cubiculum Deandra | Die Strafe trifft den Schuldigen

  • Der Empfang lag hinter mir, ebenso der Spaziergang mit Prisca und die erste eher schlecht als erholsam gelaufene Nacht. Es war kurz vor dem Aufbruch in die Villa Claudia, als ich meine Sklavin Samira zu mir rief. Ich hatte sie von Germanien aus mit einem Auftrag nach Rom geschickt, über dessen Erledigung ich mich zunächst informieren wollte. Und doch war es mehr als nur das Interesse am Erfolg ihrer Mission, das mich unruhig ihrem Erscheinen entgegensehen ließ. Meine Kraft zur Erduldung betrüblicher Situationen war aufgebraucht. Die Mentalität des Erduldens lag mir ohnehin nicht im Blut, eher zeichnete mich eine Kämpfernatur aus oder zumindest die Tatsache, dass ich den Fortlauf der Dinge mitbestimmen wollte.
    In Mogontiacum störte ich mich an so manchem: An der offen Feindschaft der Sklavin Camryn, die, solange sich Corvinus in Enthaltsamkeit geübt hatte, mir nichts anhaben konnte, danach jedoch sehr wohl, denn ich war nicht bereit, persönliche Werte und Ansichten der gültigen Rechtslage zu opfern, die ihm diese Eskapaden gestattete. Die geltenden Gesetze waren mir sogar herzlich egal, ich stellte meine eigenen Regeln auf und Corvinus hatte sie gebrochen.


    Eine Zeitlang wusste ich nicht, wer der beiden meine Frustration vorsätzlich schürte, aber bald kristallisierte sich der Empfänger meines Abscheus, meiner seelischen Verletzung und Enttäuschung heraus. Ich wurde ruhig, plante besonnen, handelte überlegt.


    Als es an der Tür klopfte, hob ich den Kopf und rief: „Herein!“

  • Samira musste nicht lange rätseln, weswegen die Herrin sie zu sich rief. Das Ankleiden hatte bereits eine andere Sklavin übernommen, gefrühstückt hatten die Herrschaften ebenfalls und für den Gepäcktransport war Samira ebenfalls nicht zuständig. Sie klopfte vernehmlich an die Tür und erwartete ein baldiges Hereinrufen, was auch augenblicklich folgte. Obwohl der Blick in den Gang unnötig war, denn sie war schließlich langjährige Sklavin der Deandra, vergewisserte sie sich, dass sie niemand beobachtete, als sie eintrat und die Tür schloss. In ihrer leisen Gangart legte sie die wenigen Schritte zu ihrer Herrin zurück.


    "Du wolltest mich sprechen?"

  • Nun, da Samira den Raum betreten hatte und ich sie nur noch um Auskunft bitten brauchte, schwand plötzlich mein Mut. Die Entschlossenheit, mich mit einem Befreiungsschlag von all dem Marternden zu entlasten, wich Verzagtheit. Ich spürte, wie groß der Unterschied zwischen dem Schmieden von Plänen und der tatsächlichen Ausführung war. Auch eine Sklavin atmete, spürte vermutlich körperlichen Schmerz, stand Ängste aus, vermutlich selbst eine derart kaltherzige, intrigante und erbarmungslose wie Camryn es war.


    Als wäre das Böse in Gestalt von Samira in mein Zimmer eingedrungen, wich ich ein paar Schritte vor ihr zurück, bemerkte erst im letzten Moment die Bettkante in den Kniekehlen und plumpste mehr auf die Liegefläche als dass ich mich setzte. Angstvoll schaute ich meine Sklavin an, die natürlich nur in meinem Auftrag gehandelt hatte und doch gerade wie ein Monster auf mich wirkte. Die Erkenntnis, diese Ausgeburt des Bösen selbst geschaffen zu haben und damit vermutlich auch schlecht im Herzen zu sein, brach schlagartig über mich herein. Wie konnte es nur dazu kommen? Es entsprach doch gar nicht meinem Wesen, bösartig zu sein. Erschrocken über mich selbst, fasste ich den Entschluss, nicht zuzulassen, dass mich widrige Umstände in jener Weise veränderten, mochte die Verzweiflung noch so groß sein.


    „Du hast meinen Auftrag ausgeführt?“, wisperte ich. „Wo ist? Wo hast du es…?“ Ich schlug die Hand vor den Mund und fühlte mich miserabel. Meine Augen blickten unter furchtsam zusammengezogenen Brauen hervor.

  • Samira wunderte sich nicht wenig über das Verhalten ihrer Herrin. Fast konnte man annehmen, sie fürchtete um ihr eigenes Leben, aber etwas Abwegigeres konnte sich Samira nicht vorstellen. Trotzdem vermied sie, erneut auf Deandra zuzugehen, sondern gab die gewünschte Auskunft an Ort und Stelle.


    „Der Auftrag ist ausgeführt, die Substanz habe ich bislang gut verwahrt. Soll ich sie holen gehen? Oder hast du einen Folgeauftrag für mich?“


    Letzteres lag für Samira auf der Hand, daher bereitete sie den Einstieg für ihre Herrin bereits vor, obwohl sie nicht sonderlich begierig war, von jenem Auftrag zu erfahren oder ihn gar auszuführen. Ob sie dazu überhaupt im Stande war, konnte sie zum augenblicklichen Zeitpunkt noch nicht einmal sagen, aber für den Fall der Fälle hatte sie sich bereits Gedanken gemacht. Sie würde einen befreundeten Sklaven um seine Hilfe bitten, der sicherlich nicht nur den Auftrag ausführen würde, weil er von einer Herrin kam, sondern auch deswegen, weil er auf Samira ein Auge geworfen hatte. Samira war es gewohnt, besonders freundlich von männlichen Sklaven behandelt zu werden, aber dieser eine war mehr als nur nett. Er kümmerte sich ohne Aufforderung um ihre Belange, bot Hilfe an, wo sie nie im Leben welche erwartet hätte, erkundigte sich beinahe täglich nach ihrem Befinden und auch mit Komplimenten sparte er nicht. Samira wusste, sie konnte auf ihn bauen, wenngleich ihr Herz bei ihm dennoch nicht schneller schlug.

  • Ich hob bei Samiras Nachfrage abwehrend die Hände. Gift konnte auch keine Lösung sein, zumindest nicht für mich. In meiner Not hatte ich keinen anderen Ausweg mehr gesehen, aber dabei vergessen, dass ich mich dabei selbst verlor.


    „Belasse es dort, wo es ist, ich benötige es nicht mehr“, entgegnete ich stoisch und erhob mich wieder von der Bettkante. „Aber du kannst mir die Sachen für den Umzug packen, dass wäre eine Hilfe.“


    Damit ließ ich Samira gewähren, ohne aber diesen Arbeiten beizuwohnen. Ich kehrte dem Zimmer den Rücken und ließ damit um einiges erleichtert diese verrückte Idee hinter mir.

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