Regio Italia - Ein ganzes Stück von Misenum entfernt...

  • ... fand Minervina sich selbst missmutig über das noch recht grüne Gras blicken. Auf ihren Wangen lag noch immer ein Hauch der Röte. Nun verbrachte sie schon gute zwei Monate auf dem Anwesen der Familie zu Misenum, die auch durchaus wie Balsam auf ihre Seele einwirkten. Sie hatte den Schmerz weitestgehend überwunden, den der Tod ihrer Tante in ihr hervorgerufen hatte. Viele Lehren hatte sie für sich in dieser Zeit ziehen können. Aus dieser Zeit. Aber dass sie sich grundlegend verändert hatte, konnte man, bei den Göttern, wahrlich nicht behaupten. Sie war vielleicht disziplinierter und möglicherweise sogar etwas kontrollierter geworden, sah man von ihrem zeitweise einsetzenden Jährzorn ab. Doch ihre Wutausbrüche wurden seltener. Dafür begann sie ein wenig politischer zu denken, begann zu sinnen, was wohl für sie von ihrem Onkel geplant wurde. Würde sie an einen reichen, ruhmreichen Mann vergeben werden? An einen jungen, vielversprechenden? Oder gar an einen der die ruhmreche Zeit nun auf einem Hof damit auskostete, im Hintergrund die Fäden zu ziehen, da sein großer Bauch und seine kahle Glatze ihn beschämten? Sie schmunzelte. Nein, soviel Geschmack würde selbst Quintus Tiberius Vitamalacus aufweisen können. Wenn sie ihn nicht übermäßig ärgerte, so glaubte sie, mochte sie sogar selbst wählen dürfen. Nicht nur zwischen A und B, sondern zwischen allen Kandidaten die sich so anboten. Worauf würde sie achten?
    Doch diese Frage wurde jäh unterbrochen als sie, seltenerweise, über einen kleinen Stein stolperte, der hervorlugte. Die gerade wieder normal gefärbten Wangen nahmen wieder einen tieferen Ton an und zornig starrte sie geradeaus. Ihre Begleiterin brauchte sie hier nicht ansehen. Lana war, nach wie vor, treu an ihrer Seite. Und der Stein würde kaum verängstigt ins Gebüsch zurückkriechen. Diese Situation riss sie auch wieder aus ihren heiratpolitischen Gedanken und ließ sie leise und undamenhaft knurren. Welch eine Schande, dass sie den Weg zu Fuß zurücklegen musste. Vielleicht sollten sie den Weg verlassen, um niemandem zu begegnen, der sie möglicherweise kennen konnte. Sie ballte ihre zierlichen Hände zu Fäusten und raffte damit den recht schweren Stoff ihrer unhandlichen Tunika und der Palla. Wielang mochte der Marsch noch sein? Sehr weit jedenfalls nicht, es kam ihr vor als seien sie schon den ganzen Tag gelaufen. Aber ihr war bewusst, dass das nicht sein konnte. Dafür stach die Mittagssonne viel zu heiß auf sie hernieder. Was gäbe sie nun dafür, weniger Stoff tragen zu können. So wie Lana. Eine einfache, dünne, leichte Tunika mit einem Schulterüberwurf gegen die morgendliche Kühle, in der sie aufgebrochen waren. Bei diesen Gedanken warf sie einen mürrischen Seitenblick zu Lana und seufzte leis. Starr richtete sie ihre Augen nun wieder gen geradeaus, zog sich den Stoff der Palla wieder knapp über die Stirn, die gern nach hinten rutschte, durch die schwere Last des vollen Haares gezogen.
    Das durfte man auch keinem erzählen. Sie wurde so zornig, dass sie den Hof einfach verließ. Ohne daran zu denken, dass sie erst zur Abendstunde wiederkehren wollte - wie sie es also auch befohlen hatte. Zerknirscht hatte sie dies festgestellt, kaum dass sie die Villa Rustica verließ. Aber zum Umkehren war sie entschieden zu stolz. Nein. Sie kam doch nicht zu solchen Bauerntrampeln wieder zurück, wenn sie ihnen dies erst frisch vorgeworfen hatte. Bei dem Gedanken daran wurde die Zornesröte etwas abgeflacht, die noch immer auf ihrem Gesicht loderte. Wären nicht ihre Züge so hart, könnte man glatt vermuten, dass es Schamesröte war. Doch völlig ausgeschlossen denn eine Minervina hatte sich noch nie irgendetwas geschämt. Sie gab ja schließlich auch nie Grund dazu.

  • Lana war viel zu sehr mit ihren eigenen beschäftigt, als dass sie zu der Herrin herübersehen konnte und hätte bemerken können wie böse die Herrin doch gerade in diesem Augenblick war. In Lanas Kopf drehte es sich zurzeit viel mehr darum, wer dieser junge gut gebaute Bursche war, den sie das letzte Mal am Straßenrand gesehen hatte. Er hatte so einen scheuen Blick zu ihr hochgeworfen. Lana war wie verzaubert. Vielleicht lag es aber einfach daran, dass die Sonne und Lanas Angewohnheit am Morgen wenig zu trinken, gut zusammenarbeiteten.
    Es dauerte etwas bis sie wieder zu sich kam und diesen Gedanken schnell wieder verwarf. Dieses Hirngespinst, war nun wirklich nicht das, was sie nun brauchen konnte. Ihr Blick glitt zu der Herrin herüber. Sie wollte erst etwas fragen, ließ es wieder. Dann kam wieder der Gedanke...Er erinnerte sie doch so an den Jungen aus ihrer Heimat. Nur das er nun erwachsen war...Lana schüttelte sich etwas, als wollte sie eine Biene oder dergleichen abwenden. Dann hob sie ihren Blick und begann nun endlich klaren Gedanken bzw. klares Wort zu fassen. "Was habt ihr nun vor Herrin?" Lana sah es irgendwo nicht ein, schon wieder die Wut der Herrin auszubaden, außerdem war ihr das Wetter nun wirklich nicht gerade wohlgesonnen. Man konnte es in Lanas tiefstem Auge sehen, dass es ihr nicht passte, was hier gespielt wurde.

  • Minervina seufzte wieder leicht, fast schon theatralisch, als sie Lanas Stimme vernahm. Musste Lana sie auch noch mit der Nase in den Teller schubsen? Was hatte sie nun vor? Naja die restlichen Meilen wohl auch noch laufen. Statt einer entsprechenden, bissigen, wenn nicht gar zornigen Antwort ließ sie aber nur ein leises Murren vernehmen und schüttelte den Kopf. „Wonach sieht es denn aus, Sklavin?“ gab sie also eine eher abgekühlte Gegenfrage gen Lana und schnaubte leicht. Zum Glück war der Boden trocken. Es war zwar nicht mehr übermäßig heiß, denn allmählich zeigte sich das Jahr von einer nicht ganz so sonnigen Seite, doch es stand kein Wasser und die Sonne schien noch freundlich. Für diesen Moment allerdings zu freundlich. Die junge Dame aus gutem Hause war körperliche Anstrengung nämlich so gar nicht mehr gewohnt, denn auch wenn sie eine überaus wohlgeformte Figur hatte, was sie in ihrem Stand auch besser haben sollte, bewegte sie sich nicht viel. Und gerade jetzt wurde ihr bewusst, dass sie das ruhig mal wieder tun könnte. Sie pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und wandelte nicht gerade mit größter Eleganz weiter. „Ich hab keine Lust, den ganzen Weg zu laufen.“ Murmelte sie und sah Lana an, nun stehen bleibend.

  • Lana blieb im ersten Augenblick ruhig und sah nun ebenfalls mit einem leicht grimmigem Blick zu Boden. "Wir gehen gerade Herrin", flüsterte sie kaum hörbar und tratt dann nach einem kleinen Stein.
    Sie zeigte nicht, dass es ihr eigentlich wehtat und ging nun weiter ihren Weg. Sie blieb im ersten Augenblick auch nicht stehen, als die Herrin stehen blieb. Sie war in Gedanken wieder bei dem Burschen und sie war auch bei den Dingen, die passiert waren, die die Herrin nie wissen durfte. Sie hatte ihn ja nicht das erste Mal gesehen und schließlich war auch eine ganze Zeit vergangen, in der sie nicht wirklich bei der Herrin sein musste oder es so einrichten konnte, das sie mal kurz Zeit hattte. Jedenfalls...
    Sie wollte gerade weiter träumen, als die Herrin wieder begann zu murren. Lana seufzte innerlich und besah sich die Umgebung. Sie stützte ihren Rücken und streckte ihn etwas durch. Sie war das Laufen zwar gewöhnt, aber irgendwie fühlte sie sich nicht wohl. "Es gibt zur Zeit jedoch keine andere Möglichkeit als den Fußweg und in deiner Wut sind wir soweit gegangen, dass der Weg zurück genauso lang wie der Weg nach vorn ist"
    Lana schloss dann für den Moment die Augen und ging in die Hocke um besser sehen zu können. Die Sonne blendete sie so jedenfalls nicht so stark und ihre Kleidung lüftete so einmal deutlich besser durch. Sie erhob sich kurz darauf wieder und sah wieder zu der Herrin hin, verneigte sich kurz. "Wir sollten uns beeilen Herrin, ansonsten schaffen wir es nicht mehr bis zum Sonnenuntergang"

  • "Ganz exakt das tun wir." murmelte sie mies gelaunt zur Erwiderung und stieß ein weiteres, leidvolles Stöhnen aus. Eine Frau ihres Standes, laufen... Na, immerhin wärmte es sie ein wenig auf. Ein paar Schritte ging sie beinahe militärisch aufrecht, als habe sie neuen Mut geschöpft, aber schon bald sanken ihre Schultern wieder ein minimales Stück hinunter und sie ging wie gewohnt. Einen Grund zur Freude gab es schließlich nicht wirklich.
    Minervina warf Lana einen scharfen Blick zu, aber sie biss sich auf die Lippen. Ja, sie waren in ihrer Wut so weit gegangen, da hatte die Sklavin recht. Aber sie war eine Sklavin und sie hatte nicht Recht zu haben. Wenn sie schon kritisierte, sollte sie wenigstens darauf achten, der Herrin Fehlbarkeit zu unterstellen. Aber sie war zu lustlos um sich nun groß darüber zu erbosten. Wohlmöglich ein wenig nachlässig, nicht konstant zu strafen, aber im Endeffekt würde Lana ohnehin so weiter sprechen. Da musste schon eine richtige Strafe her und die käme, wenn Lana den Bogen einmal wahrlich überspannte. Dann würde sie nicht nur für den Moment, sondern für jegliche 'Sünde' gestraft, gepeitscht, was auch immer. Sie war just nicht kreativ genug, um diesen Faden weiterzuspinnen und ließ ihn ebenso wie ihre Hochzeitspläne halb gedacht.
    "Bis zum Sonnenuntergang sollte es kein Problem sein. Der ist noch einige Zeit hin und würden wir warten, würde man sicher nach mir ausschicken. Aber zu warten bis ich alt und grau werde, mag ich auch nicht so recht." murmelte sie und achtete nicht auf Lanas Pause. Sie warf ihr lediglich einen kurzen, prüfenden Blick zu. Die Sklavin wurde träge, hatte sie das Gefühl. Sie schien sich ziemlich an den Luxus zu gewöhnen, den sie früher nicht genießen konnte. Wurde Zeit, dass es wieder zurück nach Rom ging, wo sie wieder richtig arbeiten musste und sich nicht passiv von anderen Sklaven bewirtschaften ließ.

  • Lana war nicht träge geworden, jedenfalls würde sie das nicht von sich behaupten. Sie hatte nur so ein komisches Gefühl, welches sie nun seid ein paar Tage länger plagte und sie hoffte nicht, dass es zu den Nachwirkungen eines gewissen Treffens gehörte. Sie schüttelte nur leicht für sich den Kopf und sah dann wieder zu der Herrin hin. Sie fragte sich just in diesem Augenblick, wie es wohl kommen würde, wenn es wirklich so war, aber das sollte jetzt nicht das Thema sein. Abermals schüttelte sie den Kopf und dann lächelte sie. Jetzt wäre es schon frei zu sein, sich irgendwo und wenn es nur ein kleiner Schuppen war einzurichten und diesen sein Eigen zu nennen. Sie dachte wieder an ihn und das Lächeln auf ihrem Gesicht wurde etwas breiter und sie hing wieder ihren Tagträumereien nach. Wenn sie dann weitergehen wollten, Lana war sicherlich immer soweit, jedoch musste sie selbst auch hier und dort mal eine kleine Pause machen, schließlich konnte man solche Strecken nicht ins eins durch laufen. Lana hatte auch den prüfenden Blick der Herrin gar nicht bemerkt und ihn einfach so ignoriert.

  • Minervina hob stillschweigend eine Augenbraue an, als sie glaubte, eine Veränderung in Lanas Gesicht zu bemerken. Allerdings keine, die sie sich wünschte. Wünschenswert wäre gewesen, wenn Lana den Tadel der Prüfung realisiert hätte, aber das war natürlich nicht der Fall. Sie schnaubte leise. Sie würde schon noch sehen, dass sie die Blicke der Herrin von den Lippen abzulesen hatte. Es war wirklich an der Zeit, dass Lana wieder härtere Regeln erfuhr. Unerhört, dass sie nicht einmal die Blicke wirklich bemerkte. Sie wandte sich abrupt ab und setzte den Weg gen Misenum fort, wobei der erste Schritt sehr laut und ungalant war. In ihrem Bauch gärte leise Wut. In ihrem Herzen Frust. Sie war schon 18 Jahre alt und noch immer keinem Manne versprochen. Wieder schweiften ihre Gedanken in diese Richtung. Und bis heute hatte sie auch keinen getroffen, der ihrer würdig gewesen wäre. Sollte sie schon einen erwählen, sollte er auch gewisses Ansehen genießen. Sie erwartete nicht, dass sie in großen Gefühlen aufgehen würde, wenn sie einmal heiratete. Dafür war ihr Stand zu gut, als Tochter eines Senators und Patriziers. Diese kindlichen Träume waren ihr schon relativ früh ausgetrieben worden. Aber zumindest stolz wollte sie auf ihren künftigen Gemahl sein.


    Da traf sie für einen kurzen Moment ein großer Zweifel. Hätte sie sich doch, wie sie es als Kind zu Lebzeiten ihres Vaters schon wollte, bei den Vestalinnen melden sollen? Vielleicht wäre ja irgendwann unter ihnen ein Platz frei geworden und sie hätte dieses ehrenvolle Amt übernehmen können. Aber noch im gleichen Atemzug fiel ihr ein, dass sie zwar keusch war, aber sie ihre Spiele mit den weiblichen Reizen nicht so prüde verbergen wollte. Und als jungfräuliche Hüterin der ewigen Flamme wäre es ein großer Frevel, dies nicht zu tun, nicht zurückhaltend zu lächeln. Sie schüttelte sich kurz. Sie wollte, dass Männer sie mochten, nicht wie sie eine Vestalin mochten, sondern.. eine Frau. Sie nickte, ohne dass sie dies wirklich bemerkte. Aber welche Männer kamen schon in Frage? Marcus war ein Peregrinus und vermutlich ohnehin schon in der Versenkung verschwunden. Er zählte für sie kaum mehr als lebendig. Und dieser eine Helvetier? Nein, was könnte ihr ein einfacher Soldat schon bieten und bis er diese Phase hinter sich hatte, hatte Vitamalacus schon einen für sie gefunden. Zwar wohl eine gute Partie diese Familie, aber... Nein. Die anderen patrizischen Familien... Was wäre mit ihnen? Aber würden sie Minervina als die 'Kreuzung' zwischen Plebejer und Patrizier akzeptieren? Trotz allem edlen Blutes dass sie in sich trug? Ein leises Seufzen kam über ihre Lippen.


    "Lana, es wird Zeit." murmelte sie und warf nun wieder friedlicher einen Blick zu ihrer Leibsklavin, während sie ihre Hände weiterhin im schweren Stoff vergraben hatte. Das zarte Gesicht lugte nur bedingt unter der Palla hervor.

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