"Aus fixen Ideen entstehen die Verbrechen"
Die Stadt Rom war ein lärmender stinkender Moloch. An jenem Herbstabend, allerdings - die Luft war kühl, der Himmel klar, die Abendsonne sank in ein dämmriges Blau welches von helleren Wolkenschlieren durchzogen war - wirkte sie beschaulich, beinahe idyllisch. In Gedanken versunken ging der Germane, nachdem das Training in der Gladiatorenschule für heute beendet war, noch ein Stück am Tiber entlang, anstatt gleich in die Villa der Flavier zurückzukehren. Der große Strom rauschte, auf dem trüben Wasser schaukelten Abfälle vorüber, aber der heute nur etwas abgestandene Geruch des Wassers ließ sich kaum mit dem bestialischen Gestank vergleichen, den der Fluß in der Hitze des Hochsommers verströmt hatte.
Eine schwierige Frage war es, die der große Germane in seinem strohblonden Kopf hin- und herwälzte, nachdenklich furchte er die Stirn und grübelte im Gehen so angestrengt, dass er kaum merkte, wohin ihn seine Schritte trugen. Er brauchte Geld. Eine Morgengabe musste her. Wenigsten eine kleine. Es wäre ja schäbig, wenn er seiner Bridhta gar nichts schenken würde.
Aber woher nehmen und nicht stehlen? Zwar war er gut gekleidet - trug eine dunkle Tunika mit Mäandermuster am Saum, feste Stiefel, einen geprägten Ledergürtel und dazu passende breite Lederbänder, die seine muskulösen Arme umspannten - doch das war alles nicht seins. Nichts mehr gehörte ihm auf dieser Welt, nichts materielles jedenfalls. Seine Erscheinung war keineswegs die eines Sklaven, er wirkte eher wie ein wohlhabender Peregrinus, doch in dem Beutel an seinem Gürtel war keine einzige Sesterze, kein müdes As zu finden.
Seine Schritte hatten ihn bis zum Forum Boarium getragen. Die meisten Händler dort packten schon zusammen. Käfige mit Federvieh wurden davongetragen, Schweine grunzen in ihrem Pferch, und ein alter Mann zog einen störrischen Ziegenbock quer über den Platz hinter sich her. Am Rande des Platzes war ein kleiner Stand, wo ein vollbusiges Weib hübschen Krimskrams, Kerzen und etwas Schmuck feilbot. Eine Kette mit glänzenden Perlmuttmuscheln und Korallen fiel ihm auf, als er da vorbeiging. Muscheln! Wie am Strand. Die würde gut zu Bridhta passen. Sie kam doch vom Meer. Er erkundigte sich mal nach dem Preis - vierzig Sesterzen. Sie hätte auch vier oder vierhundert kosten können, es hätte keinen Unterschied gemacht.
Ärgerlich, dass er seiner Freundin so gar nichts bieten konnte, setzte sich der Germane auf eine der Stufen vor dem Portunus-Tempel am Rande des Forums. Einige Leute hatten sich dort schon niedergelassen, denn es war ein guter Ort, um zu betrachten, wie die Sonne nun langsam im Westen hinter den Dächern von TransTiberim versank. Der Horizont färbte sich rot, und auch über die bleigraue Oberfläche des Tibers zog sich ein feuriger Schein.
Der Germane zog ein Bein an, stützte den Kopf in die Hand, und wandte nachdenklich den Blick, hinauf zu den Hängen des Aventin. Er hatte im Ludus mal die anderen gefragt, ob sie wüssten, wo man sich so auf die Schnelle was dazuverdienen könnte, und unter der Hand den Tipp bekommen, es mal da oben zu versuchen. Da gab es so eine Kneipe, hatte Lanius gemeint, und ihm beschrieben, deren Wirt den ein oder anderen lukrativen Auftrag verteilte an Leute die keine Fragen stellten. "Nasse Sachen halt.", hatte Lanius noch gesagt.
Ob er da einfach mal vorbeigehen sollte? Allerdings wäre Aquilius bestimmt gar nicht begeistert, wenn er erführe dass sein Leibwächter nebenher "nasse Sachen" machte... Andererseits brauchte er wirklich Geld. Es war schon verzwickt.
Es war eine Angewohnheit, die er sich im Kerker zugezogen hatte, manchmal laut mit sich selbst zu reden, und ohne es zu merken, sprach der Germane auch jetzt seine Gedanken laut aus, als er sich, tief ins Grübeln versunken, die Frage aller Fragen stellte:
"Wie in aller Welt kommt man in dieser verdammten Stadt am besten an Geld....?!"
wer möchte?