Hauptverhandlung IUD MIN VI/DCCCLVII - Tiberius Caecilius Metellus vs Medicus Germanicus Avarus

  • Weit hinten und etwas versteckt hatte sich Callidus die Reden angehört. Natürlich verfolgte er den Prozess mit großer Aufmerksamkeit. Germanicus Avarus war gewiss ein Mann mit Fachwissen auf dem Gebiet der Architektur, er war aus jenem Grund aber auch ein großer Konkurrent für den kleinen Baubetrieb des Ritters Callidus. Eine Verurteilung würde dem Aelier einen größeren Markt öffnen, so dass er durchaus einen Grund hatte, die Verhandlung selbst aufzusuchen. Desweiteren interessierten ihn die Reden des Caecilius Metellus, der einige Prozesse geführt hatte, und dessen Name aufgrund dieser Tatsache in Rom bekannt war.
    Die mögliche Verurteilung barg aber auch eine gewisse Spannung, da es im Falle jener zu empfindlichen Geldstrafen kam, die bereits durch die Edikte des praefectus urbi drohten, und für die Callidus selbst einen großen Teil seines Gesamtvermögens hätte aufbringen müssen. Dass auch der Senator diese Strafen nur mit knirschenden Zähnen würde zahlen wollen, war dem Aelier klar.
    So wartete er nun auf die abschließende Rede des Avarus und die Urteilsverkündung.

    Quidquid agis, prudenter agas et respice finem.

  • "Auf ein altes Verstandnis vertraut, gibt es jene Orte des Lebens und Schaffens, die durch den Kläger schlicht als handwerkliches Tun verpöhnt werden. Nun wir leben von den Wurzeln der Gaia. Die Mutter Erde gibt und nimmt uns. Wir vertrauen unser Leben den Göttern an. Sie schaffen das Licht, den Sommer und auch die Finsternis. Wir ernten, was sie sähen. Wir opfern ihnen und bedanken uns ihrer für die guten Geschäfte. Ich sehe in der Landwirtschaft das, was auch das Klientel meiner Bewirtschaftungen wohl so sieht. Denn es sind die bestverdienensten Römer, die am tiefsten mit der Mater Natura verwurzelten alten Geschlechter, die sich meiner Dienste beraten und ausführen lassen. Wir brechen den guten Stein aus der Landschaft, wir wirtschaften dies um in ein gutes Stückchen Kunst und bringen es dort ein, wo es den Göttern besonderen Dank zukommen läßt. Wir schaffen künstlerische Bauten, aber auch himmlische Notwendigkeiten. Was wäre Rom ohne die Thermen, die Äquadukte... würde nicht Krankheit und Tod regieren, statt einer blühenden Stadt?


    Wenn wir dazu treten und jene tiefen Bündnisse mit der Mutter Natur, den Göttern dem Land und dessen Bewirtschaftung aufzubrechen, dann frage ich euch, wo wird es enden? Nichts von dem, das der Kläger Caecilius vorbringt, kann den alten Traditionen zum Trotz gereichen. Nichts von meinem tun spricht gegen sie und keiner kann dies besser bestätigen als unser Göttervater selbst. Wer sind wir, das wir dort anmaßen wollen, wo es uns nicht gereicht anmaßend sein zu dürfen?


    Nun ich möchte euch nicht mit meinen endlosen Worten beköstigen, aber auch zum täglichen Brotbacken sei noch der eine oder andere Satz zu sagen. Viel nimmt es sich nicht, was ich bereits gesagt. Brot ist das Korn der Welt, es ernährt uns und es ist wohl eines der beliebtesten Feldfrüchte, die es zu unserer Zeit gibt. Kein Römer wird es nicht als landwirtschaftlich erzeugte Ware sehen und kein Römer wird sich dessen aufzwingen lassen, das dieser Mann dort auf der Klägerbank ihnen weis machen will. Brot ist das reinste Produkt eines Feldes, das wir je erfunden haben.


    Zu guter Letzt kann ich auch den Vorwurf zurückweisen, das meine Arbeiten dem Bürger schaden würden, der mittellos gar oder einfach nur konkurrent auf dem Markt steht und dem es ein Dorn im Auge zu sein scheint, mich dort zu sehen, wo ich stehe und gut verdiene. Ja es ist richtig, ich verdiene gut. Aber glaubt dieser arglistige Andere wirklich er könnte mich meiner Kunden beerben, weil er das selbe Produkt -was niemals das Gleiche werden wird- anbietet? Mit nichten! Wer sind wir, das wir daran zweifeln wollen, das ein akademisch ausgeführtes Projekt gleichzusetzen ist mit dem Lehmbauer aus den Tiberdistrikt? Wer sind wir das wir Parallelen ziehen zwischen einem Magister und einem Ziegelstapler? Nun ich weiß, wer ich bin.... weiß dieser Andere es auch, was er ist? Ich für meinen Teil stehe zu meiner Qualifikation und keiner wird sich je darüber beschwert haben, das meine aus den Rohstoffen der Natur geformten Produkte zu billig seien, nein sie sind einzigartig und dementsprechend gehaltvoll im Preis. Was allso spricht man von Konkurrenz.... sie gibt es nicht. Der Platz ist im Markt weit größer, als er je gefüllt werden könnte.


    Wer das anders sieht, der hat die Zeichen der römischen Tugenden und Traditionen falsch gedeutet. Wer will bezweifeln und wer neiden? Jene die wimmern und klagen erhoffen sich meist mehr, als sie dadurch erreichen können. Egal welches Ergebnis ihnen zufällt. Rom ist es, das an Nutzen einbüßt, die Welt ist es die Schaden nimmt... so heute und so später."

  • Es hätte den Prätor urbanus gewundert, wenn der Senatskollege Avarus nur eine kurze Rede gehalten hätte, und ein Blick auf seinen Mitprätor verriet ihm, dass sein Kollege dasselbe dachte. Aber irgendwann waren auch die längsten Monologe am Ende, und so standen die beiden Herrschaften auf. "Mein Kollege und ich werden uns nun zur Urteilsfindung zurückziehen." Immerhin mussten ja auch die Juristen befragt werden.

  • Einige Zeit später erschienen die beiden Prätoren in Begleitung ihrer Scribae und einigen Juristen. Die Beratungen waren nicht ohne Streit verlaufen, hauptsächlich aber ging es um die Frage, wer von den beiden Prätoren an diesem Tage mit der Bezahlung der Amphore Falerner dran war, den sie immer dann tranken, wenn eine Gerichtsverhandlung erfolgreich zu Ende gebracht wurde. Aber selbst diese Frage wurde einvernehmlich geklärt, also konnte das Urteil präsentiert werden. Der Praetor Urbanus stellte sich in gewohnter Rednerpositur, ein Schriftstück in der Hand. "Silentium! Ich verlese hiermit folgendes Urteil: Der Angeklagte Medicus Germanicus Avarus, ehrenwertes Mitglied des Senates des Volkes von Rom, wird aufgrund des Verstoßes gegen Paragraph 3 Absatz 5 Lex Mercatus wegen Führen eines nicht landwirtschaftlichen Betriebes oder eines Betriebes zur Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Güter, namentlich eine Bäckerei und ein Architekturbüro, zu einer Bußstrafe von 20.000 Sesterzen, zahlbar innerhalb von 60 Tagen an die Staatskasse (simoff: Staatskasse II) verurteilt. Der Angeklagte wird angewiesen, die fraglichen Betriebe stillzulegen oder zu verkaufen, für die ordnungsgemäße Durchführung hat der Angeklagte zu sorgen. Der Verurteilte trägt überdies die Kosten des Verfahrens gemäß § 24.1 Abs 3 Codex Iuridicialis. Rechtsmittel gegen dieses Urteil kann innerhalb von zwei Wochen eingelegt werden." Ein Scriba verteilte die Urteile an die beiden Parteien.



    IUDICIUM MINOR
    IUDICATIO
    IUD MIN VI/DCCCLVII


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM XIII KAL NOV DCCCLVII A.U.C. (20.10.2007/104 n.Chr.)


    IM ZIVILVERFAHREN
    Tiberius Caecilius Metellus
    gegen
    Medicus Germanicus Avarus



    HAT DAS IUDICIUM MINOR DURCH


    Praetor Urbanus Manius Ateius Crassus
    Praetor Peregrinus Lucius Epidius Trabea


    NACH MÜNDLICHER VERHANDLUNG FÜR RECHT ERKANNT:


    Der Angeklagte Medicus Germanicus Avarus, ehrenwertes Mitglied des Senates des Volkes von Rom, wird aufgrund des Verstoßes gegen Paragraph 3 Absatz 5 Lex Mercatus wegen Führen eines nicht landwirtschaftlichen Betriebes oder eines Betriebes zur Weiterverarbeitung landwirtschaftlicher Güter, namentlich eine Bäckerei und ein Architekturbüro, zu einer Bußstrafe von 20.000 Sesterzen, zahlbar innerhalb von 60 Tagen an die Staatskasse, verurteilt. Der Angeklagte wird angewiesen, die fraglichen Betriebe stillzulegen oder zu verkaufen, für die ordnungsgemäße Durchführung hat der Angeklagte zu sorgen. Der Verurteilte trägt überdies die Kosten des Verfahrens gemäß § 24.1 Abs 3 Codex Iuridicialis.


    ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:


    Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass beide Betriebe, sowohl eine Bäckerei als auch ein Architekturbüro unter jene Betriebe fallen, die für Patrizier und Senatoren verboten sind zu betreiben. Eine Bäckerei kann kein Brot herstellen ohne Mehl, das seinerseits aus Getreide hergestellt werden muss. Getreide ist ein landwirtschaftliches Produkt, Mehl ist daher ein weiterverarbeitetes Produkt, da seine Form durch specificatio verändert wurde und niemals mehr in seine ursprüngliche Form zurückverwandelt werden könne. Da eine Bäckerei jedoch auf dieses weiterverarbeitende Produkt Mehl angewiesen ist, kann es schon per se kein landwirtschaftlicher Betrieb sein.
    Ein Architekturbüro kann schon per definitionem kein landwirtschaftlicher Betrieb sein, da das verarbeitende Produkt Stein kein pflanzliches oder tierisches Erzeugnis ist, dies aber eine unabdingbare Voraussetzung für das Etikett "landwirtschaftlicher Betrieb" ist.
    Für die Bestimmung der Strafzahlung wurde das Vermögen des Angeklagten als Basis genommen. Das Gericht sieht es aufgrund der gegenwärtigen Unsicherheit, welche Betriebe noch als landwirtschaftliche Betriebe dienen, als leichten Verstoß gegen die Lex Mercatus an, eine Bäckerei zu führen, daher hat das Gericht den im Gesetz genannten Prozentsatz von 5 Hundertstel als den richtigen bestimmt. Ein Architekturbüro als landwirtschaftlichen Betrieb zu definieren kann das Gericht hingegen aufgrund kontextbezogener Diskrepanzen nicht stattgeben, daher wurde ein Prozentsatz von 15 Hundertstel gewählt.




    RECHTSMITTELBELEHRUNG:


    Gegen dieses Urteil kann gemäß § 42 Abs 1 des Codex Iuridicalis innerhalb von zwei Wochen Berufung eingelegt werden.





    /edit: kleiner Zusatz.

  • Sechzig Tage für zwanzig Aurei... hm das waren knapp neun Wochen. Wäre etwas über zweitausend Sesterzen je Woche. Da mußte Iulianus aber ihm noch die restlichen dreizehn Renovierungen abnehmen, das Avarus sich das leisten konnte. :P:D


    Dieser Caecilius Metellus hatte es geschafft. Nicht den Prozess, nein es hätte jeder sein können, aber kein Anderer war natürlich so doof wie dieser Narr, denn jener bekam einen Sonderplatz auf der 'schwarzen Liste'. Zu späterer Stunde würde er sich seines Vorgehens krämen und er war nicht der Erste Römer, welcher in Schwierigkeiten geraten war, nachdem man sich mit dem Senator Avarus angelegt hatte. Einige starben GSC, GPC, einige verschwanden ins Exil MDF, FMO , weitere kamen vom Krankenlager nie wieder hoch. Da half auch kein schwarz bekleideter Onkel. Irgendwann war die Zeit gekommen wieder einen Namen von der Liste zu streichen und vielleicht würde dieser nächste die Initialien TCM tragen.


    Avarus erhob sich und verließ das Gericht.


    Sim-Off:

    Ich würde dann gerne eine Mehlmühle in der Wisim eröffnen. Doch immer wieder schön zu sehen, wie mit zwei Löffeln gemessen wird. ;)

  • Tiberius schaute dem Senator nach und wurde das Gefühl nicht los dass er sich dort einen Feind geschaffen hatte... aber was sollte es, viel Feind - viel Ehr!


    Er erhob sich, verbaschiedete sich von den noch Anwesenden und verließ die Basilica.

  • Das Urteil überraschte Macer im Zuschauerraum nicht, denn zumindest im Bezug auf den Architekten erschien ihm der Fall doch völlig eindeutig. Er hatte aber auch keinen Zweifel daran, dass Senator Avarus einen Weg finden würde, auch weiterhin seinem Geschäftstrieb nachzugehen. Vielleicht würde er sogar schon bald mit einer neuen Gesetzesinitiative im Senat vorsprechen.


    Mit diesen und ähnlichen Gedanken verließ Macer die Basilica und machte sich auf den Weg, seiner eigenen Arbeit nachzugehen.

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