Eines der Nebengebäude | Das Gästezimmer von Diagoras von Melos


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    Die Räumlichkeit liegt in einem der Nebengebäude des Museion und im ersten Stockwerk über den Schlafsälen einiger der Studenten. Ein bescheidenes Gästezimmer stellt die Räumlichkeit dar. Sauber, ordentlich und frei von offensichtlichen Ungeziefer ist es dennoch. Ein Bett, ein Tisch, eine Waschschüssel und eine Truhe besitzt das Zimmer. Zudem sogar noch zwei Schemel als Sitzgelegenheiten und einen anständigen Stuhl. In diesem Gästezimmern, die es doch zahlreich in der Art am Museion gibt, werden Gelehrte aus anderen hellenischen Städten untergebracht und ihnen die Gastfreundschaft des Museion gewährt.

  • Als Diagoras des abends zum Museion zurückkehrte, um nochmals aus einer Rolle einige Passagen zu kopieren, wartete am Empfang ein junger Mann auf ihn, der sich als Dienstmann der Verwaltung vorstellte und ihm ein Zimmer innerhalb des Museions offierierte. Es seien nur einfache Räumlichkeiten, aber sauber, ordentlich und dennoch frei von offensichtlichem Ungeziefer. Da der Stadtpark zwar ebenfalls sauber und ordentlich war, dennoch voll von offensichtlichem Ungeziefer, schaltete Diagoras sein Gehirn erst garnicht ein und ließ sein Mundwerk gleich eifrige Zustimmung artikulieren.


    Im Zimmer angekommen, das tatsächlich frei von offensichtlichem Ungeziefer war (wie sich herausstellte, waren jedoch einige reizende Käferarten schon Hauptmieter, aber wer will angesichts schillernder Rückenpanzer von "Ungeziefer" reden?), räumte Diagoras seine Tasche aus, war einige Apfelgriepsche kurzerhand aus dem offenen Fenster und warf sich mit lustvollem Stöhnen auf seine Kline. 'Autsch' rief er und fluchte ein wenig im ionischen Dialekt, das Zimmer war auch frei von offensichtlich weichen Liegen. 'Fehlt nur noch die schwarze Suppe und schon fühle ich mich wie in Sparta' dachte er ärgerlich. Wenn ihm etwas auf die Sandalen ging, dann mangelnder Komfort und ein hartes Bett. Er zählte bis Enneakaideka und schloß die Augen ...

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    ~ Konstantin von Hammonia, genannt Costa ~


    Costa, der persönliche Lieblingsschüler und Gehilfe des Theodorus, klopft an die Türe von Diagoras Zimmer - zu seinem Ärger, denn eigentlich hatte er schon frei und wollte sich jetzt im Moment mit der kilikischen Schönheit aus dem Philosophiekurs treffen...


    "Chaire? Is wer da?"





    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Beinahe wäre Diagoras endgültig weggedudelt, als es klopfte und eine Stimme irgendwas draußen rief. -.^ Er wälzte sich aus dem Bett, grapschte nach einer Ölfunzel, die natürlich nicht mehr brannte und tappte im Dunkeln zur Tür:


    Ich habe bislang drei verschiedene Arten von Chrysochroa corbetti in meinem Bett ausgemacht, wir sind hier also mindestens zu viert. Wahrscheinlich aber willst Du zu mir, oder irre ich mich? Was kann ich für Dich tun?


    Diagoras blinzelte und sah sich einem Mann gegenüber, der bei "Achaia sucht den Superkitharoden" sicherlich reihenweise Männer- und Mädchenherzen gebrochen und den 1. Platz ohne Gefangene zu machen erobert hätte. Ob er für seinen jüngeren Bruder vorsorglich um ein Autogrammaton bitten solle?

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    ~ Konstantin von Hammonia, genannt Costa ~


    Der Costa schaut ganz schief auf den Bewohzner des Zimmers. Komischer Kauz, und den will Theodorus unbedingt einladen. Und sonderlich attraktiv ist er auch nicht, aber was solls, bringen wir es möglichst schnell hinter uns.


    "Der Epistates lässt ausrichten, dass du morgen als Beisitzer zur Synode eingeladen bist. Komme des Morgens in die Haupthalle."


    sprachs und wandte sich zum Gehen...





    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

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    ~ Konstantin von Hammonia, genannt Costa ~


    Deine Mutter sitzt bei... denkt sich Costa und würde dem Klugscheißer am liebsten einfach gleich eine reinwürgen für die blöde Frage, aber da er weiß, dass das das Ende seiner Karriere sein könnte, lässt er es bleiben und antwortet mit gelangweilter, verständnisloser und auch verächtlicher Mine: "Ich glaub, du sollst im Sinne deiner Akademie beratend zur Seite stehen."

    gelehrter aus alexandria- gebildet, intellektuell, tolpatschig und zerstreut

  • Danke für Deine ausführlichen und detailreichen Auskünfte; schön, daß wir so nett geplaudert haben - das sollten wir alsbald vertriefen, wie wär's an den nächsten Kalendas Graecas?


    Diagoras wartete erst keine Antwort von diesem von den Göttern offensichtlich sehr einseitig Begabten ab, schloß die Tür und legte sich wieder hin.


    Also hatte dieser wer-auch-immer-er-war keinerlei Ahnung - wahrscheinlich von überhaupt nichts. Ein Glücklicher, der sich niemals wird quälen müssen ... mit einem sanften Lächeln und in Gedanken an seinen Bruder, schlief Diagoras ein.


    Ein Exemplar einer der drei verschiedene Arten von Chrysochroa corbetti, ein Weibchen, kroch Diagoras über das linke Schlüsselbein auf seine Schulter und wachte dort aufmerksam über seinen Schlaf. Oder auch nicht, Menschen vermenschlichen ja alles, selbst ein weibliches Exemplar von Chrysochroa corbetti, wozu es eigentlich niemals jemanden einladen würde.

  • Am nächsten morgen wachte Diagoras auf, weil ihn irgendwas in den Hals gebissen hatte. Eines der Exemplare der nicht-offensichtlichen Ungeziefer - offensichtlich. Diagoras wälzte sich zum Fenster, durch das die eiskalte, nebelige Morgendämmerung ins Zummer waberte und zerdrückte dabei jenes vorgenannte weibliche Exemplar von Chrysochroa corbetti, das sich auf seiner Schulter bequem gemacht hatte, soweit man auf einer Schultes es sich als Käfer bequem machen konnte. Sie war nicht die letzte ihrer Art.


    Nach einer kurzen Morgenwäsche - den Krug mit frischem Wasser hatte ein Dienstbote vor der Zimmertür deponiert - verließ Diagoras das Zimmer, um seine Tagesration an Obst auf dem Markt zu besorgen ...

  • Erschöpft und mutlos kehrte Diagoras nach dem Gespräch mit Theodoros in sein Zimmer zurück. Ein Käfer saß auf dem Kopfkissen seiner Liegestatt und begrüßte ihn freundlich, jedenfalls interpretierte Diagoras das Schwenken eines Fühlers derartig. Er hatte Zuspruch nötig, denn er fühlte sich mehr denn je in der Fremde. Man sprach griechisch miteinander, aber man verstand einander nicht. Griechische Institutionen, aber kein griechischer Geist. Ein Abziehbild irgendeiner römischen Provinzstadt, irgendeiner Kolonie, aber nicht das Zentrum der intellektuellen hellenischen und der jüdischen Welt.


    Diagoras war noch nicht alt genug, um die Leere in seinem Inneren, die Verzweiflung über diese scheinbar vertraute aber so fremde Welt zu verstehen. Stattdessen nahm er den Apfel von seinem Tisch und war ihn mit vor Wut tränenden Augen mit aller Kraft an die Wand. Es blieb ein feuchter Abdruck auf dem Verputz zurück, als die von Aufprall zerborstene Frucht zu Boden fiel.


    Es war der letzte Apfel, den er besaß.

  • Ein Gespenst ging um in Alexandria - das Gespenst des Diagoras von Melos. Keine Mächte des alten Alexandria hatten sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Gespenst verbündet, der Präfekt und der Strategos, Theodoros und Cleonymos, hellenistische Radikale und römische Milizen.


    Nichts. Niemand.


    Was allerdings dem Umstand geschuldet ist, daß von des Diagoras Ankunft auch niemand Kenntnis erlangte. Keine erkannte ihn, bis auf den treuen Hund Argos auf dem Miste, verwahrlost und voll von Ungeziefer: sogleich erkannte das treue Tier den Philosophen und kam schwanzwedelnd und humpelnd auf ihn zu, in Erwartung eines Apfels, den ihm Diagoras, der ein weiches Herz allen Kreaturen gegenüber besaß, nicht verwehrte.


    Auch der Pförtner am Eingang des Museions blinzelte weniger verschlafen, als er den Schatten des Diagoras an seiner Loge vorbeischlurfen sah. Aber ihn zu grüßen hätte weitreichende und ernste Folgen für seine Stellung am Museion gehabt. Wo käme man hin, wenn ein Beamter auf Lebenszeit einen stellungslosen Philosophen grüßt, der höchstens auf Zeit eine Anstellung würde sein eigenen nennen können?


    Diagoras betrat seine alte Kammer, setzte seine Reisetasche ab, und sich selbst auf einen der Stühle, die im Raum herumstanden. Auf dem Kopfkissen turtelten Philemon und Baucis, zwei Chrysochroae corbetti, die ihn auch nicht erkannten, denn schamlos wie sie waren, unterbrachen sie ihr Petting nicht.


    Unser Bettel-Philosoph seufzte und biß in eine Quitte. Bah! Diagoras spuckte den Bissen auf den Boden. Dann überwand er sich und schlug nochmals in die Frucht. Strafe muß sein, er hatte sich geschworen, alle hundert Äpfel eine Quitte zu essen. Die Predigten seines Freundes Lukian von Samosata hatten eine gewisse Wirkung auf sein schlechtes Gewissen gehabt.


    Nichts hatte sich hier in dieser Kammer verändert. Und in Alexandria? Waren immernoch die Barbaren im Amt? Was kümmerte es ihn noch? "Politik ist ein shcmutziges Geschäft geworden, wer darin mitmischt, wird selber schmutzig" hatte ihn Lukian gewarnt. Also - keine Politik mehr. Late biosas. Diagoras laß unter dem Einfluß seines Freundes die Schriften Epikurs und dessen Schüler.


    Geld hatte er noch, aber es würde unweigerlich weniger werden. Guter Lukian. Wi grün sie sich immer waren, sie kamen stets prächtig miteinander aus!

  • Diagoras fuhr auf. Speichel hatte sich von seiner Unterlippe über das Kinn vorgearbeitet und seilte sich schon seit einiger Zeit kontinuierlich auf seine Brust ab, wo sich schon eine große Menge um den Faden herum auf dem Stoff ausgebreitet hatte. Wo war er? Wie war er hierher gekommen? Wie spät war es? War die Sonne am Aufgehen oder grade am Untergehen?


    Ächzend und an dem feuchten Fleck rubbelnd erhob sich Diagoras von seinem Stuhl, auf den er sich - gestern? eben? - niedergelassen hatte und streckte den Kopf zum Fenster hinaus: Vormittag, so verhieß der Sonnenstand. Hatte er doch einen vollen Tag und eine volle Nacht verschlafen! Ganz auf dem Damm war er offensichtlich immernoch nicht, er hob die angebissene Quitte vom Boden auf.


    Und jetzt? Na? Hunger verspürte Diagoras nicht, nichteinmal Durst, aber die Stille in seiner Kammer bedrängte ihn mehr und mehr. Nicht einmal irgendwelche Hunde kläfften in der Ferne. Schweigende Leere rundum.


    Damit er wußte, daß er nicht träumte, ging er aus dem Zimmer, warf krachend die Tür hinter sich zu - der Lärm war nicht zu überhören - und horchte. Nichts. Kein Fußgetrappel, kein Flüstern. Klare Stille.


    Einen ephesischen Gassenhauer aus seiner Jugendzeit pfeifend versuchte er die Beklemmung und die Stille zu vertreiben. Er ging den Gang entlang.

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