• Der Wirtschaftshof hinter der Villa Flavia hat nichts feudales an sich. Angrenzend an die weite Fläche gestampfter Erde befinden sich hier die Stallungen und eine Zisterne, die Waschküche, eine Remise für die Sänften und diverse Vorrats- und Lagerräume. An einer Seite bildet eine dichte Oleanderhecke die Grenze zum großen Garten der Villa, auf der anderen stößt der Hof an die hohe Mauer, in der sich auch der Lieferanten- und Hintereingang befindet: ein massives Tor, mit Eisenstreben verstärkt.
    In der Mitte des Hofes wächst ein knorriger Olivenbaum, dessen silbriges Blätterdach im Sommer angenehmen Schatten spendet. Tagsüber scharrt hier das Federvieh, oder zupft an den spärlichen Grashalmen, und es herrscht reger Betrieb durch das arbeitende, oder sich der Arbeit entziehende Gesinde. Von den patrizischen Hausbewohnern hingegen verirrt sich nur selten jemand hierher.

  • Es war ein Abend im Spätsommer. Die Luft war klar, wie reingewaschen durch den heftigen Regen, der im Laufe des Tages niedergegangen war. Später hatte wieder die Sonne herunter gebrannt, und die Pfützen im Hof getrocknet, so dass dort nun festgebackener Schlamm blieb, von kleinen Rissen durchzogen. Noch immer war es abends mild, doch ein Hauch von Herbst lag bereits in der Luft. Es war die Stunde zwischen Sonnenuntergang und dem Einbruch der Nacht, wo sich eben die Dämmerung herab zu senken beginnt und die ersten Lichter entzündet werden.
    Der Hof lag still vor dem Germanen, als er aus der Villa trat, und zielstrebig zu dem Schuppen ging, wo das Holz gelagert wurde. Selten war es ihm in diesen Mauern möglich, eine Weile allein zu sein, immer waren da die anderen Sklaven, und ihr, ihm so erbärmlich erscheinendes, Rangeln darum, wer von ihnen vor den Herrschaften am besten dastand. Deshalb war er gar nicht unglücklich, dass Astraia ihn, obwohl es Essenszeit war, gebeten hatte, ihr etwas Holz für die Küche zu hacken - auch spät musste da immer das Feuer brennen, falls einer der Flavier zufällig Lust auf etwas warmes bekam.


    Er schloß die Türe auf, stapelte sich ein paar Scheite auf dem Arm und nahm sie mit hinaus, wo das Licht noch besser war. Auch den Hackklotz rollte er hinaus, zog das Beil aus der zerkerbten Oberfläche - das Beil, mit dem man noch ganz anderes Sachen spalten könnte, als Holz.... Nein, ich sollte da nicht darüber nachdenken... Nein. Er schüttelte den Kopf und murmelte leise ein paar Verse vor sich hin, während er das erste Scheit aufrecht hinstellte, dann das Beil über den Kopf schwang und das Holz sauber zerteilte. Und so fuhr er fort. Die Axthiebe schallten über den Hof, und der Haufen von Kleinholz um den Klotz herum wuchs.
    Ihm wurde bald warm, und sein Atem ging schneller. Seine alte Kraft musste er erst noch zurückerlangen. Aber es war angenehm so für sich zu sein, an der Luft, und zu spüren wie seine Muskeln arbeiteten, ein Schweißtropfen ihn an der Stirn kitzelte, sein Atem aus und ein strömte.. Es war sehr lebendig.


    Und während er da so vor sich hin hackte, schweiften seine Gedanken zu dem Mädchen Bridtha, dass sein Herr heute gekauft hatte. Sie gefiel ihm wohl, und er war entschlossen ihr beizustehen hier an diesem infamen Ort, wo sie noch fremder war als er. Wie vertrauensvoll sie bei ihm Halt gesucht hatte... Er runzelte die Stirn, und ließ die Axt heftiger auf das Holz niederfahren. Diese Anzeichen kannte er doch bei sich. So fing es an. Und am Ende würde es nur wieder ein Desaster. Er hob den Blick und starrte zu dem Olivenbaum, schwarz und knorrig in der Dämmerung.
    Genau da war er Arrecina zum ersten Mal begegnet, ab da hatte alles seinen Lauf genommen, von diesem Olivenbaum über die Berge der Appenninen, und Mantua und den Kerker bis hin zu einem Kreuz am Straßenrand, an dem er zugrunde gegangen wäre wenn nicht Aquilius sich damit begnügt hätte ihn nur halb zu töten. Wütend schlug er auf das Holz ein. Hätte er nicht wegen Arrecina den Kopf verloren, wäre seine Flucht wahrscheinlich geglückt. Arrecina... Hätte er nicht damals wegen Gytha den Kopf verloren, wäre er gar nicht erst in Gefangenschaft geraten! Sobald er sich verguckte ging alles schief. Die Weiber raubten einem nur den Verstand.
    Hart klangen die Schläge der Axt, als der Germane verbissen weiterhackte, und dabei versuchte, den Gedanken an ein gewisses scheues Lächeln, große blaue Augen und einen verlockenden Körper unter einer zerrissenen Tunika ganz weit weg von sich zu verbannen.

  • Der erste Tag in diesem fremden Haus, neigte sich seinem Ende zu.
    Eigentlich wollte ich in die Sklavenunterkunft und mich zur Ruhe legen, doch dann verspührte ich noch etwas Lust hinaus ins Freie zu gehen, um den lauen Sommerabend noch etwas zu genießen.
    Ein Lied meiner Heimat auf den Lippen, trat ich hinaus in den Hof. Ich verstummte, als ich ein Geräusch hörte. Jemand hackt zu dieser späten Stunde noch Holz. Dann erkannte ich ihn.
    Seit ich mit Cangah verschwunden war, hatte ich ihn nicht mehr gesehen.
    Ich törichtes Ding hatte mittlerweile auch erfahren, wer wirklich mein neuer Herr war. Doch diese Tatsache änderte nichts an meinen Gefühlen für ihn.
    Ich ging auf ihn zu und verharrte einen Moment. Als er aufschaute, begrüßte ich ihn.


    Salve Severus!


    Ich wünschte, ich hätte ihm noch viel mehr sagen können, doch dafür fehlte mir zum einen der Wortschatz und zum anderen der Mut.
    Doch ich schenkte ihm ein Lächeln. Gleichgültig ob Krieger oder Sklave, für mich war er mein Held!

  • Beinahe hätte der Held sich ins Bein gehackt, als das Mädchen so plötzlich vor ihm stand, geradezu als wäre sie aus seinen Gedanken herausgetreten.
    "Bridtha!"
    Erschrocken ließ er die Axt sinken, legte dann noch die andere Hand um den Stil, und hielt das Werkzeug auf diese Weise, die durchaus ein wenig linkisch war, in den Händen. Man hätte meinen können, er wolle eine Barriere zwischen sich der schönen Irin bilden. Die sauber und ohne Blutspuren zwar nicht mehr ganz so wild, dafür um so lieblicher aussah.


    "Salve Bridtha.", grüßte er, und lächelte schief zurück. Er war froh zu sehen, dass sie einigermassen wohlauf schien - ja, dafür was sie heute durchgemacht hatte, sah sie eigentlich schon wieder erstaunlich heiter aus. Trotzdem verspürte er, wie sie da so strahlend vor ihm stand, sie beide ganz allein auf dem Hof, einen eigenartigen Fluchtimpuls. Sei kein Narr, sagte er sich, dies ist ein Mädchen, ein süßes Ding, kein wilder Auerochse! Sie scheint Dich zu mögen, locke sie doch einfach in den Schuppen und sieh mal, ob ihr nicht etwas Spaß zusammen haben könnt.


    Aber irgendwie... traute Severus sich nicht so recht das zu versuchen. Vorhin auf dem Markt, ja, da war es klar gewesen, was er zu tun hatte. Und wem hätte es nicht gefallen, sich als Retter zu gebärden, und dafür dankbare Blicke zu ernten? Aber jetzt?
    Ein wenig umständlich legte er die Axt auf den Holzklotz, wischte sich den Schweiß von den Schläfen und räusperte sich.
    "Bist Du also gut hier angekommen, wie ich sehe.", sagte er dann geradezu schüchtern. "Ich hacke Holz - wie du ja auch siehst. Für die Küche. Verdammt. Ein Glück dass Du nicht verstehst, was ich hier gerade für Unsinn zusammen rede."
    Ganz langsam, und die Wörter deutlich betonend, erkundigte er sich dann:
    "Alles in Ordnung, soweit? Wie geht es dir?"
    Um diese simple Frage zu verdeutlichen legte er die Finger an die Mundwinkel, verzog sie zu einer fröhlichen Miene, dann zu einer traurigen, und sah Bridhe dabei fragend an.

  • Es tat mir in der Seele weh, wie sehr mir in diesem Moment die Worte fehlten. Er redete auf mich ein. seine Gesten verrieten mir ein wenig, was er nir sagen wollte.
    Ob es mir gut ginge, wollte er wissen. Nun ja, das war wirklich eine gute Frage. Wie geht es einem, wenn man in einem fremden Haus, in einem fremden Land unter fremden Menschen leben muß.
    Doch im Augenblick fühlte ich mich wohl. Im Laufe des Tages versuchte ich so viele Wörter wie möglich aufzuschnappen und mir ihre Bedeutung zu merken.
    Cangah war sehr liebenswürdig zu mir gewesen. Ihre ruhige und gemütliche Art und ihre beruhigenden Worte halfen mir, mich hier einzuleben.
    Am wohlsten fühlte ich mich aber in seiner Gegenwart. Er gab mir dieses Gefühl von Sicherheit.
    In der Vergangenheit hatte ich es nie geschafft, eine Art Beziehung zu einem Jungen aufzubauen. In der Zeit, in der meine Freundinnen ihre ersten Freunde hatten, mußte ich mich um meine jüngeren Geschwister und den Haushalt kümmern. Seit Mutters Tod im Kindbett war alles anders geworden.
    So hatte die Gefangenschaft doch etwas gutes, dachte ich ironisch.
    Doch ich wollte auch auf seine Frage antworten. Ich überlegte. Nur schwer kamen die fremden Worte über meine Lippen.


    Gut gehen! Du gut gehen?


    Mir war bewußt, wie plump meine Worte auf ihn wirken mußten. Doch wenn er mich wirklich mochte, würde er darüber hinwegsehen.
    Ich sehnte mich einfach danach, jemanden zu haben, mit dem ich sprechen konnte und der mich auch mal in den Arm nehmen und trösten konnte. Mehr wollte ich eigentlich nicht. Sollte einmal mehr daraus werden, wäre es schön.

  • Es klang sehr drollig wie sie das sagte. Er musste grinsen, und die seltsame Befangenheit verflog.
    "Ja", antwortete er wieder sehr deutlich, "Mir geht es gut."
    Mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, ein kleines Stück auseinander gehalten, machte er die Geste für "ein bisschen", legte die Linke an den Mund, und meinte "Du sprichst ja schon Latein, Bridtha.", dann entfernte er die Finger weiter voneinander und nickte zuversichtlich. "Bald kannst du es richtig, ganz bestimmt."
    Wie verwirrend war schon für ihn alles gewesen, als er hier her kam. Aber wenn man dazu noch kaum was verstand! Er überlegte - so einfach war das nicht sich so zu unterhalten - sprach dann einfach langsam drauf los und versuchte es durch Gesten zu verdeutlichen.
    "Haben sie Dir schon das ganze hier gezeigt?"
    Ein Kreisen mit der Hand, das Haus und Garten umfasste, dann ein Zeigen auf seine Augen, und wieder eine fragende Miene.
    "Soll ich Dich ein bisschen herumführen?"
    Ein Deuten auf sich, dann auf Bridhe, mit den Fingern zeigte er "Gehen" an, und wieder eine Bewegung zu den Augen hin.
    "Ich muss aber vorher das Holz in die Küche bringen."
    Er deutete auf das Holz, dann zum Haus und formte mit den Händen imaginäre Flammen, pustete hinein, und lies die Flammen dann heftiger "lodern".
    "Danach zeige ich Dir dann, was es hier so zu sehen gibt."
    Er kniete sich hin, und begann, die handlich zerkleinerten Scheite einzusammeln, bis er einen Arm voll hatte. Der Geruch des frischen Holzes stieg ihm angenehm in die Nase.
    "Kommst Du mit?", fragte er freundlich, und machte schon ein paar auffordernde Schritte auf die Villa zu.

  • Es war schön, ihn lachen zu sehen und ich war froh, in seiner Nähe zu sein.
    In langsamen Sätzen und mit Hilfe der Zeichensprache, redete er mit mir. Er wollte wissen, ob ich das Haus und alles drum herum schon gesehen hatte. Doch außer dem Nachtlager und dem Garten hatte ich noch nicht viel gesehen. Den Arbeitsbereich der Sklaven natürlich, hatte ich auch schon kennengelernt.
    Ich schüttelte den Kopf. Mit eben der gleichen Zeichensprache behalf ich mich um ihm zu erläutern, was ich bisher kannte.


    Hortus, Culina, schlafen! Du zeigen?


    Ich sah, wie er die Holzscheite zusammen machte, um sie ins Haus zu bringen und bot mich an, ihm dabei zu helfen.


    Bridhe helfen!


    Beladen schritten wir beide in Richtung Villa. Er ging voraus und ich folgte ihm.
    Nachdem wir das Holz verstaut hatten, sah ich ihn fragend an.
    Ich hatte noch große Lust, mit ihm die Villa und ihre Nebengebäude bei Nacht zu erkunden.

  • Nach dem Streit mit Sciurus trat Rutger hinaus auf den Hof, mit verkniffener Miene und noch immer brodelndem Zorn. Seine Nasenflügel bebten als er tief die kühle Morgenluft einsog. Leise, aber äußerst erbittert auf chattisch vor sich hinfluchend, ging er mit wütenden Schritten über den Hof.
    "Dreckiger Neiding... mieser Kriecher... abartige Ausgeburt Angrbrodas... krummer Hund... unterwürfiges Gezücht! Arger Feigling! ... bösartiger Möchtegerntyrann..."
    Ein paar Hühner flohen gackernd vor seinem unwirschen Vorwärtsstreben, und eine Waschmagd, die gerade eine Tunika in einem Trog mit dampfendem Wasser rubbelte, blickte erstaunt zu ihm herüber.
    Weit konnte Rutger auch nicht gehen, denn dann war der Hof auch schon wieder zu Ende. Feindselig blickte er auf das schwere Tor, das den Weg in die Freiheit versperrte. Wobei - inzwischen war es nicht nur das Tor, das ihn hier festhielt. Es war alles so verzwickt.


    Der Germane setzte sich auf einen Bretterstapel neben dem Holzschuppen, stellte die Essensschale neben sich ab und zog ein Bein an den Körper. Garms Grimm! Warum hatte er sich hinreißen lassen solche Reden zu führen? Den Küchensklaven von Freiheit zu predigen! Das war doch verlorene Mühe bei diesen längst gebrochenen Gestalten. Er war sich eigentlich nicht mal selber sicher, ob die mit dem Leben in Freiheit zurechtkämen. Aber Sciurus' vollkommen verdrehte Behauptungen hatten ihn einfach bis aufs Blut gereizt.
    Die Wut und das Feuer, das ihn beflügelt hatte, wichen aus ihm, ließ ihn erschöpft zurück. Wahrscheinlich hatte er sich schon wieder um Kopf und Kragen geredet, dachte er, und stützte resigniert den Kopf auf die Hand. Dabei wollte er doch eigentlich keinen neuen Ärger. Der letzte steckte ihm noch tief genug in den Knochen. Und schon gar nicht wollte er Bridtha in Schwierigkeiten bringen. Das hätte er sich allerdings am Vorabend überlegen sollen, fiel ihm auf. Den Rücken an die Bretterwand gelehnt, löffelte er zerknirscht den Getreidebrei.

  • Gartenbau – lebe von den Früchten der Erde.


    Zuerst bog Nero der riesige Molocherhund um die Ecke, dann folgten Serenus und Dido. Beide Kinder waren in grüne Tuniken, und grüne Sandalen aus groberem Stoff gekleidet. Allerdings war ihre Spielkleidung vom besten patrizischen Schneider von Baiae maßgeschneidert worden. Serenus trug eine riesige Schriftrolle, kurze Holzpflöcke und Schnur in den Händen. Dido trug einen riesigen Korb mit Saatgut und einen Eimer zum bewässern.


    „He Sklave! Stell deinen Brei zur Seite und lungere hier nicht herum. Sonst lasse ich dich von Nero mal durch die Villa scheuchen und weise Sciurus an, dass du 4 Wochen lang nur Spinat- und Gerstenbrei bekommst. Im Schuppen solltest du Hacken, Spaten und anderes Gartengerät von Onkel Senator Felix finden. Nimm dir die Werkzeuge und komm mit. Wir legen heute einen Obst und Gemüsegarten an. Dazu noch ein Kräuterbeet. Und wenn du stark genug bist, dann nimm noch einige von diesen Brettern für ein Hochbeet mit und vergiss die Erntekörbe nicht.“

  • Nie hatte man seine Ruhe... Von dem Bretterstapel herab besah der Germane sich den Tross des kleinen Flaviers, und wusste nicht so recht, ob er jetzt amüsiert oder entrüstet sein sollte, über das Aufreten des verzogenen Bengels. Diesem jungen Popanz hätte ohne Zweifel mal eine ordentliche Tracht Prügel gutgetan. Kühl betrachtete er Serenus und entgegnete:
    "Junger Flavius, weißt du denn nicht dass es strikte Anweisung gibt, dass kein Sklave hier deinen "Befehlen" zu folgen hat? Sie stammt von deinem Vater, soviel ich weiß."
    Warum diese Order ergangen war, wusste er nicht genau, er war ja damals eingekerkert gewesen, es hatte aber wohl irgendwas mit einer toten Ratte und einer Hochzeit oder so ähnlich zu tun. Jedenfalls war dies ausnahmsweise mal eine Tat des Flavius Aristides, mit der er vollkommen einverstanden war. Die einzige überhaupt wahrscheinlich. Er schob sich den letzten Löffel des faden Frühstücks in den Mund und erhob sich, ging an Serenus und Gefolge vorbei, um die Schale in die Küche zurückzubringen und sich dann auf den Weg zur Gladiatorenschule zu machen.

  • Dido schniefte. Sie hatte schon seit zwei Wochen einen elenden Schnupfen. Und die Aussicht in der Erde zu buddeln behagte ihr auch nicht, zudem drückte der schwere Korb auf ihren Armen. Aber Dido hatte inzwischen gelernt, dass ihr Herr einige seltsame Anwandlungen an den Tag legte. Nein, spielen war ihm nicht genug. Er wollte höher hinaus, strebte bereits jetzt schon nach dem wahren Römerleben. Was auch immer das war. Und da gehörte wohl in der Erde graben dazu. Lustlos trottete sie hinter ihrem Herrn hinter her und spähte mißtrauisch zu dem Germanen hoch. Rebellisch, aufmucksend, frech und zudem ein Feind von Sciurus. Pah. Den konnte Dido – die Jüngere – nicht ausstehen. Sciurus! Ja, Sciurus hingegen, den fand Dido toll. Ganz großartig. Wie er die Sklaven in Griff hatte. Von diesem ominösen Sica hat sie wenig mitbekommen, zu ihrem Verdruss. Der war wohl noch besser. Aber Sciurus hatte sich Dido als Vorbild genommen.


    Eines Tages, da würde ihr Dominus nicht nur Hausherr, sondern auch Kaiser von Rom, nein, dem ganzen Imperium sein. Und sie würde dann seine liebste Sklavin sein. Dafür lohnte es sich doch, ein bisschen in der Erde rum zu wühlen. Didos Augen verschmälerten sich als sie die offenkundige Unverschämtheit des Germanen beobachtete. Sie starrte auf seinen Rücken und wandte sich dann – schniefend- wieder ihrem Herrn zu.


    „Dominus, der kann das sowieso nicht. Ich glaube, der kann nur drauf hauen. So ein Tumper ist der. Er hat sogar versucht...“ Dido sah ganz bedeutungsvoll zu Serenus. „...Sciurus einzuschüchtern. Hihi. Ist ihm natürlich nicht gelungen.“ Der Korb und Eimer wurde immer schwerer. Neidvoll sah Dido auf Nero, der einem Schmetterling hinter her sprang, ihn mit seinen Lefzen erwischte und zermalmte. Der durfte spielen. Nur sie nicht. „Wo sollen wir graben, Dominus?“

  • Ich war Severus kurz daruf gefolgt, nachdem er den Speisesaal verlassen hatte. Allerdings hielt ich mich im Hof erst etwas im Verborgenen zurueck, nachdem ich bemerkt hatte, daß dieser kleine Schnoesel Serenus samt, seinem "Gefolge" aufgetaucht war und Serverus ansprach.
    In dem Moment, als er aufgestanden war und gehen wollte, trat ich in den Vordergrund. Da ich wusste, wie sehr er wegen des Streites aufgebracht war, traute ich mich erst nicht, etwas zu sagen. Schliesslich brachte ich doch einige verlegene Worte heraus und ueber meine Lippen schien ein fluechtiges Laecheln zu huschen.


    Hallo! War das wegen mir? Da drinnen?


    Das Letzte,was ich wollte, war, dass er wegen mir Schwierigkeiten bekam. Bislang konnte ich selbst nicht erahnen, welche Folgen unsere gemeinsame letzte Nacht, haben sollte.
    Der Zauber dieser vergangenen Nacht, war nun vollstaending verflogen. Der sproede Alltag hatte wieder Einzug gehalten.

  • "Bridtha."
    Er lächelte sie an, nicht weniger verlegen als sie, und versuchte sich an ihrem Gruss was aber ziemlich misslang.
    "Thia-duyth. Ähm...Ach naja, da lag schon lang was in der Luft."
    Er sah über die Schulter zu den Kindern zurück, legte Bridhe dann die Hand auf die Schulter, um mit ihr ein paar Schritt weiter zu gehen. Um die Ecke eines der Nebengebäude herum, bis sie außer Sicht waren.
    "Ich wollte doch nur dass er Dich in Ruhe lässt, der Kriecher.", gestand er ihr zerknirscht. "Es tut mir leid. Er ist einfach tückisch, das hätte ich mir denken sollen..."
    Er hob die Hand, legte sie warm auf ihre Wange, und einer seiner Mundwinkel hob sich zu einem schiefen Lächeln. Aufmunternd sollte es sein, geriet aber mehr hilflos.
    "Dieses Haus ist eine Schlangengrube. Hast Du... Ärger bekommen?"
    Besorgnis stand in seinen Augen, die an diesem kühlen und trüben Herbstmorgen mehr grau als grün wirkten. Sacht fuhr seine Hand über ihre Wange, mit dem Daumen strich er dann ganz vorsichtig über einen roten Fleck, den seine Zähne und Lippen auf ihrem schneeigen Hals hinterlassen hatten. Ein Gefühl von großer Zärtlichkeit und großem Wehmut stieg in ihm auf. Vielleicht wäre es besser für sie, wenn nicht nur Sciurus sondern auch er sich von ihr fernhalten würden?

  • Seinen Versuch, dia dhuit auszusprechen, heiterte mich wieder etwas auf. Er scheiterte allerdings klaeglich damit, die richtige Betonung zu finden, was allerdings auch nicht weiter schlimm war. Denn wozu sollte ihm denn das Wissen um Gaeilge- die irische Sprache , schon nuetzlich sein.
    Ich sah die Sorge und die Hilflosigkeit in seinem Gesicht. Hatte er etwa Bedenken, wegen dem was zwischen uns gewesen war.
    Sachte schob ich meinen Zeigefinger an seine Lippen um ihn zu beschwichtigen.


    Schhh, mach dir keine Sorgen um mich! Ich moechte nicht Aerger fuer dich! Tá mé chomh doirte sin duit! Ich liebe dich!


    Zaertlich strich ich ihm ueber sein sorgenvolles Gesicht. Wenigstens ein kleines Stueckchen der letzten Nacht wollte ich retten.

  • "Ach... ich bin Ärger gewöhnt.", murmelte er, und winkte verlegen ab. Natürlich machte er sich Sorgen um sie, schließlich war sie ein zartes Mädchen an einem gefährlichen Ort. Aber was sie dann sagte, haute ihn ziemlich um. Sie liebte ihn? Dabei war er doch nur noch ein Schatten seiner selbst. Im ersten Moment erstaunt, im zweiten sehr glücklich und geschmeichelt blickte er sie groß an, und hätte beinahe "Ehrlich wahr?" gefragt.
    "Bridtha, min Skaz..." Überwältigt nahm er sie in die Arme.
    "Meine süße Bridtha, meine Holde, mein Schwanenmädchen..."
    Seine Lippen streiften ihre Stirn, er streichelte ihr Haar und drückte ihr zärtlich einen Kuss auf die schöngeschwungenen Brauen.
    "Wie eine Huldren-Königin bist Du zu mir gekommen", flüsterte er, "und hast mir mit Deinem Zauber wieder das Leben eingehaucht. Ich... -"


    Er stockte. Über ihren Scheitel hinweg fiel sein Blick auf den alten Ölbaum, dieses Mahnmal inmitten des Hofes. Mittwinter war es gewesen, da hatte er Arrecina in den Armen gehalten. Seine kleine Römerin, seine sternenäugige Geliebte. Sein Schicksal müsse sie sein, hatte er damals geglaubt. Wilde Fluchtpläne hatten sie geschmiedet, davon geträumt wie sie gemeinsam der Welt die Stirn bieten würden. Liebe hatten sie sich geschworen. Und dann hatte alles geendet, an einem heißen Tag auf dem Richtplatz. Oder schon vorher, in der Einsamkeit und wahnwitzigen Verzweiflung des Carcers, als er, dem Tode geweiht, sie grob von sich stieß. Schließlich war sie wirklich gegangen. Jetzt war sie fern, unerreichbar fern. Aber diese Worte, diese drei kleinen Worte, gehörten immer noch ihr und nur ihr allein.


    "...ich würde alles für Dich tun."
    Er wandte den Blick von dem Baum ab, registrierte nebenbei dass die Magd vor der Waschküche neugierig zu ihnen herüber lugte.
    Düster stellte er dann fest:
    "Aber ich bringe kein Glück."

  • Sein Schwanenmädchen war ich. Oh, das gefiel mir! Schwäne sind in meiner Heimat etwas ganz besondres. Sie dürfen nicht getötet werden, da Lir´s Kinder einst in SchWäne verwandelt wurden.


    Doch ich bemerkte auch ein Zögern in seinem Erzählfluß. War da noch etwas, was er mir bislang verschwiegen hatte? Oder gab es etwa noch eine Person, die ihm etwas bedeutete?
    Ach , ich sollte nicht so viel darüber nachdenken, mir Gedanken machen, über Dinge, die gar nicht vorhanden waren!
    Aber es hatte ihn doch erstaunt, als ich ihm gesagt hatte, ich würde ihn lieben. Natürlich liebte ich ihn! Hätte ich sonst die Nacht mit ihm verbracht? Sicher liebte er mich auch! Hätte er sonst mit mir... Aber er hatte es nicht gesagt! Er sagte lediglich, er würde alles für mich tun. Ach, immer dieses ewige grübeln, das brachte mich noch um den Verstand!
    Eins wußte ich, er war für mich das, was Andere ihre "erste große Liebe" nannten. Er war das, wonach ich mich immer gesehnt hatte.
    Sicher, auch ich war nicht ganz weltfremd und wußte, unsere Liebe stand unter keinem guten Stern. Doch niemand, auch Aquilius nicht, würde mir verbieten können, ihn zu lieben!
    Seine Stimmung hatte mittlerweile einen Tiefpunkt erreicht. Doch ich wollte ihn ein wenig aufheitern.


    Ich schenke dir ein bißchen Glück, dann hast du auch welches!


    Daraufhin umarmte ich ihn und verharrte einen Moment an seiner Brust.


    Aber eines beschäftigte mich immer noch!


    Severus, warum hat dich Sciurus da drinnen Rutger genannt?"


    Vielleicht hätte ich nicht ganz so direkt fragen sollen. Das fiel mir allerdings erst hinterher ein.

  • Bridhes drollige Antwort entwaffnete ihn vollkommen. Sie wollte ihm Glück schenken, damit er welches hatte. Das war süß. Er musste lachen und drückte sie an sich. Schon verflüchtigte sich seine Schwermut. Nein, diesmal würde es gut gehen, bestimmt; einmal mussten doch auch bei ihm die Schicksalsweberinnen ein Einsehen haben.
    Er wünschte nur, er hätte jetzt ein Geschenk für sie. Eine Morgengabe. Zwar war sie nicht seine Frau, doch sie hatte sich ihm hingegeben, sich geschenkt mit Haut und Haar in dieser Nacht, und es war nicht recht, dass er ihr nicht auch etwas geben konnte. Aber er hatte ja nichts mehr, kein Gut, kein Geld. Doch sie sollte ihre Morgengabe noch bekommen, beschloss er für sich, als er sie da so in den Armen hielt, irgendwie und koste es was es wolle würde er da noch etwas auftreiben...


    Rutger. Ein Schatten glitt über sein Gesicht und unwillkürlich spannten seine Muskeln sich an.
    "Das", sagte er mit ausdrucksloser Stimme, "war mein Name. Früher. Ich trage ihn nicht mehr. Er ist... tot."
    Langsam löste er sich aus der Umarmung.
    "Ich muss los, min Skaz. Bin eh schon zu spät. Bis heute Abend dann. Ich werde Dich vermissen."
    Er strich mit dem Handrücken über ihre Wange, lächelte verhalten und küsste sie zum Abschied. Dann wandte er sich zum Gehen, und schritt in Richtung des großen, eisenbeschlagenen Hoftores.


    Die Essensschale hatte er mittlerweise, über so viel wichtigeren Dingen, vergessen. Unbeachtet stand sie am Rand des Hofes auf dem Boden, und gerade wackelte ein Huhn herbei, und pickte gackernd darin nach ein paar übriggebliebenen Körnern.

  • Erschüttert blickte ich ihn an, als er mit sagte, Rutger sei tot. Von wem getötet? Etwa auch von demjenigen, der am Morgen mein letztes Stückchen Selbstwertgefühl getötet hatte?


    Doch er mußte jetzt gehen. Ich zuckte zusammen, als er zum Abschied über meine Wange strich. Es war die Wange, auf der heute Morgen Aquilius´ heftiger Schlag hernieder ging. Sie schmerzte noch immer, wenn man sie berührte.
    Mit Tränen in den Augen sah ich ihm nach, als er los ging.
    Ja, bis heute Abend. Hoffentlich!, dachte ich.

  • Es war schon spät am Abend, als ich endlich aus der Küche kam. Gerde noch hatte ich den Boden gewischt und wollte nun das schmutzige Wasser wegschütten. Ich war totmüde und meine Arme schmerzten. Ein langer anstrengender Tag würde nun sein Ende finden. Ich sehnte mich schon nach meinem Lager in der Sklavenunterkunft.
    Mit meinem Handrücken wischte ich mir den Schweiß von der Stirn.
    Meine Tunika war völlig verdreckt und auch mein Gesicht war nicht wirklich sauber.
    Während des Tages gab es so viel zu tun, daß ich erst jetzt an Severus dachte. Ob er schon wieder zurück war. Sicher würde er längst schlafen.
    Es wäre auch für mich klüger gewesen, mich gleich schlafen zu legen. Die Nacht war nur kurz und morgen würde wieder jede Menge Arbeit auf mich warten.
    Noch einmal blickte ich nach oben und sah den klaren Sternenhimmel. Es war eine kalte Nacht. Unnachgibig rückte der bevorstehende Winter näher. Einen Moment lang fragte ich mich, was wohl meine Familie zu Hause gerade machte.
    Dann griff ich wieder nach dem leeren Eimer und wollte wieder hineingehen.

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