Ich hatte lange hin und her überlegt. Da war mein Neffe doch tatsächlich entgegen seiner eigenen Befürchtungen gewählt worden. Nicht, dass ich selbst daran Zweifel gehegt hatte - nicht nach dem, was ich über seine Rede in Erfahrung gebracht hatte, und auch nicht nach meiner eigenen Einschätzung seines Ehrgeizes oder nach unserem Streitgespräch vor rund zwei Wochen. Die Frage war nun, wie man ihn am besten Unterstützen konnte - wie ich ihn am besten würde unterstützen können, ohne ihm das Gefühl zu geben, ich traute ihm keine eigenständige Arbeit zu. Nach langem Grübeln war mir schließlich eine Idee gekommen, doch sie umzusetzen, bedeutete auch, mich den Anschuldigungen zu stellen, die er vorgebracht hatte.
Tatsache war, dass nach dem gestrigen Tag, an dem Deandra mich besucht hatte und der alles andere als angenehm ausgeklungen war, es mir wie eine Kleinigkeit vorkam, ruhig und besonnen mit Ursus zu reden. und zwar ganz gleich, was er mir auch im die Ohren geschlagen hatte. Ich fühlte mich ausgebrannt, ausgelaugt und gefühlstaub, also insgesamt eine prima Voraussetzung für ein Gespräch, in dessen Verlauf ich Ruhe bewahren und Vorwürfe an mir abprallen lassen musste - es war schlicht keine Wut mehr in mir, die zur Eruption gebracht werden konnte.
Nach der morgendlichen salutatio begab ich mich also zu dem Zimmer, dass zu Ursus' officium umfunktioniert worden war. Ich wies meinen Begleiter an, vor der Tür zu warten. Dann klopfte ich und trat nach kurzer Wartezeit ein. "Guten Morgen. Hast du einen Moment?" fragte ich meinen Neffen und setzte mich bereits, ohne darauf zu warten, ob er den Moment Zeit für mich erübrigen würde oder nicht. "Ich gratuliere dir zu deiner erfolgreichen Wahl, Titus", begann ich und legte zwei Wachstafeln samt darauf ruhendem Lederbeutel vor mir auf den Schreibtisch. Aufmerksam suchte ich in Ursus' Antlitz nach einer Reaktion, die verriet, was er dachte.