• Ich sah Assindius ratlos an, als er mir den Wasserbecher hinhielt. Natürlich hatte ich Durst, aber meine Hände waren fettig. Nicht umsonst hatte ich bereits zu Beginn Wasser und Tuch bestellt, weil Hähnchenschenkel stets fetteten und ich die schmierige Substanz auf meinen Fingerspitzen nicht mochte.


    „Tja, da wäre wohl zunächst eine Schüssel mit Wasser angebracht, ehe ich trinken kann.“ Ich zeigte ihm die klebrige Innenseite meiner Hände und wollte eigentlich wegen mangelnder Umsicht verärgert schauen, musste aber vielmehr ein Grinsen unterdrücken, weil mein Leibsklave zwar von oben bis unten beladen, aber trotzdem nicht mit den passenden Utensilien ausgerüstet war.

  • Das Handtuch, auf das ich jetzt mit meinem Kopf zeigte, wollte sie also nicht. Nun gut. Ziemlich fettig die Finger der Herrin, das spricht ja für ein gutes Essen, auch wenn die ein oder andere dadurch Rettungsringe befürchtet. Gut, dass die Herrin das nicht nötig hat, sie kann also jede Menge essen, wenn sie will.
    Mit dem Kopf nickend stellte ich Krug und Becher auf die Arbeitsfläche. Eigentlich wollte ich ihre Hände packen und sie ihr freirubbel, aber mit Wasser geht das ja auch –das Handtuch ist also für später gedacht, ahhh, jetzt hat es bei mir auch geklingelt. Na gut dann hohl ich mal einen Eimer, nä Schüssel hat sie gesagt. Gut dann eine Schussel.
    „Hwer skelan sind?“ murmelte ich leise vor mir her und grübelte einen Moment. Aber wo die Schüsseln waren wüßte ich, die waren mir grade über den Weg gelaufen und so griff ich zielsicher in den richten Schrank und beförderte unter leisem Geklimper eine der Schüssel hinaus. Nachdem ich mich ächzend wieder aus der Hocke erhoben hatte, zog es mich zum Abfalleimer in den ich, aus etwa einem Meter Entfernung, den Knochen, den ich ja immer noch Mund hatte, hineinspuckte. ‚Streeee eik‘ dachte ich grinsend, ‚beim ersten mal getroffen. ich brauche jetzt kein Handtuch, aber ich hätte mir auch die Finger am Oberkörper abgewischt.‘
    Ich leckte mir anschließend noch einmal die Lippen und wendete mich dann wieder der Herrin zu. Der Krug mit Wasser stand bereit und so goss ich plätschernd erst das Wasser in die Schüssel und daraufhin in den Becher. Jetzt waren meine Hände frei und ich reichte der Herrin die Schüssel hin. „Eine Schüssel mit Wasser für die Hände!“


    Sim-Off:

    Hwer = wo, skela = Schale, sind = sind 3 P. Pl. A

  • „Was murmelst du?“, fragte ich neugierig. Wie ein Fluch klang es nicht, daher konnte es vielleicht etwas Wissenswertes bedeuten, was Assindius in seiner Heimatsprache von sich gab. „Oder wolltest du nur zum Ausdruck bringen, dass du wegen einem Kreuzleiden nicht mehr so beweglich bist?“ Reine Spekulation, aber das Ächzen hörte sich wahrlich furchterregend an. Dabei hätte ich meinen germanischen Sklaven relativ jung eingeschätzt. Aus diesem Gedankengang heraus fragte ich: „Wie alt bist du noch gewesen?“ Zu spät fiel mir ein, dass ihm dies vermutlich auch entfallen war.
    Die gereichte Schüssel hielt mich davon ab, weiter über diesen Punkt nachzugrübeln. Ich tauchte meine Hände in das Wasser und hielt sie anschließend ausgestreckt, damit er sie mir abtrocknen konnte. Mein Blick wanderte indes bereits zu dem Wasserbecher, denn der Durst war noch immer nicht gestillt.

  • Hä, was. Hoffentlich denkt sie nicht, dass ich irgend etwas schlechtes über sie gesagt habe. Solche Situationen kennt man ja, in denen sich der eine abwenden und dann in seiner Heimatsprache Beleidigungen vor sich hin murmelt, weil er zu feige ist sie auszusprechen und zu doof sie für sich zu behalten. „Nichts besonders Herrin, ich frug mich einfach nur, wo die Schüsseln waren. Manchmal, in Gedanken, spreche ist leise etwas vor mich hin.“ Was hatte ich noch mal genau gesagt? Ach ja „Skela bedeutet Schale, sind bedeutet sind“ ein breites Grinsen im Gesicht zeigte meine Grübchen, weil ich mir dachte, dass sei das folgende Wort ganz bestimmt nie aussprechen könnte, selbst wenn sie es versuchen sollte „Hwer bedeutet wo“. Den (a)ch-Laut am Anfang betonte ich ganz besonders und holte ihn tief aus der Kehle. Aber da ich nicht davon ausging, dass sie die Worte nachsprechen würde zog ich mir das Handtuch von der Schulter und trocknete behutsam die Finger der Herrin ab, einen nach dem anderen.
    Als ich mit der ersten Hand fertig war, wollte ich ihr erst den Wasserbecher geben, weil sie mir durstig schien, entschied mich aber dann doch mit der zweiten Hand weiterzumachen, dabei sprach und sang ich leise etwas, das mir grade in den Sinn kam und übersetzte dabei: „Hwat aldraz ist? sakon ferhwauz, saiwaloz garunan! Was ist das Alter? Der Feind des Leibes, der Seele Freund! Wer weiß schon, wie alt er ist. An unsere Geburt können wir uns doch nicht erinnern, vielleicht liegt sie ja schon 1000 Jahre zurück und es hat uns bloß keiner gesagt. Irgendwann kommen wir, irgendwann gehen wir. Spielen da Zahlen eine Rolle?“ Auch die zweite Hand war abgetrocknet uns so griff ich nach dem gefüllten Becher und hielt ihn der Herrin hin.

  • „Ein sehr merkwürdiges Vokabular“, bemerkte ich stirnrunzelnd, als Assindius seine Aussage übersetzte. „Dabei bricht man sich ja die Zunge, ich mache lieber keinen Sprechversuch.“


    Mein Blick verfolgte das Abtupfen meiner Hände und die Gedanken befassten sich mit seiner Feststellung über das Alter. „Das stimmt“, sagte ich, als er geendet hatte. „Das Alter ist des Leibes Feind, wobei man es an der einen oder anderen Stelle zumindest etwas austricksen kann. Es kommt auf die sorgfältige Pflege und die richtige Ernährung an. Der Seele Freund stimmt auch. Jeder hat die Chance, ein Leben lang dazuzulernen, um Weißheit in Bezug auf Wissen und Verhalten anzuhäufen. Und du hast Recht, Zahlen sind kaum von Bedeutung. Sie sind kein Garant für Weisheit, nicht einmal für ein altersgemäßes Aussehen.“


    Ich nahm den Becher entgegen und trank gedankenversunken, aber nur schluckweise. Als ich ihn gelernt hatte, reichte ich ihn zurück, rutschte von der Tischkante und zupfte mein Nachtkleid und die Stola zurecht.


    „Beim Wecken zum Frühstück möchte ich aus deinem Mund meinen Namen hören.“ Trotz der guten Beköstigung hatte ich diesen Aspekt natürlich nicht vergessen, aber jetzt wollte ich ins Bett. „Ich finde alleine hinaus, mach wieder Ordnung, wenn du gegessen hast.“ Ich nickte ihm noch einmal zu und verließ anschließend die Küche.
    Der Nachtausflug war zufriedenstellend verlaufen und ich lächelte sanft vor mich hin, als ich die Schlafdecke zurechtzog und die Augen schloss.

  • „Ach, sa Naman, sa habiga ist. Turdam! Claudia waito, laibon frahen gamoto. Ake marganai“ (Ach, dieser Name, der ist wichtig. Mist! Claudia weiß ich, den Rest kann ich fragen. Aber Morgen) murmelte ich vor mir her, als die Herrin den Raum verlassen hatte. Warum war ihr das so wichtig, warum war es ihr so wichtig, das ein Sklave ihren Namen kennt. Ich würde Samira fragen oder einen der anderen Sklaven, morgen nach dem Aufstehen oder vielmehr gleich nach dem Aufstehen.


    Ich setzte mich an den Tisch, auf dem die Herrin noch vorhin gesessen hatte und aß den Rest der Hähnchenschenkel. War gar nicht über, aber es fehlte Pfeffer. Da ich aber zu faul und zu träge war aufzustehen, blieb ich sitzen und aß sie auf. Das Wasserschälchen indem sich die Herrin vorhin die Finger wusch benutzte ich ebenfalls sowie das selbige Handtuch. Schmunzelt trocknet ich mir die Hände, da mir einfiel, dass ich soeben das Essen einer Römerin gegessen und ihre Sitten mit genau den gleichen Dingen machte wie sie selbst. Ich verhielt mich im Grunde wie ein Römer, der selbstverständlich die Gegenstände nutzt. Ob das einer der Sklaven von sich behaupten konnte. Wahrscheinlich war das nicht der Fall. Ich goß das Schälchen aus und stellte es mit dem Teller zu den Dingen die noch gesäubert werden mussten. Es war nicht die geeignete Uhrzeit dafür und außerdem gehörte es nicht zu meinen Aufgaben. Irgendjemand würde es morgen sowieso machen und da vielen ein Teller und ein Schale nicht ins Gewicht. Kurz darauf ging auch ich wieder schlafen und grübelte über einen Namen.

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