• Wieder war diese "Stilberaterin" Mirjam dabei, die hinten auf einer steinernen Bank saß und dem Barbier kritisch über die Schulter äugte, auf dass er ja kein Haar an ihrem Herren falsch beschneiden würde. Corvinus seufzte und verließ sich auf den Mann, der ihm in Rom bisher immer die Haare und den Bart stutzte. In Misenum hatte dies auch des öfteren seine Liebste übernommen, aber die war weit weg und hatte vor allem mit der Erziehung seiner Tochter zu tun. Warum waren diese Barbiere eigentlich so geschwätzig? Den schlimmsten Tratsch fing man hier auf. Corvinus erfuhr von Leuten, die miteinander schliefen, deren Namen er bisher nur vom Hörensagen kannte und die er eigentlich in seiner mentalen Schublade der "Unwichtigen" abgelegt hatte. Ach und diese Patrizierin war ein Flittchen und die andere war eine stockkonservative Kuh und die andere schien so viele Männer zu haben, dass es fast schon ein Wunder war, dass sie kein buntes Kind gebar!


    Über Männer wurde gelästert, die sich eher auf ihren Hoden als auf ihren Beinen durch Rom fortbewegten und dabei klapperten immer unaufhaltsam und unaufhörlich die Scheren. Sein Haar war schon etwas zu lang und am ersten Tag seines neuen Dienstes als Architectus, wollte er schon ordentlich und gepflegt erscheinen. Er hätte dem Barbier nichts erzählen sollen, so wusste es wohl bald die halbe Stadt.. aber wenigstens konnte er hier gute Tipps aufschnappen, um auf die Gladiatoren und die Wagenrennen zu wetten. Er wettete nicht viel, meist nicht mehr als ein As, aber es ging ihm hier um das Prinzip des Gewinnens. In der Zwischenzeit erfuhr er von mehr Lupanaren, als ein Mann im Laufe eines Jahres überhaupt besuchen konnte, von Neuigkeiten der Legio I aus Parthia und natürlich von den vermaledeiten Christen, die sich in Rom angeblich langsam breit machen sollten, zumindest laut einiger paranoider Bürger. Christentum. Pfh. Als würde sich das je durchsetzen können.

  • Am Morgen hatte sich auch Callidus durch die Straßen der Stadt geschlagen. Ganze Ströme von Klienten rannten durch die teils engen Schluchten Roms, die einen schon wieder auf dem Heimweg, die anderen versuchten noch schnell ihre sportula beim Patron zu ergattern. Alle redeten durcheinander, schimpften, traten sich gegenseitig auf die Füße. Schlimmer noch als Iuvenal es beschreiben konnte war dieser Morgen, an dem der Aelier den Barbier aufsuchte.
    Eigentlich war es die Aufgabe der Sklaven in der domus Aeliana, doch waren Cremera und Alcaeus, die beiden dieser Kunst kundigen Sklaven, auf den Markt gegangen. Callidus wäre äußerst erbost gewesen, hätte er nicht ausgerechnet selbst eben jene beiden losgeschickt um einzukaufen, was die Vorratskammer bedurfte.
    Also hatte er sich zu diesem gang herabgelassen. Einige wichtige Besuche standen an, und obwohl der Aelier sich einen Bart stehen lassen wollte, war der Zeitpunkt äußerst ungünstig, schickte es sich doch nicht, mit einem ungepflegten Drei-Tage-Bart den Amtsangelegenheiten nachzugehen.
    Callidus erreichte den barbier und ließ sich seufzend auf einem Schemel nieder. Neben ihm saß ein bärtiger, stämmiger Mann, den er erst auf den zweiten Blick erkannte.


    > Artorius Corvinus? Du bist es! <

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • Wie, was? Geschwister waren die und das hielt sie nicht davon ab, gemeinsam in den Bettlaken herumzutollen? Klatsch und Tratsch waren nicht unbedingt der liebste Zeitvertreib des Mannes aus Kampanien, doch irgendwie hatte das hysterische Geschnatter der Frauen und der Tonseure etwas hypnotisches an sich, das er nicht leugnen konnte.


    Seine Brauen ruckten nach oben, als er den Aelier neben sich erkannte und er ihn auch noch ansprach - die eher verkniffene Miene wich einem erfreuten Lächeln, auch wenn er sich bemühte, sich nicht zu sehr zu bewegen, immerhin kümmerte sich der Tonseur gerade um seinen schwarzen Bart.
    "Aelius Callidus!", rief er erfreut und wurde etwas zurückgetaucht, da sein Haar einer erneuten Behandlung unterzogen wurde - Barbiere kannten keine Gnade bei so etwas.


    "Natürlich bin ich es. Schön dich zu sehen... wie geht es dir? Hast du dich schon von der Curia Italica erholt? Zumindest siehst du so aus." Er schmunzelte und verdrehte dann die Augen rasch - doch entspannten sich seine Züge schnell, denn eine Angestellte des Barbiers kraulte ihm die Schläfen. Angeblich eine Massage.

  • Das Geschnatter der Menge hatte Callidus noch nicht richtig vernommen. Nicht nur im Laden herrschte eine gewisse Lautstärke sich unterhaltender Leute, auch der tägliche Lärm der Straße drang ins Innere.
    Als Callidus die Worte des Artoriers vernahm lachte er auf. Diese Bewegung konnte er sich jetzt noch erlauben, schließlich befand sich noch keine Klinge an seiner Kehle.


    > Wahrlich habe ich mich erholt. Die Arbeit auf dem Palatin, an den man mich berief, ist anstregender, die Veantwortung noch um vieles größer. Aber glaube mir, es ist schön endlich wieder nahe der Familie zu sein. Doch Corvinus, was treibt dich hierher? Was machst du? Hat man dich in Misenum der Stadtmauern verwiesen? <


    Callidus grinste, während man ihm einen Umhang umlegte.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • "Bei Venus zarter Haut, das Mädchen hat die Hände einer Nymphe.", seufzte der Artorier leise und schielte dann aus den Augenwinkeln zu Callidus, konnte dabei ein amüsiertes Grinsen aber nicht verbergen. "Verwiesen? Ohja, mit Schimpf, Schande, ein paar Fackeln und einer Heugabel." Wieder zuckten die Mundwinkel, ehe er die rechte Hand ein wenig hob, um abzuwinken.


    "Nein, erst waren es nur administrative Dinge, die mich nach Rom riefen. Dann ein kleiner Teil der Familie und nun... naja. Detritus hat mich zum Architectus von Italia ernannt. Keine so ehrenvolle und prominente Tätigkeit, wie ihr beide sie inne habt, ich weiß - aber es bereitet mir viel Freude. Stell dir vor, sie raffen sich endlich dazu auf, den Tempel zu Ostia wieder aufzubauen."


    Das lebhafte Mädchen ließ ab von seinem Kopf und der 'Maestro' begann sich seinen Haaren zu widmen, wobei sich die Augen des Artoriers weiteten - er hatte nicht vermutet, so viele Haare bei sich zu haben.

  • Der Umhang war endlich angelegt, da vernahm Callidus die Worte des Artoriers mit äußerstem Wohlwollen.


    > Der Tempel wird nun endlich in Angriff genommen? Es war längst überfällig, dass dies geschehe. <


    Und insgeheim nagte es am Aelier, dass er dieses Bauvorhaben als Comes von Italia nie als seinen Erfolg hatte verbuchen können.


    > Es freut mich, dass dich Detritus in dieses Amt berief und du sofort mit dieser wichtigen Aufgabe betraut wurdest. Mein Bruder wurde in das Amt eines Magistrates Ostias gewählt. Ist er für den Bau verantwortlich? Hast du ihn bereits kennengelernt? <


    Es war längst Zeit gewesen, dem Bruder einen Brief zu senden. Kaum war er aus dem Haus der Aelier gegangen, war der Kontakt schon wieder vernachlässigt. Callidus schrieb es sich auf die gedanklichen res agendae. Nun hieß es jedoch den Mund zu halten, denn der Barbier setzte das Messer an.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

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