Colloquium zum Examen Tertiam

  • Solangsam bekam es Stil einer Diskussion, was ich als Angenehm empfand. Während Alienus auf mich einredete, trank ich kurz einen Schluck von dem bereitgestellten Wasser und ließ beides, Informationen wie Wasser, in mich hineinplätschern. Was mich ärgerte war - er hatte größtenteils Recht. Ich setzte mein Glas fast gleichzeit mit der Beendung Alienus' Vortrages ab.
    "Ich muss dir wiedereinmal größtenteils Rechtgeben, da die Praxis doch wirklich wiedereinmal anders ist, als das was wir versuchen durch unsere Gedanken wiederzuspiegeln. Ich glaube in der Praxis gibt es keinen perfekten Kaiser. Denn seien wir mal ehrlich, immer hat irgendein Gebiet, die Verwaltung, das Militär, die Religion, der Senat und all die anderen irgendwas gegen den Kaiser, es gibt also nur Kaiser, die ihr bestes geben. In der Praxis sieht es ja wohl auch kaum so aus, dass sie irgendein Plebejer oder andere Menschen als Probatus in die Legion einsteigen, sich hocharbeiten und schließlich Kaiser werden. Auch ein Gang durch die Verwaltung ist doch gänzlich selten. Es zählt vielleicht das Amt vor der Berufung zum Kaiser, jedoch heißt ein hohes Amt nicht immer die gleiche Erfahrung. Ich kenne Centurionen, die älter und erfahrender sind als ich, aber trotzdem bin ich ihr Vorgesetzter. Angenommen - falls ich doch noch einmal kurz in die Theorie abgleiten darf um mein Beispiel zu verdeutlichen - du, Alienus, und der alte Centurio wären zur Auswahl als Kaiser. Wer von euch beiden würde den Ruf zum Kaiser erhalten? Meines Erachten nachs, eher du, Tribunus Angusticlavius, ein Rang höher als des Centurios und somit gefühlt mächtiger - allerdings mächtiger ungleich erfahrener. Um diese Theorie wieder in die Praxis zu setzen so sieht es doch so aus, dass der Kaiser zum Beispiel - und ich sage zum Beispiel, denn ich halte unseren Kaiser für sehr fähig - ein unfähiger sein kann, der nur durch gute Beziehungen auf höhere Posten gekommen ist und sich mit dem Praetorianerpraefekt angefreundet hat und schließlich als Kaiser ausgerufen wird, sitzt nun auf dem Kaiserstuhl. Die eigentlich erfahreneren Personen, die es vielleicht mehr verdient hatten Kaiser zu werden, bleiben auf ihren Posten, wie im Militär "nur" Legatus Augusti oder andere höhere verwaltungstechnische Ämter. Was ich damit sagen will, ist, dass wir nicht immer nur auf den Kaiser schauen sollten, sondern auch um die Ecke denken und den Kaiser von hinten beleuchten. Daraus lässt sich ja wiederum schlussfolgern, dass ein Kaiser nicht gleich ein Kaiser sein muss, wie er Kaiser ist. Vielleicht ist der Kaiser auch nur ein Titel und auch nur eine Figur, die selbst nicht die Fäden zieht. Der Kaiser ist vielleicht nur die Puppe, und die Fädenzieher das eigentliche Militär und seine Berater. Es verteilt sich schließlich auf soviele Strippen, dass der Kaiser fast gar nicht mehr zu lenken ist, sondern eigentlich jeder Bürge ein Teil des Kaisersreich führt und der Kaiser selbst nur der Gott zu anjubeln ist. Es gibt nur selten so mächtige Kaiser, die diese Fäden durchtrennen können und mit eiserner Hand ihren Willen durch setzen können. Oder sehe ich falsch, dass der Senat keinen Einfluss auf den Kaiser hat? Und sind wir ehrlich, so ist es doch so, dass, wenn eine Kaiser die Fäden durchtrennen kann, ist er meistens verrückt. Ich denke hierbei an Caligula, der ja ein Pferd die Konsulenwürde verleihen wollte. Wenn wir also vom dem Kaiser aus der Verwaltung sprechen, so mag es zwar durch aus sein, dass er zwar Erfahrung auf diesem Gebiet hat, so ist es jedoch schwer für ihn direkt in das Geschehen "dort unten" einzugreifen. Vielleicht sitzt er ja auch in einem goldenen Käfig. Vielleicht es doch wahr, dass Rom siegt. Rom - und nicht der Kaiser."
    Ich setzte leise ab, und hörte mir meine Rede noch einmal in Zeitraffer an. Einige Schwachstellen, sowie innere Gegensätze konnte ich noch erkennen, die vielleicht doch besser wiedereinmal ausradiert hätte sollen, aber jetzt war es mal wieder zu spät. Vielleicht war es ganz gut, dann hatten wenigstens die anderen einen Punkt, um die Diskussion fort zu führen.

  • Balbus hatte bisher geschwiegen, wollte er doch erstmal hören, was die beiden Tribune zu dem Thema dachten. Wie erwartet kamen von ihnen die üblichen Worte, das ein perfekter Kaiser beides können sollte und ähnlicher Mumpitz. Als beide eine kurze Pause machten, meldete er sich dann zu Wort.


    "Ich bin der Meinung, das es irrelevant ist, ob ein Mann, der zum Kaiser akklamiert wird, eine militärische oder eine zivile Karriere hinter sich hat. Wie ihr beide schon sagtet, kann beides sicherlich vorteilhaft sein, aber beides kann sich auch nachteilig auswirken." begann er.


    "Egal ob der zu akklamierende Kaiser zuvor sein halbe Leben in einem Castell oder in einem Verwaltungsgebäude verbracht hat, solange er es nicht schafft durch seine Persönlichkeit, sein Charisma, die Massen zu begeistern wird er nicht lange an der Macht bleiben.
    Der Faktor, der entscheidend ist für die Dauerhaftigkeit einer kaiserlichen Regentschaft ist sicherlich nicht die Frage, ob ein Kaiser früher auf Feldbetten oder auf Seidenlaken geschlafen hat, sondern lediglich die, ob er es schafft das Volk für sich zu gewinnen.
    Natürlich sind die Legionen ein wichtiges Instrument der Machtausübung, doch gilt dies lediglich ausserhalb Roms. Und dort befindet sich ein Kaiser in der Regel nunmal nicht, sondern er befindet sich in der Regel in Rom auf dem Palatin."
    Das wusste Balbus ziemlich genau, schliesslich hatte er dort oft genug mit dem amtierenden Kaiser gesprochen.


    "Wenn wir schon darüber sprechen, inwiefern eine Bindung zum Militär vorhanden sein sollte, so finde ich sollten wir das realistisch tun. Legionen folgen selten jemandem der sie einfach nur ein paar Jahre als Offizier begleitet hat, sondern eigentlich immer demjenigen der sie bezahlt. Und um die Legionen zu bezahlen, braucht ein Kaiser Rom und das Volk, den von dort kommt das Geld das man den Legionen geben kann."
    Und das das Volk Roms nur deshalb so bereitwillig dem Charisma eines Kaisers erlag, war ganz allein das Werk der Praetorianer, denn die wahren viel loyaler als die Legionen, doch das erwähnte er natürlich nicht. ;)

  • Hätte Balbus seinen letzten Gedanken erwähnt, dann wäre er sicherlich auch auf Widerstand getroffen. Aber so sagte Alienus dazu nichts, er dachte es nicht einmal...


    Die Legionen folgen eben nicht stumpf nur demjenigen, der sie bezahlt. Sonst hätte Vespasian niemals so schnell gegen Vitellius siegen können, dieser wurde nämlich von den Donaulegionen besiegt, die sich vollkommen freiwillig Vespasian untergeordnet hatten.
    Dieses Beispiel zeigt doch deutlich, dass zumindest in Zeiten der Krise nicht nur der finanzkräftige siegt, sondern vor allem auch der Erfahrene, dem die Truppen den Sieg und die Herrschaft deutlich eher zutrauen.


    Sicherlich spielt das Charisma eines Herrschers bei der Herrschaftsausübung über die Stadt Rom eine große Rolle, aber der Kaiser braucht sehr wohl die Legionen auf seiner Seite. Und das ist nicht zwangsläufig der Fall, nur weil er sie bezahlt.


    Nehmen wir nun einmal an, der Kaiser verlässt Rom, um in Parthien zu kämpfen, was macht er denn dann, wenn er keine Ahnung von militärischen Dingen hat und der Feldzug eine Katastrophe wird? Bleibt die Lage in den anderen Legionen dann ruhig, nur weil sie trotzd der Niederlage ihren Lohn erhalten und der Kaiser unglaublich Charismatisch ist? Das würde ich ganz klar verneinen!


    Es spielt sehr wohl eine Rolle, auch innerhalb Roms. Denn auch die Ordnung in der Stadt hängt davon ab, ob es einen starken oder einen schwachen Kaiser gibt. Ein Kaiser, der Zeit seines Lebens auf Rosen gebettet durchs Leben gewandelt ist, gilt als Schwach und die Ordnung geht zu einem Teil verloren. Das kann man mit Brot und Spielen ausgleichen, aber ein soldatischer Kaiser der vielleicht schon den ein oder anderen Erfolg vorweisen kann, wirkt doch deutlich gefestigter und die Stimmung in der Bevölkerung ist automatisch besser.


    Alles was der Kaiser ist, beeinflusst auch Rom und das Imperium. Deswegen ist es sehr wohl wichtig, was er ist!


    Hm, hatte er wirklich alles so gesagt, wie er wollte? Na egal, er trank erstmal einen Schluck Wassser.

  • Da Gedanken bekanntlich frei waren, erfreute sich Balbus an seinen letzten Gedanken und spielte sogar kurz mit dem Gedanken sie sich einzurahmen.


    "Ich glaube nicht, dass die Donaulegionen sich Vespasian angeschlossen haben, nur weil er jemand war, der bereits militärische Erfahrung hatte. Ich denke, dass da viel pragmatischere Gedanken eine Rolle spielten. Sie sahen, dass Vitellus keine wirkliche Chance gegen den anrückenden Vespasian hatten und schlossen sich dann dem vermuteten Sieger an. Also jenem, der auch in Zukunft ihren Sold sichern würde."


    Balbus hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass Soldaten selten idealistisch waren und einem Mann folgten weil sie seine Ideen für richtig hielten. Meist waren es monetäre Gründe die die Loyalitäten der Männer steuerten.


    "Um das aktuelle Beispiel auch noch aufzugreifen. Wenn der Kaiser nach Parthien zieht, zieht er nicht allein. Er zieht mit Beratern, sowohl zivilen als auch militärischen und mehreren erfahrenen Feldherren. Selbst ein militärisch unbegabter Mann kann unter solchen Umständen siegreich sein, sofern er auf seine Berater hört."

  • Alienus zuckte kurz mit der Augenbraue.


    Die Frage warum sich die Donaulegionen nun tatsächlich endgültig Vespasian zuwandten werden wir nicht beantworten können, aber ich gebe zu bedenken, dass der zweite Teil deiner Antwort bereits den ersten Teil teilweise aufhebt. Vitellius verfügte immerhin über die militärische Macht der Rheinlegionen die vorher bereits Othos Truppen geschlagen hatten. Es war also keineswegs von vornherein klar, dass Vespasian gewinnen würde und dieser dann ihren Sold bezahlen würde.


    In einem Feldlager lässt sich, vor allem vor den Offizieren, aber kaum verheimlichen, dass der Kaiser keine Ahnung hat, was in diesem aktuellen Fall nicht der Fall ist, so dass die Offiziere mit Sicherheit die Situation ausnutzen würden, um ihre eigene Macht zu stärken, was wiederum eine Schwächung des Kaisers wäre. Dies würde sich mit Sicherheit auch auf die nachfolgende Zeit zurück in Rom auswirken, denn der Kaiser wäre nunmehr ein schwacher Kaiser.


    Also auch in diesem Fall kann die militärische Erfahrung eines Mannes sein Wirken als Kaiser maßgeblich mitbestimmen.

  • "Vespasian kam ja nicht allein auf seinem Pferd an der Donau vorbeigeritten, sondern er brachte Truppen mit. Und ich denke, dass daraus schon erkennbar war, dass er siegreich sein würde. Und bedenke, dass auch Vitellius nicht unbedingt militärisch unerfahren war, daher kann man nicht sagen, dass Vespasians Sieg nur durch Erfahrung bedingt war."


    Was jetzt an einem schwachen Kaiser schlimm war, war ihm noch nicht klar. Auch ein schwacher Kaiser konnte ein guter Kaiser sein.


    "Offiziere versuchen immer ihren eigenen Vorteil zu forcieren, das ist unabhängig von der Stärke des Kaisers."

  • Vespasian kam nicht an der Donau vorbei als die Truppen rebellierten, er war sogar noch ziemlich weit weg. Die Truppen marschierten weit vor ihm nach Italien ein.


    Der Versuch jedes einzelnen sich mehr Macht zu verschaffen liegt in der Natur des Menschen, aber wenn zuviele Menschen zu stark danach streben, kann das eine Gefahr für den Staat sein. Deswegen ist es wichtig, die genannten Elemente im Zaum zu halten und sie indirekt zu kontrollieren!

  • "Diejenigen, die nach Macht streben kontrollieren sich in der Regel gegenseitig im ausreichenden Masse. Da niemand einen anderen mächtiger sehen will als sich selbst, wird jeder dafür Sorge tragen, dass die anderen möglichst ohnmächtig bleiben. Dem Kaiser wird daraus in den seltensten Fällen eine Gefahr entstehen. Und selbst wenn, so gibt es immer loyale Männer auf die er sich verlassen kann und die die Probleme aus der Welt schaffen."

  • Ziemlich spät wurd die Diskussion etwas angeregter, doch trotzdem musste ich ein wenig auf die Zeitvorgabe achten....


    "Meine Herren, bevor ich dies Diskussion schliesse möchte ich jeden nochmal die Möglichkeiten eines kurzen Schlusssatzes geben!"


    Jeder der drei Herren würde jetzt nochmal das Wort erhalten, ob man was sagen wollte oder nicht, blieb ihnen überlassen.

  • Alienus räusperte sich kurz.


    Ich würde sagen in dieser Diskussion haben wir alle nocheinmal erkannt, wie schwer es ist, über ein so komplexes Thema in so kurzer Zeit wirklich vernünftig diskutieren zu können.
    Das Thema an sich wurde von vielen Seiten beleuchtet und ich persönlich komme zu dem Ergebnis, dass es extrem von äußeren Faktoren abhängt, zusätzlich zu den Fähigkeiten die ein Kaiser mitbringt, ob die Regierungszeit eines Kaisers als Erfolg oder als Fehlschlag gewertet werden kann. Die persönlichen Fähigkeiten spielen natürlich eine große Rolle, aber sollten sich die Götter zum Zeitpunkt seiner Herrschaft gegen das Imperium verschworen haben, so ist er selbst als perfekt ausgebildeter Redner und Militär fast machtlos.
    Also kann aus meiner Sicht die Ausgangsfrage nicht klar beantwortet werden, sie muss offen bleiben.

  • Während die andern beiden diskutierten verhielt ich mich so, wie es Balbus noch kurz davor getan hatte. Meine Versuche etwas einzuwerfen wurden meist schon durch den nächsten Redeschwall abgewürgt. Ich empfand diese Diskussion als interessant, aber konnte mich selbst nicht auf eine eindeutige Meinung mit mir selbst einigen. Schließlich war die Zeit fast abgelaufen. Nachdem Alienus ein Schlusswort gesagt hatte fühlte ich mich, als ob ich jetzt an der Reihe wäre. Ich trank kurz einen Schluck Wasser, fasste einen klaren Gedanken, und erhob dann die Stimme.
    "Quod dixit, dixit."
    meinte ich lakonisch. Ich hatte gesagt, was ich sagen wollte. Dem war natürlich noch etwas hinzuzufügen, allerdings hielt ich es für falsch mich nochmal in den heißen Brei hineinzureden.


    edit:
    Was ich gesagt habe, habe ich gesagt (für alle Nicht-Lateiner.) [SIZE=7]In Anlehnung an Pontius Pilatus' 'Quod scripsit, scripsit'.[/SIZE]


    Sim-Off:

    Tut mir Leid, wegen der Kurz Antwort, aber ich hab viel zu tun. War aber eine wirklich interessante Diskussion. :dafuer:

  • Ich nickte dem Legaten zu und erhob mich dann vom Stuhl und streckte die Hand zu meinen Diskussionspartnern. "Es war doch eine ganz interessante Diskussion.", sagte ich annerkennend zu beiden. "Eventuell kann man die Chance ja nochmal ergreifen.", grinste ich. Ich trank noch mein Glas Wasser leer, man wollte ja nichts verschwenden, bevor ich mich dann von den anderen verabschiedet mit der Entschuldigung noch ein paar Milites über den Platz scheuchen zu müssen, denn sonst wäre ich gerne noch auf einen Sprung in die Taverne. Aber es war eh schon spät, und es waren alles höhere Offizier, die bestimmt etwas besseres zu tun hatten. Besonders Balbus, war er doch noch nicht mal hier stationiert, sondern musste noch nach Confluentes zurück.

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