• Venusia hat geschrieben, daß sie gewillt ist, die Geschichte intern zu regeln. Eine öffentliche Diskussion ist demnach sicher nicht im Interesse der Beteiligten.
    Bleibt also bitte beim eigentlichen Thema des Threads, dem historischen Aspekt.

  • Paulina: Es geht mir nicht darum, dass Deine Ausführungen mir zu unverständlich oder zu unprägnant waren. Ich bin schlicht skeptisch über Deine Aussagen. Und das hat sich nicht geändert. Aber immerhin kommt mal eine interessante Diskussion zu Stande ;)


    Zu meiner Skepsis: Warum komme ich dazu? Nun, man schaue sich die Autoren an, die Du zitierst. Catullus ist ein interessanter Moralspiegel seiner Zeit. Etwas, womit man einen Eindruck der politisch gewünschten Richtung erahnen kann. Hat das mit der Realität zu tun? Nicht unbedingt. Sicherlich, Schriftsteller beeinflussen durchaus das Meinungsbild einer Gesellschaft. Aber sie beeinflussen es nicht maßgeblich. Sie sind auch nicht unbedingt ein Spiegel der Realität. Ein Zitat, was das vielleicht verdeutlicht (auf Englisch, wie man unschwer merkt):
    „The presence of latent political undertones in quasi-autobiographical erotic verse is, after all, not surprising, given the homology of sex an power embedded in the ancient dominance- submission model of erotic relations.“
    Das Zitat ist im Übrigen auch auf die Texte Catullus bezogen. Der nicht nur Frauen eine gewünschte moralische Richtung in ihrer Sexualität verpasst, sondern auch dem männlichem Geschlecht. Ebenso Homosexuellen.


    Aber ich würde gerne noch mal zu Tacitus zurück kommen. Tacitus ist insofern sehr interessant als sein Werk mit den Germanen vorwiegend an das römische Publikum gerichtet ist. Was ist die Aussage, die Tacitus mit seinem Werk machen will? Denn man darf nicht vergessen- objektive Geschichtsschreibung (so es sie je geben wird) gab es damals nicht. Was wollte Tacitus also? Eben zeigen, was ein ursprüngliches Volk ausmacht. Die Germanen, rau und rein, taffe Krieger, natürlich in ihrer Lebensweise. So stellt er sie dar. Er möchte damit sicherlich einen Vergleich ziehen und bezieht sich wahrscheinlich auf die Anfänge des römischen Imperiums. Und warum? Weil er glaubt, dass die römische Gesellschaft verdorben ist. Eine Rückbesinnung auf die „ursprünglichen“ Werte des römischen Imperiums. Weg von der Dekadenz der römischen, seinerzeit „modernen“ Gesellschaft. Zurück zu den alten Werten. Insofern ist es auch möglich (ich will das mal so hinstellen), dass Tacitus durchaus die Germanen für seine „Ideologie“ missbraucht hat. Ihnen etwas andichtet, was nicht wirklich praktiziert wurde in der Form. Oder ein Beispiel als Verallgemeinerung vertritt.


    Man darf auch in vielen Fällen der römischen Literatur nicht vergessen: Oftmals wurden die Schriften von den Kaisern selber veröffentlicht (sie waren quasi die Herausgeber)- bezogen jetzt auf die Kaiserzeit. Ist es da verwunderlich, dass manche der Schriften der Autoren sich der gewünschten Botschaft des Herrschers angepasst haben? Augustus und Vergil könnte man in diesen Zusammenhang auch derartig einordnen.


    Was ich noch ganz interessant finde und womöglich auch auf diesen Fall hier sich beziehen könnte. Ich weiß nicht, inwiefern man das in Frage stellen sollte. Aber wenn eine hoch geborene Römerin ein Verhältnis mit einem rang niedrigeren Römer hatte, konnte man das auch als eine Art der Klientenschaft interpretieren. (will ich mal so in den Raum stellen)


    Was mich auch interessiert. Inwiefern haben die Gesetze des Augustus, was auch eben die weibliche Sexualität reglementiert hat, nach seiner Zeit noch gegriffen? Wurden die schweren Strafen (welche genau?) noch angewendet oder war das Gesetz mehr nur noch auf dem Papier? Wie auch mit dem Zwang zu Heiraten?

  • @ Medeia


    Ich verstehe deine Skepsis natürlich und es ist grundlegend für die Geschichtswissenschaft alles zu hinterfragen. Tacitus ist, und das ist mir auch bewusst, sicher eine schwierige Quelle in ihrer Authenzität. Aber abgesehen von der Ideologie hat Tacitus die Germanen auch benutzt um die Erhabenheit der römischen Kultur hervorzustellen. So vorteilhaft er sie auch am Beginn des Buches beschreibt, so negativ wird er auch an anderen Stellen. Seine Motivation ist immer schwer einzuschätzen. Und das ist, darin ist dein Problem wenn ich es richtig verstanden habe ja auch begründet, ein generelles Problem in der Geschichtswissenschaft.
    Es gibt keine Quelle, ob nun objektive Geschichtsschreibung oder nicht, die nicht subjektiv ist, weil ihr Autor nun einmal eine eigene Meinung hat, die man auch bei noch so großer Mühe nicht völlig unterdrücken kann.
    Die Historiker des 19. Jh. von denen du sprachst waren da noch sehr viel schlimmer, das stimmt. Wenn ich nur an Auszüge von Mommsens Römischer Geschichte denke, ist klar, dass da bei weitem keine Objektivität vorlag.
    Aber wenn man eine jede Quelle auf diese Hintergründe hinterfragt und anführt, dass es ja sein kann, dass es garnicht stimmt was jemand sagt, dann bist du auch sehr schnell dabei, dass du alle Geschehnisse, die je überliefert wurden, möglicherweise garnicht geschehen sind.
    Man denke nur an den Historiker der behauptet hat, dass es das Mittelalter garnicht gegeben habe!


    Von daher kann ich zu deinen Anmerkungen wenig sagen. Einerseits hast du natürlich recht, mit Catulls potentiellen Absichten, andererseits kannst du nichts, was überliefert ist für bare Münze nehmen. Denk allein daran, dass ja nicht EINE EINZIGE der überlieferten Text noch Originale sind, sondern generell Abschriften. Wer sagt denn, das Catull je gelebt hat und nicht einfach ein talentierter Mönch im Mittelalter dahintersteckte...


    Aber das führt jetzt wirklich viel zu weit weg zum Thema.


    Zu den anderen von dir erwähnten Aspekten :


    Was das Klientelverhältnis anbetrifft halte ich es für mutig, das soweit auszudehnen. Wir wissen zwar, dass auch Frauen die Klienten ihres Gatten empfingen und auch, dass sie in Abwesenheit ihrer Männer ebenfalls für diese zuständig waren. Aber ob man ein Liebesverhältnis in dieser Hinsicht als Klientel begreifen kann? Vor allem ist es glaub ich schwierig zu klären, weil ich mir nicht vorstellen kann, zumindest weiß ich darüber nichts, dass etwas derartiges überliefert wurde.


    Die Sittengesetze des Augustus sind wirklich interessant. Obwohl ich sie bisher nur hinsichtlich ihrer Ehegesetzgebung betrachtet habe. Mit dem weiteren habe ich mich noch nicht auseinander gesetzt, aber ich glaube, das werde ich demnächst dann mal tun. ;)


    Auf jeden Fall hast du recht, dass es eine interessante Diskussion ist. :)

  • Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    @ Hungi: In der lex Iulia de adulteriis coercendis steht folgendes:
    "Der Ehebruch eines verheirateten Mannes blieb straffrei, sofern er nicht den Tatbestand des stuprums erfüllte, nämlich die Verführung von Jungfrauen und Witwen sine vi (ohne Gewalt)."
    Da stellt sich mir nun dir Frage: Cupidus ist zwar nicht verheiratet und kein Bürger, verführte Clara aber ebenfalls ohne Gewalt, wenn man das so sehen möchte. Dann müsste doch theoretisch das Recht ähnlich greifen wie im Falle einer Verführung durch einen verheirateren Bürger?*
    edit: Oder bedeutet der obenstehende Satz, dass die gewaltfreie Verführung von Jungfrauen und Witwen einer Schändung gleichgesetzt wurde? -.^


    Du hast einen Denkfehler, denn in dem Satz wurden zwei Teile zu einem Ganzen zusammengeführt, die nebeneinander stehen können. Es ist natürlich nicht notwendig, daß der Verführer verheiratet sein muß, das wäre dann schon eine sehr merkwürdige Auffassung von Moral. ;)


    Zu deinem edit: Wenn du mit Schändung eine Vergewaltigung meinst, dann nein, denn die ist ja in einem anderen Gesetz geregelt. *Lex Iulia de vi auf Liste setz*


    Zitat

    Original von Artoria Medeia
    Was mich auch interessiert. Inwiefern haben die Gesetze des Augustus, was auch eben die weibliche Sexualität reglementiert hat, nach seiner Zeit noch gegriffen? Wurden die schweren Strafen (welche genau?) noch angewendet oder war das Gesetz mehr nur noch auf dem Papier? Wie auch mit dem Zwang zu Heiraten?


    Ich werde mich bald selber hassen für die Beantwortung...
    In aller Kürze: Wenig. Kam drauf an. Wurde schon damals kaum beachtet.
    Etwas länger: Die Ehegesetze von Augustus waren wohl eher Wunschdenken seinerseits als danach dann auch tatsächliche Realität.

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