Mogontinischer Markt - Verkäufer, Auslagen und Preisverhandlungen

  • Phaeneas schlenderte über den Mark. Seit einigen Tagen war es kälter geworden und es ging ein unangenehmer Wind, auch wenn die Sonne schien, und so war der Bithynier damit beschäftigt nicht ans Frieren zu denken.
    Laut ging es zu, denn die Verkäufer priesen ihre Waren an, verhandelten mit den Interessierten über den Preis und die Leute unterhielten sich dabei noch über dieses und jenes. Dazu kam noch das markttypische Gedränge, Phaeneas bekam gerade eben den dritten Rippenstoß ab.
    Er betrachtete zwischendurch die Auslagen, ohne sich wirklich dafür zu interessieren. Wozu auch, er hatte ja alles, was er brauchte, und darüber hinaus hatte er keine materiellen Wünsche.
    Er sann nebenbei lieber über all jenes nach, was ihm durch den Kopf ging.


    Mittlerweile hatte er Erkundigungen eingezogen und herausbekommen, dass der Name des Mannes, der hier seine Sklavin neu eingekleidet hatte, Ivomagus war.
    Phaeneas hatte sich in dieser Sache bei ein paar Sklaven umgehört, die vor kurzem aus Rom gekommen waren, und hatte dabei erfahren, dass sich jener Mann tatsächlich vor Mogontiacum dort aufgehalten hatte. Die Sklaven hatten ihn hier wiedererkannt, allerdings war er ihnen interessanterweise aus den Elendsvierteln von Rom bekannt. Wie konnte dieser Ivomagus dann jetzt so mit Geld um sich werfen?


    Über zehn Ecken hatte Phaeneas zurückverfolgen können, an welchen Ständen die Sklavin des Ivomagus was bekommen hatte. Mit reichlich Desinteresse lauschte er dem Schmuckhändler, während der ihm Ketten und Armreife beschrieb. Eine recht müßige und vor allem überflüssige Angelegenheit... Das einzig interessante war dabei zu erfahren, dass Ivomagus die Sklavin sage und schreibe wie eine Gleichgestellte behandelt hatte und auch als solche anzusehen schien!! So wurde es dem Bithynier jedenfalls immer wieder beschrieben.
    Phaeneas würde denjenigen für verrückt erklären, der ihm einreden wollte er wäre frei und ihm aber nicht offiziell die Freiheit schenkte, wie es sich eben gehörte!
    Außerdem hatte er – der Zufall hatte ihm das zugespielt – mit Sklaven des Marius Marullus gesprochen und von denen erfahren, dass dieser Livius Priscus sich nach deren Herr erkundigt hatte und sie ihm darauf erzählt hatten, dass er in Tarraco sei. Phaeneas wusste, dass Ivomagus schließlich mit Priscus und der Sklavin von Mogontiacum aufgebrochen war. Mittlerweile war er wieder zurück, allerdings ohne die zwei anderen. Die wildesten Geschichten kursierten über diesen Umstand, eine unglaubwürdiger als die andere.
    Zu guter letzt hatte Phaeneas noch herausbekommen, dass Ivomagus nun bei der Ala in Confluentes war.
    Eine recht verworrene Geschichte!


    Phaeneas eiste sich jetzt jedenfalls von dem Schmuckverkäufer los, dankte ihm und ging mit ein paar Schritte an den nächsten Stand weiter, wobei er überlegte, ob wohl noch mehr über die Sache herauszubekommen war...

  • Phaeneas bekam einige sinnlose Gespräche mit, wie man sie wohl zu führen schien, wenn man ohne jede bestimmte Absicht über den Markt schlenderte ...
    Zwei Männer unterhielten sich: „In der Gens Duccia soll es ja vor einiger Zeit ganz schön zugegangen sein.“ „Meine Güte, hast du das jetzt erst mitbekommen! Das ist doch schon ewig her!“, erwiderte der andere, der eine tiefere Stimme hatte. „Ja, sicherlich“, gab der erste zu. „Aber mittlerweile ist Aulus Maximus schon wieder auf den Beinen, der soll doch der Auslöser gewesen sein.“ „Na, darüber ist man sich heute noch uneinig. Und die Duccier selber wohl auch, wie man sagt.“ „Wie meinst du denn das?“ „Na, man kennt doch die Verbundenheit der Duccier innerhalb der Familie. Jeder gibt sich selbst die Schuld!“ „Ach, sag bloß.“ Er schüttelte den Kopf. Dann fuhr er fort: „Aber gerade deshalb ist es doch seltsam, dass es überhaupt zu einem Streit gekommen ist! Er soll ja Ausmaße angenommen haben, wie sonst nur in der Taberna ...“ „Ach, nun ja, wie man eben Familienmitglieder verteidigt ... Zumindest hört man so Geschichten, dass es einzig und allein aus diesem Grund zu Handgreiflichkeiten gekommen sein soll. Dann würde ich es jedenfalls verstehen. Aber genaues weiß ja niemand.“ „Nicht einmal über den Grund des Streits?“ „Nein, nicht wirklich. Aber sag, soll Valentin Germanicus nicht auch verletzt gewesen sein? Man hat ihn danach nirgendwo mehr gesehen ...“ „Ja, darüber habe ich auch etwas gehört. Scheint sich aber noch nicht erholt zu haben.“ „Nun, hoffen wir das Beste. Tja, wenn der Haussegen schief hängt sind das nicht gerade optimale Gesundungsbedingungen. Jedenfalls scheint in letzter Zeit die Stimmung im Hause Duccia nicht gerade die beste zu sein.“ „Ach, tatsächlich?“ „Man sagt es jedenfalls.“ Typisch! „Also, bis dann einmal!“ „Ja, bis bald!“
    Über so eine Unterhaltung konnte Phaeneas nur den Kopf schütteln. Was war daran so interessant, sich in anderer Leute Familienangelegenheiten einzumischen? Diese zwei hatten sich darüber ja fast unterhalten wie ... wie andere über Gladiatorenspiele: „Sticht er jetzt zu oder nicht?!“

  • Während Phaeneas weiter von Stand zu Stand schlenderte, hörte er plötzlich jemanden nach ihm rufen: „Phaeneas! Phaeneas!“ Der Angesprochene drehte sich um und sah in der Menge, wen er ohnehin schon an dem üblich aufgeregten Tonfall der Stimme erkannt hatte: es war Euselius, ein Sklave aus einfacherem Hause, vielleicht fünf Jahre jünger als Phaeneas.
    Die beiden kannten sich entfernt, von einigen Begegnungen auf dem Markt oder sonst irgendwo in Mogontiacum. Äußerlich waren sie das genaue Gegenteil voneinander, während Phaeneas immer wie von Dunkelheit umgeben schien, war Euselius wie das Licht persönlich, mit seinen blonden Haaren und den hellen, blitzenden Augen.
    Was an Euselius als allererstes auffiel war, dass er ziemlich neugierig war. Er hatte Phaeneas schon tausende Male ausgefragt und schien dessen nicht müde zu werden. Auch wenn der es nicht gerade schätzte, wenn sich jemand einfach so in seine Privatsphäre drängte, akzeptierte er ihn als flüchtige Bekanntschaft. Im Übrigen war Euselius recht anhänglich und hätte den Bithynier so und so immer wieder aufgespürt, auch wenn Phaeneas versuchen würde ihm aus dem Weg zu gehen.
    Aber an sich war Euselius ein angenehmer Zeitgenosse und in seiner Gegenwart erfuhr man immer die interessantesten Dinge. So auch diesmal. Doch zuerst tat er der Höflichkeit Genüge: „Salve, Phaeneas! Sag, was machst du hier?“ „Salve! Ach, ich verplempere meine Zeit.“ Euselius verzog das Gesicht. „Wie kann man nur? Aber um deiner Langeweile vorzubeugen, ich kann dir eine spannende Neuigkeit erzählen!“ „Gerne“, antwortete Phaeneas, „aber verschwinden wir erst einmal hier aus diesem Gewühle.“
    Sie zogen sich in eine ruhigere Gasse zurück. Und Euselius begann auch sofort: „Stell dir vor, ein Artorius, irgendeiner bei der Legio, soll eine Spur gefunden haben, wer die Casa Artoria in Rom abgefackelt hat!“ Nun war Phaeneas wirklich erstaunt. „Sag bloß! Wie hat er denn das angestellt? Und ist schon bekannt, wer es sein soll...?“ „Na ja, eines Abends war Artorius in der Taberna und hat sich dort mit jemandem unterhalten. Angeblich saß einer genau am Nebentisch und hat alles mitbekommen. Allerdings ist die Sache schon ziemlich oft herumerzählt worden, deshalb sind sich die Leute über die richtige Version nicht mehr recht einig... Die einen behaupten, dass der andere Informationen für Artorius hatte. Beim Gehen hat er dann unter extragroßer Vorsicht ein Beweisstück oder so für den Artorier zurück- sprich: fallen gelassen.“ Man sah seinem Gesicht an, dass er selbst die Geschichte für etwas überdreht hielt. „Andere meinen, dass Artorius den Brandstifter selber getroffen hat, ohne es zu wissen. Aber mitten im Gespräch hat sich der Kerl verraten und musste fliehen.“ „Hm, und woher hast du das?“ „Bei der einen Version weiß ich es nicht mehr. Der, der mir die andere erzählt hat, hat es angeblich von dem, der in der Taberna saß und dort zugesehen hat. Doch wer weiß...“ „Sicherlich“, schmunzelte Phaeneas. „Aber immerhin ist es eine interessante Begebenheit.“ Darauf antwortete der Bithynier das gleiche wie vorhin. Für Euselius war es tatsächlich nichts anderes.
    „Offiziell ist jedenfalls noch nichts, sonst wüsstest du es ja schon längst, und auch ansonsten ist noch nicht durchgedrungen, wer jetzt den Brand gelegt haben soll“, schloss er.

  • Es war wie üblich – üblich für Germania – ein eher zu kühler Tag, aber langsam ging es in Richtung akzeptablere Temperaturen. Das war so ziemlich einer der wenigen Gründe, warum Phaeneas froh sein konnte, dass er demnächst nach Rom kam, ansonsten war es ihm relativ egal, wohin er ging. Sein Leben war seit je her von wechselnden Orten geprägt gewesen, ihm lag selten – sprich, nie – besonders an einer Landschaft oder einer Stadt – und es hatte etwas beruhigendes, wenn etwas blieb, wie es war, eine der Beständigkeiten seines Lebens - also die ständige Veränderung - erhalten blieb. Das verhieß – na ja, ließ vielmehr hoffen – dass anderes, woran ihm mehr lag, sich nicht veränderte.
    Außer Ständen von Bauern, fahrenden Händlern und natürlich denen von mogontinischen Bewohnern, wo die Erzeugnisse und Waren aller genannten verkauft wurden, waren an diesem Tag auch Gaukler und Musikanten in der Stadt. Tja, und weil es da etwas zu sehen gab, hatten sich Euselius und Phaeneas aufgemacht dabei zuzuschauen. Der Bithynier kam zu diesem Spektakel weniger, weil es ihn interessierte, sondern schlicht nur um Gesellschaft zu haben, um unter Leuten zu sein. Manchmal hatte er keine Lust sich mit anderen abzugeben und manchmal ertrug er die Einsamkeit nicht. Dementsprechend war es in weit größerem Maße Euselius, der Phaeneas duldete; dazu waren die Menschen, die es mit dem Bithynier zu tun hatten, schier verdammt: zu dulden. Denn er bemühte sich nicht immer gerade, die angenehmste Gesellschaft zu sein, und es war nicht immer leicht mit ihm. Mal von Zweifeln und Unsicherheit wegen der Ungewissheit der Welt geplagt legte er auf der anderen Seite auch manchmal einen kräftigen Schuss wenig feinfühliger Ironie an den Tag und gab sich zeitweise sehr distanziert und kühl.
    Zumindest gegenüber denen, die ihm nicht wirklich etwas bedeuteten, und das waren schließlich die meisten.
    Jedenfalls verfolgten die beiden äußerlich so gegensätzlichen Sklaven die Schau, die Bauchredner und Taschenspieler boten. Gerade jonglierten Akrobaten auf den Händen stehend mit den Füßen Ringe, Bälle, ja sogar Dolche. Man konnte alles übertreiben, fand Phaeneas. Um an so etwas Gefallen zu finden, hatte er zuviel blutiges am eigenen Leibe erlebt. Wahrsager mischten sich unter die Leute und boten einen Blick in die Zukunft an.


    Nie würde der Bithynier wissen wollen, was die Zukunft ihm bringen würde, denn er war der Meinung, dass er das früh genug erfahren würde – schließlich ging er nicht wirklich davon aus, dass seine Zukunft übermäßig viel Erfreuliches bringen würde. Nein, sein Leben würde so weitergehen wie bisher – (das mit Lucianus und dem Frieden und der Ruhe, die damit einherging, war bestimmt nur ein Fehler des Schicksals, der Fortuna, und würde eines Tages wieder berichtigt werden) – und all das Deprimierende wollte Phaeneas nicht hören.


    „Oh, schau nur, die Tänzerin da hinten!“, rief Euselius begeistert und bekam solche Stilaugen.
    „Wenn sie dir gefällt“, meinte Phaeneas nur, aber dass er sich überhaupt dazu herabließ, sich zu diesem Thema zu äußern, war schon viel. Wild und aufreizend tanzte sie. Der Bithynier wettete für sich, dass man danach für ein paar Münzen mit ihr ins nächste Wirtshaus gehen konnte. Aber er behielt es für sich. Denn Euselius hätte das Geld sowieso nicht.
    Den blonden Sklaven schienen solche Gedanken in diesem Moment überhaupt nicht zu beschäftigen. So sorglos wirkte er, während er der Frau zusah, so unbeschwert wie fast immer. Ganz auf den Augenblick konzentriert, den Tanz der stark geschminkten Schönen.
    In diesem Moment wurde Phaeneas von hinten her angetupft. Dort stand eine etwas ältere Frau, die ein Essenswägelchen vor sich herschob. Er schüttelte den Kopf: „Danke, gute Frau, ich brauche nichts.“ Und mit einem schnellen Blick auf Euselius‘ Rücken fügte er an: „Und mein Begleiter hier auch nicht.“ Sie wiegte bedenklich den Kopf. „Sicher nicht? Ich habe hier gute Suppe und Eintopf und lukanische Würste dazu. Und wenn du Durst hast, im Lokal meines Mannes da drüben ... Ihr müsst doch hungrig sein bei der langen Aufführung!“, versuchte sie ihn weiter zu ermuntern. „Und selbst wenn ihr jetzt keinen Hunger habt, etwas später wird er bestimmt kommen!“ Versöhnlichere Töne anschlagend – bei so einer hartnäckigen Geschäftsfrau – meinte er: „Na, dann können wir dich ja immer noch herwinken.“ Sie nickte und schob den Wagen an, um weiterzufahren. Gerade jetzt drehte sich Euselius nach Phaeneas um. Er sah leicht enttäuscht aus – ah ja, die Tänzerin hatte aufgehört und war samt Musikanten in der nächsten Taberna verschwunden. „Schau nur, der Seiltänzer da drüben!“, sagte Phaeneas schnell, um ihn abzulenken. „Ah ja.“ Der Blonde wandte sich wieder dem bunten Geschehen zu. „Schön.“
    Nach einer Weile der eingehenderen Betrachtung konnte man dann endlich wirkliche Begeisterung heraushören: „Echt klasse, welche Sprünge der da auf diesem Seil hinlegt!“ „Schau nur!“, bemerkte Phaeneas, schlicht nur in dem Bestreben Euselius‘ Stimmung oben zu halten. „Jetzt setzt er sich mit einem Hocker mitten auf das Seil.“ Der Angesprochene nickte. „Und dazu zieht er noch eine Tabula heraus und liest sie gemütlich!“
    Während sie der Schau des Seiltänzers weiter zusahen, begann Phaeneas: „Ach, übrigens, du kennst ja noch gar nicht die neueste Neuigkeit. Ja, bei mir zuhause tut sich mehr, als nur die Amtsübergabe bedingt.“ Ein leicht ironischen Grinsen. Und er fuhr fort: „Wir sind schwanger.“
    Nach einer kurzen Atempause ergänzte er: „Meine Herrschaften erwarten ein Kind.“ In Anbetracht dessen, dass er üblicherweise nichts - spannendes - von sich selbst erzählen konnte, dann heute wenigstens von anderen.
    „Na, sag bloß“, erwiderte Euselius. „Wie lang hat das denn gedauert?“
    Mit einem leisen Schmunzeln und einem Stoß in die Rippen gebot Phaeneas ihm zu schweigen und nicht solche Witze über Lucianus und seine Ehefrau zu machen.


    Sim-Off:

    Ein paar Feinheiten verändert

  • „Euselius, Euselius!“, rief Phaeneas dem Blondschopf hinterher, so wie der es immer bei ihm getan hatte.
    Der Gerufene blieb sofort stehen und sah sich nach dem um, der gerufen hatte. Ein Schmunzeln umspielte seine Lippen. „Salve, Phaeneas“, begrüßte er denselben, sobald der bei ihm war. Ungewöhnlich energisch hatte der Bithynier sich durch die Menge gedrängt und dabei zielstrebig auf Euselius zugehalten.
    Nun betrachteten dunkle Augen helle. „Euselius, wir brechen auf. Heute ist mein vorletzter Tag in Mogontiacum!“
    „Oh“, stellte der Blonde zuerst wenig aussagekräftig fest. Mit einer ruhigen Handbewegung lud er Phaeneas ein, mit ihm über den Markt zu gehen.
    „Die Zeit vergeht schnell. Dann wird Mogontiacum also jetzt ohne dich auskommen müssen?“ Dieser Trick, dieser recht primitive Scherz, verfehlte seine Wirkung nicht. Phaeneas‘ Gesicht verzog sich zu einem gnadenlos selbstironischen Grinsen, während die eine Augenbraue nach oben wanderte und die andere nach unten gezogen wurde. „Mogontiacum ist seit jeher wunderbar ohne mich zurechtgekommen, es wird auch jetzt gut auf mich verzichten können. Und“, fügte er hinzu, „es wird mich auch nicht vermissen.“ Und damit wurde Phaeneas fies. Schließlich stand vor ihm der einzige aus eben dieser Stadt, mit dem er eine halbwegs regelmäßige Beziehung aufgebaut hatte. Euselius kannte das inzwischen; wie der Bithynier manchmal mit Worten zu inszenieren pflegte. Wie er manchmal eine scheinbare Problem- und Illusionslosigkeit inszenierte, manchmal sich selbst ... manchmal etwas ganz anderes.
    „Die Stadt im Gesamten vielleicht nicht“, antwortete der Blonde so, wie es von ihm gewünscht wurde. Mehr sagte er nicht. Phaeneas hätte eben jene Worte, die er vorhin benutzt hatte, vor irgendjemandem nie so formuliert. Nur bei jemandem, mit dem er öfter zu tun gehabt hatte. Hier war es Euselius. An einen Fremden hätte er ja auch nie Ansprüche gestellt. Und das war diese beiläufige Äußerung schließlich ...
    Der Bithynier blickte über den Markt, die vielen Leute und Waren. So oft war er hier gewesen. Und das meistens mit Euselius. Dass er diese Stadt verließ, stimmte ihn kein bisschen traurig. Das Zurücklassen des blonden Sklaven neben ihm schon eher.


    Dass Euselius stets unglaublich – übermäßig - neugierig gewesen war, war eine Sache, dass er es dabei noch zur Arglosigkeit eines Kindes brachte, steigerte die Angelegenheit noch. Mit seiner Anhänglichkeit musste man ebenfalls erstmal klarkommen und über die blinde Bewunderung, zu der er fähig war, hatte Phaeneas nur den Kopf schütteln können. Darüber hinaus hatte er eine arg lässige Einstellung zum Leben gehabt und was seinen Zeitvertreib anbelangte, war er mit sehr primitiver Beschäftigung zufrieden gewesen. Mit ihm ein kluges Gespräch führen zu wollen, war von Vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Er hatte stets die Welt genommen, wie sie war, und sich keine Gedanken über sie gemacht.


    Doch auch wenn Phaeneas schon oft über Euselius‘ Naivität die Augen verdreht hatte, seine Gegenwart manchmal nur seufzend hingenommen, geduldet hatte, hatte er doch regelmäßig mit Euselius zutun gehabt, ihn oft genug von sich aus aufgesucht und so immer wieder um seine Gesellschaft gebeten.


    Auch wenn er ihn manchmal reichlich von oben herab behandelt hatte, ihm gegenüber oft demonstrativ gelangweilt und desinteressiert gewesen war, hatte er doch weit mehr auf den Blonden gehalten als er es ihn meist hatte merken lassen.


    Insgeheim bewunderte der Bithynier ihn. Seine Sorglosigkeit, seine Fröhlichkeit, wie er sich spontan begeistern konnte. Und auch wenn er ihn um seiner Blauäugigkeit willen belächelt hatte, war Euselius eindeutig der Mutigere von ihnen beiden – und hatte damit sichtbar mehr vom Leben. Und dafür bewunderte Phaeneas ihn.


    „Jedenfalls, ich muss bald wieder zurück in die Regia. Meine Herrin möchte heute den größten Teil des Packens abschließen und dabei sollte ich sie besser nicht im Stich lassen. Beziehungsweise meine Mitsklaven.“ Euselius nickte verständnisvoll. „Natürlich. Vale bene, Phaeneas. Viel Spaß in Rom! Genieß die Vorzüge einer Großstadt!“
    Auch jetzt durchbrach der blonde Sklave die Distanz zwischen ihnen nicht, dachte nicht annähernd daran, Phaeneas die Hand auf die Schulter zu legen oder nach seinem Handgelenk oder seinem Oberarm zu greifen. Mochten sie auch über Jahre hinweg beinahe jeden Tag miteinander zu tun gehabt haben, das hatte den Bithynier in diesem Fall nicht dazu gebracht, von diesem Vorgehen auch nur ein kleines Stück abzurücken. Als – unsichtbaren – Ausgleich dafür hatte Euselius seine Bewunderung.
    „Leb wohl, Euselius“, antwortete er. „Solang du nur weiterhin Augen und Ohren offenhältst in Mogontiacum.“ Ein leichtes Schmunzeln stahl sich auf Phaeneas‘ Gesicht. Das wiederum löste ein begeistertes Lächeln bei dem Blondschopf aus. „Natürlich“, nickte er eifrig.
    „Na, dann kann nichts schief gehen!“ Und damit hetzte er die Tratschtante weiterhin auf die Bewohner der Stadt. Es war eine letzte Anerkennungsbekundung an Euselius (- und dessen Neugier). „Vale, Euseli*!“ Dessen helle Augen blitzten nocheinmal: „Vale, Phaeneas!“


    Sim-Off:

    * lateinischer Vokativ (=Anredefall)

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