Ein weiterer Anschlag

  • Vor dem Senatsgebäude angekommen blieb Crassus stehen und atmetete erst einmal durch. Seit der Mitteilung über den Anschlag auf Victor war er nur noch auf den Beinen gewesen und quer durch Rom gerannt. Vor lauter Sorge was das alles nun für Konsequenzen haben würde, hatte Crassus nie an der Echtheit der Nachricht gezweifelt, obwohl sie nur von einem einfachen Miles ohne Beweis überbracht wurde. Auf der anderen Seite war ja bekanntlich Vorsicht die Mutter der Porzellankiste und so eine Meldung würde sich ja niemand ausdenken, musste er bei einem Auffliegen der Lüge doch mit dem Tode rechnen. Ein Schaden für Crassus Ansehen und seine Glaubwürdigkeit wäre so eine Fehlmeldung aber allemal. Wahrscheinlich sogar sein freiwilliges Ende.
    Mit diesem Gedanken im Hinterkopf durchschritt er den großen Eingang der Curia Iulia, jetzt war es für ein Zurück eh zu spät. Im Plenarsaal angekommen versuchte Crassus gar nicht erst herauszufinden, ob gerade eine wichtige Diskussion am Laufen war oder nicht, sondern er wandte sich gleich an den Consul und versuchte ihm klar zu machen, dass er den Senat sofort über einen Vorfall informieren müsste.

  • Elegant und dennoch resolut würgte der Consul dem gerade zu einem minder wichtigen Thema sprechenden Senator das Wort ab, um den Praefectus Praetorio mit seiner offenbar dringlichen Nachricht nicht länger als nötig warten zu lassen.

  • Danke, Consul.


    Crassus räusperte sich und ging dann in die Mitte des Saales. Es dauerte wegen der Umstände nicht lange, bis Ruhe eingekehrt war. Denn wann trat der Praefectus Praetorio schon einmal so plötzlich in den Senat und forderte sofort das Wort?


    Es tut mir Leid, dass ich so plötzlich und ohne Anmeldung in die Sitzung hereinplatzen muss, doch ich denke es ist im Interesse des Senats, wenn ich ihn sofort über einen weiteren Anschlag informiere, der sich heute ereignet hat.
    Dieses mal war der Praefectus Urbi das Opfer. Er soll ersten Berichten nach noch leben, aber mit dem Tod kämpfen. Er ist derzeit nicht fähig sein Amt weiter auszuführen. Das Attentat ereignete sich in einem Dorf im Umland als der Praefectus Urbi sich der Probleme der Anwohner annehmen wollte. Der Täter wurde bereits getötet... viel mehr ist zum jetztigen Zeitpunkt nicht bekannt.


    Bis auf weiteres werde ich die Pflichten des Praefectus Urbi wahrnehmen. Darunter fällt unter anderem das Kommando über die Cohortes Urbanae. Ich habe bereits einen Brief an den Kaiser geschickt, um ihn über den Vorfall zu informieren. Bis zu seiner Antwort behalte ich mir weitere Schritte, wie Ausgangssperren und so weiter, vor.


    Nach dieser Zusammenfassung ließ Crassus langsam seinen Blick durch die Reihen der Senatoren schweifen. Von Überraschung bis hin zu blankem Entsetzen meinte er alle Gemütsstimmungen erkennen zu können.

  • Blankes Entsetzen war es zwar nicht, was man in Macers Gesicht erkennen konnte, aber Überraschung ganz sicher. Immerhin, der Praefectus Urbi war also offenbar nicht tot, das ersparte die Bestürzung, die beim Attentat auf den Consul unvermeidlich war. Stattdessen musste Macer nun dagegen ankämpfen, sich in eine sarkastische Bemerkung zu flüchten. Immerhin hatte der Praefectus Urbi die umstrittenen Schutzmaßnahmen gegen Attentate im Senat engagiert verteidigt und durchgesetzt, und ausgerechnet bei ihm selber hatte dieser Schutz nun mehr als kläglich versagt.


    "Steht diese Tat in Zusammenhang mit dem Attentat auf den Consul?" brachte Macer dann als Frage hervor, ohne dass er genauer wusste, was er mit der Antwort anfangen würde. Die Frage drängte sich einfach auf.

  • Zwei Männer, Senatoren deren Verschwinden positiv für Germanicus Avarus zu werten war. Letzterer jedoch schien überlebt zu haben. War das Attentat nun stümperhaft ausgeführt oder die Ressorcen zu knapp bemessen gewesen. Er selbst wollte nicht darüber nachdenken. Seine Abneigung gegen diesen Octavier war begründet und mit nichten erschien seine Reaktion den Worten des Consuls entsprechend geschockt. Dieser Praefectus Urbi hatte sich in den letzten Wochen eine Menge Feinde gemacht. Einige davon gingen erst vor Gericht, andere waren anscheinend da nicht so zimperlich.


    Eine Frage bewegte Germanicus Avarus aber weiterhin. Wenn ihm politisch gegensetzliche Senatoren verschwinden, sterben oder verletzt werden, wer glaubt dann noch an Zufälle und viel wichtiger wer wird sich dieser Situation zu nutze machen und wenn dies geschieht wie wird er aus dieser Sache heil heraus kommen? Immerhin mit diesen Attentätern schien nicht zu Spaßen. Ein Praefectus Urbi war üblicherweise mit mehr als einer Handvoll Soldaten unterwegs...


    Avarus schüttelte diesen und andere Gedanken ab und beobachtete lieber die Reaktionen unter den anwesenden Senatoren. Noch konnte er keinen erkennen, der sichtlich begeistert darüber seine grienenden Lippen in der hohlen Hand versteckte.





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  • Schon früher als gedacht kam die erste Frage. Da Crassus zufällig den Senator bei Namen kannte, wandte er sich direkt an ihn:


    Wie ich bereits sagte, Senator Purgitius, ist weiteres noch nicht bekannt. Also ebenso wenig ob die beiden Taten in Zusammenhang stehen, noch ob der Praefectus Urbi aufgrund politischer, finanzieller oder anderer Motive angegriffen wurde.

  • Auch Durus war erschrocken - zugegebenermaßen hatte er den Praefectus Urbi nicht besonders gemocht, zumal dieser ihm diese Schatten von den Cohortes Urbanae auf den Hals gehetzt hatten. Bis jetzt hatten diese Burschen jedenfalls wenig gemacht, als eine seiner Sklavinnen zu verführen...


    Aber erst der Consul, dann der Praefectus Urbi...wer würde als nächster drankommen? Der Praefectus Praetorio? Oder steckte am Ende eben dieser hinter all diesen Anschlägen? Wollte er die Macht an sich reißen? Dem Kaiser die Rückkehr verweigern und eine Marionette installieren? Oder gar sich selbst?


    All diese Gedanken rasten durch den Kopf des Tiberiers, dann jedoch konnte er einen klaren Gedanken fassen.


    "Das heißt, dass der Kaiser einen neuen Praefectus Urbi ernennen muss. Ich schlage vor, wir helfen dem Imperator und empfehlen ihm jemanden aus unseren Reihen."


    Für den Kaiser war es sicher nicht leicht, jetzt auf die Schnelle aus der Ferne jemanden zu ernennen, wie Durus annahm.

  • Wären alle gerade in einem Legionslager gewesen und Macer noch Kommandeur, hätte er jetzt Alarm blasen lassen. So schepperte nur in seinem Kopf ein Signalhorn. "Meinst du nicht, dass du mit diesem Vorschlag reichlich voreilig bist, Senator Tiberius Durus?" fragte er daher ziemlich laut. "Der Praefectus Urbi scheint dir wohl nicht schnell genug durch einen neuen ersetzt werden zu können. Wie wir hörten, ist er noch nicht tot."


    Wäre Tiberius Durus nicht erst seit kurzer Zeit Senator und sein einflussreicherer Verwandter Tiberius Vitamalacus nicht im Osten, hätte Macer fast auf die Idee kommen können, dass die schnelle Forderung Teil eines trickreichen Drehbuchs war.

  • Durus sah zu Macer hinüber, der ja glücklicherweise nicht weit von ihm saß. So konnte er antworten (offensichtlich war diese Frage ja nicht öffentlich gestellt), indem er sich ein wenig zu Macer hinüber vorbeugte.


    "Nein, kann er nicht. So besitzt der Praefectus Praetorio das Oberkommando über praktisch alle kampfstarken Cohorten innerhalb Roms - und Italias. Und Octavius scheint ja auch mittelfristig nicht arbeitsfähig zu sein, wenn er noch mit dem Tode ringt."

  • "Du darfst ruhig laut antworten, Senator Tiberius Durus", antwortete Macer ungerührt ob dieser scheinbaren Vertraulichkeit, immerhin hatte er seine Frage auch laut gestellt. "Und du sprichst durchaus einen guten Punkt an." Damit wandte er sich wieder an den Praefectus Praetorio. "Praefectus, auf welcher rechtlichen Grundlage übernimmst du die Pflichten des Praefectus Urbi und insbesondere damit eben das Kommando?"

  • Durus war etwas überrascht - es war ihm vorgekommen, als wäre dies eine inoffizielle Frage gewesen. Da Macer es jedoch lieber öffentlich wollte. Er beschloss, es sofort nach Beantwortung der Frage noch einmal zu sagen - er schämte sich nicht.

  • Wie weithin bekannt ist befindet sich der Kaiser auf einem Feldzug und damit im Krieg. Damit ist der Kriegsfall gegeben, der mir als oberstem Reichpraefecten die Befehlsgewalt über die anderen Reichspraefecten übeträgt. Im vorliegenden Fall befehlige ich allerdings nicht, sondern führe gleich aus oder, anders gesagt, ich befehle nicht dem Praefectus Urbi, der meine Befehle auch nur an die Tribune weitergereicht hätte, sondern direkt an die Tribune. Das macht ja, wie du als Militär, Senator Purgitius, sicher weißt, kaum einen Unterschied.


    Als Praefectus Praetorio bin ich also ohnehin dem Praefectus Urbi vorgesetzt und als oberster Leibwächter des Kaisers kann ich wohl behaupten, dass ich das uneingeschränkte Vertrauen des Kaisers genieße. Dieses in mich gesetzte Vertauen hat er schon oft bestätigt und ich werde ihm keinerlei Grund geben, nun daran zu zweifeln.

    Doch sollte dem Senat gar nicht meine fachliche Kompetenz oder die rechtliche Grundlage, welche ich nun erläutert habe, nicht klar sein, sondern sollte er Zweifel an meiner Person oder meiner Loyalität haben, so soll er dies sagen.


    Das würde zwar faktisch nichts an Crassus' Entschluss ändern, doch zu wissen auf wen man bauen konnte und wen nicht, war bestimmt auch kein Fehler.

  • Da diese Bemerkung eindeutig auf ihn gemünzt hatte - offensichtlich waren seine Worte doch etwas laut gewesen - beschloss Durus, noch etwas zu sagen.


    "Ich zweifle keinesfalls an Deiner Loyalität oder Deiner Person, Caecilius. Der einzige Grund für die Ablehnung Deines Vorhabens ist die, dass unabhängig von Deiner Person dadurch eine Machtkonzentration entsteht, die die res publica stets abzuwenden versuchte, indem sie alle Ämter kollegial gedacht hat.


    Ich hatte auch immer das Nebeneinander von Cohortes Urbanae und Praetoriae mit verschiedenen Oberkommandierenden als solches vestanden.


    Wie gesagt, Du darfst es nicht als Kritik an Deiner Person oder Deiner Loyalität verstehen, vielmehr als grundsätzlichen Einwand. Und aus diesem Grunde wäre mir eine Neubesetzung der Stadtpräfektur sehr am Herzen gelegen."


    Er setzte ein Lächeln auf, das ihm nicht hundertprozentig gelang.

  • Allerdings kam es in der Vergangenheit durchaus schon vor, dass auch der Praefekt der Prätorianer zeitweise das Kommando über die Cohortes Urbanae inne hatte - und zwar so vom Kaiser angeordnet. Ich kann dir zwar so aus dem stegreif keine Jahreszahl nennen, aber wenn ich mich nicht irre, war das damals als der Consular Vincius Hungaricus noch Prätorianerpraefect war.


    Crassus Blick schweifte kurz durch die Reihen auf der Suche nach diesem Senator, auf die schnelle konnte er ihn aber nicht ausmachen.


    Ob es eine Neubesetzung, eine andere Übergangslösung oder sogar etwas noch nicht genanntes gibt kann ich nicht beurteilen, das wird aber auch weder von mir noch vom Senat entschieden. Einzig der Kaiser kann darüber entscheiden, wie es nun weitergeht. Und bis zu dieser Entscheidung des Kaisers werde ich das Amt von Octavius Victor komissarisch verwalten.

  • Auch Hungi selber hatte keine Lust, eine Jahreszahl zu nennen. Er wußte es schon, es war einmal im Jahr seines Consulats, einmal irgendwann danach, allerdings war er im Moment zu eitel, was sein Alter anbelangte.


    Als er selber diese Ämter gleichzeitig innehatte, war ihm gar nicht bewußt gewesen, daß dies so eine Machtkonzentration darstellte - für ihn war es einfach nur zusätzliche Arbeit, die gemacht werden mußte, bis ein anderer ihm die Last abnahm. Auch andere Dinge störten ihn bei dieser Unterredung massivst, nebst dem Anschlag auf den Praefectus Urbi, doch hielt er es für ratsam, nichts dergleichen anzusprechen.


    Auch wenn der Senat keine Kompetenzen hat, was dies anbelangt, Entscheidungshilfen kann man natürlich auch geben. Ob und wenn ja inwieweit der Kaiser diese Hilfe annimmt, liegt ja in seinem Ermessen.

  • Durus war beleidigt. Der Praefectus Praetorio tat gerade so, als wäre der Senat eine Quasselkiste, die das Reservoir für ein paar Amtsträger bildete...er nahm sich vor, sich stärker für die Bedeutung des Senats einzusetzen um diesen Aufsteigern, die glaubten, der Kaiser wäre die alleinige Autorität im Reich, ein Riegel vorzuschieben. Immerhin war sein Patron damals Senator gewesen...


    "Eben eine solche Entscheidungshilfe wollte ich ja beantragen."

  • Gegen so eine Entscheidungshilfe hatte Crassus ja auch nie etwas gehabt. Nur hatte sich der Wunsch des Senators Tiberius nach einer Neubesetzung des Amtes für Crassus eher als eine Sache angehört, die der Senat, Crassus selbst oder sonst wer durchsetzen sollte, als dass sie sich auf den Vorschlag von vorher bezogen hätte. Entweder hatte er das fehlinterpretiert oder aber die Senatoren waren schon wieder beim nächsten Abschnitt und Crassus hatte den schnellen Wechsel nur nicht mitbekommen.
    Wie auch immer, da wollte sich Crassus nicht einmischen, da es ihm ja relativ gleichgültig sein konnte, ob und was der Senat dem Kaiser schreiben würde. Deshalb zog er sich wieder etwas zurück und wartete ob in irgendeiner Art und Weise seine Meinung beziehungsweise Pläne für die Übergangsphase gefragt waren.

  • Zitat

    Original von Gaius Caecilius Crassus
    Damit ist der Kriegsfall gegeben, der mir als oberstem Reichpraefecten die Befehlsgewalt über die anderen Reichspraefecten übeträgt.


    "Das wäre mir neu." Mehr hatte Macer dazu erst einmal nicht zu sagen. Sein Gedächtnis war bekanntlich nicht das beste und seine juristischen Kenntnisse nicht allumfassend, aber zumindest mit dem Militärrecht meinte er sich gut genug auszukennen.


    Dass ein Ersatz für den schwer verletzten Praefectus Urbi her musste, dass dieser vom Kaiser zu ernenen sei und dass man dazu Vorschläge machen sollte, wollte er ohnehin alles nicht abstreiten. Aber bis eine Nachricht nach Parthia ging und wieder zurück kam, vergingen zweifellos viele Tage. Und was genau in diesen Tagen passieren konnte, war seine derzeitige Sorge.

  • Da der Praefectus Praetorio gegen eine "Entscheidungshilfe" nichts einzuwenden hatte, erhob sich Tiberius Durus erneut.


    "Dann würde ich vorschlagen, wir suchen einen geeigneten Mann in unseren Reihen."


    Er sah zum vorsitzenden Consul - das war ja eigentlich dessen Aufgabe! Oder zumindest die eines Consularen und nicht die eines ehemaligen Aedils.

  • Da es keiner für nötig hielt, etwas auf seinen Einwand zu erwidern, verzichtete Macer darauf, auf den Vorschlag seines Kollegen einzugehen. Nicht, dass er beleidigt gewesen wäre oder keine Vorschläge gehabt hätte, aber als ehemaliger Aedil gehörte er ohnehin nicht zu denjenigen, die das erste Rederecht hatten, auch wenn er schonmal Statthalter war. Während er also auf Vorschläge der ranghöheren Senatoren wartete, grübelte er weiter über die Sache mit dem Kriegsrecht. Irgendein Gewohnheitsrecht oder ein Präzedenzfall musste es sein, der den Praefectus Praetorio so selbstverständlich das Kommando übernehmen ließ.

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