Die Sonne schien mild durch die Zweige der Bäume. Gold, Orange und Rot hatte sich das Laub verfärbt, fiel in sachtem Flug hinab auf den flavischen Grund und Boden. Täglich waren Sklaven beschäftigt das Blätterwerk aus dem Garten zu entfernen. Doch an jenem schönen Herbsttag in dem Hortus der Villa Flavia ging etwas ganz anderes vor sich. Kinderfüße trappelten hin und her. Ein Hund bellte laut und aufgeregt, bis ihn ein großer Knochen beruhigte. Die kleine Laube im Garten wurde für das Treffen bereitet. Und schon seit einer Hora stand Dido hinten an der Gartenmauer. Von dem Gärtner hatte sich Dido den Schlüssel stibitzt. Zu dem Tor auf die Gasse hinter dem Garten. Sie spähte durch sich verfärbendes Laub eines wilden Weins, der dort entlang wuchs und die weiße Mauer mit herbstlichen Farben zierte. Mit einem Fuß stand sie im Blumenbeet, knickte rotgelbe Herbstblumen um. Doch ihre Sinne waren auf etwas ganz anderes gerichtet. Still wartete sie. Immer wieder vergewisserte sich Dido, dass auch ja niemand ihre Anwesenheit am Tor bemerkte. Wenn mal ein Sklave vorbei kam, huschte sie schnell hinter den nächsten Baum und wartete, bis dieser wieder davon geschlichen war. Einige Male hatte Dido das bereits tun müssen und es gefiel ihr außerordentlich gut. Die Gefahr erwischt zu werden, die Reize des Verbotenen, all das machte ihr Dasein doch sehr aufregend. Deswegen war sie heilfroh die Leibsklavin von Serenus zu sein. Nicht mehr tröge Küchenarbeit winkte jeden Tag, nein- Aufregung und Abenteuer, lustige Spiele und nur selten die seltsamen Anwandlungen ihres Herrn.
„Gaius und Salvus in den Gassen der Subura!“ Eine Stimme flüsterte durch das Tor hindurch. „Wo war der Pferdekopf?“, antwortete Dido leise und mit einem verschwörerischen Unterton. „Im Bett des Onkels.“ Zufrieden schloss Dido das Gartentor auf. Das Eisen quietsche leise und eine Gestalt in einer leuchtend gelben Tunika huschte herein, einen anderen Jungen – weniger auffällig gekleidet – im Schlepptau. „He, das war nicht ausgemacht. Oder ist das Dein Sklave?“ Der Junge in der gelben Tunika sah Dido abschätzig an. „Das geht Dich nichts an, Sklavin.“ Eingeschnappt verzog Dido das Gesicht. „In der Laube dort hinten, Herr. Mein Dominus wartet dort bereits.“ Der Junge wandte sich ab und stolzierte mit seinem Freund in die angewiesene Richtung. Dido streckte ihm die Zunge raus als der Junge ihr den Rücken zu wandte. Dann wartete sie erneut. „Gaius und Iulia auf der Pirateninsel.“ Dido erwiderte leise die geheimen Worte, erneut wurde das Tor aufgeschlossen. Noch zwei Mal passierte das. Dann war Dido fertig mit ihrer Arbeit am Tor. Sich umsehend folgte sie zu der Laube. Weintrauben hingen saftig und prall über dem Konstrukt aus Metall und Holz, Rosen rankten sich hinauf und in diesem kleinen Versteck saßen die Kinder, mehrere Jungs und ein Mädchen, was es in den erlauchten Kreis geschafft hatte. Aber nur, weil sie die Schwester des Corneliers war und alles heraus gefunden hatte. Dido gesellte sich an die Seite ihres Herrn.
Quintus Rubrius Fullo, stolze neun Jahre alt, erhob sich. Er kramte in einem Tuch und reichte Serenus einige Schriften. „Hier. Das ist die neueste Ausgabe. Die Männer meines Vaters haben sie besorgt.“ Quintus grinste breit und ein wenig stolz. Die Arbeit seines Vaters war bestimmt nichts, womit viele Leute prahlen würden, doch Quintus bildete sich trotzdem etwas darauf ein. Er behauptete sogar, sein Vater würde den Autor von -Gaius ist der Beste- kennen. Ob gelogen oder nicht, das konnte trotz einiger heftiger Prügeleien nicht geklärt werden. Dido rutschte unruhig hin und her. Sie hatte die Karte bei sich, die sie aus dem Zimmer von Sciurus gestohlen hatte. War das vielleicht aufregend gewesen. Nun wartete sie darauf, dass ihr Herr den Plan erläuterte. Der Zirkel war versammelt, der Kreis komplett.