Hauptverhandlung IUD MIN VI/DCCCLVII - Tiberius Caecilius Metellus vs Medicus Germanicus Avarus

  • Ein Scriba des Gerichtes stellte sich in Positur und brüllte:


    "Hiermit wird die Hauptverhandlung in der Sache Tiberius Caecilius Metellus vs Medicus Germanicus Avarus eröffnet.


    Das verhandelnde Iudicium Minor besteht aus den ehrenwerten Senatoren Praetor Urbanus Manius Ateius Crassus und Praetor Peregrinus Lucius Epidius Trabea.


    Tiberius Caecilius Metellus erhebt Anklage wegen Verstoßes gegen § 3 Abs 5 Lex Mercatus."


    Als der Scriba geendigt hatte, erschienen die beiden Prätoren, setzen sich auf ihre Stühle und ließen sich je einen Becher verdünnten Weines geben.

  • Ob der Genuss des Weines nur für die Praetoren frei war oder auch für jene die sich vor ihnen tummelten? Leutseelig winkte Avarus einem der Weinausschenker zu. Man möge ihm doch auch einen kühlen Tropfen kredenzen.


    Naja anwesend war er zumindest und das weit vor dem Kläger. Dann hatte dieser wenigstens auch Zeit sich den mitgebrachten Beweis vor der Basilica Ulpia anzuschauen. Insgeheim hoffte der Senator ja, niemand würde ihn dafür eine Standmiete aufdrücken.

  • Ohne dem Prätor, dem Ankläger oder dem Verteidiger zuzunicken, nahm Macer Platz, nachdem er den Raum betreten hatte. Was auch überhaupt nicht nötig war, denn auch hier war er nur Zuschauer, der seine Kenntnisse des Juristischen erweitern wollte und der sich für die Auslegung der Lex Mercatus interessierte.

  • Der Prätor nahm noch einen Schluck, bevor er seine Stimme erhob. "Sehr schön, die Herren sind bereits anwesend. Gut, gut, dann können wir ja anfangen. Caecilius Metellus, du als Ankläger hast das Wort."

  • "Vielen Dank." sprach Tiberius bevor er sich erhob, räusperte und dann zu sprechen begann.


    "Ehrenwerter Iudex,


    wie bereits in der ersten Anhörung ausgeführt wurde klage ich den ehrenwerten Senator Germanicus Avarus an, gegen geltendes römisches Recht zu verstoßen. Genauer, gegen das lex mercatus. Dort heißt es, wie wohl den meisten Anwesenden bekannt sein dürfte, in Paragraph 3 Absatz fünf:


    "Senatoren, Mitgliedern des Ordo Senatorius und Patriziern ist es verboten, andere Betriebe zu besitzen als solche, welche der Produktion landwirtschaftlicher Güter und deren Weiterverarbeitung dienen."


    Der Beklagte Senator Germanicus Avarus jedoch ist im Besitz eines Architekturbüros sowie einer Bäckerei, beides Betriebe, deren Besitz ihm nach dem lex mercatus untersagt ist.
    Nun mag der Beklagte Zweifel daran äußern, ob besagte Betriebe unter das im lex mercatus genannte Verbot fallen, doch denke ich dass diese Zweifel unangebracht wären.
    Ein Architekturbüro, welches Pläne für Renovierungen ausarbeitet und diese auch durchführt wird wohl schwerlich als auch nur im entferntesten etwas mit der Landwirtschaft zu tun zu habender Betrieb betrachtet werden können. Und was das Bäckereihandwerk angeht so mag dieses auf den ersten Blick eines ungeübten Betrachters als mit der Landwirtschaft in Berührung kommendes Gewerbe gelten. Auf den zweiten Blick jedoch wird jedoch offensichtlich dass dies mitnichten so ist. Es gibt viele Beweise dafür dass ein Bäcker ein reiner Handwerker ist und vom lex mercatus betroffen ist, doch zunächst möchte ich lediglich einen, den schwerwiegendsten nennen: Der Bäcker verarbeitet Mehl zu Brot, und dieses Mehl ist kein landwirtschafltiches Produkt im Sinne des Gesetzes, sondern ein bereits verarbeitetes landwirtschaftliches Produkt, also ein künstlich geschaffenes.


    Man wird also zu dem Schluss kommen dass genannte Betriebe nicht von Senatoren besessen werden dürfen, dies jedoch tut der Beklagte bis heute. Daher klage ich Senator Germanicus Avarus des Verstoßes gegen Paragraph 3 Absatz fünf des lex mercatus an."


    Damit endete Tiberius, blickte vom Praetor zum Beklagten und zum Publikum bevor er sich wieder auf seinen Platz setzte.

  • Die beiden Prätoren hörten mit gleichgültiger Miene dem Caecilius zu, dann nickte Ateius Crassus, der Praetor urbanus und wandte sich der anderen Seite zu. "Senator Germanicus Avarus, ich bin der festen Überzeugung, dass du mit der Meinung des Caecilius gewiss nicht einverstanden bist." Womit der Prätor dem Beklagten das Wort erteilte.

  • "Sonst wären wir wohl nicht hier..." bemerkte der Senator frisch.


    "Um dem Verstandnis einen Sinn zu geben, werde ich etwas weiter ausholen. Nehmen wir uns zuerst einmal das Wort Landwirtschaft zur Anschauung. Was ist Landwirtschaft? Nun nach dem guten alten römischen Verständnis zeugt es von einer Arbeit, die auf dem Land ausgeführt wird und die in Verbindung mit der Gaia Mutter Erde steht. So habe ich einen Bäcker, in dem gemahlenes Korn zu Brot gebacken wird. Korn wächst auf dem Land, der Bäcker ist direkt verarbeitendes Gewerbe von einem Getreidehof. Demnach durchaus zulässig."


    Er blickte zu den Praetoren und führte seine Ausschweifungen fort.


    "Zweitens mahnt man die Besitzung eines Architekturunternehmens an. Hier verhält es sich ähnlich. Die Hauptzutaten dessen werden auf dem Land geboren. Schwere Brecher schneiden den Stein aus der Mater Natura. Jener kommt in direkter Linie bei den Arbeitern des Architekten zum Einsatz. Der Stein mag vielleicht vom Caecilier als nicht wachsend angesehen werden, aber kann er es beweisen? Nicht jede Frucht der Mater Natura schießt in die Höhe. Einige brauchen Jahre für ihr Wachstum, um Früchte zu tragen, einige Jahrzehnte. Die Adern des Marmors vielleicht viel mehr, aber wer will sich anmaßen ihn nicht als wachsend zu sehen?!"


    Sein Blick wandert zum Caecilier.


    "Und wenn du es nicht glaubst, dann schreite vor die Tür. Als Beweis führte ich eine gute Platte feinstes Gewächs aus Mauretanien an. Die Strukturen weisen ganz klar Äste nach."


    Jener Wagen trug sie, welcher dem Senator Sorgen bereitete, er würde im Halteverbot verweilen.


    Historisch kann davon ausgegangen werden, das der Begriff Landwirtschaft erst ab dem Mittelalter diese Bedeutung hat, wie wir ihn heute deuten. Das Wort stammt aus dem Althochdeutschen.

  • "Zu erstem: Wie du bereits sagst verarbeitet der Bäcker nicht das frisch vom Feld geerntete Korn zu Brot, der Bäcker ist also mitnichten direkt verarbeitender Betrieb. Korn wird zu Mehl und Mehl zu Brot... oder willst du etwa sagen dass du geerntetes Korn direkt zu Brot backst? Dann kann ich nur jedem vom Kauf deines Brotes abraten.


    Zu zweitem: Du möchtest mir nicht im ernst weismachen dass du Steinbrüche als landwirtschaftliche Betriebe ansiehst? Steine werden also geboren? Korrigiere mich wenn ich mich irre, aber bisher habe ich noch niemals gemerkt dass jemals der aus einem Steinbruch gebrochene Stein möglicherweise nach einiger Zeit zurückgewachsen wäre. Im Gegeteil, so habe ich die Erfahrung gemacht dass der einmal aus dem Fels gehauene Stein für immer ein Loch im Schoße der Erde hinterlässt.
    Marmor mag deine "Adern" besitzen, bei Zeigelsteinen udn anderem Fels sucht man diese jedoch vergeblich.


    Aber das ist auch gar nicht der Punkt, denn ich wage zu bezweifeln dass deine Architekten wirklich selbst die Steine bearbeiten und verbauen. Vielmerh wage ich zu behaupten dass ein Architekt vor allem anderen die Planung des Baus durchführt... und wenn du den ehrenwerten Praetoren und mir nun noch erzählen möchtest dass das Erstellen von Planskizzen und Bauplänen eine Verarbeitung landwirtschaftlicher Produkte darstellt..."


    Sim-Off:

    Historisch mag das so sein, aber der Begriff steht nun mal im Gesetz, und hier ist so viel unhistorisch dass das wohl als irrelevant anzusehen ist

  • "Du scheinst wenig damit zu tun zu haben, was den Kreislauf des Lebens anbelangt. Brot wird aus Mehl gebacken. Jenes wird vom Bauern fertig verkauft. Es ist in dem Sinne allso die erste Stufe dessen, was wir als Weiterverarbeitung sehen. Brot wird immer ein Produkt bleiben, das nicht ehrbarer sein kann, egal ob es einem Caecilius Metellus passt oder nicht. Es nährt das römische Volk, es wird zu zehntausenden von Scheffeln jeden Monat frei verfüglich gemacht. Ich glaube kaum, das du das wirklich anzweifeln willst und diese Art der tief verwurzelten Ähren nicht dem urtümlichen Leben Romulus anrechnen kannst."


    Natürlich war auch klar, das jener Caecilius weiteres nicht sehen wollte. Gut, wie ihm Senator Germanicus Avarus einfiel, das er Crassus um Bedenkzeit gebeten hatte. Jetzt nämlich wußte er, das es falsch war jener Gens wertvolles Land in den Rachen zu werfen.


    "Es ist mir schleierhaft, wie du die harte und ehrliche Arbeit auf dem Land in einem Steinbruch nicht als Land-Wirtschaft sehen kannst. Es ist mir außerdem unbegreiflich, das in Folge dessen nicht verständlich ist, das Marmor als Ursprungsprodukt in deinen Ausführungen nun als 'was auch immer?!' gilt. Wo bitte kommt er denn her? Aus der Stadt vielleicht? Aus dem Meer? Du machst dich selbst lächerlich, Caecilius und widersprichst dir selbst. Aus was denn bitteschön wird Papyrus gemacht?"


    Keine Frage so glanzvoll konnte man seinem Prozessgegner nicht in die Hände spielen. Wäre Avarus nicht völlig locker heute im Gericht, hätte er diesem Metellus die Baupläne vor dem Gesicht derart zur Last gelegt, das das Architekturgewerbe landwirtschaftlicher wäre als jeder Weizenhof im ganzen Imperium. Wenn jener wirklich darauf pochte Pergament, Papyrus und Wachstäfelchen als Grundlage seiner Argumentation zu nehmen, dann war es ein leichtes auf das Signum 'Bio' zu verweisen. :P

  • "Sehr verehrter Senator, nichts läge mir ferner als in Abrede zu stellen dass Brot nicht aus Mehl gebacken wird. Aber bevor aus dem vom auf dem Feld geernteten Korn Mehl entstehen kann muss besagtes Korn gemahlen werden. Ob der Bauer dieses Mehl nun fertig verkauft oder nicht ist allerdings für diesen Fall völlig irrelevant, denn im Sinne des Gesetzes ist es nicht wer was verkauft, sondern einzig und allein was wie produziert wird. Und möchtest du wirklicvh leugnen dass zwischen dem Ernten und Backen nicht noch der Vorgang des Mahlens steht? Ohne Zweifel eine Verarbeitung, aus dem Korn wird Mehl, aus Mehl Brot. Wie bereits angeführt, ob der Bauer mahlt, der Müller oder Bäcker ist ohne Belang.


    Die Arbeit in einem Steinbruch ist natürlich nicht als landwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, oder möchtest du Steine als pflanzliche oder agr tierische Produkte bezeichnen?


    Und was den papyrus anbelangt so ist dieser wohl lediglich als nützliches Hilfsmittel anzusehen, denn kommt es nicht auf die geistige Arbeit an? Es geht nicht darum wo und wie ich Pläne niederschreibe, ich kann sie sogar wie manacher Mathematiker in den Sand ritzen. Es geht um die Schaffung jener Pläne, und diese Schaffung geschieht im Kopf des Schöpfers. Mit Landwirtschaft hat dies absolut nichts zu tun.


    Mich allerdings beschleicht der Verdacht dass du versuchst die gesamte Basilica für Dumm zu verkaufen, und dies ist eines Senators doch nicht würdig!"

  • Gespannt verfolgte Macer die Rededuelle der beiden Seiten, deren Standpunkte wohl unterschiedlicher nicht sein konnten. Der geringe Andrang im Zuschauerraum schien Macer der Bedeutung des Prozesses nicht ganz gerecht zu werden, dafür boten beide Seiten vor dem Prätor die erwartet scharfe Rhetorik. Noch sah Macer die Meinung, die er sich selber in dieser Sache gebildet hatte, nicht bedroht, aber eine der beiden Seiten schien es darauf angelegt zu haben, alles auf den Kopf zu stellen.

  • Diese Verbalattacken ignorierte der Senator noch gänzlich, immerhin war es nicht der Caecilius, der das Wort hatte, sondern der Praetor. Gespannt wartete Avarus also wie jener Vorsitzende diese Anmaßung des Klägers auffasste und seine Verhandlung fortführte.

  • Der Prätor, der beobachtet wurde, hielt sich seinen Kopf, offensichtlich der Schmerzen wegen. "Ach, es hämmert, es hämmert, es hämmert." murmelte er leise, bevor er beide Herrschaften nacheinander anblickte. "Caecilius, was eines Senators würdig ist oder nicht, hast nicht du zu entscheiden, mäßige also deine Zunge." Ateius seufzte, nahm dann aber doch einen Schluck seines Weines und wandte sich dann seinem Senatskollegen zu. "Senator Germanicus, ich kann nicht umhin, dir sagen zu müssen, dass deine Argumentation durchaus kreativ ist. Haben die beiden Herren noch etwas zu sagen?"


    Sim-Off:

    Ob der Begriff "Landwirtschaft" aus dem althochdeutschen stammt, ist irrelevant, da wir es nun einmal nicht vermeiden können, mit der deutschen Sprache hantieren zu müssen. Wesentlich ist, dass wir wissen, was genau mit diesem Begriff gemeint ist.

  • Tiberius erhob sich wieder von seinem Platz und begann zu sprechen.


    "Ehrenwerte Iudices,


    auch nach Anhörung des Beklagten kann ich als Kläger nur weiterhin auf meinen Vorwürfen bestehen: Der Beklagte ist als Senator im Besitz von Betrieben, die ihm nach dem lex mercatus zu besitzen verboten sind.


    Die zu Anfang angeführte Argumentation behält weiterhin ihre Gültigkeit: Ein Bäcker verarbeitet Mehl zu Brot, er verarbeitet ein durch Menschenhand, also künstlich geschaffenes Produkt zu einem weiteren künstlichen Produkt, nämlich eben Mehl zu Brot. Korn ist unbestirtten ein landwirtschftliches Produkt, Mehl ist ein durch die Verarbeitung eines landwirtschafltichen Gutes geschaffenes Produkt. Brot aber verliert seine "Landwirtschaftlichkeit" durch seinen Schaffungsprozess, eben da es aus der Verarbeitung eines künstlich geschaffenen Gutes hervorgeht.


    Mit dem Architekten verhält es sich noch etwas einfacher. Abgesehen davon dass der möglicherweise im Zuge architektonischer Maßnahmen verwendete Stein nicht als landwirtscahftlich anzusehen ist, so ist ein Architekturbüro wohl weniger als Verarbeitender denn als produzierender Betrieb anzusehen. Der Architekt schafft durch seine Gedanken und Ideen, seine geistigen Fähigkeiten und sein architektonsiches Geschick Pläne, nach denen Baumaßnahmen durchgeführt werden. Den Bezug zur Landwirtschaft sucht man hier vergeblich, denn er existiert schlichtweg nicht.


    Daher bleibe ich bei meiner Anklage und beantrage, den Beklagten ob dieser Verstöße gegen geltendes römisches Recht zu verurteilen."


    Damit setzte Tiberius sich wieder.

  • Das Amt eines Prätor peregrinus war bei solchen Fällen ein äußerst angenehmes, brauchte er doch während des Prozesses nichts sagen, wenn er keine Fragen hatte und konnte dem Prätor urbanus ganz die Zügel überlassen, so er denn wollte. Und genau so war es in diesem Fall, denn der Prätor urbanus übernahm auch hier das Sprechen. "Senator Germanicus? Wir sind alle gespannt auf deine letzten Worte zu diesem Fall."

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