Nach Wochen der Grübeleien und tagelangem Hin- und Herüberlegen fühlte ich mich seit meinem Besuch bei der Eheregistratur wiederausgeglichener und in nicht geringem Maße frei. Ich lag träge auf einer rotbespannten Liege und starrte Löcher in das adedis. Ein kristallener Weinkelch mit tiefroter Flüssigkeit beschäftigte schwenkenderweise meine rechte Hand, während ich resümierte. Meine Entscheidung war eine gute gewesen, rein egoistisch gesehen tat sie mir nach anfänglichem (und zugegebenermaßen auch fortwährendem, wenn auch geringerem) Schmerz doch gut. Dass Deandra sich vor den Kopf gestoßen, ausgenutzt, hintergangen, ausgegrenzt oder wie auch immer fühlen musste, war mir zwar bewusst, doch ich verdrängte es schlicht zu meinem eigenen Wohle. Keine gerechte Lösung, aber eine für mich akzeptable, und ich hielt es zudem für besser, wenn wir uns nicht sahen, auch nicht befreundet, sofern das überhaupt noch möglich war nach dem Vertrauensbruch, den sie begangen hatte, und dem anschließenden scheinbaren Desinteresse. Seitdem nun aber das Verlöbnis ausgetragen und ich in gewissem Maße wieder gänzlich – und auch gedanklich - frei war in meinem Tun, gestand ich mir ein, dass mir während der vergangenen zwei Jahre etwas gefehlt hatte und ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal annähernd nachvollziehen konnte, warum genau ich mir diese Bürde der Entsagung hatte aufgezwängt. Oder aufzwängen lassen? Es war auch vollkommen unerheblich. So erleichternd war es, dem allzu menschlichen Drang nach Freiheit und der Leichtigkeit des Seins wieder nachzugeben, so befreiend...
Mein Haar klebte nass vom Schweiß an meinem Kopf, und doch hatte eine Gänsehaut meinen Körper überzogen. Das Raubtier, welches so lange in meinem Innersten geschlummert hatte, war entfesselt worden. Gleich zwei Opfer hatte es sich auserkoren, gelenkt von einer unstillbar anmutenden Gier nach dem, was ihm so lange versagt geblieben war. Katzenhafte Bewegungen und entzückte Laute waren die Reaktion auf forsches Vorgehen, ungestüme Spielereien und raue Worte, die meiner Kehle entwichen. Solches Verlangen nach Erlösung hatte ich so lange nicht mehr verspürt. Markante Gesichtszüge mischten sich in den roten Taumel der Erregung, unwirkliche Bilder eines längst vergangenen Sommertages. Mit Feuchtigkeit benetzte Trauben und tropfender, blutroter Wein mengten sich bei und bahnten sich ihren Weg über wohlgeformte Haut. Glitzernder Freudentaumel ergriff mich, als...
„dominus?“ Ich war schlagartig dem Traum entglitten, suchte aber dennoch mit geschlossenen Lidern an ihm festzuhalten. Eine hand berührte mich zaghaft an der Schulter, ich ergriff sie und zog sie heran. Der Sklave stieß leise einen erschrockenen Laut aus und starrte mich an. Das sah ich, weil ich ihm nun mürrisch entgegenblickte. Ja, ich trug Caecus nach, dass er den Traum nicht hatte ausklingen lassen, ehe er mich behelligte. „Äh, ehm... Da ist ein Brief für dich gekommen. Äh, Herr“, informierte mich der halbseitig Blinde nun und hielt mir einen Papyrus entgegen. Missgestimmt entriss ich ihm das Dokument und schickte ihn mit einem Kopfnicken fort. Während Caecus, sichtlich froh darüber, den Raum verließ, brach ich das offiziell wirkende Siegel.
magister septemvirorum stand da. Nanu, was wollte denn der von mir? Hm, sicherlich hatte er geerbt. Allerdings hatte er mit mir damit wohl den falschen decemvir behelligt, denn der Name Opimius sagte mir nichts. ..beschlossen, Dich, Marcus Aurelius Corvinus, Sohn des Marcus Aurelius Antoninus, in die Reihen der Septemvires zu erheben... Ich stockte, blickte mich dann verstohlen um. Ein wirklich gelungener Scherz. Auch die Unterschrift sah recht authentisch aus. Ohne weiteres hätte ich Lupus diesen Scherz zugetraut, doch er als Kyniker hätte sich nicht einmal annähernd so gewandt ausdrücken können. Ob Cotta ihm geholfen hatte? Ich entschied, dass mein Vetter zwar den Scherzen nicht abgeneigt war, sich solch einen derben Spaß aber nicht erlauben würde. Das würde bedeuten... Erschrocken las ich den Brief ein zweites Mal. Ein drittes Mal verwundert. Ehe ich ihn das vierte Mal - und diesmal jubilierend – las, setzte ich mich auf. Ich und septemvir? In eines der bedeutendsten collegii Roms gewählt worden zu sein... Das hatte ich mit Sicherheit Aemilius Atimetus zu verdanken, denn außer ihm kannte ich keinen der Epulonen näher, sah man vom Austausch von Höflichkeitsfloskeln einmal ab. Ich erhob mich, den Brief in der Linken, und eilte aus dem Raum. Eine gute Neuigkeit war nur dann wirklich bedeutend, wenn man sie mit anderen teilen konnte, und genau das hatte ich vor. Corvinus als septemvir! Nicht einmal in meinen wahnwitzigsten Träumen hätte ich gedacht, dass ich in den Genuss einer solchen Ehre kommen würde.