Eine Nacht hatte ich im Delirium verbracht, vom Tag darauf gar nicht erst zu reden. Einzig Cadhla hatte ich zu verdanken, dass mir das Gespräch noch bevorstand, welches ich nicht führen wollte und daher so lange vor mir hergeschoben hatte. Der erste Gedanke nach dem Erwachen indes hatte Helena gegolten, doch nicht ihr als Person, sondern ihren Worten, welche einer regenschwangeren Wolke gleich über mich hereingebrochen waren. Waren wir denn alle verrückt in diesem Hause? Wie lange hatte ich darüber nachgesannt, was ich ihr sagen, wie ich ihr schonend erklären sollte, dass ich scheinends einfach dazu bestimmt war, keine engeren Beziehungen zu führen. Nur ob sie mir Gehör schenkte, mir glaubte - dies stand auf einem anderen Blatt.
Mit zunehmender Nähe zur Tür des Zimmers, hinter welcher ich Helena wähnte, wurden meine Schritte langsamer. Es war nun bereits früher Nachmittag, und vielleicht war sie auch gar nicht zugegen. Schließlich blieb ich stehen und hob die Hand, um zu klopfen, was ich jedoch noch hinauszögerte. Ich hatte ein Geräusch gehört. Was bedeutete, dass sie anwesend war. An einen Rückzieher war nun nicht mehr zu denken, ich wäre nichts weiter als ein feiger Hund, wenn ich mich nun umwandte und wieder ging. Und jemand, der eine Verlobung ohne das Wissen seiner Verlobten gelöst hatte, würde vor seiner Cousine auch keine Angst haben. So einfach war das. Ich sog die Luft ein und klopfte.
In den auf das Klopfen folgenden, stillen Sekunden wünschte ich mir insgeheim, sie sei nicht gesellschaftsfähig und würde mich nun ihrerseits auf ein andermal vertrösten, doch dann erklang die ungewünschte Aufforderung zum Eintreten, und ich leistete - wenn auch widerstrebend - Folge. Mein Blick wanderte sogleich zum Frisiertisch, vor welchem die meisten Frauen oft und gern saßen, und tatsächlich fand mein Blick auch Helena da und kämmte sich die Haare. Ich strich geistesabwesend die dunkelgrüne, goldverzierte tunica glatt und steuerte langsam durch den Raum. "Helena", sagte ich schlicht als Begrüßung und blieb dann stehen, untätig. Mein Kopf war mit einem Mal wie leergefegt, alle sorgsam zusammensortierten und zurechtgelegten Worte und Begründungen fortgewischt. Etwas verloren stand ich in dem großzügig und edel ausgestatteten Raum, auf halber Strecke feststeckend. Ich blickte in den Spiegel und durch ihn in Helenas Antlitz. Das meine sah ich ebenfalls: Eine Mischung aus stoischer Ruhe und Ausdruckslosigkeit zierte es - den Göttern sei Dank.