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Nebel hing zwischen den Stämmen der Pinien. Dichte Schwaden von milchigem Grau wanden sich um Baum und Strauch, verschleierten die festen Formen der Dinge, schienen alles aufzulösen in fahler Unbestimmtheit. Schon am Nachmittag war es dämmrig geworden, und jetzt, am frühen Abend, war es stockdunkel. Heute war die längste Nacht des Jahres, die finsterste Zeit. Doch von nun an würden die Tage wieder länger werden. Und so wie Baldur wiederkehren würde aus Hels lichtlosem Reich, so würde die Sonne von heute an wieder Kraft gewinnen, und die Dunkelheit jeden Tag ein Stück weiter zurückdrängen.
In einem dichten Pinienwald, in den Hügeln etwa eine Stunde nordöstlich von Rom, hatte der Germane auf einer Anhöhe ein Feuer entfacht, ein grosses prasselndes Lagerfeuer das Licht und Wärme verbreitete. Er wartete auf seine Stammesgenossinnen, mit denen er sich hier verabredet hatte, hoffte sehr dass sie kommen konnten und dass sie den beschriebenen Weg bis hierher finden würden.
Gedämpft schimmerte die rote Glut durch den Nebel. Einen kleinen Unterschlupf hatte er daneben gebaut, aus einer Lederplane und Zweigen. Ein paar immergrüne Wacholderzweige lagen davor. Der Wallach Canus, auf dem er in den letzten Tagen in den Vorbergen des Apennin herumgeritten war, stand angepflockt daneben, eine Decke über dem Rücken, und kaute träge auf einer Mundvoll Waldgras herum. Severus war auf die Jagd gegangen - er hatte gehofft selbst einen Juleber erlegen zu können - doch er war ziemlich erfolglos gewesen. Sein Bogen und Jagdspiess waren selbstgebaut und nicht besonders gut, und das Land sowieso viel zu domestiziert.
So war er heute doch noch einmal in die Stadt hineingegangen, und hatte, seinem kleinen schmutzigen Nebenverdienst sei Dank, ein paar Sachen gekauft, um das Julfest einigermassen gebührend zu feiern. Met und Brot hatte er erstanden, und bei einem Fleischer auch einen Schweinerücken, den er nun an einen Spiess steckte und mit zwei Astgabeln über das Feuer hing. Die Äpfel wenigstens waren selbstgeklaut.
Klamm war es im Nebel, sobald man sich vom Feuer entfernte. Eine feine Feuchtigkeit legte sich aufs Gesicht. Es roch nach Holz, Moos und nasser Erde. Severus atmete tief ein, sog die Luft geniesserisch in seine Lungen, hätte sich am liebsten einen Vorrat davon mitgenommen für die Zeit wo er wieder in die stinkende Stadt zurückkehren würde müssen. Mit schräggelegtem Kopf lauschte er auf die Geräusche des Waldes. Das leise Rauschen der Bäume, das Plätschern eines nahen Baches, ein Aufstampfen und Schnauben des Pferdes, alles drang nur gedämpft bis zu ihm.
Vielleicht hätte er die Frauen doch besser am Stadttor abholen sollen. Die Wege waren ja auch nicht gerade sicher. Er rückte die Sica, die er auf dem Rücken unter dem Mantel trug zurecht, entzündete eine Fackel und verliess die Lichtung, um den Frauen ein Stück entgegen zu gehen. Einem schmalen Pfad folgte er hügelabwärts durch den Nebel, dann einem Hohlweg bis zum Waldrand. Den Mantel um sich geschlagen lehnte er sich an eine knorrige alte Pinie und wartete ruhig. Das Licht der Fackel glitt unstet über den rissigen Stamm, warf Schatten und liess sie wieder verschwinden, huschte durchs Geäst und beleuchtete geisterhaft treibende Nebelfetzen. Fast hätte man meinen können, der Baum müsse gleich erwachen, den Schlaf abschütteln und sich die Äste reiben wie steifgewordene Finger.