scelus et poena, 2. Akt: "Eine Sica im Dunkeln"

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    "Muse ruft aus Bach und Tale
    Tausend, abertausend Male."



    Ferner hätten die schönen Musen nicht sein können, als in diesem sumpfigen Tal zwischen Quirinal und Esquilin. Trostlose Insulae ragten schwarz in den Himmel, die Strassen waren schlammig und übersät von Abfällen. Ein kalter Wind strich durch die Schluchten zwischen den Häusern, und trieb den Müll vor sich her, in der Nacht, als Severus endlich zuschlagen wollte. Schon seit einer halben Ewigkeit lauerte er in seinem Versteck, im tiefen Schatten hinter einem zusammengebrochenen Karren, und beobachtete den Hintereingang der massigen Insula vor ihm. Insula Batavica hiess das Gemäuer, und war die Residenz des Arbogastus, des berüchtigten Bandenführers der, wenn es nach Severus ging, den nächsten Morgen nicht erleben sollte. Ein Mann ein Wort. Ausserdem winkten Unsummen von Geld.


    Lang genug hatte er in den letzten Nächten das Gebäude beobachtet, um den Rhythmus der Wächter zu kennen. Der, der zur Zeit an dem Aufgang zu der hölzernen Treppenkonstruktion stand, die waghalsig an der Mauer der Insula sich emporhangelte, stand da schon lange, hatte den Umhang um sich geschlungen und gähnte von Zeit zu Zeit. Aber ablösen würde man ihn erst, wenn der Hundsstern die Spitze des Hügels streifte. Severus fragte sich, warum ein Mann, so reich wie Arbogastus, die Geissel des Quirinal, es angeblich war, in solch einem Drecksviertel wohnte. Vielleicht weil sich hier kein Vigil hintraute. Oder solcher Abschaum fühlte sich hier einfach am wohlsten.
    Der Germane griff an seinen Rücken und lockerte vorsichtig die Sica in der Scheide. Wie leicht es gewesen war, trotz des Verbotes an die Waffe zu kommen. Man musste nur wissen wo, und im Ludus gab es einige, die sich nebenher als Sicarii verdingten. Gut war es, dachte der Germane bei sich, dass sein Herr nicht wusste, was in dieser renommierten Gladiatorenschule noch alles so lief.
    Bis an die Zähne war er jetzt bewaffnet, trug verborgen unterm weiten Mantel die Sica, dazu einen Beutel auf den Rücken gebunden, so dass er nicht störte, ausserdem noch ein langes, rasiermesserscharf geschliffenes Schlachtermesser im Gürtel, und Wurfmesser griffbereit unter den Lederschienen an seinen Armen, verdeckt von den langen Ärmeln seiner schäbigen Tunika. Grau in Grau war er gekleidet, verschmolz förmlich mit der dunklen Nacht.
    Der Wächter stand allerdings viel zu frei, um sich an ihn heranzupirschen. Aber Severus hatte sich da schon was überlegt.


    Einmal noch blickte er aufmerksam in alle Richtungen, mit geschärften Sinnen und sog tief die kalte Nachtluft ein. Es stank. Keine Menschenseele war zu sehen. Nur ein paar Ratten wühlten im Müll. Er rieb seine Händen und bewegte die Gelenke, um die Steifigkeit der Kälte daraus zu vertreiben.
    "Wodan, Wallvater...", begann er murmelnd, wollte aus alter Gewohnheit vor dem Kampf den Segen des Rabengottes herbeirufen. Doch halt. Der Erste der Asen hatte mit so was wie hier nichts zu tun. Und überhaupt - Severus würde sich einzig auf sich selbst verlassen müssen. Er lächelte grimmig und spürte, wie das Blut schneller durch seine Adlern floss, er die Kälte der Nacht kaum mehr spürte. Das Wild war da drin, sein Opfer, seine Beute, ein gefährliches Wild, und er würde es zur Strecke bringen. Nie fühlte er sich lebendiger als in solchen Momenten der Jagd.

  • Und los! Er rieb sich eine Handvoll Dreck ins Gesicht, legte sich einen zerlumpten Mantel um, und ein Tuch, das er vorhin mit billigem Fusel getränkt hatte, so dass es jetzt bis zum Himmel stank. Der Rest von dem sauren Wein war noch in dem Krug, den er nun in die Hand nahm, als er sich aus seinem Versteck begab, und ein Stück in die Gasse dahinter zurückschlich. Dann richtete er sich auf und marschierte ausladenden Schrittes und ziemlich schwankend die Strasse entlang.


    "Wenn Bacchus erst mich heimgesucht,
    Dann schlummern meine Sorgen...",

    sang er dabei mit guter Singstimme aber verwaschen und lallend ein populäres Trinklied vor sich hin, guckte mal in die Sterne, trat mal nach einer Ratte, die nicht schnell genug vor ihm zur Seite huschte,
    "Reich bin ich dann, wie Krö-ö-sus,
    Und singe süße Weisen...."

    Er blieb stehen, trank unkoordiniert aus dem Krug und setzte seinen Weg fort, wohl bewusst, dass der Wächter auf den Sänger süßer Weisen schon aufmerksam geworden war.
    "Bekränzt mit Efeu lieg ich,
    Im Übermute tre-he-t ich.. äh..la la la la
    ah... ja.. Verachtend alles nie-der.
    - Schenk ein! es gilt zu trin-ken!
    La la la la.... Verdammt..."

    Er hatte die Strassenkreuzung an der Insula erreicht. Sein Lied erstarb und mit dem Anschein grosser Verwirrung sah er sich an der Strassenkreuzung um, brummelte vor sich hin, schien erst dann den Wächter zu erblicken.
    "He ho Kamerad!", rief er ihn mit schwerem Zungenschlag an und schlurfte auf ihn zu, zutraulich grinsend.
    "Wo bei allen nackten Nymphen gehts'n hier zur Via Obscura?"
    Verächtlich blickte der Wächter, ein hagerer dunkler Mann, ihm entgegen und machte eine wedelnde Handbewegung.
    "Verpiss Dich Du Suffnase."
    "Pfff... kriegst auch'n Schluck", lallte der Germane und streckte dem Mann grosszügig den angeschlagene Krug entgegen.
    "Reich mir den Becher, Kna-be!", sang er dabei fröhlich weiter, "Na komm schon sei nich so Kamerad, nur ne kleine Auskunft, meine Alte macht mir eh schon die Hölle heiss, Via Obscura, rechts oder links, hm?"
    "Verschwinde.", knurrte der Wächter, wandte demonstrativ das Gesicht von der 'Fahne' ab und griff nach einem Knüppel. Das war der Moment.
    "Aber aber...Viel besser ist es trun-ken..."
    Der Germane wedelte aufdringlich mit dem Krug vor der Nase des Mannes herum, zog mit der anderen unter dem Mantel die Sica. Grob schlug der Wächter ihm den Krug aus der Hand, der zerbrach auf dem Boden. Im selben Moment schnellte die Klinge vor und vergrub sich tief im Brustkorb des Wächters. Rasch presste der Germane ihm die Hand auf den Mund, um sein Todesröcheln zu ersticken.
    "... als tot am Boden lie-gen.", beendete er das Lied.


    Die Augen des Mannes brachen. Severus liess ihn langsam zu Boden sinken und zog die Waffe hervor. Blut quoll hervor. Schnell wischte er die Klinge an der Kleidung des Toten sauber, und zerrte den Leichnam zur Seite, stiess ihn in eine dunkle Nische unter dem Treppenaufgang. Sein zerlumpter Mantel war blutig geworden, er warf ihn ab - er trug ja noch den anderen darunter - und wischte damit das Blut von den Stufen. Auch die Scherben des Kruges trat er zur Seite, hielt kurz angespannt Ausschau ob jemand aufmerksam geworden war. Keiner zu sehen, keiner zu hören.
    Den blutigen Mantel und das stinkende Tuch warf er in die Nische zu dem Leichnam, nahm dem noch ein hübsches blankes Messer und einen handgrossen Schlüssel vom Gürtel, und huschte dann, die Kapuze über den Kopf gezogen, die hölzerne Treppe empor. Da war schon der erste Eingang in die Insula. Er glitt in den dunklen Türbogen. Eine verschlossene Pforte versperrte ihm den Weg. Der Schlüssel passte. Mit einem leise scharrenden Geräusch liess er sich umdrehen. Einen Spalt weit öffnete Severus die Türe und glitt lautlos hinein in die Insula des Arbogastus.

  • Stockdunkel war's. Nach dem leisen Hall seiner Schritte her zu schliessen, war er in einem sehr grossen Raum. Severus wagte es nicht ein Licht zu entzünden, tastete sich ganz langsam an der Wand entlang. Der schwere, kupferige Geruch von Blut lag in der Luft. Wo war er hier gelandet? Seine Hand stiess gegen eine kalte, elastische Masse, die leicht hin und her zu schwingen begann. Totes Fleisch? Ein Erhängter? Der Germane musste heftig schlucken, und die Schauergeschichten, die er über Arbogastus, Geissel des Quirinal, gehört hatte, standen ihn auf einmal sehr lebhaft vor Augen.
    Mit dem Rücken zur Wand blieb er stehen und wartete bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Eine Reihe von Schemen zeichneten sich nun ab, an grossen Haken hingen sie von der Decke herunter. Der eine, den er angestossen hatte, schwankte noch immer ganz leicht hin und her, und der Haken knirschte leise dabei. Sonst war es ganz still. Nur dieses nervenaufreibende kleine Geräusch. Hin und her und hin und her...
    Langsam näherte der Germane sich wieder dem Objekt, besah es sich genauer. Rippen. Schultern. Schweineohren. Bloss Schweinehälften waren es, die hier von der Decke hingen, erkannte er mit einem erleichterten Aufatmen. Er war in einer Schlachterei.


    Vorsichtig ging er zwischen den toten Tieren hindurch, durchquerte den Raum, und sah einen Durchgang sich abzeichnen wo es etwas heller wurde. Leise und gewandt wie ein Wolf der chattischen Wälder schlich er weiter, erreichte dann den Innenhof der Insula. Gerade pfiff ein heftiger Windstoss durch den Hof, liess die Fensterläden klappern und riss Severus die Kaputze vom Kopf. Er huschte durch den Innenhof, auf einen grösseren Eingang zu, als er auf einmal aus dem Augenwinkel direkt neben sich eine Bewegung sah. In einer fliessenden Bewegung fuhr er herum und zog die Sica - und sah sich Auge in Auge mit einem borstigen fetten Schwein. Das Tier wackelte ein bisschen mit dem Rüssel als es ihn beschnüffelte, dann trollte es sich und marschierte mit schlackernden Ohren zu einem Verschlag unter den Arkaden am Rande des Innenhofes.
    Garm Grimm! Langsam ebbte der Schreck ab. Diese Schweine machten ihn noch ganz fertig!
    Jetzt erkannte er auch, dass sich da in dem Verschlag noch mehr von den Tieren aufhielten. Ihr warmer Mief zog unverkennbar zu ihm herüber. Die Kapuze wieder über den Kopf ziehend, strebte er weiter auf den Eingang da zu, hatte ihn fast erreicht als in dem Gang auf einmal Schritte laut wurden. Männerstimmen erklangen, ein schleifendes Geräusch dazu, und ein flackerndes Licht warf die verzerrte Schatten gebückter Gestalten an die Wände.


    Hastig fuhr Severus zurück, schlug den grauen Mantel um sich und presste sich hinter einem Mauervorsprung in den Schatten. Der Gang spuckte zwei Männer aus, einer von ihnen trug eine Öllampe, und zwischen sich zogen sie einen Dritten, dessen Beine schlaff über den Boden holperten.
    "Uuund hopp!", kommandierte der eine, dann wuchteten sie den leblosen Körper hoch, und warfen ihn über den Zaun hinweg in den Schweinekoben hinein. Quieken und Grunzen war zu hören, als die Schweine erwachten, ihre dunklen Leiber drängten sich um den Leichnam herum und verdeckten die Sicht auf das was da geschah. Doch ihr Schmatzen und Kauen war deutlich zu hören. Severus biß die Zähne zusammen und presste sich gegen die Mauer. Jetzt wusste er was ihm blühte wenn er hier versagte.
    "Tja...", sagte der mit der Öllampe lakonisch.
    "Wie hat der Dux das nur rausgefunden?", fragte der andere schleppend, und stützte sich grüblerisch auf den Zaun.
    "Der kann das riechen.", meinte der erste, "Der hat klipp-und-klar nen Riecher für Verrat. Sich kaufen zu lassen! Und auch noch von den Elefanten, diesen Halunken, diesen Möchtgerns. Hätten wir ihn nicht abgestochen hätten die das selbst gemacht. Reinen Tisch machen die hinter sich. Mach Dir kein Kopf."
    Er klopfte den anderen auf die Schulter, spuckte verächtlich in die Richtung des Kadavers, und wandte sich zum Gehen. Dabei fiel das Licht der Öllampe in seiner Hand über den Innenhof, entriß eine Regentonne dem Dunkeln, einen Handkarren, zertrampelten Boden, und streifte dann Severus, den die Worte über die Elefanten gerade ein wenig zum Nachdenken gebracht hatten. Mucksmäuschenstill stand er da, wie versteinert, eine Germanen-Statue aus grauem Stein. Und tatsächlich - die beiden gingen einfach an ihm vorbei. Einmal mehr Glück gehabt. Leise heftete der Germane sich an ihre Fersen, folgte in gebührendem Abstand dem Schein des Lichtes, von dem er hoffte, dass es ihn näher an sein Opfer heranführen würde - den Gang entlang, eine Treppe hinauf, und tiefer ins Innere der Insula.

  • Im zweiten Obergeschoss verlor er das Licht aus den Augen. In irgendeiner der vielen Wohnungen hier mussten die beiden Halsabschneider verschwunden sein. Langsam ging der Germane den Gang entlang, lauschte, überlegte, wo in diesem gigantischen Haus er als Bandenführer sich wohl einquartieren würde. Ganz oben? Aber da waren die Zimmer angeblich winzig und schäbig, hatte er mal gehört. Er war noch nie ganz oben in einer Insula gewesen. Oder im Zentrum, wo man seine Leute am besten um sich scharen konnte?
    Und dann geschah es. Wieder Schritte, die näherkamen. Severus wich zurück, suchte eine Abzweigung, doch der Gang ging schnurgerade hinter ihm weiter. Sackgasse. Er versuchte die nächste Tür zu öffnen - verschlossen. Und dann bog schon ein Mann um die Ecke, gross und breit auch er, mit einer Sica an der Seite und einem Windlicht in der Hand, das sein fleischiges, ein wenig einfältiges Gesicht von unten seltsam anstrahlte. Verdammt.


    "N' Abend.", grüsste der Kerl, und wollte schon vorübergehen. So viel Glück, dachte der Germane, kann ein Mensch doch gar nicht haben! - und nickte höflich zurück. Doch dann verharrte der Mann und betrachtete Severus genauer Das Windlicht blendete den Germanen, er blinzelte und erwiderte den Blick so harmlos er nur konnte.
    "Wer bist Du?", fragte mißtrauisch der andere.
    "Ja - kennst Du mich denn nicht?" Severus hob pikiert die Brauen, als wäre das ein Ding der Unmöglichkeit ihn nicht zu kennen.
    "Nein. Wie ist die Parole?"
    Der Germane zermarterte sich das Hirn wie er den Kerl lautlos beiseite schaffen könnte, und flunkerte drauf los, dabei mit der linken lebhaft gestikulierend um von der rechten abzulenken, die langsam die Sica zog.
    "Ich kenn nur die alte. Die ganz alte. War 'ne Weile weg, die Elefanten ausspionieren. Infiltrieren, Du weisst schon. Ham's mir leicht gemacht. Möchtegerns, pah!"
    Er spuckte verächtlich aus und lauerte auf den Moment zuzustossen. Doch der Argwohn des anderen schien tatsächlich nachzulassen. Dummkopf!
    "Und was planen sie?"
    "Naja... das is eigentlich für die Ohren des Dux bestimmt, Du verstehst sicher. Wo isser denn? Er muss es natürlich dringend erfahren."
    Severus beugte sich ein wenig vor, und sah seinem Gegenüber eindringlich in die leicht vorquellenden Augen.
    "So wie's aussieht" - er dämpfte verschwörerisch die Stimme - "haben sie nämlich einen Attentäter auf ihn angesetzt. Einen echten Profi."
    "Schon wieder.", stellte der andere fest, nicht ganz so beindruckt wie Severus sich das gewünscht hätte. "Komm, das solltest Du ihm wirklich selbst berichten."
    Und er setzte sich in Bewegung.


    Wenn man erst einmal mit dem Lügen angefangen hatte, stellte der Germane fest, war es auf einmal gar nicht mehr so schwer. Und auch wenn der Kerl nun wirklich nicht wie der Hellste wirkte, dünkte Severus sich ungeheuer durchtrieben heute, ja, schon beinahe so listenreich wie der Utgard-Loki....

  • "Arbogastus? Dux?"
    Sie standen in einem überreich und protzig ausgestatteten grossen Wohnraum, und Severus Führer durch die Insula pochte - mit ziemlich banger Miene - gegen eine massive Türe.
    "Er is mit seinem neuen Liebchen zusammen.", erklärte er mit einem Seitblick zu Severus. Eine Frau? Das verkomplizierte die Sache.
    "Aber die Nachricht, die ich ihm bringe, eilt!", betonte der Germane, und dachte beim Anblick der prunkvollen Möbel, der feudalen Teppiche und des glänzenden Geschirrs, das hier geschmacklos zusammengewürfelt herumstand, dass sich das Rauben und Morden in dieser Stadt wirklich zu lohnen schien... WIRKLICH zu lohnen! Mit dem Erlös für diesen ganzen Kram hier könnte man eine stattliche Gefolgschaft von Kriegern ausrüsten... die dann noch mehr rauben könnten... für eine noch grössere Gefolgschaft... für den Freiheitskampf in der Heimat natürlich...


    "Dux?! Es gibt Neuigkeiten von den Elefanten!"
    Ein ungnädiges, herrisches: "Reinkommen!" war das erste, was Severus von dem berüchtigten Bandenführer zu hören bekam. Sein Lotse fasste nach dem Türgriff, wandte ihm dabei den Rücken zu. Das war die Gelegenheit. Blitzschnell packte der Germane ihn von hinten, presste ihm die Hand auf den Mund, und donnerte ihm den Knauf der Sica mit bösartiger Wucht gegen die Schläfe.
    Der andere keuchte, seine Zähne gruben sich in Severus' Hand und seine Gliedmassen zuckten. Kurz kratzten seine Hände über das Holz, schienen einen Halt zu suchen, dann sackte er zusammen wie ein nasser Sack. Langsam liess der Germane ihn zu Boden gleiten. Er verzog kurz das Gesicht angesichts der roten Bisspuren an seiner Hand, und schwankte einen Herzschlag lang, ob es wirklich nötig war, den Mann abzustechen - war es wohl - doch bevor er zustossen konnte, schwang mit einem mal die schwere Schlafzimmertüre auf.


    Auf der Schwelle stand eine junge Frau, die nur ein dünnes Hemdchen trug, und eine Fülle schwarzen Haares, das weich um ihre schlanken Schultern fiel.
    "Was ist denn... AAAAAAAHHHHHH!!! "
    Mit schreckgeweiteten Augen wich sie vor dem mörderischen Germanen zurück. Der setzte nach und packte sie grob, doch da hatte sie schon einen gellenden Schrei ausgestossen. Schrill und alarmierend hallte er durch die Insula.
    Zu Hel! Jetzt musste es schnell gehen.

  • "Halt still.", knurrte Severus, und hielt die zappelnde Frau in eisernem Griff. Er zerrte sie mit sich in das Zimmer, stiess hinter sich die Türe mit dem Fuss zu, und fand sich in einem opulenten Schlafgemach. Stickig war es in dem Raum. Die Fensterläden waren geschlossen. Viele Öllampen brannten, und beleuchteten das breite Bett, wo zwischen zerwühlten Laken Arbogastus, Geissel des Quirinal, gerade eine Sica unter dem Kopfkissen hervorfischte. Es musste Arbogastus sein, die Visage war von oben bis unten zernarbt, genauso wie der Stabmann es beschrieben hatte. Kalt wandte er die kantigen Züge zu Severus, und schien durch dessen Auftritt nicht allzu sehr beunruhigt zu sein.
    "Ungebetener Besuch. Das schätze ich gar nicht."
    "Messer loslassen", befahl Severus, und setzte der Frau seine Sica an die Kehle, "oder ich schlitze deinem Liebchen die zarte Kehle auf."
    Doch unbeeindruckt stieg der Bandenführer aus dem Bett, und kam splitternackt und selbstsicher, die Waffe in der Hand, auf den Germanen zu. Verdammt! Eigentlich wollte er diese Drohung doch gar nicht wahrmachen.
    "Du Unhold!", kreischte die zitternde Frau - wobei Severus nicht wusste, ob sie ihn oder Arbogastus damit meinte - und brach ohnmächtig in seinen Armen zusammen. Puh! Er warf ihren zierlichen Körper seinem Gegner einfach entgegen, und schob, in dem dadurch gewonnenen Moment hastig den schweren Riegel an der Türe vor. Das würde die Kumpanen hoffentlich etwas aufhalten...


    Alles ging blitzschnell. Achtlos stiess Arbogastus den Körper der Frau zur Seite, und lies die Sica gegen Severus vorschnellen. Der duckte sich gewandt zur Seite. Ein harter Schlag - die Klinge drang in das Holz der Türe, und im selben Moment packte der Germane flink zu und umschloss Arbogastus Waffenhand. Mit einem Ruck riss er den Römer an sich heran, und stiess ihm das Schwert tief in den Wanst. Weich glitt die gebogene Klinge hinein, Severus drehte sie herum und spürte, wie sie dem Mann die Eingeweide zerfetzte.
    "Grüsse von den Elefanten."
    Röchelnd taumelte der Verwundete zurück, presste die Hand auf den Bauch und starrte ungläubig auf das hervorquellende Blut. Seine Waffe fiel zu Boden. Einen Augenblick noch hielt Argobastus sich an einem Pfosten des Bettes aufrecht, dann brach er, sich krümmend auf dem Boden zusammen.
    "Hurensohn...", keuchte er, "stichst mich ab wie ein Schwein... sei verflucht...."
    Hasserfüllt hefteten seine Augen sich auf den Germanen. Der trat zu ihm, wo bei er acht gab, nicht in die Blutspur zu treten, und sah triumphierend auf seine Beute hinab. Da lag das Wild, von ihm erlegt und zur Strecke gebracht.
    "Scheiß-Elefanten..... sag Longinus, diesem Lumpen, ich erwarte ihn im Tartaros... nur zu bald... das gibt Rache... damit kommt ihr nicht durch... das gibt Krieg...."
    "Ich richte es aus.", versprach der Germane und setzte dem Sterbenden die Klinge an die Kehle, zog durch, und versetzte ihm damit den Gnadenstoss. Ein Schwall von Blut ergoss sich auf den Boden, versickerte in dem dicken Teppich, der ihn bedeckte. Gleichmütig aber zügig säbelte Severus weiter, bis der Kopf vom Körper getrennt war. Den brauchte er noch.

  • Draussen ertönten Getrappel und Stimmen, und es wurde hektisch gegen die Türe gepocht. Schnell schlug Severus die grausige Trophäe in ein Tuch ein. Er öffnete den Ledersack auf seinem Rücken, zog ein Seil hervor, und verstaute dafür den Kopf darin. Dann stiess er die Fensterläden auf, sah hinaus auf die menschenleere Strasse tief unter ihm, und liess ein Seilende hinausfallen. Es rollte sich auf, reichte aber nicht ganz hinab. Das andere Ende knotete er gerade um einen massiven Schrank, als er urplötzlich eine Bewegung aus dem Augenwinkel sah. Instinktiv warf er sich zur Seite, so dass die Sica des Arbogastes, geschwungen von der jungen Frau, nur seine Brust ritzte, anstatt ihm zwischen die Rippen zu fahren, wie das wohl beabsichtigt gewesen war.
    "Schlampe!", fluchte Severus, als er den brennenden Schmerz spürte, rechts seitlich an der Brust, wo sie ihn erwischt hatte. Ein Riss klaffte in seiner Tunika, darunter hatte er einen ordentlich blutenden Schnitt davongetragen. Verdammt, sein Fehler, hätte er mal besser auf das Mädel geachtet. Still und leise mußte sie aus der Ohnmacht erwacht sein. Oder hatte sie die nur geheuchelt?
    Es wurde gegen die Türe gehämmert, dann stieß von Außen etwas schweres dagegen. Ein Riss zog sich durch das Holz. Schnell jetzt!
    Sica voran stürzte er sich auf die mutige - oder dumme - junge Frau. Hell stiessen die Klingen zusammen. Mit brutaler Kraft schlug er ihr die Waffe aus der Hand. Sie wich zurück, bis sie an die Wand stiess und nicht mehr weiter konnte.
    "Nein", flehte sie, "bitte nicht!", aber ohne Gnade holte er aus, wollte ein Ende machen. Sie hatte ihn angegriffen, da hatte er keine Skrupel mehr, und zudem war sie nur eine Römerin. Gross und dunkel waren die Augen in ihren blassen Gesicht. Die zarten Züge. Das dunkle Haar. Als würde sich ein Bild über das andere schieben, wandelte sich auf einmal ihr Gesicht. Nun sah ihm Arrecina entgegen, traurig und leer. Er starrte sie an, vollkommen erschüttert, und hielt inne. Die Sica sank herab. Arrecina...


    Das Bersten der Türe brach seine Starre. Männer strömten in den Raum, viel zu viele um sich den Weg freizukämpfen. Severus machte einen Satz zum Fenster, packte das Seil und schwang sich hinaus. Hand über Hand liess er sich hinuntergleiten. Ein Messer flog ganz dicht an ihm vorbei, ein anderes zerfetzte ihm den Umhang. Immer schneller rutschte er das Seil hinab, seine Handflächen glühten von den rauhen Fasern, und dann fiel er plötzlich - mit dem Seil, sie mussten es durchgeschnitten haben - und landete unsanft im Dreck des Gosse. Zum Glück war er nicht weit gefallen. Alles schien noch dran zu sein. Über sich sah er den Nachthimmel, über den schnell die Wolken trieben. In der Insula waren viele Fenster hell geworden, laute Rufe und Flüche ertönten. Natürlich verfolgten sie ihn. Severus rappelte sich auf und stürzte in die nächste Gasse hinein. Durch ein Gewirr von schmalen Strassen und Gässchen, Treppen und Höfen rannte er, auf seiner wilden Flucht, bis er schliesslich unter einer Brücke haltmachte und lauschte - keine Verfolger waren mehr zu hören.
    Er hatte es geschafft! Er hatte die Beute erjagt und zur Strecke gebracht. Wilde Freude erfüllte ihn. Arbogastus, Geissel des Quirinal war Geschichte, und wenn alles gut lief würde er schon bald ein reicher Mann sein. Vielleicht sogar bald wieder ein freier Mann... Mit einem Fetzen verband er sich den Schnitt an der Brust, klopfte sich den Dreck ab, wischte die Sica sauber, und rückte den Umhang so, dass er die Blutflecken verbarg. Dann machte er sich auf den Rückweg durch die schlafende Stadt.


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