= Die nackte Wahrheit
Es war später Nachmittag, als ich mich schlussendlich aus dem Bett quälte. Mein Kopf dröhnte trotz der guten Qualität des Weines vom Vorabend. Feuchtfröhlich waren die Meditrinalia zu Ende gegangen. Wann, wusste ich nicht mehr. Und wo auch nicht. Und schon gar nicht, wie ich hierher gekommen war. Kurz vor Mittag nämlich war ich in meinem Zimmer aufgewacht, hatte mich übergeben und dann selig weitergeschlummert. Bona Dea, dieses Exzess-Saufen war nichts für mich, definitiv. Wie hielten das nur diejenigen aus, die mehrmals die Woche zu Gastmählern und Orgien geladen waren? Käsig und schwindelnd setzte ich mich auf. Irgendwer hatte die Fenster weit geöffnet und das Erbrochene fortgeräumt. Vermutlich der gleiche Jemand hatte mich meiner toga entledigt. Mit einer an der Schläfe pochenden Ader sah ich mich im Raum um. Herrje, war das hell hier drinnen! Ich zog eine Grimasse und stand dann auf, um die Vorhänge zuzuziehen. Das heißt, ich wollte es, aber als ich stand, schwankte ich schwächlich wie eine kleine Jolle bei rauher See. Miesepetrig setzte ich mich wieder. Dann kam mir ein Einfall.
"He", brüllte ich und bereute den lauten Ruf im gleichen Moment. Als der Schmerz hinter der Stirn allmählich wieder gemächliche Gedanken zuließ, bemerkte ich Sofia, die den Kopf zur Tür hereingesteckt hatte. "Oh, dominus, du bist wach, das ist ja prima. Möchtest du etwas trinken oder essen oder soll ich-" plapperte sie in ihrer nervtötenden Art und Weise. Zumindest, bis ich sie unterbrach, indem ich entnervt ein einziges Wort knurrte und gleichzeitig mit der Hand wedelte. "Cadhla." Sofia blinzelte, gehorchte aber wortlos. Ich ließ mich, auf dem Bett sitzend, zur Seite kippen wie ein gefällter Baumstamm.
Anderenorts
Sofia hastete um die nächste Ecke und prallte dabei fast mit Alexandros zusammen, der sich tierisch erschreckte. "Ach Gottchen, hast du mich erschreckt!" "Entschuldige, Drossi, war keine Absicht. Der Herr ist von den Toten auferstanden und will Cadhla sehen. Weißt du, wo sie steckt?" "Hm, Momentchen... Mal überlegen. Vorhin hat sie Niki geholfen. Vielleicht versuchst du es mal in der culina? Sonst hab ich keine Ahnung." "Na gut. Danke! ....übrigens, was hast du da an?" "Das? Ach schau, du bist die erste, der es auffällt! Ich hab's selbst genäht, aus Stoffresten von Sisennas neuer tunica... Gefällt's dir?" "Uh...äh...öh....hm. Najaaa..." machte Sofia und beäugte das äußerst maskulin wirkende, roséfarbene Kleidungsstück mit ungeschickter, fliederfarbener Stickerei. "Weißt du...ich muss los. Er hat eh schon schlechte Laune..." rettete sie sich und huschte davon. Zurück blieb ein enttäuschter Alexandros.
"Cadhla! Da bist du ja!" rief Sofia schließlich, als sie die Angesprochene gefunden hatte. "Der dominus ist wach und wünscht dich zu sehen. Am besten nimmst du einen Krug Wasser mit und eine leichte Mahlzeit. Er hat zwar nichts gesagt, aber 'gut' sieht anders aus", teilte sie der Mitsklavin mit und grinste breit.