Vom Himmel steige, Herrin Kalliope,
herab, heb an zur Flöte ein langes Lied,
auch – wünschst du's – nur mit heller Stimme
oder zum Klange vom Phoebus' Leier!
Da! Hört ihr's? Oder täuscht mich ein holder Wahn?
Mir ist, als hört ich Klänge, als schweift ich selbst durch heil'gen Hain, wo sanft die Quellen
rauschen und linde die Lüfte wehen.
- Der Musen Macht, Horaz
Euphonisch ist der Klang des Wassers. Lauter und rein das ungetrübte Plätschern des süßen Nass'. Aus einer Amphore aus Stein ergießt es sich. Gehalten von einer Nymphe. Aus Marmor. In einen Moos grünen See fließt das Wasser. Goldenen Sonnen similär. Erstrahlen die Seerosen. Umkränzt von zarter Morgenröte in der Form ihrer Blust. Rosa Blüten um goldene Dolden. Sie schweben ätherisch auf dem grünen Spiegel. Oleanderblüten malen sich auf der Oberfläche ab. Sachte wiegen sich die Zweige der Pflanze im Wind. Tanzen. Spielen. Frohlocken an diesem schönen Tag im Herbst. Den Nämlichen die Sonne den Menschen von Rom schenkt. Und Freude in die Herzen pflanzt. Sofern man die Muse hat. Die kostbare Zeit des Tages mit Frohsinn und Dolcefarniente zu begehen.
Die Menschen in diesem Garten vermögen es. Poppaea Sorana hat geladen. Die Gäste strömen in den Garten ihres prachtvollen Anwesens. Ein Fest der Poppaea Sorana verpasst man nicht. Ausgewählt sind die wenigen Gäste. Die sie an solchen Tagen zu sich holt. Erlesen vom Geschmack. Erhaben in der Wortwahl. Nobel. Edelmütig. Geistreich. Mit Witz. Oder burlesk. Eines oder alles müssen die Gäste offerieren. Um von Poppaea Sorana geladen zu werden. Eine Einladung mit goldenen Lettern zu erhalten. Eine Nämliche schlägt man nicht aus. Es sei denn, man will Poppaea Sorana als Feindin haben. Zeit und Muse hat die Frau. Um ihren Feinden das Leben schwer zu machen. Das Geld ebenso. Eine reiche Eques ist sie. Mit jenem Vermögen weiß sie indes die Künste zu unterstützen. Oder ihre Freunde zu verwöhnen. Mal mit einem Fest in ihrem Garten. Aber auch anderen Vergnüglichkeiten. Manche davon scheuen das Tageslicht. Und suchen die Nacht.
Nur der Genannte ist geladen. Kein Eheweib. Noch Gatte. Weder Bruder. Oder Vater. Keine Mutter. Auch nicht die Schwester. Genauso wenig die Geliebte. All jene sind nicht erwünscht. Auf diesem Fest. Nur der Geladene.
Drei Tage Euphorie. Geschwelgt hat Callista. In dem Wissen zu diesem Fest eingeladen zu sein. Fortuna hat Callista geholfen. In der Werkstatt des Boethos von Athen ist sie auf Poppaea Sorana getroffen. Beiläufig haben sich die beiden Frauen unterhalten. Über Kunst. Über Schönheit. Die Perfektion in Stein gemeiselt. Die Natur bringt dies selten so vollkommen hervor. Wie die Hand des Menschen. Eine Stunde später erhällt Callista einen Brief. Mit goldenen Buchstaben. Erst da erfährt sie. Wen sie in dem Atelier des Künstlers getroffen hat.
Geschmückt. Gesalbt. Wohlriechend. Adrett. Strahlend. Callista hat sich heraus geputzt für das Fest. Blauer Stoff umfließt ihren Körper. Als ob eine Nymphe aus dem Wasser entsteigt. Silbern der Schmuck. Aus etruskischer Hand geschaffen. Strahlend die Saphire. An ihren Ohrringen und den feinen Ringen ihrer beiden Händen. Elfenbein das Schuhwerk. In seiner Farbe. Aber ohne einen Halbmond. Heute möchte Callista nicht in ihrer Abstammung sogleich erkannt werden. Das Ritual findet erneut statt. Bevor sie zu dem Fest erscheint.
"Bin ich schön?"
Benohé lächelt still in sich hinein. Erwartet ihre Herrin eine andere Antwort?
"Bezaubernd, Herrin. Wie immer."
Zufrieden ist Callista. Das Fest ist gerettet.
Harfenseiten erzittern. Unter den Fingern einer Sklavin. Melismisch schwingt die Melodie im Garten. Betörend ist das Weben mit den Tönen der Syrinx. Zudem der Stimme eines Knaben. Rein und vollkommen. Schön ist das Antlitz des Jünglings. Ebenmässig seine Züge. Seine vollen Lippen. Die schwarzen Locken. Die sich über seinen weißen Oberkörper ergießen. Andächtig sein Ausdruck. Versunken singt er. Ohne die Gäste zu bemerken. Einem jungen Gott gleicht er mit seiner Erscheinung.
Gelächter übertönt immer wieder den Gesang. Es stört den Sänger nicht.
"Eine Parodie auf ihre Familie? Im eigenen Haus. Äußerst peinlich. Man konnte wirklich alle wieder erkennen?"
Eine Frau mit einer roten Perücke lacht entzückt auf.
"Stehen nicht bald die Wahlen an?"
Eine dünne Stimme wirft es in die Runde.
"Keine Politik, Mamilius. Deine schönen Lippen sollten uns ergötzen. Nicht langweilen."
Amüsiert ist das Funkeln in den Augen der Sorana. Türkisgrün leuchten sie. Die goldroten Locken türmen sich auf ihrem Haupte. Selbstsicher ist ihr Gehabe. Speisen werden heran getragen. Der See funkelt zu ihren Füßen. Edle Klinen bieten ihnen ein Lager.
Verträumt liegt Callista auf einer großen Kline. Nicht alleine liegt sie. Zu zweit oder zu dritt liegen die Gäste auf den Klinen. Im Halbkreis vor dem See. Zu dessem Ufer sich die Musiker wiegen. Neben den Zweigen von weißen Rosen und purpurnen Oleander. In der Mitte des Sees ragt eine Insel empor. Mit einer lauschigen Laube. Ein vergoldetes Boot wartet am Ufer. Callista träumt sich auf dieses Boot. Fern trägt es sie. Zu einer entrückten Insel. Die Gespräche entgehen ihr.
"Was meinst Du, Callista?"
Entrissen wird Callista. Ihren Träumen. Sie hebt ihre dunklen Wimpern. Richtet sie auf die schöne Poppaea. Die schon zehn Jahre älter als Callista ist.
"Liebend gerne."
Was auch immer sie gefragt wird. Callista ahnt es nur. Sie hat mit halben Ohr zugehört. Poppaea lächelt erfreut.
"So sind schon die Meisten für das Spiel. Faun und Nymphe."
Erwartungsvoll sieht Sorana zu den Mann an der Seite von Callista.
"Stimmst Du dem Vorschlag auch zu?"
Und eben jener wird schon erwartet. Reserviert.