,..."


    Doch er wollte diesen Abend nicht mit dem Belasten, von dem sie beide wussten, was noch kommen konnte, nein, würde,..


    So hob er ihre Hand, die er immer noch in seiner hielt, leicht an, berührte sie sachte mit seinen Lippen. "Es ist schön, diesen Abend nur mit dir zu verbringen, meine Liebe."

  • Xamander strahlte vor Freude über das Lob - sicher, ein Lob seiner domina war gut, aber ein Lob ihres wohl zukünftigen Mannes war noch ein bisschen besser, immerhin würde er bald der Haushaltsvorstand sein, da schadete es nicht, ihm positiv aufgefallen zu sein. So trat er zurück, als er den beiden in mitgebrachte, einfache Becher Wein eingeschenkt hatte, das restliche Essen würde wesentlich einfacher zu erlangen sein, immerhin war das meiste bereits verzehrfertig geschnitten und in Tüchern angerichtet, sodass mit wenigen Handgriffen das Abendessen bereitet war. Dann trat er zur Seite, ließ sich neben Titus auf irgendeinem der Felsen in Rufweite nieder und betrachtete die wildwüchsige und ungezähmte Landschaft, die ihn zumindest teilweise an seine ferne Heimat erinnerte. Nur ein kaum hörbares Seufzen kündete von einer Sehnsucht, die so schnell nicht mehr gestillt werden würde.


    Iulia Helena indes lehnte sich an die Schulter ihres Verlobten, und blickte lächelnd zu ihm auf. Sie hätte das Essen nicht gebraucht, nicht den Wein, es genügte ihr, zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder etwas Zeit mit ihm verbringen zu können, bei der nicht jederzeit irgendein Offizier ins Zelt platzen und eventuelle Intimitäten stören konnte. Sicher, sie hatte es nicht anders gewollt, und irgendwie war der Gedanke eines Lebens auf der Reise nach wie vor reizvoll für sie, wie es immer gewesen war, aber sie wusste auch diese gestohlenen Augenblicke der Zweisamkeit mit ihm sehr zu schätzen.
    "Er ist sehr findig, was solche Dinge anbelangt. Solltet ihr einmal einen Quartiermeister brauchen, kann ich ihn nur empfehlen, wahrscheinlich würde er selbst mitten in der Wüste noch exotische Tänzerinnen und Wein auftreiben," scherzte sie gutmütig und strich ihm mit einer Hand über die nicht mehr ganz bartstoppellose Wange. Die letzte Rasur war am Morgen gewesen, und am Abend fühlte sie das Nachwachsen seines Bartes stets.


    Während die sinkende Sonne ein atemberaubendes Farbspektakel am Himmel aufführte, war es in Helena ruhig und still, sie war damit zufrieden, an diesem Ort zu sein, bei Vitamalacus zu sein und das eigentliche Abenteuer noch vor sich zu haben. "Ja, es ist schön," bestätigte sie. "Es wird immer wieder schön sein, Quintus, das wusste ich schon in Ostia. Niemals hätte ich gedacht, dass es nochmals passieren würde, dass die Götter mir dieses Geschenk ein zweites Mal machen würden, aber ... hier bist Du und ich bin glücklich, bei Dir zu sein, egal wohin uns unser Weg führen wird. Ich möchte, dass Du weisst, dass ich mir keinen besseren Mann wünschen könnte für mich. Und ich möchte, dass Du dieses Wissen immer dann mitnimmst, wenn es gerade schlecht um Dich steht, versprichst Du mir das? Ich will, dass Du zurückkehrst." Ihr Kinn hatte sich etwas gehoben und sie blickte ihm direkt in die Augen dabei, noch immer lächelnd - doch der Ausdruck der Augen verriet, dass sie es ernst meinte.

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