Caia allein unterwegs

  • Immer wieder ließ Caia ihren Blick schweifen, beobachtete die Leute die an ihnen vorbei eilten oder betrachtete eines der Gebäude etwas genauer, an denen sie vorbeikam. Mit der Zeit mischte sich unter den normalen Lärm einer großen Stadt auch die Klänge von Flöten, Trommeln oder eines Schauspielers der laut seinen Text proklamierte. Sie waren dem Palatin während ihres Gespräches schnell näher gekommen und nun mischten sich auch immer mehr Laienkünstler unter das einfache Volk, führte kurze Komödien für einige Münzen auf. Eine Tänzerin drehte sich zu den Klängen einer Trommel beständig im Kreis udn ließ mit ihrem knappen Kostüm jede Menge Spielraum für die Fantasie von vielen jungen Männern, die sich um die Tänzerin drängten und sie mit begehrlichen Blicken verschlangen. Eigentlich erstaunlich wie schnell aus vernünftigen Männern angesichts einer knapp bekleideten Frau eine geifernde Meute wurde.
    Sie selbst schenkten der Tänzerin und ihrem Publikum nur wenig Beachtung und suchten sich ihren Weg.


    Seine Antwort auf ihre Frage klang schon fast wie auswendig aufgesagt, war das nicht eine Aussage, von der fast jeder Politiker gebrauch machte. Die Dinge die Rom groß gemacht hatten.. davon gab es viele.
    „Welche Dinge meinst du?“ fragte sie nach, um sich ein genaueres Bild von seinen Absichten machen zu können, sie wollte sich mit dieser nichts sagenden Aussage nicht zufrieden geben und sie gab sich auch mit dieser Antwort nicht zufrieden. „Jeder meint etwas anderes, wenn er von den Dingen, die Rom groß gemacht haben redet!“ fügte sie hinzu und folgte dann seinem Fingerzeig zu einer provisorischen Bühne vor der sich schon eine Menschenmenge gebildet hatte. Schon von weitem konnte man erkennen, dass der Mann wusste, welcher auf der Bühne stand, wie man das Publikum anlockte und faszinierte.
    Caias Neugier war geweckt, denn es hatte den Anschein dass die Menge an den Lippen des Mannes hing, keiner wollte sich ein Wort entgehen lassen.


    „Aber sicher doch!“ meinte sie enthusiastisch und war gespannt was sie erwartete.
    An Cottas Seite mischten sie sich unter das Publikum.

  • Während ich noch über politischen Konzeptionen brütete und meine Begleiterin trotz unserer unbestreitbaren körperlichen Nähe ein bisschen aus den Augen verlor, schien diese zwischen all den Vergnügung suchenden Menschen und selbiges anbietenden Künstlern ganz in ihrem Element zu sein. Dies glaubte ich, ihr anzusehen, als ich endlich von Trommelschlägen aus meinen Erwägungen gerissen wurde und meinen Blick wieder zu meiner Begleiterin wandte, um dann ihrem Blick zu folgen. Der aber hing fasziniert, wie mir schien, an etlichen jungen Männern, die sich um eine leicht bekleidete Tänzerin geschart hatten. Oder galt Caias bewundernder Blick etwa dieser - "Künstlerin"? Ich war mir nicht sicher, dafür aber einen Moment lang ziemlich erschrocken über diese Vorstellung; andererseits, was war schon dabei? Und vielleicht wollte sich meine Begleiterin von dieser Darbietung ja etwas abschauen - ein Gedanke, bei dem ich lieber nicht zu lange verweilte, um nicht auf Dummheiten zu kommen. Überhaupt wäre mir in meinen tiefsinnigen politischen Erwägungen diese Tänzerin ohne Caia gar nicht aufgefallen, denn ich war in offenbarem Gegensatz zu vielen meiner Altersgenossen kein Anhänger dieser Form der Unterhaltung.


    Zu politischen Erwägungen ging nun aber auch Germanica Caia wieder über, als wir uns von der Gruppe um die Tänzerin entfernten und zielstrebig auf die Bretterbühne zusteuerten, auf der immer noch jener dickliche Mann deklamierte. Wie ich bereits befürchtet hatte, hatten ihr meine Andeutungen über Politik durchaus nicht gereicht; sie wollte mehr und Konkretes von mir hören. Ich überlegte, ob ich mich ihr nicht doch anvertrauen sollte; allerdings schien mir dies hier die denkbar schlechteste Gelegenheit dazu. Dies nun wollte ich ihr dann allerdings doch noch sagen:


    "Ich bin mir gar nicht so sicher, ob jeder etwas anderes meint, wenn er von den Dingen redet, die Rom groß gemacht haben. Mir kommt es eher so vor, als meinten alle ähnliche Dinge. Aber Caia - ich hoffe, ich darf dich so nennen, du kannst auch gerne "Cotta" zu mir sagen -, Caia, lass uns doch darüber ein anderes Mal sprechen, vielleicht wenn wir zusammen diesen Betrieb besuchen."


    Nun hatte ich doch wieder mehr gesagt, als ich eigentlich gewollt hatte; da wir nun aber im Publikum einen Platz erreicht hatten, der uns eine gute Sicht auf die Bühne gestattete, hoffte ich, dass das Thema der Politik nun von selbst in den Hintergrund treten würde. Eine Frage von mir sollte diesen Prozess beschleunigen; sie war allerdings in der Hauptsache ganz ernst gemeint:


    "Caia, kannst du auch die Bühne gut sehen?"


    Mit der von meinem Vater ererbten Körperlänge brauchte ich mich in dieser Beziehung nicht zu fürchten; bei meiner Begleiterin aber vergewisserte ich mich doch lieber. Als ich nun die Bühne in Augenschein nahm, fragte ich mich allerdings gleich, ob es sich wirklich lohne, diese sehen zu können. Denn alles war hier ebenso provisorisch und teilweise verfehlt wie schon ihr Bretter-Aufbau.

  • Caia war durchaus von den geschmeidigen Bewegungen der Tänzerin fasziniert, aber für sie war so eine öffentliche zur Schaustellung von den weiblichen Reizen nicht unbedingt etwas, sie setzte viel mehr wert auf schlichte Kleidung, der Mode etwas angepasst und nicht zu offen herzig. Aber die Körperbeherrschung der Frau war schon etwas besonderes, sie selbst konnte sich im Rhythmus von Musik nicht ganz so elegant bewegen und zeigte viel mehr zwei linke Füße bei so etwas.


    Das Thema kam dann, während sie sich der provisorischen Bühne näherten, wieder der Politik entgegen.
    “Nenn mich ruhig Caia, ich hab nichts dagegen, Cotta!“ versicherte sie ihm, als er das kurz ansprach. Sie war der Meinung das Förmlichkeit durchaus immer höflich war, aber sie beide waren noch recht jung und da konnten sie dann schon mal auf so etwas verzichten.
    Ein wenig war sie schon enttäuscht, das sie keine konkrete Aussage über seine politische Einstellung entlocken konnte und er das Thema statt dessen lieber fallen lassen wollte. Aber sie nahm sich vor, bei nächsten Mal, sich nicht so schnell abspeisen zu lassen, sie würde ihm schon noch genauer auf den Zahn fühlen wollen.


    “Dann lass uns ein andermal das Thema Politik aufgreifen!” stimmte sie ihm zu und richtete dann den Blick auf die Bühne. Zwar standen so einige Leute noch vor ihr, aber dennoch konnte sie genug sehen und verstehen.


    “Ja, kann ich! Danke der Nachfrage!” versicherte sie und wartete gespannt ab, was nun kommen würde, ein Theaterstück? Gaukler oder Akrobaten? Es gab so viele verschiedene Künstler, das man sie kaum unterscheiden konnte und einige waren grauenvoll schlecht.

  • So sehr mich die Antwort Caias auf meine Frage, ob sie die Bühne gut sehen könne, zufriedenstellte, so bedrückend war das Gefühl, das ein Blick in ihr Gesicht bei mir hinterließ. In diesem zeichnete sich nämlich für mein Empfinden noch immer deutlich die Enttäuschung ab über meine ja auch wirklich etwas flache Antwort auf ihre Frage nach meinen politischen Vorstellungen. Etwas geknickt senkte ich den Blick, um ihn gleich wieder zu heben, denn ich hoffte, dass vielleicht das Geschehen auf der Bühne meine Begleiterin - und auch mich - ein bisschen besser unterhalten würde, als ich es zuletzt mit dem Thema "Politik" vermocht hatte.

    Ein neuerlicher Blick auf den von mir hier euphemistisch "Bühne" genannten Bretteraufbau machte mich allerdings skeptisch. Noch immer deklamierte der dickliche Mann dort ratternde Verse, die ich einfach in keinen Zusammenhang einordnen konnte. So wandte ich meine Aufmerksamkeit doch wieder dem optischen Eindruck zu, den also diese "Bühne" darbot, und siehe da: Prompt verstand ich mehr! Denn so einfach, ja teilweise schäbig hier alles zusammengeschustert war, so geschmacklos manche Einzelheit, so übertrieben und klischeehaft das gesamte Ambiente - so war es doch immerhin gelungen, mir auf diesen meinen ersten echten Blick hin deutlich zu machen, dass es hier offenbar darum ging, die Parther zu persiflieren.


    Einfache Decken mit alltäglichen, unspezifischen Mustern, aufgespannt über ein klappriges Holzgestell, das sich gefährlich bog, bildeten die Seiten sowie den Hintergrund der Bühne und sollten ganz offensichtlich ein parthisches Zelt darstellen. Wenn der abgetretene, an einigen Stellen gar fadenscheinige Teppich, mit dem der Boden bedeckt war, den Reichtum und Luxus in diesem Zelt darstellen sollte, so war das gründlich misslungen. Oder lag gerade darin die Parodie? Dann aber konnte ich wiederum gar nicht verstehen, warum der "Held" dieses Stückes, das offenbar gerade anfing und dem wir hoffentlich noch würden folgen können, warum also der Held dieses Stückes - offenbar ein parthischer Würdenträger - nun ja, warum also dieser Held so ausgesprochen gut aussah. Außerdem fehlte der Bart, fehlte ganz unverkennbar der künstliche Bart, den die Parther doch sonst so trugen - jedenfalls auf den Graffiti, die so viele Wände römischer Häuser in diesen Tagen "zierten". Und natürlich war er viel zu jung! Zu jung, zu athletisch, das Gesicht zu markant, die Hände zu zartgliedrig, die Blicke, die er ab und zu ins Publikum warf, zu sehr von sich überzeugt. Nein, dieser Held gefiel mir ganz und gar nicht, weder für einen Parther noch für sonst einen männlichen Darsteller, und diese meine Meinung bestätigten nur allzu deutlich einige weibliche Zuschauer - männliche auch -, die diesen Mimen geradezu verzehrten mit ihren Augen. Erbost - und ein kleines bisschen ängstlich - sah ich zu Caia. Dabei fiel mir merkwürdigerweise nun auch auf, wie ehrenhaft diese gekleidet war. Und dass ich von Frauen noch niemals so angesehen worden war wie dieser Schauspieler. Doch das konnte selbstverständlich nur daran liegen, dass auch ich stets so vornehm aussah wie meine Begleiterin. Dennoch hielt ich es für meine Pflicht, ihr nun die folgende Frage zu stellen:


    "Wollen wir noch bleiben?"


    Es sah nun allerdings so aus, als ob der dickliche Zeremonienmeister seine Reime allmählich beenden und die eigentliche Handlung des Stücks beginnen würde, und ich merkte schon, dass ich selbst unwillkürlich wieder gespannt auf die Bühne schaute.

  • Es war offensichtlich, das es sich bei den Schauspielern um Laien handelte, die einfache Bühne, die jeden Moment drohte zusammen zu brechen, die einfachen, fast schon schäbigen Requisiten und die Unsicherheit, die der ein oder andere mit an den Tag legte, schienen nicht so viel versprechend zu sein, wie es zunächst den Eindruck gemacht hatte.
    Es war mehr Schein, als Sein, wobei der Schein eher ärmlich und heruntergekommen war, vermutlich würde dies ganze in einem schrecklichen Desaster enden, der nicht einmal komisch sein würde.


    Nach etlichen ellenlangen Versen ging dann auch endlich der dickliche Redner und machte einigen viel jüngeren Männern platz, welche doch, wenn man es genau sah als, Frau, einen guten Eindruck machten, zumindest vom körperlichen her, aber an Verstand und Witz, würden sie es vermutlich mit ihr nicht aufnehmen können, da war ihr doch ein Mann mit Verstand lieber, zumal solche eingebildeten Gecken dazu neigten, jedem Weibsbild hinter her zu rennen, derer sie habhaft werden konnte. Treue lag bei Schauspielern nicht unbedingt hoch im Kurs.
    Außerdem wirkte der Held des Stückes nicht überzeugend, er war zu eingebildet, was den Eindruck eines Weiberhelden nur vertiefte. Nein, so ein Mann war wahrlich nichts für eine junge gebildete Römerin.
    Caia runzelte leicht die Stirn ob des eingebildeten Geckes und hoffte zumindest innerlich, er würde mehr zeigen, als nur seinen athletischen Körper, ansonsten lohnte sich die Mühe nicht, dem Stück zu folgen.


    Cottas Frage, ob sie denn nun bleiben wollten, riss sie aus ihrer Betrachtung der Bühne und der Darsteller und sie wägte kurz das für und wieder ab, mit etwas Glück, würden diese Schauspieler gut sein und ihr Stück überzeugend vortragen können, sollte das Stück jedoch so miserabel sein, könnten sie auch ein wenig später, sich davon stehlen. Diesen Gedanken brachte sie dann auch ihrem Begleiter vor:


    “Ich würde noch ein wenig abwarten wollen… vielleicht zeigen die Herren auf der Bühne uns etwas mehr, als nur reinen Fleischbeschau!” mit einem Kopfnicken deutete sie auf eine Gruppe Frauen, die etwa so alt, wie sie selbst sein dürften, welche eifrig flüsternd und kichernd die Köpfe zusammen gesteckt hatten und immer wieder begehrliche Blicke auf den ‘Helden’ warfen.
    “Wenn nicht, können wir uns immer noch davon stehlen!” schlug sie vor und sah ihn dann abwarten an, denn es schien gerade interessant zu werden und ihr Blick wanderte automatisch zu dem Geschehen auf der Bretterbühne.

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