area | Nächtliches Training auf dem Hof

  • Noch immer waren ihre Augen geweitet, das Erschrecken nicht gewichen, doch was war daran eigentlich so erschreckend? Dass es einem kleinen Teil von ihr gefallen hatte? Dass er sie einfach geküsst hatte, weil er es wohl gewollt hatte? Dass sie nicht sofort reagiert und ihn getötet hatte, wie sie es bis vor wenigen Monaten noch getan hätte? Wohin gehe ich, fragte sich Cadhla. Bin ich noch die, die ich war? Die Antwort darauf musste immer nein lauten. Und doch, er schien wenigstens einen gewissen Anstand zu besitzen - wie Corvinus, flüsterte die Stimme gnadenlos in ihrem Inneren - und entfernte sich von ihr, nachdem er bekommen hatte, was er wollte.
    "Man nicht macht Liebe bei Kampf," sagte sie unerwartet harsch, und jetzt endlich konnte sie wieder ihre Beherrschung zurück in ihr Gesicht zwingen, das den weichen Ausdruck verlor, auch wenn ihre Wangen noch immer von der zurückgebliebenen Erregung gerötet waren, leicht zu entdecken auf der blassen Haut.


    "Entweder Du kämpfen, oder Du machen Liebe, aber nicht beides. Ich hier um Dich lehren kämpfen, nicht Liebe." Seine Worte über ihre angebliche Schönheit überhörte sie gekonnt, denn das konnte er angesichts der zarten, angemalten Wesen nicht ernst meinen, die tagaus, tagein in der villa herumschwebten und mehr Traum zu sein schienen als Frau. Seine Hand ergriff sie nicht, sondern rappelte sich selbst auf, den Staub aus ihrer tunica klopfend, um ihm ihr Gesicht nicht zeigen zu müssen. Besser, sie fasste ihn nicht mehr an, egal wie. Noch immer jagte ihr Herzschlag, und sie fühlte sich, als sei sie nackt. "Wenn Du nicht wollen, dass ich Dir tun wirklich weh, dann Du nicht mehr tun ... was gerade eben getan."

  • Ursus beobachtete die Veränderungen in ihrer Miene. Es blieb ihm nicht verborgen, daß ein Teil von ihr Gefallen gefunden hatte an dem, was geschehen war. Auch wenn sie es leugnete und verdrängte. Und sich wieder zu Beherrschung und Kühle zwang. Wobei letzteres nicht vollständig gelang.


    "Liebe ist durchaus manchmal Kampf, Cadhla", widersprach er ihr sanft, blieb aber brav auf Abstand. Ihr Stolz war etwas, was einen Teil ihrer Faszination ausmachte. Und den wollte er ganz sicher nicht zerstören. "Man nennt es küssen", sagte er dann noch mit einem leichten Lächeln, ohne zu versprechen, daß er es nicht wieder tun würde. Manche Dinge waren eben ein Risiko wert.


    Er atmete tief durch. "Aber jetzt mal abgesehen von dem Abschluß des Ganzen. Du wolltest mich prüfen. Wie lautet Dein Urteil?" Er versuchte, die ganze Situation auf die sachliche Ebene zurückzuführen, die sie durch seine Schuld verlassen hatten. Doch er bereute nichts. Noch immer konnte er den Duft ihrer Haare wahrnehmen. Und seine Lippen kribbelten angenehm von dem Kuß...

  • Mit einer ruckartigen Bewegung schüttelte sie das lose Haar zurück und schon wirkte ihr Gesicht wieder abweisender und strenger als zuvor - auch wenn eine in ihre Stirn zurückgleitende Haarsträhne die gewünschte Wirkung etwas minimierte. Die grünen Augen stachen nun direkt vor Abwehr, und der Rest der Erregung schwand in jenem Maße, in dem sie ihre Selbstbeherrschung zurückerlangte.
    "Liebe sein für Frauen zuhause, nicht für Kriegerin. Du vielleicht machen Liebe mit jeder Frau in Rom, dominus, aber nicht ich mit irgendeinem Mann auf Welt," stellte sie eindeutig klar, und wusste genau, wie zweischneidig diese Aussage war. Hatte er gemerkt ...?


    Dass er ihr sagte, was küssen war, rührte an einem vagen, bisher gut verborgenen Zorn, denn oft genug behandelten Römer ihre Sklaven sehr herablassend, Kindern gleich, ohne zu bedenken, dass ihnen diese durchaus auch in Erfahrung und Lebensdingen voraus sein konnten.
    "Du haben gute Ideen in Kampf, aber ich glauben nicht, dass Du können mit Kuss besiegen wilden Germanenkrieger oder schwarzen Mann, der sich werfen auf Dich. Du Talent hast, aber Du brauchen Übung, viel Übung." Wobei das Bild, wie Aurelius Ursus versuchte, einen Germanen in den Staub zu küssen, durchaus auch eine amüsante Komponente aufzuweisen hatte!

  • Es war schade, daß sie sich derart verschloß. Ihre abwehrende Haltung zeugte von Angst. War es Angst vor ihm? Wohl kaum, sie wußte sich ihrer Haut zu wehren. Also war es wohl eher die Angst vor ihren eigenen Gefühlen. Denn sie war gar nicht so abgeneigt gewesen, vorhin. Er hatte ihre Erregung sehen und spüren können


    "Liebe ist für alle, Cadhla. Es ist allein Deine Entscheidung, ob Du Dich auf sie einlassen willst. Aber sie ist für alle da." Er sprach ruhig und freundlich. Und stellte mit seinen Worten gleichzeitig klar, daß er sie sicherlich nicht zu etwas weitergehenden zwingen würde.


    Als sie ihn darauf hinwies, daß ein Kuß ihn vermutlich in echten Kämpfen zu keinem Erfolg bringen würden, mußte er grinsen. "Naja, ich stelle es mir auch nicht sehr angenehm vor, so einen wilden Germanenkrieger zu küssen. Obwohl es ihn sicher so überraschen würde, daß es mir vielleicht den Augenblick verschafft, den ich brauche, um ihn zu besiegen." Es war ein Scherz, erkennbar an seinem Grinsen und dem Blitzen seiner dunklen Augen.


    Doch dann wurde er wieder ernst. "Gut, das mit der Übung will ich ja durchaus auf mich nehmen, wenn Du meinst, daß bei mir Hoffnung besteht. Ich werde mit Corvinus reden." Seine Worte waren nun nichts weiter als sachlich. Keine Anspielungen, eine annähernde Bewegung, keine anzügliche Gestik. Er war einen Moment lang schwach geworden bei dem wundervollen Anblick, den sie geboten hatte. Und auch wenn es ihn reizte, sie zu erobern und ihr zu zeigen, wie schön die Liebe sein konnte, so respektierte er doch ihre Angst und ihre Schwüre als Schildmaid. Vorerst zumindest.

  • "Es ist nicht Entscheidung, ich geschworen zu sein Schildmaid und Kriegerin, und nicht führen Kämpfe von Frau. Entweder tragen Speer in Hand oder Kind, es nicht geben beide Wege für Frau," sagte Cadhla, und sie spürte selbst, wie kalt und abweisend die Worte klingen mussten. Er versuchte wohl freundlich zu sein, aber dieses Thema war nichts, was sie irgendwie weiter ausführen wollte, nicht mit ihm, nicht mit Cedric, nicht einmal mit ihrem Herrn. Noch nicht, lachte die innere Stimme hähmisch. Irgendwann wirfst Du Dich auch einem Mann an den Hals, wie alle anderen Frauen. War der Gedanke nur deswegen so verlockend, weil es alles so neu war? Weil dieses prickelnde Gefühl so angenehm war, weil sie sich in Rom allein fühlte, in dieser Welt der Römer, die so wenig mit dem zu tun hatte, was sie bisher kennengelernt hatte? Die grünen Augen funkelten unterdrückt, und als er scherzte, reagierte sie nur mit einem ganz schwachen Heben ihrer Mundwinkel. Ihr war einfach nicht nach Lachen zumute, dafür war sie gerade zu verwirrt, und es gab niemanden, dem sie diesen Zwiespalt hätte mitteilen können - ihre Götter hatten sie ganz augenscheinlich verlassen.


    Zu seinen Worten Corvinus betreffend nickte sie sachte, aber sie sagte nichts weiter dazu, sondern blickte in den Himmel. Der Mond schien tiefer zu stehen als zuvor, deutlich tiefer, und auch wenn sie nicht wusste, wie spät es wirklich war, schien es ihr doch, als würde es allmählich Zeit, noch etwas Ruhe und Schlaf zu finden.
    "Ich denken, Du könnten sein sehr guter Kämpfer, vor allem, wenn niemand ahnen, dass Du kämpfen mit allem, nicht nur mit kurzes Schwert wie Legionär. Überraschung bester Weg ist zu siegen, Du heute auch gewonnen, weil mich überrascht." Dann neigte sie den Kopf vor ihm, und im Grunde wollte sie nur noch weg. Zurück zu ihren Gedanken, den leise atmenden anderen Frauen, die schliefen, und zurück zu diesem schützenden Kokoon aus Tradition und Schwüren, die vielleicht überdecken würden, dass etwas erwacht war, mit dem sie nichts anfangen konnte.
    "Dominus, es spät ist, und ich müssen schlafen, weil morgen viel arbeiten. Du besser auch schlafen jetzt."

  • Ja, es klang sehr kalt und abweisend. Doch Ursus ließ sich davon nicht abschrecken und schüttelte den Kopf. "Doch, es ist immer noch allein Deine Entscheidung, Cadhla. Und zwar als erstes die Entscheidung, als was Du Dich sehen willst. Du hast vorhin gesagt, Du seist eine Schildmaid. Einige Minuten später hast Du mir erklärt, Du könntest keine mehr sein. Dann sagst Du wieder, Du bist eine. Ich glaube, da liegt das Problem. Cadhla, - was bist Du?"


    Er wollte keine Antwort auf diese Frage. Im Grunde fand er sogar, daß ihn das nicht so wirklich etwas anging. Sie mußte das ganz mit sich selbst abmachen. Sicher, für die Welt, zumindest für die römische Welt, war sie nichts weiter als eine Sklavin. Doch wie sah sie sich selbst? Wirklich noch als Schildmaid? Hatte sie nicht schon einige Schwüre als Schildmaid gebrochen? Warum klammerte sie sich dann so an diesen einen? Belog sie sich damit nicht selbst? Doch diese Überlegungen wollte er ihr nicht sagen. Sie würden sie allzusehr verletzen. Da mußte sie ganz von allein drauf kommen. Mit der Zeit. Wenn sie zu sich selbst fand und einen Weg fand, sich selbst in ihrem neuen Leben zu akzeptieren, dann würde auch der Weg für Gefühle frei sein.


    "Mir ist bewußt, daß ich Dich nur besiegt habe, weil ich Dich überraschen konnte. Das wird mir wohl kaum noch einmal gelingen." Er war selbst erstaunt, wie leicht es ihm fiel, ihr Können derartig anzuerkennen. Dabei war das wirklich alles andere als selbstverständlich. Sie war eine Frau. Eine Sklavin noch dazu. Vielleicht war es die merkwürdige Situation hier, die ihn so selbstverständlich mit ihr umgehen ließ. Irgendwie auf gleicher Ebene. "Ja, gehen wir schlafen. - Ich... wollte Dich nicht verletzen, Cadhla", fügte er noch hinzu, während er sich schon abwandte, um ins Haus zurück zu gehen.

  • Es war ihre letzte, ihre einzige Waffe, und dass sie nun darauf zurückgriff, erklärte vielleicht die Verzweiflung, die sie seit Tagen, seit ihrer Gefangennahme immer wieder bewegt hatte, niemals wirklich aus dem Griff gelassen hatte - sie schwieg. Cadhla sagte kein Wort, ließ seine Worte auf ihr Bewusstsein prallen, und sie reagierte nicht darauf. Zumindest nicht äußerlich, denn sie wollte ihn nicht sehen lassen, wie sehr seine Worte sie trafen. Wie viel Wahrheit doch darin lag, und wieviel unangenehme Warheit darunter war. Warum konnte er sie nicht einfach in Ruhe lassen, irgendeine andere Sklavin besteigen und sich ansonsten so verhalten wie alle anderen Römer auch - sich mit seinen eigenen Dingen beschäftigen und sie übersehen? Gleichzeitig wünschte sich ein irriger, abartiger Teil ihres Inneren, dass er sie bemerkten würde. Dass sein Blick ihr folgen würde, wenn sie vorüber ging - einfach um sich wie ein Mensch zu fühlen, wie jemand, der nicht vollkommen in der Masse unterging. Gleichzeitig wusste sie genau, wie wenig dieser Gedanke noch mit dem zu tun hatte, was sie gewesen war.


    Als er sich entschuldigte, blieb sie ebenso stumm, drehte sich von ihm weg und hob ihren improvisierten Speer auf, um ihn aufzuräumen - auch wenn ihr Geheimnis nun gelüftet war, musste man doch nicht auch noch zusätzliche Spuren hinterlassen. Sie drehte sich nicht nach ihm um, und wartete, bis er ins Haus gegangen war, bevor sie sich selbst auf den Weg in den Schlafraum machte - auf ihn treffen wollte sie nicht, nicht heute nacht mehr, denn wahrscheinlich hätte sie dieses Mal nicht einfach schweigend ausweichen können. Was bist Du? Die Frage echote in ihrem Kopf, als sie um die Korridorecken glitt, vorsichtig und leise, um niemanden zu wecken. Ich wollte Dich nicht verletzen. Am liebsten hätte sie geschrien Warum hast Du es dann getan? aber sie blieb stumm, die Worte im Gefängnis ihrer Zähne, und als sie unter ihre dünne Decke schlüpfte, spürte sie noch immer, wie schnell ihr Herz schlug, als die Erinnerung an den Kuss zurückkehrte. Liebe ist für alle, Cadhla. War das Liebe, wenn der Körper erbebte? Sie mochte ihn nicht einmal besonders. Das konnte keine Liebe sein, nicht so. Bei der Liebe blickte man sich anders an, soviel wusste sie. Aber was war es dann? Mit einem leisen, verächtlichen Schnaufen zog sie die Decke über den Kopf und drehte sich zur Wand um.

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