Zwei Patrizier auf der Suche nach Entspannung (Verwirrungen, Teil II]

  • "Nun, ich bin zumindest zuversichtlich, Lucanus in absehbarer Zeit verheiraten zu können - seine Eltern sind leider nicht mehr unter uns, und da er zum hispanischen Zweig der Flavier gehört, ist es meine Pflicht, mich um ihn zu kümmern, so gut ich es eben kann, wie es sich für einen Verwandten gehört. Wenn uns nichts bleibt im Leben, so hat man doch immer die Familie und sollte sich auf diese verlassen können, sonst wären wir kaum noch als Römer zu betrachten." Letztendlich waren uns von den alten Werten nicht allzu viele geblieben, so traurig man dies auch betrachten mochte, es war die unangenehme und harte Realität. Und gerade deswegen war es wichtig, passende Verbindungen zu anderen Familien zu knüpfen, soweit es möglich war, und ich war mir sicher, dass die für Lucanus vorgesehene junge Dame eine passende Partie wäre - jetzt musste ich nur noch Lucanus und den Tutor der jungen Dame überzeugen, bevor ich den Schlachtplan zur Gewinnung derjenigen ausarbeiten konnte. Liebe und Ehen waren eben fast ähnlich wie Krieg, man konnte jederzeit in eine Falle treten und wie ein Tier darin zappelnd untergehen.


    "Nun, spätestens wenn Du mich mit einer riesigen Amphore Wein in den Garten schleichen siehst, sollte das Zeichen genug sein," meinte ich lachend, als er mir seine Hilfe anbot und grinste dann verschmitzt. So schnell würde ich mich sicher nicht geschlagen geben, schon gar nicht, wenn es Familienfeste anging, die ich seit jeher gehasst hatte und wohl immer hassen würde. "Nun, der Unterricht findet fast täglich statt, im templum Martis Ultoris, wir haben da ein extra Zimmer für den Unterricht - aber das Einfachste ist, Du kommst etwa eine Stunde vor der cena am Tempel vorbei und wartest, bis Du uns auftauchen siehst, dann kann ich Dich unauffällig vorstellen. Vorausgesetzt, sie hält die Ausbildung durch, was ich allerdings hoffe. Discipula zu sein bedeutet auch, ein gewisses Maß an Disziplin lernen zu müssen, und gerade daran mangelt es vielen leider sehr." Ich zog den Schaber ein letztes Mal über seinen Rücken, schüttelte das Sand-Öl-Gemisch ab und meinte dann: "Fertig - ich wäre Dir allerdings sehr verbunden, würdest Du mir diesen Dienst auch erweisen."

  • Ursus hörte aufmerksam zu und runzelte die Stirn. "Das wird sicher nicht einfach, eine passende Gemahlin für ihn zu finden, wenn es so wenig heiratsfähige Damen in den patrizischen Familien gibt. Zumindest hier in Rom. Aber er ist ja noch sehr jung, er hat noch viel Zeit und es wird sich bestimmt noch etwas ergeben."


    Die Worte über die Familie und den Familienzusammenhalt hatten Ursus tief getroffen. Ja, eine Familie sollte zusammenhalten. Zusammenarbeiten. An einem Strang ziehen. Doch wie sollte das gehen, wenn das Familienoberhaupt zwar Zusammenhalt predigte, aber nicht zuließ, daß ein wirklicher Zusammenhalt entstand? Unwillkürlich preßte Ursus die Lippen aufeinander und war froh, daß er Aquilius gerade den Rücken zuwandte.


    Erst als die Rede wieder auf die Hochzeitsfeier kam, entspannte er sich wieder und lächelte gar über den Scherz. "Dann also eine Amphore auf dem Weg in den Garten. Gut, abgemacht", grinste er ein wenig schief. Auf diese Hochzeitsfeier war er ja wirklich mal gespannt. Hoffentlich kam das alles so zustande, wie sie sich alle das wünschten.


    "Natürlich erweise ich Dir den Dienst auch gern", erwiderte Ursus und hielt die Hand auf, um den Schaber in Empfang zu nehmen, damit er zur Tat schreiten konnte.


    "Dann werde ich in den nächsten Tagen sehen, daß ich rechtzeitig am Tempel bin. Du hast mich jetzt wirklich neugierig gemacht." Er gab das nicht ohne Verlegenheit zu, lächelte aber dabei.

  • Ich reichte meinem Begleiter den Schaber und blieb entspannt stehen, damit ihm sein Werk leichter fallen würde - letztendlich waren wir uns doch trotz allem noch fremd, auch wenn wir uns wohl sympathisch waren, und ich hatte es nicht eilig, ihm die Schattenseiten meiner Persönlichkeit allzu deutlich zu präsentieren.
    "Nun, ich muss Dir widersprechen - eine gute Heirat kann man nicht früh genug zu planen beginnen, letztlich geht es vor allem um politische Verbindungen der Familien, nicht unbedingt allein um jene beiden, die vereint werden - und wenn man nicht bedächtig und klug agiert, bringt man Unglück über beide Seiten, die Familie und die Ehepartner. Lucanus ist noch jung, ja, und sieht vieles noch mit unschuldigen Augen - ich sähe ihn lieber jetzt vermählt und froh um die einfache Freude der Ehe, als älter, unvermählt und von dieser Stadt verdorben durch die vielfachen Genüsse, die Rom bietet und die einen Menschen allzu leicht vergessen lassen können, wer er ist und wem er Respekt und Achtung schuldet."


    Gemütlich betrachtete ich die Mosaikfresken der Wände, während Ursus mit dem Schaber zu Werke ging, die Gedanken verloren sich etwas dabei, und ich musste unwillkürlich überlegen, ob ich unverdorben genug für eine glückliche Ehe war. Wahrscheinlich gab es in ganz Rom keinen Menschen, der sich so wenig eignete, um eine Frau glücklich zu machen, und ob dieses bitteren Gedankens musste ich den Atem einige Momente lang anhalten, um nicht zu seufzen und mich dann zu verraten.
    "Nun, erwarte nicht zuviel, sie ist immerhin keine Göttin - aber doch eine reizvolle junge Frau. Ich bin gespannt, ob sie Dir gefällt. Im Grunde kann ich kaum glauben, dass es für Dich noch keine ernsthafte Suche nach einer Gemahlin gab, bei uns ist das schon lange genug Thema, einer meiner Vettern ist bereits verlobt, ein anderer vermählt ..."

  • Ursus nahm den Schaber ganz selbstverständlich entgegen und begann, mit gleichmäßigen Strichen den Rücken des Flaviers zu reinigen. Er ließ sich Zeit dabei, denn er empfand dies keineswegs als unangenehm.


    "Ja, vielleicht hast Du recht damit, wenn Du Lucanus so früh wie möglich verheiratest." Seine Argumente hörten sich jedenfalls ziemlich einleuchtend an. Lucanus hatte wirklich Glück, daß sich Aquilius so um seine Zukunft sorgte. Sicher würde Aquilius auch ein guter Vater werden.


    Es trat eine Gesprächspause ein, während der Ursus einfach nur den Schaber über den Rücken von Aquilius gleiten ließ. Ein Moment der Stille, der dann schließlich durch Aquilius' Worte unterbrochen wurde.


    Aufmerksam hörte Ursus zu und nickte schließlich. "Ich erwarte erst einmal gar nichts von ihr. Es ist eben nicht leicht, sich selbst nach einer Braut umzusehen, wenn man lange abwesend war. Ich möchte sie einfach kennenlernen, verstehst Du? Mein Vater hatte mich in seine Pläne nicht eingeweiht, was meine Heirat angeht. Und auch niemand anderen, wie es scheint. Sicher wäre schon etwas arrangiert, wenn er noch leben würde. Ich muß doch jetzt erst einmal herausfinden, was für Möglichkeiten überhaupt bestehen. Und dann herausfinden, was für die Familie das Beste sein wird." Und ob er mit dem Besten für die Familie auch leben konnte.


    Er war fertig mit der Schaberei und legte den Schaber beiseite. "Also, ich schätze, das Wasser wartet schon ganz ungeduldig auf uns", grinste er, um die ernste Stimmung wieder ein wenig aufzulockern.

  • "Ah, kein Wunder ... beim Tod des eigenen Vaters wird alles sehr viel komplizierter. Als der meine starb, musste ich so vieles regeln, dass mir der Gedanke an jegliche Erbschaft ziemlich verleidet wurde, und auch er hinterließ keinerlei Planungen für Heiraten oder ähnliches - wahrscheinlich ist es ohnehin besser, man wählt wenigstens ein bisschen nach den eigenen Vorlieben, und nicht allein nach dem Willen der Eltern. Wenn man bedenkt, welche Werte manchmal bei den eigenen Eltern als wichtig erachtet werden, dann steht doch meist eine sehr solide, aber gänzlich langweilige Ehe ins Haus," bekannte ich freimütig und erhob mich, als er mit seinem Werk fertig geworden war. "Dann lass uns ein bisschen schwimmen - zuerst ins tepidarium? Oder wir gehen zuerst eine Runde schwitzen, um den Rest Öl loszuwerden, und dann ins frigidarium? Mir soll es gleich sein, im Grunde leiden an uns öligen Ringern doch nur alle anderen." Ich grinste übermütig und mit diesem Grinsen kehrte für mich auch die vorherige, leichte Stimmung wieder ein, die mich wahrlich entspannt hatte. Manchmal bedurfte es nur eines ruhigen Abends, eines angenehmen Begleiters und die Welt sah schon wieder ein wenig freundlicher aus als sonst.

  • Ursus legte nachdenklich den Kopf schief. "Ich finde, die Mischung aus beidem macht's. Wenn die Eltern eine gewisse Vorauswahl treffen und mögliche Heiratskandidatinnen nenne - und man dann die Gelegenheit bekommt, sich eine eigene Meinung über die in Frage kommenden Damen zu bilden. Und sie sich über mich. Ich vermisse einfach den Rat meines Vaters in derartigen Fragen. Vielleicht besonders, weil ich so lange fort war. Immer wieder muß ich erkennen, daß es nicht gut war, Rom so lange fern zu bleiben. Sollte ich einmal Kinder haben, werde ich versuchen, ihnen hier eine gute Ausbildung zu ermöglichen und sie nicht nach Griechenland schicken. Bestimmt hat das auch Nachteile, doch Kontakte zu haben und zu halten ist einfach zu wichtig." Es war mehr lautes Denken, als er diese Worte aussprach.


    Und er blickte nun auf und schüttelte leicht den Kopf, um diese Gedanken nun endgültig los zu werden. "Wenn ich ehrlich bin, so würde ich mich lieber erst einmal im tepidarium einweichen und entspannen." Zwar gab es Leute, die es als weichlich ansahen, ins tepidarium zu gehen, doch es gab Dinge, bei denen es Ursus nicht im geringsten interessierte, was andere dachten.


    "Und später dann in die Sauna und ins frigidarium zum abschrecken." Er grinste nicht weniger übermütig als Aquilius.

  • "Nun, wenn ich bedenke, wie sehr sich mein persönlicher Horizont durch die Reise nach Achaia erweitert hat, würde ich doch sagen, dass der Gewinn die Risiken überwiegt," gab ich ihm zu bedenken und streckte mich dann im Gehen. "Letztendlich nützt es einem jungen Mann nichts, wenn er allein Rom kennt und dann als Magistrat auch mit fremdländischen Bürgern umgehen können muss. Normalerweise bringen Reisen auch einen klareren Blick auf die heimischen Verhältnisse mit sich, man beginnt zu vergleichen und bildet einen eigenen Geschmack deutlicher heraus. Vielleicht kann ein Sohn hier leichter Kontakte knüpfen, wenn er Dich bei Deinen Geschäften begleitet, aber Du solltest auch bedenken, wieviele Gelegenheiten, Neues kennenzulernen Du ihm dadurch nimmst. Rom mag die wichtigste Stadt des Imperiums sein, doch in den Köpfen der meisten Römer existieren eine Menge Mauern und noch mehr Beschränktheit, und gerade das sollte man einem jungen Menschen doch auch anders zeigen können."


    Also in das tepidarium zuerst? Warum nicht - ich bog in den richtigen Gang ein und steuerte das neu gewählte Ziel an, nicht unfroh darüber, erst einmal eine Runde entspannen zu können. "Na, angestrengt haben wir uns auch genug, und der Tag davor war lang, also warum nicht ein wenig entspannen - spätestens nach dem Abschrecken im kalten Wasser bist du dann für die cena wieder wach genug." Ich konnte nicht anders, bei seinem Vergleich musste ich unweigerlich an gekochte Eier denken, die man später ins kalte Wasser fallen ließ, damit sie leichter zu schälen waren. Einmal gekochter Patrizier mit Salz sozusagen.

  • Während sie zu dem Bereich mit den Warmwasserbecken herüberschlenderten, hörte Ursus den Worten des Flaviers aufmerksam zu. Und nickte schließlich. "Ja, da magst Du recht haben. Vielleicht sollte man darauf achten, daß der Auslandsaufenthalt einfach nicht zu lange dauert. So können Kontakte erhalten werden und trotzdem die notwendigen Erfahrungen gesammelt werden. Für mich persönlich kann ich nur sagen, daß ich zu lange fort war. Ich habe damit die Wünsche meines Vaters befolgt. Auch über seinen Tod hinaus. Doch als ich zurück kam, war mir alles fremd. Sogar die eigene Familie. So etwas ist einfach nicht gut." Doch Aquilius hatte natürlich auch recht. Er durfte wegen der eigenen negativen Erfahrungen bei der Rückkehr nichth ins andere Extrem verfallen und mußte auch bedenken, was er alles gelernt und erfahren hatte.


    Ursus grinste ein wenig, als Aquilius seinen leicht übertriebenen Ausdruck abschrecken übernahm. Er hatte dieses Wort schon mit Absicht gewählt, denn in gewisser Weise war es durchaus mit gewissen Vorgängen in der Küche zu vergleichen. "Ja, verdient haben wir uns das auf jeden Fall", nickte Ursus, während er sich in das herrlich warme Wasser gleiten ließ. Er seufzte wohlig auf. "Auch wenn mancher mich dafür als Weichling verschreien mag: Ich liebe es, hier zu entspannen. Es tut einfach gut." Doch das anschließende Bad im kalten Wasser brauchte er dann auch. Die Erfrischung zum Schluß war einfach nötig.

  • "Das kann aber jederzeit passieren - dass einem die eigene Familie fremd wird oder erscheint. Letztendlich ist die familiäre Harmonie zwar ein Idealbild, das unsere älteren Herrschaften gerne einmal beschwören, vor allem dann, wenn man nicht macht, was sie wollen, aber diese Form der Harmonie ist kurzlebig, umso kurzlebiger, je mehr Menschen zusammenleben. Man kann eben nicht immer Frieden finden," meinte ich und glitt ebenso in das Becken mit dem warmen Wasser. Es war recht leer, die meisten Menschen befanden sich jetzt wahrscheinlich bei der cena und wir würden ein wenig Ruhe vor der Menschenfülle Roms haben, wenn wir nicht zu lange blieben - irgendwann später würde die Badezeit der Sklaven sein, spätestens dann wollte ich auf dem Heimweg sein. Während der weiche Griff des warmen Wassers meinen Körper umfasste, schloss ich langsam die Augen. Was für eine Wohltat nach diesem langen und anstrengenden Tag! Es schien mir, als hätte es ewig gedauert, dass er endlich vorüber gewesen wäre, und ungleich länger hatten die Opfer gedauert. Manchmal glaubte ich, diese Tage würden nie ein Ende nehmen, und mir die letzte Kraft rauben, die ich aufbringen konnte - und das warme Wasser nahm mir wenigstens dieses Gefühl für einige Momente lang.


    "Was ist denn daran falsch zu wissen, wann man Entspannung braucht? Die meisten hervorragenden Beamten dieses Staates wissen nicht, wie notwendig manchmal eine Pause sein kann, um nicht auszubrennen - in sofern kann man nur eines tun: Das warme Wasser genießen, so lange es noch warm ist," sagte ich auf seine Worte hin und schmunzelte etwas. Wahrscheinlich war das eine recht fatalistische Einstellung für einen künftigen Magistraten, aber letztendlich war ich nie falsch damit gefahren, auf den Augenblick zu vertrauen und nicht in eine ungewisse Zukunft sinnlos Hoffnung zu investieren. Die Zukunft war und blieb trügerisch, wie auch die Gegenwart trügerisch war - der Vorteil bei der Gegenwart war allenfalls, dass man nur eine davon hatte und diese relativ feststand. "Und, hast Du ein wenig Deiner trübsinnigen Gedanken hinter Dir lassen können?" Ich wandte den Kopf träge in Ursus' Richtung, hielt ihn aber deutlich genauer im Blick, als es meine halb geschlossenen Lider vermuten machen mochten.

  • Mangelnde Harmonie in der Familie... in welcher Familie ging es schon völlig harmonisch zu? Doch wirkliches Fremdsein, das war schon etwas anderes. Doch Ursus wollte dieses Thema nicht weiter vertiefen. Was müßte das sonst für einen Eindruck machen, wenn er zugab, daß er tatsächlich niemanden von denen wirklich gekannt hatte, die in seinem Geburtshaus lebten, als er heimkam? Das Leben war halt eben doch ausgesprochen wechselhaft und niemals im voraus zu berechnen.


    Er schloß für einen Moment die Augen, während er sich mit den Armen am Rand festhielt und seinen Körper ansonsten einfach so in völliger Entspannung vor sich hintreiben ließ. "Schön, daß Du das auch so siehst", lächelte er, als Aquilius ihm zu verstehen gab, daß er Entspannung im warmen Wasser durchaus auch zu schätzen wußte. "Ja, manche scheinen vor lauter hartem Mannsein vergessen zu haben, daß man das Leben auch ab und an mal genießen kann, ohne gleich zu verlottern." Bestimmt ruhten auch jetzt einige mißbilligende Blicke auf den beiden jungen Männern im Warmwasserbecken. Ursus sah gar nicht erst hin. Sollten sie doch denken, was sie wollten.


    "Ja, sie sind für den Moment verdrängt", antwortete Ursus auf die Frage nach seinen trüben Gedanken und öffnete seine Augen wieder, um Aquilius anzublicken. "Zwar ist das Problem damit nicht gelöst, doch ich fühle mich innerlich wieder ruhig und das ist ja schon der erste Schritt zur Lösung des Problems. Ich kann Dir gar nicht genug danken, Aquilius."

  • "Mhm," machte ich nur auf seine Bemerkung über dias harte Mannsein. Konnte man denn überhaupt ein steinharter Kerl sein, wenn man gemütlich in einem Becker voller heißem Wasser dümpelte? Was uns Römer von den anderen Völkern grundlegend unterschied, war unter anderem auch unsere Badekultur, und auf diese konnten wir wirklich stolz sein. Keine stinkenden Bürger, keine Läuse, keine ekelhaften Krankheiten, die sich vor allem durch schmutzige Haut übertrugen, das war schon ein gewaltiger Schritt nach vorn auf der Reise in Richtung Kultur. Ohne Badehäuser wären wir kaum so aufrecht und stolz, sondern müssten uns dauernd irgendwo kratzen und Statuen unserer berühmtesten Männer sähen wohl auch kaum wirklich beeindruckend aus. In sofern würde ich diejenigen wohl nie verstehen, die sich stets nur im eigenen Badebecken verkrochen, um bloß niemanden zu treffen - gerade Gespräche beim Baden konnten doch den Tag deutlich erhellen.


    "Danke nicht mir, Ursus, danke der Erfindung des Badehauses. Manchmal scheint mir, dass die meisten Streitigkeiten und Schwierigkeiten ein wenig Abstand brauchen, und die allgemeine Lösung, die uns noch übrig geblieben wäre - uns in einer Taverne ordentlich einen Rausch anzutrinken - würde es wohl kaum besser machen. Aber an einem solchen Ort, an dem man sich wieder wie ein Mensch fühlen darf und an dem einem so viele Probleme fern sind, erscheinen so manche Sachen weit weniger gravierend," antwortete ich ihm und schmunzelte. Er war wirklich ein netter Kerl, warum also hatte er mit Corvinus Streit, der auch ein intelligenter und verträglicher Mann war? Wahrscheinlich eine dieser alten Familiensachen, die man als Außenstehender niemals richtig verstehen konnte. "Und, was wirst Du die nächsten Tage vor der Amtsbewerbung machen? Ausser eine toga candidata erwerben, natürlich .."

  • Ursus lachte. "Dann danke ich eben Dir und dem Erfinder des Badehauses. Denn das Badehaus gibt nur den entspannenden Rahmen. Zugehört hast Du." Ein Leben ohne römische Badekultur konnte Ursus sich überhaupt nicht vorstellen. Noch nie in seinem Leben hatte er darauf verzichten müssen. Und schon der Gedanke, daß dies einmal eintreten könnte, jagte ihm einen Schauer über den Rücken.


    "Was den nötigen Abstand angeht, hast Du sicherlich recht. Eine Nacht über einem Problem schlafen, hilft auch manchmal Wunder. Das mit dem Betrinken habe ich schon mal versucht, das funktioniert nicht. Man bekommt davon nur Kopfschmerzen und das Problem scheint dann nur noch unlösbarer. Ich verstehe nicht, warum sich so viele Menschen in den Rausch flüchten, wenn sie Probleme haben." Ja, Aquilius hatte Recht. Hier erschien manches nicht mehr so gravierend. Doch das Problem mit Corvinus war schon ein ziemlich schweres Kaliber. Es löste sich leider nicht durch Abstand von allein.


    Ursus wußte, es lag daran, daß sie einander einfach nicht verstanden. Sie redeten aneinander vorbei und wurden dann jeder wütend, weil der andere nicht verstand. Doch woran lag das? Er konnte es nicht ergründen.


    Und jetzt wollte er auch nicht darüber nachgrübeln. "Ich werde mir ein Arbeitszimmer einrichten und mir, wie schon in den letzten Tagen, ein bißchen Wissen aneignen. Ich möchte ja die Erbschaften bearbeiten. Sollte ich das Amt nicht erhalten, na, dann schadet das Wissen nicht. Und wenn ich es erhalte, kann ich mich leichter einarbeiten. - Ansonsten werde ich noch ein wenig das Leben ohne großartige Pflichten genießen." Er lachte. Letzteres war er eigentlich schon längst leid, deswegen meinte er das auch nicht ganz ernst. "Und was ist mit Dir? Was wirst Du in diesen Tagen tun?"

  • Ich grinste leicht und lehnte mich dann wieder zurück. Es war angenehm, nach einem solchen Tag einfach ein wenig vor sich hin treiben zu können - und sei es nur in einem Becken mit warmem Wasser - ohne allzu viele Verpflichtungen zu haben. Das würde sich mit der Amtsübernahme ändern, soviel war sicher, aber bis dahin konnte man auch noch etwas die Seele baumeln lassen.
    "Nun, der Rausch scheint der leichteste Weg zu sein, denke ich - man muss sich dabei mit nichts auseinander setzen, und sobald man in die Verlegenheit kommt, eventuell nachdenken zu müssen, trinkt man einfach noch mehr oder beginnt wieder von neuem, das enthebt einem aller Verpflichtungen, man kann sich gut in eine Welt flüchten, in der das einzige Problem darin besteht, genug Geld für den nächsten Krug Wein zu haben," sagte ich nach einer Weile und bemerkte selbst dabei, dass ich ernster klang, als ich es gewollt hatte. Dass ich selbst mit dieser Art zu Leben meine Erfahrungen gemacht hatte, war kaum noch zu verhehlen, aber ich beließ es einfach dabei. Das war Vergangenheit. Es würde so wahrscheinlich nicht wiederkommen, wenn ich stark genug blieb. Stattdessen schweifte mein Blick an die Mosaikdecke des Raumes und verlor sich etwas in den fabelhaften Meereswesen, die dort abgebildet waren.


    "Ein Arbeitszimmer ist immer gut - gerade wenn man mit einer Familie eng zusammenlebt, ist man selten genug alleine. Selbst im cubiculum lauern einem bisweilen die Verwandten mit ihren Problemen auf, da habe ich mein Arbeitszimmer immer gern als refugium gesehen," sagte ich amüsiert und zuckte auf seine Frage schließlich die Schultern. "Schätzungsweise lange schlafen, lesen und die letzten Tage der Freiheit genießen, bevor es heißt früh aus dem Bett zu kriechen und von früh bis spät irgendwelchen Verbrechern nachzujagen." Gerade, als ich fortfahren wollte, kam ein junger Bursche auf uns zu und blieb neben mir stehen - ich erkannte in ihm einen der camilli aus dem Tempel des Mars, der sichtlich erleichtert schien, mich zu erblicken. "Sacerdos, wir brauchen Dich dringend noch einmal im templum," stotterte der Junge dann auch erwartungsgemäß hervor. "Bei einem Opfer braucht der sacerdos Licarus Probus Deine Hilfe, und ..." Ich seufzte tief und nickte dann. Probus war schätzungsweise achtzig Jahre alt und ein Opferhammer bei ihm definitiv in der falschen Hand - er würde sich damit sicherlich eher selber erschlagen. "Soviel zum Thema faulenzen," bemerkte ich in Ursus Richtung und grinste entschuldigend.

  • Es klang wahrhaftig so, als hätte Aquilius selbst schon mal im Rausch zu vergessen versucht. Doch wie man nicht übersehen konnte, hatte er das wohl überwunden. Ursus konnte das nur bewundern, sagte aber zu dem Thema lieber nichts mehr. Er wollte Aquilius nicht in Verlegenheit bringen, denn seine Worte klangen nicht so, als wollte er sich darüber detailliert auslassen.


    Seine Planungen für die nächsten Tage klangen jedenfalls sehr sympathisch und Ursus wollte schon lachend auf das Thema lange schlafen eingehen, als ein Bote Aquilius darüber informierte, daß er im Tempel gebraucht wurde.


    Das war ausgesprochen bedauerlich, denn Ursus hatte die lockere, ungezwungene Unterhaltung sehr genossen. "Ach, das ist wirklich schade. Wie wäre es, wenn wir das ganze an einem anderen Tag wiederholen? Und dann hoffentlich ohne Störung. Ich wünsche Dir - trotz des Dienstes - noch einen schönen Tag. Und falls wir uns vorher nicht mehr sehen sollten, einen guten Amtsantritt. Vale."


    Ein wenig traurig blickte Ursus dem Flavier noch einen Moment hinterher, dann stieg er aus dem Becken, um sich im Kaltwasserbecken nun doch noch ein wenig zu erfrischen. Doch lange hielt er sich jetzt nicht mehr auf, sondern verließ die Thermen schließlich und machte sich auf den Heimweg. Vergessen würde er diesen Tag sicherlich nicht. Und auch nicht den Dienst, den Aquilius ihm erwiesen hatte.

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