Bleiern hingen silbergraue Wolken am Himmel, verdeckten die strahlende Sonne, die sich nur selten durch Wolkenlücken hindurch wagte und ihre Strahlen auf die Erde sandte. Gelbes Laub lag auf dem Rasen des Hortus, einige Regentropfen schillerten auf der Bank und einer Mädchenstatue. Hannibal ging vor der Statue auf und ab, hatte die Arme hinter dem Rücken verschränkt und starrte auf das gelbe Blattwerk, ohne sie wirklich zu sehen, die Blätter. Stattdessen arbeiteten seine Gedanken bis er die leisen Schritte hinter sich vernahm. Dido blieb einige Schritte entfernt, stumm, mit verschlossener Miene und brav gefalteten Händen. Hannibal wandte sich zu ihr um, seine Augen ruhten auf dem kindlichen Gesicht des Mädchens und er musterte sie aufmerksam, suchte nach Zeichen in ihrem Gesicht, in ihren Augen und ihrer Erscheinung. Grünblaue Augen erwidern den Blick, ernst und ohne sonderlich große Sympathie, denn Hannibal und das Mädchen hatten doch nicht viel miteinander zu tun. Das einzige Ereignis, was sie beide verband und ihr Schicksal mit einem unsichtbaren Faden verwob, lag neun Jahre zurück und hatte Hannibal nicht viel Zeit gekostet, aber auch kein sonderliches Vergnügen. Hannibal seufzte still in sich hinein, manchmal wünschte er sich, es wäre alles anders und er hätte die Wahl, das Mädchen als seine Tochter zu behandeln, eine Familie zu haben, normal zu leben als freier Mensch und nicht als Sklave. Die Parzen hatten es jedoch anders bestimmt und Hannibal fügte sich, tat es schon über dreißig Jahre, wenn es ihm in den letzten Jahren immer schwerer fiel, denn mittlerweile hatte er erkannt: Sein Herr wird ihn niemals frei lassen.
„Dienst Du Deinem Herrn gut?“ Hannibal ärgerte sich selber. Warum fragte er nicht das, was er wirklich wissen wollte? Ob es Dido gut ging, ob sie glücklich war, zufrieden zumindest, ob Serenus sie gut behandelte. Doch das blieb alles unausgesprochen. „Ja!“ Einsilbig war die Antwort von Dido, Hannibal schwieg eine Weile, beide sahen sich an. Hannibal war etwas verlegen, was er mit dem Mädchen sprechen sollte und Dido, weil es ihr gleichgültig war und sie gar nicht mit Hannibal sprechen mochte. „Wo ist Dein Herr?“ Dido deutete mit der Hand auf das Ende des Gartens. „Dort hinten. Bei einem Sklaven, der seinen Rennwagen richten soll. Die Achse ist gebrochen, aber in zwei Tagen steht das Rennen gegen Cornelius an.“ Hannibal nickte andeutungsweise. „Gehe ins Haus!“ Hannibal ging an ihr vorbei. Er beachtete das Mädchen nicht länger, mit ihr würde er sich an einem anderen Tag genauer beschäftigen und es ihr auch sagen, was es mit ihm und ihr auf sich hatte. Dabei wusste Dido es schon lange. Sie sah ihrem Vater hinter her, verengte die Augen und spuckte verächtlich auf den Boden. Sciurus war ihr Vorbild und Dido wusste, dass Hannibal und Sciurus sich hassten, doch war ihre Loyalität nicht auf der Seite ihres Erzeugers.
Schnell machte Hannibal den breitschultrigen Sklaven aus, der sich über den kleinen Ziegenwagen beugte und an dem Rad herum schraubte, um die Achse zu lösen. „Ein Tag, Dominus! Dann hab ich es repariert.“ Hannibal trat an Serenus heran. „Dominus!“ Freundlich, fast väterlich war der Ausdruck von Hannibal und er lächelte den jungen Sohn seines Herrn an. „Hättest Du einen Moment? Ich muss mit Dir sprechen! Unter vier Augen!“