Atrium - Fragen sind selten kurzer Natur

  • Der Ianitor geleitete den Besucher ins Atrium, in welchem der normale Betrieb eines gewöhnlichen senatorischen Haushalts herrschte. Zwei Sklavinnen in dunkelgrünen Tuniken wuschen den Boden auf, ein anderer Sklave war dabei, ein paar Blätter aus dem Impluvium herauszufischen, die der beginnende Herbst hineingeweht hatte. Ansonsten hörte man eher die Sklavenschaft des Hauses eher als daß man sie sah.


    Bitte wartet hier, ich verständige den Herrn sogleich.

  • Und so war der Beamte im Dienste des Kaisers dem ianitor gefolgt und nickte, als er aufgefordert wurde zu warten.
    Callidus blickte sich ein wenig um und seine Blicke hafteten an den beiden im dunklen Grün gekleideten Sklavinnen, deren Hin- und Herwischen etwas Hypnotisierendes hatte.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Marcus Aelius Callidus... natürlich sagte ihm der Name etwas, aber das Gesicht fehlte dazu. Während er sich beim Ankleiden helfen ließ, überlegte er, welches Gesicht da wohl dazupassen würde. Das einzige, das er mit absoluter Bestimmtheit sagen konnte, war, daß Aelius nicht wie der neue Mann seiner Ex-Frau aussah. Das heißt, er mutmaßte, verdeckte doch der Bart seines Nachfolgers einiges von dessem Gesicht. Wie immer gekleidet in seiner synthesis betrat er nach einigen Augenblicken das Atrium.


    Aelius Callidus. Welch ungeahnte Ehre. begrüßte er den Hofbeamten freundlich. Jetzt hatte er auch das Gesicht dazu, aber so richtig aufgehen tat es ihm trotzdem nicht.

  • Einen Bart trug Callidus nicht, auch wenn er bereits im Begriff war, sich bald einen stehen zu lassen. Es stand Männern gehobenen Alters in seiner Position einfach besser. Doch gerade weil er eben jenen Bart noch nicht hatte wachsen lassen, hätte der Senator Vinicius sich eigentlich erinnern müssen, hatte er ihn doch als zukünftigen Rector der schola auf einem Treffen der Mitglieder jener Einrichtung schon kennengelernt. In der Tat sah man sich jedoch selten - oder besser gesagt bisher gar nicht - an der Schule.


    > Senator Vinicius Hungaricus! Ich grüße dich. Ich hoffe, ich störe nicht und halte dich von wichtigen Geschäften ab!? Mein Besuch und mein Anliegen sind auch nur von selten kurzer Natur! <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • In diesem Moment wurde es ihm bewußt. Natürlich, von der Schola kannte er ihn, wie konnte er das nur vergessen. Wenn das so weitergeht, würde er wohl einen nomenclator für jede Persönlichkeit benötigen. Ein furchtbares Eingeständnis an das Alter, welches Hungi natürlich so weit wie möglich vor sich herschob.


    Er mußte lächeln, als er die Worte des Aeliers hörte. Immer, wenn die Gäste nur einen kurzen Besuch ankündigten oder nur "auf einen Sprung" herkamen, blieben sie besonders lange. Doch diesen Gedanken eröffnete Hungi dem Aelius natürlich nicht und ließ sich auch sonst nichts anmerken. Aber natürlich nicht. Nimm doch Platz.Mit der Hand wies er auf eine der Sitzgelegenheiten im Atrium.

  • Callidus nahm den dargebotenen Platz an und ließ sich nieder. Dabei achtete er sorgsam auf den Sitz der Toga, die ihn mit den schmalen Streifen als Eques auswies. Einen geringen Wert auf seine Stellung legte der Aelier langsam doch.


    > Nun, Senator Vinicius, es geht bei meinem Anliegen um eine vom princeps möglicherweise vorzunehmende Erhebung eines Mannes in den ordo senatorius. Den Augustus erreichte ein Bittschreiben, auf welches hin er eine Prüfung der Person des Kaeso Annaus Modestus erbat. Ich bin hier, um dich über eben jenen Mann aus dem Stand der Dekurionen Mantuas zu befragen, der dort nun Duumvir ist. <


    Nach den Pleiten der anderen "Hausbesuche" gab Callidus die Informationen zur Person gleich bei der Vorstellung mit dazu. Zu oft wurde er auf seine Frage hin eh schon danach gefragt.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Die beiden Sklavinnen, die gerade noch aufgewischt hatten, hatten sich bereits zurückgezogen, statt denen kam ein junger Diener, der - immer wenn Gäste da waren - für die Bewirtung zuständig war und auch heute Wein, Wasser und die benötigten Kelche brachte. Hungi beachtete ihn erst, als der Diener seinem Gast und dann ihm einen Becher mit verwässerten Wein anbot.


    Kaeso Annaeus Modestus? Puh... Er überlegte sichtlich und ließ daher ein paar Momente verstreichen. Irgendwann gabs da mal Spiele in Mantua, zu denen ich eingeladen war, und ich glaube, in der Curia habe ich ihn auch noch kennengelernt, aber bei weitem nicht so gut, als daß ich behaupten könnte, daß wir mehr als nur flüchtige Bekannte seien. Er nahm einen Schluck von seinem Wein. Aber warum konsultierst du nicht den Praefectus Praetorio?

  • Sehr zum Leidwesen des Aeliers hatte die Sklavenbelegschaft gewechselt und die Damen waren gegen einen Diener ausgetauscht worden, der den Wein nun servierte.
    Als Callidus die Worte des Senators hörte, schlug er sich geistig vor den Kopf. Das konnte doch nicht wahr sein, dass kein einziger Senator höheren Ranges diesen Mann kannte. Sehr beachtlich, wenn er die Stimmen des Senates für seine Kandidatur haben wollte.


    > Von den Spielen hörte ich, doch scheint keiner sie gesehen zu haben. Der Mann erscheint mir wie ein Gespenst.
    Du sprichst von Caecilius Crassus? Dieser ehrte erst kürzlich mein Haus mit seinem Besuch und ich nutzte diese Gelegenheit, auch ihn zu fragen. Doch auch eben dieser konnte mir zu Annaeus Modestus nichts sagen. <


    Callidus rieb sich nachdenklich am Kinn. Es war jedoch eher eine Verlegenheitsgeste.


    > Senator Tiberius Durus sprach sich dafür aus, dass Annaeus Modestus seine Amtszeit als Duumvir beendet, bevor er sich der Politik Roms widmet. Senator Octavius Detritus hielt eine Erhebung des Mannes nach dem Duumvirat für verfrüht und unangemessen, auch wenn er die Arbeit des Modestus als durchaus lobenswert anerkannte. Wie siehst du die Erhebung jenes Mannes in den ordo senatorius? <


    Vielleicht war dem (Alt-) Senator ja etwas zu entlocken, das brauchbar für Callidus´ Beurteilung war.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Hungi schüttelte energisch den Kopf. Nein, nein, du mißverstehst mich. Ich kenne Annaeus Modestus schon, Gespenst ist er also keiner, und bei den Spielen war ich damals auch zugegen. Ich habe mich mit dem Senator Purgitius Macer durchaus nett unterhalten. Wobei ihm gleich einfiel, daß Macer ihm gegenüber eine Schuld einzulösen hatte. Oder war es umgekehrt? Es war doch schon eine ganze Zeit lang her. Also wenn Caecilius Crassus nichts über Annaeus sagen kann, hat das sowohl positive als auch negative Seiten. Hungi konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Allerdings war es tatsächlich merkwürdig, daß selbst der Praefectus Praetorio nichts über einen Duumvir sagen konnte. Entweder war der Mann respektive seine Politik wirklich so farblos oder aber der Caecilier wollte nichts über Annaeus sagen, was ebenso gut möglich war.


    Wenn der Mann ein wenig bekannter wäre... Ich bin an sich auch dagegen, Annaeus in den ordo senatorius zu erheben. Ein Mann, der so wenig in Rom bekannt ist, unter den Senatoren vor allem, hat kaum die Chance, vom Gremium in ein Amt des cursus honorum gewählt zu werden. Einen anderen Grund für seine Erhebung kann ich mir nicht vorstellen. Es sei denn natürlich, er hat gewisse Kräfte hinter sich stehen, die von politischem Vorteil wären. Erlaube mir die Frage, auf wessen Veranlassung wurde dieses Bittschreiben an unseren Imperator versandt?

  • Aha, nachdem Callidus schon vermutet hatte, der Senator hätte nur vom Hören-Sagen den Namen den Annaeus gekannt, wurde das Missverständnis aufgedeckt.
    Zudem vernahm er vom Vinicier eine klare Ansage, die er bisher nur von seinem Freund Detritus so bekommen hatte.


    > Über die Taten des Annaeus Modestus sollte nicht geschwiegen werden, diese Meinung teile ich nur zu gut. Er hat als Duumvir viel für Mantua getan. Ich bin mir sicher, man wird auch in Rom noch von ihm hören.
    Das Schreiben erreichte in meiner Abwesenheit Rom. In den Archiven fand ich jedoch heraus, dass Annaeus Florus, jetziger Praefekt der classis Misenensis, für seinen Verwandten um die Erhebung bat. <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Ganz konnte Hungi den Gedankensprüngen seines Gegenübers nicht folgen, aber er unterließ eine diesbezügliche Frage.


    Annaeus Florus? echote Hungi mit skeptischer Miene. Der ist ja gar kein Senator. Wie will denn der gewährleisten, daß sein Verwandter auch tatsächlich gewählt wird? Wen hat denn der zum Patron? Nicht, daß ihn das groß interessieren würde, aber fragen konnte man ja dennoch. Und warum kümmert sich nicht ein Senator um diesen Erhebungsversuch?

  • Callidus schwieg. Waren es rhetorische Fragen? Denn auf keine hatte Callidus eine Antwort. Das politische Vorgehen der Annaeer war nicht sein Interessengebiet und so blieb ihm nur ein Fragezeichen als Gesichtsausdruck.


    > Ich weiß es nicht, Senator. Der Augustus ließ aber wohl aus jenen Gründen eine ausgiebige Prüfung der Angelegenheit veranlassen. <


    Mehr konnte Callidus dazu nicht sagen, notierte sich aber gedanklich die Reaktion des Viniciers auf das Thema.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Die Unwissenheit des Aelius fand Hungi sehr interessant. Zu seinen Zeiten als Praefectus Praetorio, doch schon eine gewisse Zeit lang her, war das politische Umfeld eines jener Dinge, die er sofort überprüfen ließ, wenn sich jemand verdächtig gemacht hatte, noch vor den verwandtschaftlichen. Blut ist dicker als Wasser? Pah, er konnte mehr als genug Gegenbeispiele aufsagen.


    Ich habe vollstes Verständnis für die Vorgehensweise des Augustus. antwortete Hungi, kurz bevor er erneut einen Schluck aus seinem Weinbecher nahm.

  • Callidus jedoch verfügte zu dieser Zeit noch nicht über die Spitzel, die erst später im Palast Einzug erhalten würden. Ferner besaß er nicht jenes Gespühr für Verdachtsmomente, wie es der ehemalige praefectus praetorio innehatte.


    > Ich danke dir für deine Zeit, Senator Vinicius Hungaricus. Deine Auffassung der Dinge wird dem Augustus bei seiner Entscheidung gewiss weiterhelfen. <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Doch just, als das Gespräch beendet schien und Callidus sich auch schon erhoben hatte, fiel ihm noch etwas ein... 8)


    > Senator Vinicius, jetzt, wo ich gerade mit dir spreche, möchte ich noch die Gelegenheit nutzen, dich nach dem Fortschritt der Rechtskunde an der schola zu fragen. Gibt es schon annähernde Ergebnisse zur Reform des cursus iuris? <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Seufzend schüttelte Hungi sein Haupt. Dieses leidige Thema... warum hat er nur sein Maul aufgerissen und groß Dinge versprochen, die er nicht einhalten konnte und mittlerweile auch wollte?


    Wie gut, daß du mich darauf ansprichst. sagte er, um einen neutralen Ton bemüht. In der Zwischenzeit ist tatsächlich etwas weitergegangen, vor allem mit der Hilfe von Decimus Mattiacus, der mittlerweile mehr Energie auf dieses Projekt aufgewendet hat als ich. Für Details solltest du dich eher an ihn wenden. Und weil sie gerade so schän am Plaudern waren, das Thema Schola so herrlich präsent, Hungi sich daher nicht mehr zu Callidus bemühen mußte und es ihm gerade einfiel...


    Im übrigen möchte ich dich bitten, mich nicht mehr als Praeceptor Externus der Schola zu führen. Meine anderen Tätigkeiten und Pflichten sind zu zeitraubend, als daß ich noch ein guter Lehrer und Prüfer sein könnte.

  • > Ich danke dir, dass du mich an Decimus Mattiacus verweist. Ich werde ihn in dieser Sache aufsuchen. <


    Als Callidus die Worte des Viniciers hörte, die dessen Austritt aus dem Schulwesen bedeuteten, machte er ein gespielt übertrieben schockiertes Gesicht.


    > Vinicius Hungaricus, die schola Atheniensis wird eines fähigen Mannes beraubt, wie ein gesunder Körper eines kräftigen Armes! Ich respektiere deine Entscheidung jedoch und hoffe, dass du im Decimus einen glänzenden Nachfolger haben wirst, der auch weiterhin dort das Rechtswesen pflegt.
    Nun, dann gibt es jetzt wirklich nichts mehr, mit dem ich dich belästigen möchte. <





  • Wenn es ihm auffiel, so achtete er nicht auf dieses übertrieben Schockierte. Ich danke dir, Aelius Callidus. Ich bin mir sicher, daß Mattiacus nicht nur ein würdiger, sondern ein glänzender Nachfolger sein wird. In der Zwischenzeit war auch Hungi aufgestanden. Im übrigen sind die Anliegen des Kaisers nie eine Belästigung. fügte er noch höflichkeitshalber hinzu.

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