Am heutigen Tag standen die Vorstellungen der Kandidaten zum Cursus Honorum an. Seppius Septimus, der Consul, sah auf die Liste und las den nächsten Namen vor.
"Caius Flavius Aquilius kandidiert zum Vigintivir. Er möge vortreten."
Am heutigen Tag standen die Vorstellungen der Kandidaten zum Cursus Honorum an. Seppius Septimus, der Consul, sah auf die Liste und las den nächsten Namen vor.
"Caius Flavius Aquilius kandidiert zum Vigintivir. Er möge vortreten."
Es war das erste Mal, dass ich den Senat von innen sah, mit eigenen Augen konnte ich die Ränge betrachten, auf denen ältere und jüngere Männer saßen, in der traditionellen Kleidung jener herausragenden Diener des Volkes unseres Imperiums. Oft hatte ich mich in meiner Phantasie hierher begeben, auf den literarischen Spuren des unsterblichen Tullius Cicero wandelnd, eintauchend in die Schriften der Annalisten, welche sich getreulich bemühten, den Werdegang unserer Politik zu beschreiben, beginnend in der Zeit der Republik bis hin zum heutigen Tag. Wünschte sich nicht jeder römische Junge irgendwann einmal, hier zu stehen, vor den Augen jener, deren Entscheidungen das ganze Reich zu beeinflussen imstande waren? Im Grunde verirrten sich meine Gedanken vor allem aus einem Grund in solch weitschweifige Überlegungen - um der offensichtlichen Nervosität nicht zu viel Raum zuzubilligen, die mich fest im Griff hielt. Das war etwas ganz anderes als ein öffentliches Opfer, und wenn bei einem Opfer die Gefahr immer bestand, durch einen falschen Handgriff den Zorn der angerufenen Gottheit auf uns hernieder zu beschwören, so war doch eine Blamage mitten unter den patres conscripti ebensowenig erstrebenswert. Ein Tier zu töten konnte man üben, eine Rede hundertmal vorher aufsagen, damit man sie korrekt aussprechen konnte, ebenso - aber es änderte nichts an der Situation, vor der man dann stand: Viele neugierige Augen, von denen so manches Augenpaar vielleicht auch darauf hoffte, einen durch eine geschickt gestellte Frage in die Defensive zu zwingen.
Auf meine äußere Erscheinung hatte ich wie stets viel Wert gelegt - die toga candida war blütenweiß und von meinen Sklaven seit dem Einkauf ausgesprochen vorsichtig behandelt worden, damit sich darauf nicht ein Stäubchen würde finden lassen, die Falten waren straff und eher elegant als zu voluminös drapiert, mein Haar frisch geschnitten - kurz und gut, hätte irgendwann heute ein Statuenbildner eine Modellvorlage gesucht, wäre ich sicher nicht die schlechteste Wahl gewesen. Vorausgesetzt, der Statuenbildner hätte mein vages Zittern bereitwillig übersehen. Wenigstens das hatte sich inzwischen gelegt, und während ich auf die Aufforderung vortrat, in die Mitte des Runds, um von allen Anwesenden gut gesehen zu werden, atmete ich ein paar Mal tief durch. Im Grunde war es wirklich fast wie bei einem Opfer - mit dem Unterschied, dass ich die Stelle des Lamms einnahm, das zur sprichwörtlichen Schlachtbank geführt wurde, respektive, freiwillig hinging. Die Schultern straffend, hob ich zu sprechen an:
"Werte patres conscripti, ich trete als ein Mann vor euch, der zwar aus einer alten und angesehenen Familie stammt, und doch nicht mit den stolzen Ahnen aufwarten kann, die beispielsweise die Senatoren Flavius Felix oder Flavius Gracchus nennen könnten. Meinem Vater Aulus Flavius Atticus war leider eine politische Karriere nicht vergönnt, doch sorgte er für meine rhetorische Ausbildung, die ich in Athen, der Wiege der gepflegten Redekunst auch erhielt. Nach Beendigung meiner Studien wandte ich mich gen Rom, um als sacerdos dem Ruf des Mars zu folgen, dem ich bis zum heutigen Tage diente und weiter dienen werde. Einige der euren habe ich sehr wohl bei den Feiertagen erblickt, die wir gemeinsam begangen haben, um dem Geiste Roms und den Göttern zu dienen, und gemeinsam haben wir unseren Bund mit den Göttern wie jedes Jahr durch Opfer und Feste erneuert, wie es nicht nur unsere Pflicht, sondern unser Vorrecht als Römer ist.
Doch nicht nur Opfer und die Betreuung der Menschen, die jetzt in den Kriegszeiten die Hilfe des Mars in besonderer Weise suchen, waren hierbei meine Aufgaben als sacerdos publicus, sondern auch die Ausbildung junger discipuli, auf dass die Reihen des cultus deorum auch weiterhin mit Leben erfüllt bleiben. Vor kurzem erhielt ich die Ehre, als magister der salii palatini gewählt zu werden, ein Posten, den ich seitdem mit Stolz auf unsere ehrwürdigen Traditionen ausfüllen darf. Doch die größte Ehre wurde mir durch den Willen des Imperators selbst zuteil, indem er mich in den ordo senatorius erhob und mir diese Kandidatur ermöglichte, obwohl in meiner Ahnenreihe sich kein Mann derartig bisher ausgezeichnet hatte. Es ist mein Wunsch, einen Beitrag zum Fortkommen Roms zu leisten, den ich glaube erbringen zu können, und dieser Beitrag soll, wenn es eurem Willen entspricht, meine ganze Aufmerksamkeit erhalten, wie es für jedes Amt vonnöten ist."
Spätestens jetzt mochte wohl der ein oder andere gelangweilt dreinblicken, denn im Grunde waren wohl diese Vorstellungen der eigenen Wünsche und Herkunft bei fast jedem Kandidaten gleich und gleichsam anödend. Also beschloss ich, den Abschluss kurz zu halten und fügte nach einer Atempause ruhig geworden an:
"Würde diese Kandidatur allein nach meinem Willen verlaufen, würde ich mir das Amt eines tresvir capitalis zuordnen, da ich darin die größtmögliche Herausforderung und Möglichkeit sehe, meine bisherige Tätigkeit zu verfeinern und mein Wissen über die Vorgänge im Inneren des Imperiums zu erweitern. In keinem der anderen Ämter dürfte der Einblick in die kriminaltechnischen Belange Roms genauer möglich sein, von der iuristischen Grundlage an ausgehend bis hin zum tatsächlichen Kontakt mit den beschuldigten Personen. Dem Imperium zu dienen verstehe ich auch darin, einen Dienst zu leisten, der vielleicht nicht unbedingt bequem von einem Schreibtisch aus zu führen ist und von einem Mann eine hohe moralische Integrität verlangt, ebenso eine geschulte Menschenkenntnis. Doch da dies hier keine Wunschveranstaltung ist und die Entscheidung über meine spätere Tätigkeit in euren Händen liegt, will ich diesen Gedanken hiermit abschließen und euch Raum für eure Fragen geben."
Damit hob ich den Blick zu den Rängen und sah den Fragen, den Senatoren und schätzungsweise so einigen neugierigen Blicken entgegen.
Hungi war tatsächlich einer derjenigen, der etwas gelangweilt dreingeschaut hat bei der Rede des Kandidaten. Und auch hier wusste er nichts besseres gegen seine Langeweile als einen Kommentar anzubringen.
Ich bin versucht deinen Worten zu entnehmen, daß du eine etwas verklärte Einstellung zum Amt des Tresvirs innezuhaben scheinst. Eine ermittelnde Tätigkeit wird der Tresvir nämlich nur in den allerseltensten Fällen einnehmen können, das ist vor allem Sache der Stadteinheiten. Oder irre ich mich, was deine Vorstellung angeht?
Ich hob den Blick zu jenem Mann auf den Rängen, den ich alsbald auch als Senator Vinicius Hungaricus erkannte - jenen Mann, der auf der Feier der Meditrinalia ein so langes Gespräch mit Claudia Callista geführt und augenscheinlich durchaus Vergnügen dabei empfunden hatte. Die Frage allerdings enttäuschte mich etwas, nichtsdestotrotz gab ich ihm ruhig und gut vernehmlich Antwort.
"Senator Vinicius Hungaricus, mir ist sehr wohl bewusst, dass es nicht allzu häufig geschehen wird, auch eine ermittelnde Tätigkeit auszuführen - aber ich kann sie mir doch zumindest erhoffen, als einen weiteren der interessanten Aspekte an diesem Amt. Letztendlich wird wohl ein Hauptteil der Arbeit in der Aufsicht über die Gefangenen und die Vollstreckung von Urteilen bestehen, und den vielen anderen Dingen, die das Amt eines tresvir capitalis auszeichnen. Auch das meinte ich damit, eine nicht unbedingt bequeme Aufgabe auszuüben, die einen vom Schreibtisch wegführt - ich sehe in der Varianz der Kriminal- und Zivilrechtspflege die eigentliche Herausforderung, und in den immer neu auftretenden Entscheidungen, die zu fällen sein werden."
Ein klein wenig aufgeregt war auch Macer gewesen, als sein Klient zu seiner Vorstellung nach vorne gebeten wurde. Es war zwar lange nicht so aufregend, als wenn er selber kandidiert hätte, aber eine gewisse Anspannung war auch in diesem Fall vorhanden. Aber der Flavier machte seine Sache gut, fand Macer.
"Ich freue mich über diese Kandidatur und befürworte sie ausdrücklich", erhob er daher seine Stimme. "Soweit ich Flavius Aquilius bisher kennen lernen konnte, geht er seine Aufgaben sprgfältig, aber nicht zögerlich, und ehrlich, aber nicht rücksichtslos an. Ich bin überzeugt davon, dass er als Tresvir capitalis hervorragende Arbeit leisten wird, sei es nun in spannenden Ermittlungen oder der weniger spannenden alltäglichen Arbeit. In jedem Fall ist er ein Kandidat, um dessen Unterstützung ich aus voller Überzeugung bitten kann."
Durus hörte sich auch die Rede dieses jungen Mannes an. Wie er aus den Archiven der Pontifices wusste, hatte sich Aquilius tatsächlich sehr um den Cultus Deorum verdient gemacht, hatte nicht nur einmal Feiertage organisiert, Discipuli ausgebildet und ähnliches. Folglich blieb ihm nur ein
"Dem kann ich mich nur anschließen."
übrig, auch wenn es wohl für die meisten Senatoren nicht gerade ausschlaggebend war.
Wie zu Beginn der Debatte, ergriff Seppius Septimus, der Consul, auch zu deren Ende das Wort.
"Wir danken Caius Flavius Aquilius für seine Auskünfte. Die Befragung ist beendet."
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