Gen Partia und wieder zurück - ein Reisebericht

  • Ein Bündel zusammengerollter Papyri, eingeschlagen in eine robuste Lederhülle, befindet sich im
    Gepäck der Iulia Helena, und so manches jener Papyri ist bereits sorgsam von ihrer Schrift bedeckt.
    Indes, man sieht sie bisweilen vor ihrem Zelt sitzend, um Dinge zu notieren, und die meisten scheinen
    wohl zu glauben und zu ahnen, dass sie eine reichhaltige Korrespondenz mit Verwandten
    und Freunden pflegt, doch ist dies ein Trugschluss, den sie keinesfalls aufklärt, um ihre literarischen
    Ambitionen nicht an eine allzu große Glocke zu hängen. Doch wächst das Schriftstück im Gesamten
    Tag um Tag, immer wieder wird etwas hinzugefügt, etwas altes korrigiert, eine Formulierung
    verbessert, um einen gesamten Eindruck einer außergewöhnlichen Reise wiederzugeben, die
    wohl für eine Frau nicht alltäglich sein dürfte, nicht einmal für viele Männer des römischen Imperiums.
    Allein Xamander, der treue griechische Sklave mit dem Hang zum 'organisieren' vieler
    nützlicher Dinge, weiß um die Beschäftigung seiner Herrin und schweigt darüber ihrem
    Wunsch gemäß, und so wird er auch stets versuchen, sie vor neugierigem Besuch zu
    schützen, sobald sie wieder schreibt.

  • Proömium


    I. O ihr Musen, welche ihr mich selbst in diese ferne und unwirtliche Gegend geleitetet, o Minerva, die mir gestattete, die Worte wohl zu wählen, welche nun diese Zeilen schmücken, o Apollon, Du Herr der schönen Künste, dessen Strahlen mir auch die dunkelsten Stunden noch erhellen will - euch will ich danken, dass diese Worte sich finden, dass meine Erinnerung sich niederlegt auf den Papyrus, um von Heldentaten zu künden, großen und besonderen Taten, aber auch den Dingen, die sich unter den Menschen ereignen, welche ausgezogen waren, um einen Krieg zu führen, der gerechter nicht sein könnte.


    II. Auch wenn Zeitgenossen behaupten werden, es sei nicht an einer Frau, die Erinnerung an einen Feldzug niederzuschreiben, so will ich jenen doch entgegenhalten, dass eine Frau wie auch jeder Mann stets Schlachten zu schlagen hat, um ihrem Weg zu folgen, auch wenn sich diese selten mit einer Waffe in der Hand gestalten - so weiss auch eine Frau um die Bedeutung des Mutes und der unablässigen Bereitschaft, sich für andere zu opfern, Kraft zu spenden, wo sie gebraucht wird, und stark zu sein, um anderen als Vorbild zu dienen. Erinnert euch, o ihr Zauderer, nur gut an eure Mütter und die Dinge, die sie für euch taten, so werdet ihr vielleicht erkennen, dass auch die Sicht einer Frau auf einen Krieg klar und eindeutig sein kann.


    III. Warum also, so fragst Du Dich sicher, du mein werter Leser - oder Du, meine werte Leserin, denn glücklicherweise ist das Interesse an Literatur nicht allein den Männern mehr vorbehalten - ist dies Werk entstanden, und worauf darf man bei der Lektüre hoffen? Der Augenblick einer Gefahr, ausgelöst durch Brandpfeile von den Bögen verborgen stehender Parther, welche mich umtosten wie auch die tapferen Mannen der legio I. Traiana Fidelis, ließ mir den Wunsch erwachen, jenen Augenblick für die Ewigkeit festzuhalten, ist es doch bisweilen schwer, sich an Dinge zu erinnern, die einen mit den Jahren entgleiten. Einstmals sollen meine Kinder lesen können, was ich erlebt habe, und mit mir so viele tapfere Römer, die für den Frieden des Reiches auch ihr Leben opferten, ein Gedenkstein in Form literarischen Andenkens soll hier gelegt werden, auf dass keiner vergessen werde.


    IV. So entschuldige, mein Leser, meine Leserin, dass ich nicht den gedrechselten Stil der hochedlen Männer pflege, die sich einst zur Aufgabe machten, kunstvoll und mit vielen Worten Geschehenes zu umschreiben, ich will berichten, wie der Krieg und der Kampf wahrhaftig sind, und oft genug hat dies wenig mit Eleganz und geplanter Schönheit zu tun. Mögen mir die Musen beistehen, bis das Werk vollendet ist, auf dass meine wenigen Worte durch den göttlichen Einfluss vervollkommnet werden und ich jenes hohe Ziel erreiche, welches ich mir gewählt habe - möge der Fluss der Worte niemals austrocknen, und der Reigen der Beschreibung niemals enden.


    V. Gewidmet sei dieses Werk zuvorderst unserem Imperator Lucius Ulpius Iulianus, dessen Strahlen den Truppen voranzieht, und auch den einfachsten Soldaten noch zu erfüllen weiß - selten habe ich mehr Überzeugung aus den Reihen der Soldaten vernommen, wenn sie ihm zujubelten, und ebenso schmerzlich wird seine Gegenwart wohl auch während der Dauer des Kriegszuges in Rom vermisst worden sein. Doch auch meinem geliebten Ahn, Caius Iulius Caesar, von allen guten Männern des Imperiums der herausragendste in Stellung, Verdiensten und Andenken, sei dieses Werk zugedacht, welches doch niemals wird vollends erfassen können, was seine Taten uns bedeuten.


    VI. So will ich denn dem schnellen Fortschreiten der Ereignisse Rechnung tragen, und meinen Bericht des Geschehens dort beginnen, wo er mir am sinnigsten erscheint - auf dem Wege nach Parthia, behütet durch die sichere Hand des Neptun.

  • Liber I


    I. Wie launisch ist doch das Meer - so singen es uns die Dichter, vom legendären Zorn des Neptun berichten sie uns, und doch scheint es, als sei das Unternehmen jenes sagenhaften Feldzugs geradewegs durch eben jene Laune begünstigt worden: Die Schiffe, welche den langen Weg von Italia angetreten hatten, um gen Osten zu segeln, mit vielen Hoffnungen und Träumen an Bord, verkörpert durch die vorzüglichen Männer, die als Soldaten und Offiziere die Werte unseres Reiches hochhalten, reisten ohne von Stürmen oder Unwettern gehindert zu werden. Stolze Schiffe waren es, wie die "Saltatrix de Ravennae" oder die "Accipiter", die jenen Männern Raum gaben, die unseren Feldzug noch entscheidend prägen würden, ohne Ahnung ob ihrer freilich erst in der Zukunft erfolgenden Taten, ohne Zorn und ohne krankhaften Eifer. Nartürlich war die Seefahrt nicht eines jeden Mannes Freude, und so mancher musste den morgendlichen puls auch gleich den Fischen füttern, doch reagieren die stärksten Männer auf die See sehr unterschiedlich, und nicht jedem liegt der Wellengang gleichermaßen - in sofern ist dies kaum als wahrhaftige Schande zu betrachten.


    II. Gerade die lange Zeit der Überfahrt wurde in der legio auf das interessanteste genutzt - immerhin lernt man recht früh, sich mit Gegebenheiten abzufinden, und aus den Möglichkeiten das Beste herauszuholen. So schärft die legio die Sinne eines jeden Mannes und sorgt dafür, dass Knaben endgültig den Schritt zur Mannwerdung tun, wie sie es vor den Augen der Welt unlängst hinter sich gebracht haben. Der Befehl des centurio Flavius Aristides führte dazu, dass der junge probatus Decimus Serapio den Mast der "Saltatrix de Ravennae" erklomm, und um ein Haar wohl auf ewig dort oben geblieben wäre - indes, in jedem Mann steckt ein mutiger Held, und so gelang es diesem jungen Manne, sich nach der Weisung eines Matrosen am Achterstag wieder hinab zu lassen. Sich in einem Augenblick der Schwäche zu ergeben, ist wohl für einen jeden Menschen verständlich, und sehr viel entscheidender ist es, diese Schwäche zu überwinden. Dass dieses Potential vorhanden ist, hatte jener junge probatus bewiesen, und empfing darob auch den gerechten Lohn in Form eines Übungskampfes mit seinem centurio.


    III. Um den Soldaten während der Untätigkeit eine weitere Möglichkeit zu geben, sich gewinnbringend zu betätigen, wurde auf die Empfehlung des praefectus castrorum Matinius Plautius erin Spiel eingeführt, das den eigentümlichen Namen 'Rumpelstumpf' trägt - beim Rumpelstumpf handelt es sich um ein einigermaßen gerundetes Stück Holz mit dem Durchmesser von zwei bis drei Handbreit, mit etwa einem Schritt Höhe, welches eingefettet wird und dadurch ausgesprochen schwer zu greifen sein soll, wie man mir berichtete. Im Großen und Ganzen erstreckte sich dieses Spiel darauf, dass zwei Mannschaften versuchten, den Rumpelstumpf zu einem Signalmann zu bringen, um einen Punkt zu erzielen, die Mannschaft mit den meisten Punkten war die siegreiche.


    IV. Ob sich dieser Sport jemals in Roma durchsetzen würde, erscheint mir zweifelhaft, immerhin ist es recht unwahrscheinlich, dass dabei jemand zu Tode kommt, und die meisten Spiele profitieren doch von jenem Hauch der Lebensgefahr, in welcher die Teilnehmer beständig schweben. Es wurde von den Legionären begeistert gespielt, versprach es doch Abwechslung, und wenn man bedenkt, dass die Legionäre auf dem Schiff der ersten Centurie der ersten Kohorte der legio I. Traiana Pia Fidelis zur Abwechslung von ihrem tribunus laticlavius Tiberius Vitamalacus auf die Ruderbänke geschickt wurden, erscheint es mir nicht erstaunlich, dass man ein Spiel wie Rumpelstumpf dem Ruderdienst vorzieht.


    V. Das Flaggschiff der Flotte, auf welchem unser hochgeschätzter imperator Lucius Ulpius Iulianus weilte, hatte derartige Abwechslung nicht aufzuweisen, doch befanden sich dort auch deutlich mehr Mitglieder des Hofstaats, welche selbst auf der Reise mit den notwendigen Verwaltungsaufgaben des Reiches beschäftigt waren, sodass es gar nicht notwendig wurde, eine Beschäftigung zu suchen, die unpraktischen Müßiggang verhindern würde. Was mochte unser imperator wohl gedacht haben, auf jener langen Reise über das mare internum? Mag er wohl Zweifel verspürt haben, Gedanken an einen Misserfolg gehegt? Doch glaube ich nicht, dass dies in seinen Sinn kam, vielmehr erscheint es mir wahrscheinlicher, dass er auch in diesen Stunden auf See damit beschäftigt war, sein Reich zu ordnen und sich Gedanken darum zu machen, die Dinge zu verbessern, die vorhanden waren, und zu planen, was noch kommen würde.


    VI. Als Antiochia in Sicht kam, brach an Bord aller Schiffe eine gewisse Geschäftigkeit aus - Dinge mussten zusammengepackt, Waren zum Ausladen vorbereitet werden, und all jene, die es sich während der Fahrt in den mächtigen Schiffsbäuchen bequem gemacht hatten, mussten die scheinbare Sicherheit ihrer hölzernen Heimstatt aufgeben, um sich der Realität zu stellen, die geduldig auf einen jeden Teilnehmer wartete: Der Kriegszug gegen die Parther war in greifbare Nähe gerückt, und unter dem günstigen Vorzeichen einer weitgehend ereignislos verlaufenen Reise gingen die Legionäre und Offiziere an Land. Meine eigene Reise gestaltete sich indes als ausgesprochen unangenehm, verursacht mir die Reise auf einem Schiff leider eine ziemlich merkliche Übelkeit, sodass ich nicht böse darum war, mein Quartier nicht oft verlassen zu müssen - allein die Werke der Großen konnten meine Gedanken ablenken, und wohl fasste ich schon damals den Entschluss, mich selbst in ungleich weniger ausdrucksstarker Weise der Schriftstellerei zu widmen. Ich möchte darob dem geneigten Leser - oder auch der geneigten Leserin - die Einzelheiten über meine leidvolle Schiffsreise und deren Details ersparen, als Antiochia gemeldet wurde, schien mir eine Last von den Schultern genommen, und ich sah dem Landgang mit wiedererwachtem frohem Mute entgegen.

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