Ausdruckslos musterte ich meinen Neffen. "Du hast ihn nicht nun, du hattest ihn immer. Und selbst die aktuellen Unterlagen hätte ich dir ohne zu zögern zum Einlesen gegeben, hättest du nur einmal konkret danach gefragt, Titus, so wie du mich nun zum ersten Mal konkret um etwas bittest: Ich lasse es dich wissen, wenn ich Nachricht von Sardinia erhalte. Die Betriebe unserer Familie befinden sich nahe unseres Landsitzes dort, der vilicus kümmert sich gleichzeitig um das Haus, welches ja die meiste Zeit des Jahres leersteht", sagte ich. An dieser Stelle überging ich nun zum vierten oder fünften Mal eben jene Frage, deren Antwort Ursus unter den Nägeln zu brennen schien, weshalb auch immer.
"Du findest Abschriften sämtlicher Korrespondenz älterer Jahrgänge in der Bibliothek, die aktuellen Schreiben lagern in meinem, beziehungsweise Appius' Arbeitszimmer. Ich verstehe dich sogar sehr gut, Titus, nur ist dies das erste Mal, dass du mir konkrete Dinge nennst, in die ich dir Einsicht gewähren oder Erklärungen liefern soll. Dir fällt sicherlich gerade auf, dass ich nicht mit diesen Informationen hinter dem Berg halte, denn in der Tat hast du als Mitglied dieser Familie ein Recht darauf, über solche Dinge bescheid zu wissen. Einzig mit deinen Forderungen, mitwirken zu dürfen, konnte ich nichts anfangen, da weder ich noch - so scheint es mir - du wusstest, was genau du wolltest. Mit einer klaren Bitte indes kann ich etwas anfangen." Und das stimmte so. Ich mochte Ursus zwar nicht allzu viel zutrauen - noch nicht - doch als Aurelier und als mein Neffe insbesonders sollte er durchaus Zugang haben zu den Familienangelegenheiten.
Endlich verstand ich auch, warum Ursus zeitweilig diesen Zorn in sich spürte, den er an mir ausließ. Ich zog einen Mundwinkel nach oben. "Du hast nie den Anschluss verloren. Rede dir das nur nicht ein. Es ist eben so, dass alles anders wird, wenn jemand über den Styx fährt, der einem wichtig war. ....ich weiß, wovon ich rede." Das wusste ich in der Tat. Immerhin hatten der Tod meiner Mutter und der Freitod meines Vaters mich ebenso heruntergezogen und ähnliche Gefühle in mir ausgelöst. Ich schüttelte den Kopf. "Du sollst auch nicht eigenmächtig irgendwo einbrechen, das erwartet auch niemand von dir. Du besitzt natürlich Befugnisse, Titus, aber ungefragt die Arbeit anderer erledigen oder es mit geringem Kenntnisstand zumindest zu versuchen, ist auch nicht das, was ich mir wünsche. Wenn du konkrete Fragen hast, dann frage. So, wie du das eben getan hast. Ich bin der Letzte, der dir dann eine Erklärung verwehrt, und ich denke, Appius sieht das genauso."
Ich seufzte. "Und mein Bild von dir ändert sich beständig. Glaube nur nicht, dass dein Handeln unbemerkt bleibt oder nichts bewirkt. Im Endeffekt kann ich selbst nur hoffen, dass dieser Umstand auf Gegenseitigkeit beruht."