"Muse ruft aus Bach und Tale
Tausend, abertausend Male."
Ferner hätten die schönen Musen nicht sein können, als in diesem sumpfigen Tal zwischen Quirinal und Esquilin. Trostlose Insulae ragten schwarz in den Himmel, die Strassen waren schlammig und übersät von Abfällen. Ein kalter Wind strich durch die Schluchten zwischen den Häusern, und trieb den Müll vor sich her, in der Nacht, als Severus endlich zuschlagen wollte. Schon seit einer halben Ewigkeit lauerte er in seinem Versteck, im tiefen Schatten hinter einem zusammengebrochenen Karren, und beobachtete den Hintereingang der massigen Insula vor ihm. Insula Batavica hiess das Gemäuer, und war die Residenz des Arbogastus, des berüchtigten Bandenführers der, wenn es nach Severus ging, den nächsten Morgen nicht erleben sollte. Ein Mann ein Wort. Ausserdem winkten Unsummen von Geld.
Lang genug hatte er in den letzten Nächten das Gebäude beobachtet, um den Rhythmus der Wächter zu kennen. Der, der zur Zeit an dem Aufgang zu der hölzernen Treppenkonstruktion stand, die waghalsig an der Mauer der Insula sich emporhangelte, stand da schon lange, hatte den Umhang um sich geschlungen und gähnte von Zeit zu Zeit. Aber ablösen würde man ihn erst, wenn der Hundsstern die Spitze des Hügels streifte. Severus fragte sich, warum ein Mann, so reich wie Arbogastus, die Geissel des Quirinal, es angeblich war, in solch einem Drecksviertel wohnte. Vielleicht weil sich hier kein Vigil hintraute. Oder solcher Abschaum fühlte sich hier einfach am wohlsten.
Der Germane griff an seinen Rücken und lockerte vorsichtig die Sica in der Scheide. Wie leicht es gewesen war, trotz des Verbotes an die Waffe zu kommen. Man musste nur wissen wo, und im Ludus gab es einige, die sich nebenher als Sicarii verdingten. Gut war es, dachte der Germane bei sich, dass sein Herr nicht wusste, was in dieser renommierten Gladiatorenschule noch alles so lief.
Bis an die Zähne war er jetzt bewaffnet, trug verborgen unterm weiten Mantel die Sica, dazu einen Beutel auf den Rücken gebunden, so dass er nicht störte, ausserdem noch ein langes, rasiermesserscharf geschliffenes Schlachtermesser im Gürtel, und Wurfmesser griffbereit unter den Lederschienen an seinen Armen, verdeckt von den langen Ärmeln seiner schäbigen Tunika. Grau in Grau war er gekleidet, verschmolz förmlich mit der dunklen Nacht.
Der Wächter stand allerdings viel zu frei, um sich an ihn heranzupirschen. Aber Severus hatte sich da schon was überlegt.
Einmal noch blickte er aufmerksam in alle Richtungen, mit geschärften Sinnen und sog tief die kalte Nachtluft ein. Es stank. Keine Menschenseele war zu sehen. Nur ein paar Ratten wühlten im Müll. Er rieb seine Händen und bewegte die Gelenke, um die Steifigkeit der Kälte daraus zu vertreiben.
"Wodan, Wallvater...", begann er murmelnd, wollte aus alter Gewohnheit vor dem Kampf den Segen des Rabengottes herbeirufen. Doch halt. Der Erste der Asen hatte mit so was wie hier nichts zu tun. Und überhaupt - Severus würde sich einzig auf sich selbst verlassen müssen. Er lächelte grimmig und spürte, wie das Blut schneller durch seine Adlern floss, er die Kälte der Nacht kaum mehr spürte. Das Wild war da drin, sein Opfer, seine Beute, ein gefährliches Wild, und er würde es zur Strecke bringen. Nie fühlte er sich lebendiger als in solchen Momenten der Jagd.