Iatreion – Das Haus der Ärzte

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    Er war ja schon vieles genannt worden. Genie von seinen Anhängern, Hohlkopf von diesen neumodernen Quacksalbern und Starstechern, die nichts von der hohen Kunst eines Iatros verstanden. Aber Schreibstift war definitiv neu.
    “Schreibstift?“ wiederholte der Iatros etwas ungläubig und versuchte, aus dem folgenden Wortsalat etwas sinnvolles herauszuziehen, allerdings klang das gesprochene doch eher wie eine schlecht übersetzte Schrankbauanleitung. 'Zu montiere die Seite A1 müssen die Zapf E en Boden Platt aufrechten mit Stutz in 90 Grät passen. Anzwingen die Muff, dann klemm.' Hier war offensichtlich keine Hilfe zu erwarten.
    Allerdings gab der Sklave im Hintergrund einige Handzeichen, die mehr oder weniger auffällig auf den Fuß seines Herrn aufmerksam machten und wohl irgendwas mit diesem Kauderwelsch zu tun hatten.
    “Ist irgendwas mit dem Fuß?“ fragte der Mediziner dann doch noch einmal nach – und hoffte, dass der Mann vor ihm besser verstand als sprach. Oder zumindest sein Sklave zu zivilisierter Sprechweise fähig war.




  • "Öh...", brummte Vala, der kein Wort von der recht kurzen Frage des Mannes verstanden hatte. Dabei hatte der Mann nicht allzu viel gesagt.. eigentlich garnichts. Und das, war doch irgendwo in Valas Sprachzentrum angekommen war, war kaum aufschlussreich gewesen, weshalb dieser sich zu seinem Sklaven umwandte: "Wieso will der Mann mir Hundenieren verkaufen? Haben wir uns doch verlaufen? Meintest du nicht, dies wäre das Haus der Ärzte?"


    Sirius
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    "Ist es auch! Und dieser Mann ist Arzt! Er möchte wissen, ob...", jammerte Sirius, kam aber nicht viel weiter.


    "Na also!", unterbrach ihn sein Herr, und wandte sich wieder an den Mann, "..keine dreizehn Schwalbenhoden! Segeltücher, ich gemalt unter Pflastersteine gelbe habe!"

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    Der Iatros wiederum hatte keine Ahnung, worüber die beiden nun redeten. Er verstand zwar einige Worte der Rhomäer, und 'Haus der Ärzte' gehörte dazu, allerdings war der Rest dann doch zu schnell gesprochen und nicht seinem Arbeitswortschatz entstammend, als dass er es verstanden hätte.


    Das, was wohl Koine hätte sein sollen, verstand er aber ebenso wenig. Wenn das hier eine gelungene Übersetzung war, musste er sich um die geistige Gesundheit seines Gegenübers wohl ernste Sorgen machen.
    Mit fragendem Gesichtsausdruck starrte er also erst den Hünen an, der ihn locker um einen Kopf überragte, und sah dann hilfesuchend zu seinem Sklaven. Schließlich schüttelte er einfach nur den Kopf.
    “Haben wir hier irgendwen, der die barbarische Sprache ausreichend spricht?“ fragte er in die Runde seiner Gehilfen. Irgendwer musste doch verstehen, was der Mann hier überhaupt wollte, oder ob sie ihn besser an die Männer des Strategos übergeben sollten, damit die ihn zu seiner eigenen Sicherheit einsperrten. Oder an die Mantiker, die aus dem Geplapper noch irgendwelche Zeichen deuten konnten.
    Im Hintergrund meldete sich einer der Akroatoi. “Xenokles kann rhomäisch.“
    Der Iatros rollte leicht die Augen. Da tauschte man ja ein Elend gegen das nächste aus. “Na, dann hol ihn, während ich rauszufinden versuche, was der hier will.“


    Der Junge schritt gesittet von dannen, und der Iatros sah sich seinem Patienten gegenüber. Also versuchte er es nochmal. Ganz langsam diesmal. Untermalt von entsprechender Gestik. “Wo. Du. Krank?“



  • Als der Mann anstelle zu antworten sich zu einem seiner Leute umdrehte, und nach einer Tabula zum Austernschälen fragte, wurde Vala schon leicht mulmig zumute. Das Haus der Ärzte konnte dieser Zeit so ziemlich alles bedeuten, sowohl anständige Knochenbrecher als auch hinterhältige Muskelverdreher konnten sich hier eingenistet haben. Der hier gehörte offensichtlich zu einer neuen Spezies: den Experimentalmedizinern. Die Antwort des alliierten Knochenbrechers verstand Vala allerdings kein Stück, ganz im Gegenteil: der Mann nuschelte wie ein Weltmeister. Was der komische Kerl vor ihm dann allerdings sagte, den Sirius ihm tatsächlich als 'Arzt' verkaufen wollte, ließ Vala schlagartig kalkweiß werden (was bei der leichten Röte, die er immernoch vom Sonnebrand und seiner darauf folgenden körperlichen Epidermalerneuerung behalten hatte, eine echte Leistung war). Ein entgeisterter Blick wurde seinem Sklaven zugeworfen, der ihn jedoch mit stoischer Hilflosigkeit anglotzte, als wäre das alles seine alleinige Schuld!
    Bevor sich der Mann ihm wieder zuwandte, flüsterte Vala seinem Sklaven daher mit einem leichten Anflug von Panik in der Stimme zu: "Sirius! Wir müssen hier raus.. wir haben uns definitiv verlaufen. Ich meine.. man hat mir schon erzählt, was die Vorlieben der Griechen sind. Aber.. das ist ein MANN! Und ein Alter dazu! Und gewürfelte Aale? Ich will gar nicht wissen, was er damit vorhat."
    Nachdem Vala unweigerlich einen Schritt zurückwich, und sich unglücklich an einem entschuldigenden Lächeln versuchte unterstrich der Mann lauthals seine Forderung mit dem Zusatz von grüner Kinderkotze, was für Vala dann doch genug war: er trat die Flucht an.


    Sirius
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    Mit einem gebrochenen Bein zu fliehen war keine leichte Übung, besonders wenn einem der eigene Sklave im Weg stand.
    "Dominus! Lass mich das bitte regeln!", befahl dieser schließlich mehr als er bat, drehte seinen dämlichen Herrn um und trat schließlich vor den Arzt.
    "Chaire, hochgeschätztes Mitglied des sagenhaften Museion und weiser Obmann der Heilkunde. Mein Herr, Titus Vala von den Duccii, Berater des Basileos der Rhomaeer und damit auch der Völker Aegyptens und dieser Stadt, Tribun der ersten Legion während der großen Plage von Mantua und Gelehrter des römischen Rechts, des Marktes, der Stoa und der lustweiligen Zeiten erbittet in Anerkennung des alten und neuen Wissens der Gelehrten der Iasis deren Hilfe. Er hat sich während der Überfahrt von Roma nach Alexandria während eines Sturms das linke Bein verletzt, und auch wenn eine Iatre auf Kriti vorerst die Schmerzen lindern konnte, so braucht mein Herr doch einen der berühmtesten Kundigen des Reichs um sein Leiden zu heilen."
    Mit einer tiefen Verbeugung unterstrich Sirius noch einmal die Ehrerbietung, die er aufgrund der Sturheit seines Herrn so dick auftragen musste, dass sie sich an der Decke den Kopf stieß. Freilich war die Darstellung seines Herrn dezent übertrieben, allerdings musste er dafür Sorge tragen, dass man ihn überhaupt noch behandelte, und ihn nicht einfach wieder hinauswarf.

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    Gerade wollte der Iatros seine gestellte Frage schon selbst mit einem 'offensichtlich im Kopf' beantworten, als der Sklave dann doch das Wort für seinen verstört wirkenden Herrn ergriff. Im Grunde war es dem Iatros schon egal gewesen, ob der seltsame Besucher wieder gehen wollte, doch die Worte des zu vernünftiger Sprache fähigen Mannes – selbst wenn er nur ein Sklave war, wenigstens konnte er Griechisch und war kein rhomäischer Barbar! - besänftigten ihn dann doch. Berühmtester Heilkundiger des Reiches... sicher war es geschmeichelt, aber trotzdem ging es an dem alten Mann nicht spurlos vorbei. Seine Haltung wurde etwas stolzer und gerader, wodurch er zwar immernoch viel kleiner war als sein Patient, sich aber dennoch größer fühlte.
    “Na, warum sagt ihr das denn nicht gleich?“ meinte er aber dennoch mit leichtem Tadel, wenngleich Gestik und Mimik deutlich beschwichtigt aussahen. Zwar glaubte der Iatros nicht, dass der göttliche Basileus sich wirklich von Männern beraten ließ, die nicht einmal die einfachste Sprechweise einer zivilisierten Sprache beherrschten, und dass er Tribun während der Seuche war, von der sie hier in Alexandria nur Gerüchte mitbekommen hatten, hieß nichts anderes, als dass er dort war und überlebt hatte. Aber die Komplimente an seine Mit-Iatroi und ihn ließen ihn darüber sehr großzügig hinwegsehen.
    “Dann bitte ihn doch, sich hier auf den Tisch zu setzen und das Bein herzuzeigen, damit ich es mir einmal anschauen kann.“



  • Hungriger Krakenmist! Dreibeinige Dachbalken! Launische Staubwedel! Deklinierte Präpositionen!


    Wenn es jemals einen Moment gab, in dem Vala sich so richtig hilflos gefühlt hatte, war es dieser hier und jetzt. Sirius schob seinen Herrn sachte in Richtung der von dem alten Bubenliebhaber als zahnbewehrtes Fischentgrätungswachs beschriebenen Liege, und der Schmerz, der ihm bei jedem Schritt durch das Bein schoss wies ihn einmal mehr darauf hin, weshalb er eigentlich hier war.


    "Sirius.", zog der seinen Sklaven zu sich heran als er die Toga ablegte, "Wenn der Mann mich nur einmal falsch anrührt, lauf weg und hol die Vigiles... oder gleich die Palastwache!"


    "Dir wird nichts geschehen, Herr...", brummte Sirius nur unvernehmlich, immer mehr das Gefühl bekommend, dass sein Herr mit zunehmender Entfernung von seiner Heimat zunehmend dumm und barbarisch wurde, "..dieser Mann ist Arzt, er wird sich um dich kümmern."


    "Dein Wort in Apollos Ohr..", nörgelte Vala, als er schließlich das gebrochene Bein entblößte, damit der Jungenverschlingende Grieche sein Werk tun konnte. Mit kritischem Blick betrachtete er selbst sein immernoch leicht verfärbtes und geschwollenes Gehwerkzeug, an dem weiterhin die von der kretischen Heilkundigen festgezurrten Stöcke zur Richtung klemmten.

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    Na also, ging doch! Auch wenn der Bursche nervöser war als die gefangenen Tiere im Paneion in ihren Käfigen. Und er hatte in etwa denselben panisch-wilden Blick, als er sich gestützt von seinem Sklaven endlich auf den Tisch begab und sein Bein freimachte.
    Geduldig wartete der Iatros, bis der Mann soweit war, ehe er dazutrat und mit fachmännischem Blick das Bein begutachtete. Und auch sehr fachmännisch darüber die Stirn runzelte. “Gebrochen, hm?“ fragte er kurz den Sklaven, da der Patient für eine ordentliche Anamnese wohl nicht zu haben war. “Ich müsste das Bein abtasten, ob der Knochen gerade zusammenwächst. Das wird weh tun.“ Eigentlich erklärte der Iatros sowas seinem Patienten, und ließ ihn normalerweise sicherheitshalber dennoch von zwei Helfern festhalten. Hier aber würde sein Patient wohl kein Wort verstehen und nur wieder irgendwas von Katzenfellen und blauen Kieselhaufen faseln. Da erklärte er es lieber dem Sklaven, damit der es seinem Herrn übersetzte und dieser nicht anfing, die helfenden Akroatoi niederzuhauen, wenn diese versuchten, ihn für die Untersuchung festzuhalten.



  • Sirius
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    Gebrochen? Ja, das war wohl gebrochen... Sirius erinnerte sich zwar nur vage an das Geräusch, dass das Bein seines Herrn gemacht hatte, als es von Strick und Strang über Gebür belastet wurde, doch mit dem Geschrei seines Herrn auf Kreta verband er doch eine sehr frische und präsente Erinnerung. Ein Nicken also war es, welches der Frage des Iatros folgte.


    Welchem wiederrum ein sehr kritischer Blick folgte. Abtasten... Sirius machte sich keine Illusionen, das hatte er schon einmal probiert, und dabei im Affekt seines Herrn beinahe eine Tötungskanne an den Kopf bekommen.
    "Eh..", räusperte er sich, "...der Heiler möchte dein Bein abtasten, um festzustellen ob es schon richtig zusammenwächst.. also heilt."


    Der Blick, den Vala daraufhin erst ihm, und dann dem Knabenbesteiger zuwarf war alles andere als vertrauensvoll: "Aha. Wenn das hilft... sobald er meinen Gemmae Coronales zu nahe kommt, dreh ich ihm den Hals um."


    "Natürlich.", echote der Sklave, "Allerdings dürften deine... Gemmae... im Moment dein geringstes Problem sein... das wird weh tun."


    "Wie auch immer...", brummte Vala, dessen Verdrieslichkeit nicht bereit war auch nur einen Passus zu weichen, "..hauptsache, ich kann bald wieder laufen. Ich fühle mich wie ein Mann der zuviele Winter gesehen hat."


    Ein Seitenblick auf die bereits herbeigerufenen Helfer des Heilers ließ die Sorge das Sklaven noch wachsen: "Eh.. ich glaube, man wird dich festhalten."


    "WAS?", saß Vala sofort wieder aufrecht, und wandte sich so gut als möglich zu den beiden herbeischreitenden Kerlen zu, "Einer alleine reicht wohl nicht, was?"


    "Es wird wohl.. nun... sehr weh tun, Dominus.", versuchte Sirius noch einmal klarzumachen worum es hier eigentlich ging.


    "Und deshalb wollen die was? Mich festhalten? Ich glaub dem Mann kein Wort, Sirius...", jammerte sein Herr, dessen Geist seltsame Bilder von grünen Männchen und seltsamen, langen Apparaturen hervorrief, die auch zweitausend Jahre später nichts an fiktionaler Aktualität eingebüßt haben würden.


    "SEHR weh tun, Dominus."


    "Scheisse... lass sie einfach machen. Aber wehe wenn sie...", legte sich sein Herr mit viel Schrecken in den Augen zurück auf die Liege.


    "Ja, ja... die Gemmae, ich weiß...", wiegelte der Sklave ab, und wandte sich dann wieder an den Arzt, "Mein Herr ist bereit. Allerdings solltest du bitte davon absehen seinen Litoi Stephano zu nahe zu kommen... er ist da... nun ja... sehr empfindlich."
    Sprach's, und trat vorsichtshalber einen Schritt zurück.. man wusste ja nie, wie genau griechische Ärzte es mit den Klöten anderer Leute nahmen.

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    Einen Augenblick lang schaute der Arzt den Sklaven etwas konsterniert an, anschließend seinen Herrn, der gerade schon vorbereitend auf den Tisch niedergedrückt wurde. Ein breit gebauter Nubier stand dabei an seinem Kopfende und drückte ihm sehr bestimmt die Schultern nach unten, damit er sich nicht aufrichtete, während ein anderer, nicht minder kräftiger Mann sich das Bein ansah und dann nach einem Wink des Arztes hin ihn am Knöchel und Oberschenkel fixierte.
    “Dein Herr kann ganz beruhigt sein. Männer in dem Alter sind mir viel zu lästig. Können immer, wollen immer und lassen sich nichts sagen“, stellte er noch einmal etwas gereizt fest, ehe er sich nun dem Bein widmete.


    Den Knochen abzutasten ging nicht, ohne dem Patienten Schmerzen zuzufügen. Ein gebrochenes Bein tat weh, und da der Mann ohnehin schon Schmerzen hatte – andernfalls wäre er wohl kaum gekommen – wurde es hierdurch nicht besser. Mit kundigen Fingern fuhr er über das Bein, fuhr mit Druck über den Knochen, gerade so viel, um das Gebein zu spüren ohne zu riskieren, es erneut zu brechen. Allerdings zeugten die Verlautbarungen und Schreie seines Patienten davon, dass viel mehr Druck auch nicht möglich gewesen wäre. Der Iatros ignorierte alle Einwendungen seines Patienten, da er eben jene ohnehin auch dann nicht verstanden hätte, wenn sie nicht teils gebrüllt und von Schmerzlauten durchzogen wären.


    Als er schließlich fertig war, nickte er auch zufrieden und entfernte sich einige Schritte, ehe er seinen Helfern bedeutete, sie könnten den Mann wieder loslassen.
    “Sein Bein verheilt gut. Ich werde es neu und etwas härter schienen. Oh, und er soll das hier schlucken.“ Der Iatros gab Sirius eine kleine Kugel einer wächsernen Substanz in die Hand, kaum größer als ein Fingernagel.


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    ~~ Xenokles ~~
    Im Hintergrund kam nun auch der vorhin gesandte Akroates wieder zurück, Xenokles im Gepäck. Dieser hatte die Schreie schon von draußen gehört und wusste nur rudimentär, was hier los war. Er hatte nur gesagt bekommen, er sollte übersetzen. Etwas, das der junge Grieche ausgesprochen ungern tun wollte.
    “I...ii...Iatros? Iiii..iiich s..soll d-dir h-h-hel...fen?“ stotterte er eine Begrüßung zusammen und sah den alten Mann nur fragend an.


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    Der Iatros hatte den Burschen zunächst gar nicht bemerkt und wurde von dem Gestottere leicht überrascht. Er drehte sich zu dem Burschen um. “Ja, du solltest übersetzen. Aber ich brauch dich nicht mehr.“
    Xenokles nickte statt einer Antwort, worum der Iatros dankbar war, und drehte sich schon wieder um, als der alte Arzt es sich doch anders überlegte. “Halt, nein, bleib. Du kannst noch was lernen. Mach dich nützlich, das Bein muss neu geschient werden. Es ist gebrochen.“


    Xenokles nickte wieder und machte sich daran Schienen und Binden zu holen.



  • War er das gewesen?
    Ja, er hatte geschrien, die Tränen in seinen Augen und das Brennen in seiner Kehle sprachen eine eindeutige Sprache. Und in seinen Glieder... er hatte gar nicht mitbekommen, wie er gezuckt hatte. Und nicht nur gezuckt... sein Körper hatte sich reflexartig selbstständig gemacht als der alte Mann mit seinen Fingern bunte Sterne der Pein vor Valas Augen zauberte. Doch die Helfer hatten anscheinend Routine darin Männer in einer solchen Situation darnieder zu drücken, denn Vala vermochte es auch bei aller unkontrollierter Anstrengung nicht ihren Händen zu entweichen. Ganz im Gegenteil... je mehr er zappelte, desto härter wurde ihr Griff, bis sich zu dem unfassbaren Schmerz der blitzartig von seinem linken Bein aufwärts in den Körper wanderte auch noch die brennende Taubheit seiner nicht verletzten Glieder gesellte.


    "Du sollst dies schlucken, Dominus.", sprach Sirius mit einer für ihn sehr untypisch belegten Stimme, und deutete auf ein kleines Irgendwas auf seiner ausgestreckten Hand. Vala fand nicht einmal mehr die Kraft sich misstrauisch über den Inhalt dieser kleinen Kugel zu erkundigen, er warf sie sich einfach in den Rachen.


    Die seltsamen Worte des alten Mannes bekam er kaum mit, so sehr wanderte der Schmerz immernoch pulsierend durch das, was ihm an Körper gegeben war. Bis es schließlich aufhörte... nicht plötzlich, sondern in eben den Wellen in denen es gekommen war kroch es zurück. Wärme, die sich aus seinem Bauch heraus ausbreitete und so gut wie jedes Gefühl niedermachte, welches dumm genug war sich ihr in den Weg zu stellen. Dabei nicht brennend... sondern einfach nur warm... und unaufhaltsam.


    "Dominus?", kam schließlich die Stimme von Sirius, die schien als wäre sie weiter entfernt als seine Augen ihn glauben machten. Seine Ohren schienen ihren Dienst nicht mehr mit der gleichen Gewissenhaftigkeit zu vollführen wie er es gewohnt war... und irgendwann war auch seinen Augen die Arbeitsmotivation verlustig gegangen, denn jede Bewegung die er wahrnahm geschah, als wäre der Raum auf einmal mit Wasser gefüllt.
    Wasser. Gefüllt. Vala konnte nicht schwimmen! Er musste hier raus! Sofort!
    Dem Drang zur Flucht stand allerdings ein riesiger Berg im Wege, der von ehrfürchtig auf dem Boden liegenden Sinnen und Muskeln nur als 'Scheissegalus Mons' benannt wurde. So entschied Vala sich, die Flucht auf Morgen zu verschieben, denn seine Motivation hatte sich gerade in einen Dauerstreik begeben... was ihm auch vollkommen egal war. Eigentlich war ihm alles egal... Ja, vollkommen. Egal.


    Toll.

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    Es dauerte ein wenig, bis das Opium seine Wirkung im Körper entfaltete. Vermutlich wäre es schneller gegangen, hätte der Arzt es erhitzt und seinen Patienten den Dampf einatmen lassen. Allerdings war es bei solchen Patienten meist einfacher, ihnen eine kleine Pille zu geben und ein wenig zu warten, als ihren Kopf über einer dampfenden Schale festzuhalten, während sie sich panisch wehrten.
    Als der Blick des Mannes schließlich glasig wurde, schloss der Iatros mit einem “Ah, sehr schön“ seine Betrachtung ab und forderte den stotternden Gehilfen auf, ihm beim neu Verschienen des Beines behilflich zu sein.
    Auch jetzt noch schmerzte es den Patienten natürlich, allerdings waren seine Bewegungen weit träger und die Zuckungen der Muskeln in besagtem Bereich weit überschaubarer. Die alte Schiene mit dem alten Verband wurde entfernt und das Bein erst einmal gründlich mit Essigwasser gesäubert, um den alten Schweiß davon abzuwaschen. Erst nach dem anschließenden Abtrocknen wurde das Bein schließlich mit einer Salbe aus Linsenbrei, Fenchel, Zwiebel und Honig behandelt und neu in feste Bandagen gepackt, die mit hölzernen Stangen dergestalt verstärkt wurden, dass auch ein Auftreten mit dem Fuß theoretisch möglich wäre. Die nötige Seitenstabilität war in jedem Fall gegeben, und die Salbe sollte noch einiges an Schmerz und ungünstiger Galle aus dem Fuß ziehen.


    Als der Arzt schließlich fertig war, betrachtete er noch einmal skeptisch sein Werk und wandte sich anschließend an den Sklaven. “Er sollte sich an eine Diät halten, die viel Hülsenfrüchte enthält, um den zusammenwachsenden Knochen zu stärken. Der Verband sollte nach drei Tagen gewechselt werden, sonst kann es sein, dass er schimmelt. Er sollte möglichst nicht nass werden. Wenn dein Herr starke Schmerzen hat, kann er etwas Opium nehmen. Aber nicht das billige Zeug, dass die Syrer am Markt verkaufen. Er soll entweder zu Adelphos an der Agora gehen, oder hier am Museion etwas kaufen. Und wir bekommen zehn Drachmen.“



  • Der Schmerz kam angerollt wie ein Ochsengespann auf den abwegigen Straßen Roms: unaufhaltsam, gewaltig... und unendlich langsam.
    Normalerweise hätte Vala Zeit genug gehabt um bereits in einem anderen Stadtteil zu sein wenn dieses Ochsengespann die Stelle überrollte an der er eine Ewigkeit zuvor noch gestanden hatte, aber wenn der Ochsenwagen auf einer Straße fuhr, die schnurstracks überall dorthin führte, wo Vala sich zu verstecken versuchte, war selbst die Langsamkeit von erstaunlicher Schnelligkeit.
    So sehr Vala auch zuckte und jammerte, das Bein blieb dran, und damit der Schmerz auf der Überholspur. Ein ums andere Mal wurde er überrollt, und ein ums andere Mal musste er feststellen, dass auch er sich mit schneckenartiger Langsamkeit bewegte.. festhängend in einem dichten Nebel, aus dem die Fuhrwerke des Schmerzes auftauchten wie Riffe, die Schiffen nicht einmal die Möglichkeit gaben auszuweichen.
    Irgendwann gab er einfach auf... legte sich auf die Straße und ließ die Fuhrwerke einfach über sich drüberfahren, weil er zu tumbem Mus gefahren wurde, dem sowieso nichts schlimmeres mehr passieren konnte: "La, lala... lalalala.... la. La."


    Sirius
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    "Hülsenfrüchte? Ahja...", notierte Sirius sich auf einer stets griffbereiten Tabula, "..drei Tage... nicht nass. Schmerzen, Opium. Oh... Opium. Ja, ich denke es ist da wirklich eine gute Idee, nicht das billige Zeug zu nehmen... vielleicht etwas mehr, man weiß ja nie... Adelphos... oder Museion. Alles klar... zehn... Moment. Zehn Drachmen, das sind.. öh... dreissig Sesterzen? Hier.. sieben Denari und zwei Sesterzen... war das alles? Achja.. danke, ich wusste, dass man im Museion wie nirgends anders an von den besten Heilern der Welt behandelt wird."

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    Römische Münzen... Der Iatros nahm sie entgegen und gab sie gleich an Xenokles weiter. Sollte der sie bei einem der vielen Geldwechsler eintauschen, mit dem das Museion zwangsläufig viel zu tun hatte. Am Hafen gab es einige davon, und vor allem am Fremdenmarkt war ein Münzwirrwarr verschiedenster Prägungen vorzufinden aus aller Herren Länder, brachten die Seefahrer doch aus jedem angelaufenen Hafen wieder neue Münzen mit, die sie beim Würfeln gewannen oder sonstwie bekamen. Viele Händler wogen einfach das Material, um Vergleichswerte zu haben.
    “Wenn die Beschwerden nicht abklingen, soll dein Herr erneut kommen. Achja... und bring diesem Barbaren bei, vernünftig zu sprechen oder den Mund zu halten. Xenokles hilft dir, ihn hinaus zu bringen. Chairete.“



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    ~~ Xenokles ~~


    Und Xenokles kam auch schon herbei und half Sirius dabei, Vala wieder von der Liege zu bekommen, so dass dieser gehen konnte. Immerhin wurde der Tisch ja gebraucht für die vielseitigen Forschungen hier, man konnte den Mann da nicht einfach liegen lassen, bis er wieder klar war.
    Als Vala schließlich stand, entschuldigte sich Xenokles noch kurz mit einem gestotterten “Oh!“, als ihm etwas einfiel, und er bedeutete Sirius mit einer Geste, kurz zu warten. Hätte er er gesagt, hätte das wohl länger gedauert. In einem der Regale suchte der Akroates etwas bei den Tiegeln, die klirrend aneinanderstießen, während er sie beiseite schob. Nach ein paar Augenblicken kam er aber mit einem kleinen Töpfchen in der Hand triumphierend wieder zurück und hielt es Sirius hin.
    “D..da ii...i..ist Salbe. F..ff.fffür das B-bein. W-w..w...w...wwww....wenn es sch...schmm.. weh tut. Von einem ff..ff...früher... früheren I..i...Arzt. A-aber v-v-vorsicht. D-da drin ist Sch...Sch...Schhhh...“ Er strengte sich wirklich an, so sehr, dass sein Kopf sogar leicht rot wurde, als er versuchte, das Wort herauszupressen. Aber es wollte nicht und nicht, auch nicht, als er mit seiner Hand eine Geste, die das schwierige Wort ersetzen sollte. “Sch..sch..ssssccccchhhhhh....“ Xenokles stampfte schließlich einmal mit dem Fuß auf, woraufhin ein “Schlangengift“ wie aus der Ballista geschossen hervorbrach.



  • Sirius
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    "Ahja, ahso, natürlich, alles klar... ach, ja. Klar. Verstanden.", summierte Sirius die gesammelten Informationen, half schließlich seinem Herrn wieder auf die Beine und hörte sich mit geduldiger Miene das Gestammel des Xenokles an. Immer wieder wenn ein Wort abbrach ruckte sein Kopf unwillkürlich nach hinten, als würde er erwarten unter den Trümmern begraben zu werden, aber schließlich verstand auch er worauf der Junge hinauswollte.


    "Schlangengift? Interresant... hat das auch andere Wirkungen? Ach, egal, ich werde es ja sehen... eh... ich meine: er wird es ja sehen. Beziehungsweise fühlen, na klar... also dann, vielen Dank für die Hilfe, chaire!", sprach's, und machte sich mit seinem Herrn über der Schulter auf den Weg aus dem Museion hinaus..


    "Siriuuuuuuuuuuuuuuuuus...", stöhnte der mit unendlicher Langsamkeit, die ihm irgendwo leblos und hirnverzehrend vorkamen.


    "Japp, dominus?", ächzte der Sklave, denn sein Herr war nun nicht unbedingt ein Leichtgewicht, und er selbst nicht das was man einen Herkules nennen würde.


    "Iiiiiiiiiiich...habeeee geträäääumt.", stöhnte sein Herr, und wenn er so weitermachte, würde er mit dem Satz noch nicht fertig sein wenn sie das Händlerviertel erreicht hatten um zu erfahren wer als nächstes in Richtung Castellum fuhr.


    "Ach, was du nicht sagst... und was, wenn ich fragen darf?"


    "Ich haaaaatte eine Erscheinung... mir ist eineeee Kartoffel erschieneeeen."


    "Eine Kartoffel? Was soll das sein?"


    "Ich habe niiiiicht die geringste Aaaaahnung...", brummte Vala, "Sie war dick und braun und... hatte verdaaaaaammt viele Augen. Und sie besaß außergewöhnliche Stärke."


    "Klingt nach einer absonderlichen Gottheit... vielleicht eine der Aegypter? Ich hab mir sagen lassen, die beteten vor einiger Zeit auch noch Hunde und Katzen an."


    "Jaaaaaa, vielleicht. Ich war in ihrem Tempel.."


    "Oh, wirklich?", heuchelte Sirius recht genervt weiter Interesse an dem Trip seines Herrn, "Wie sah der denn aus?"


    "Wieeee... eine Küche.", stöhnte der Zombie.


    "Wie eine Küche?", ging Sirius dann doch etwas schrill die Frage über die Lippen, "Jetzt komm schon.. so schlimm kann der Stoff gar nicht gewesen sein. Das ist Schwachsinn!"


    "Japp.", brummte Vala in einem recht hellen Moment, "Ist es. Lass uns nach Hause gehen."

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