Auf der Suche nach Decima Valeria

  • Nun war ich also in Alexandria, der Stadt meiner Geburt, um meinen Auftrag auzuführen und hatte keine Ahnung, wo ich anfangen sollte, kannte ich die Stadt doch überhaupt nicht. Nachdenklich stand ich eine Weile herum und machte mich vom Hafen dann doch auf den Weg zu den Märkten der Stadt. Auf den Märkten traf sich alles, was Beine hatte. Und wenn jemand in Alexandria Decima Valeria kannte, dann würde man ihn mit Sicherheit auf dem Markt finden. Mit viel Zuversicht sah ich mich folglich unter den Händlern und Verkäufern um und sprach hier und dort jemanden an, von welchem ich dachte, dass er sie wahrscheinlich kennen könnte. Ein Stoffhändler vielleicht? Oder ein Käuterhändler? Vielleicht ein Kaufmann, welcher Papyri verkaufte? Oder sollte ich es bei einem Friseur versuchen?


    "Römer, kennst Du Decima Valeria?
    Wo kann ich sie finden?"


    fragte ich den ersten, doch dieser schüttelte den Kopf. Ich musste weitersuchen.

  • Eine ganze Weile war sie den Soldaten gefolgt, die das riesige Nilpferd in die römische Hauptstadt bringen sollten. In einigem Abstand zwar, aber vermutlich unbemerkt. Schließlich hatte sie das Mondtor passiert und war in Alexandrien gelandet. Die Stadt ihrer Ahnen, der Platz ihres Volkes, doch von den Römern besetzt. Beim Anblick der vielen Römer schnaubte sie zunächst verächtlich, setzte dann jedoch eine unbeteiligte Miene auf.


    Unbewusst leiteten sie ihre Füße auf den Markt. Einer, der seinesgleichen suchte, ihn vermutlich aber nicht einmal in Rom selbst fand. Die verschiedenartigsten Gerüche stiegen ihr in die Nase. Da war der Duft von frischem Brot, gepaart mit dem würzigen Odeur von Räucherwurst und Schafskäse, der Geruch nach altem Pergament und dem Schweiß der Arbeiter, die weiter hinten einen neuen Stand errichteten. Seltsam tranige Luft zog vom Viehhändler herüber, und fast meinte Merit, die Frische der Früchte riechen zu können, die auf dem Tresen lagen, den sie soeben passierte. Mit einem Mal meldete sich der Hunger mit nicht zurückzuweisender Härte. Hastig blickte sie sich um. Konnte sie es riskieren, hier zu klauen? Wo doch so viele Menschen hier waren? Sie schielte zu einem pausbäckigen Apfel, der sie förmlich zu ermuntern schien, sich ihm zu bemächtigen. Unschulldig trat sie an den Stand und heuchelte reges Interesse an den Orangen, während die Linke sich - hoffentlich unbemerkt - an den Apfel heranpirschte.


    "Wenn du nichts kaufen möchtest, ziehst du besser weiter", zischte ihr plötzlich eine strenge Stimme zu, und Merit fuhr erschrocken zusammen. Sie trat so hastig vom Stand zurück und tauchte in der Menge unter, dass es beinahe einer Flucht gleichkam. Einige Flüche vor sich hin murmelnd und mit einem knurrenden Magen überlegte sie, wie sie zu Geld kommen konnte. Ihr fiel da bedauerlicherweise nur eine Möglichkeit ein, und die bot sich ihr nur wenig später. Den prall gefüllten Geldbeutel des Mannes dort sah sie sofort. Da er sich gerade mit einem anderen unterhielt, sollte es nicht so schwer sein, den Ledereutel von seinem Gurt zu stibitzen. Scheinbar zufällig rempelte sie den Kerl an, nuschelte eine Art Entschuldigung und zog ihm den Beutel vom Gürtel.


    Dumm nur, dass sie nicht weit damit kommen sollte....



  • Viel Erfolg hatte ich mit meiner Suche nicht. Die Herrin Decima Valeria schien keiner zu kennen. Ich schalt mich für meine Naivität selbst, denn war davon auszugehen? Alexandria war kein kleines Kaff, sondern eine Weltstadt. Rom war weit weg und wer sich in Rom zu den Oberen Zehntausend zählte, war hier nicht automatisch jemand. Mit einem Seufzer bahnte ich mir einen Weg durch die Menge. Irgendjemand würde schon wissen, wo ich sie finden würde.


    So in Gedanken versunken und doch hellwach auf der Suche blieb mein Blick schließlich an einer Szene hängen, welche sich mir eher ungewollt aufzwang, gleichsam sie mich faszinierte. Ich erblickte eine schöne junge Frau, welche ihrem Auftreten nach ebenfalls fremd in der Stadt sein musste. Fremde erkannte andere Fremde sofort. Das war nicht zu leugnen. Diese Frau hatte etwas sonderbares, das ich nicht sofort einordnen konnte. Ich merkte jedoch ebenfalls, dass es sich bei ihr um keine Herrin handeln konnte. Ihr Auftreten hatte etwas gehorchendes, etwas zusammenzuckendes. Sie musste eine Sklavin sein, oder zumindest jemand, welcher es gewohnt war, herumkommandiert zu werden. Sie drückte sich an einem Stand herum, suchte dann jedoch das weite, als sie von dem Verkäufer angesprochen wurde.


    Instinktiv folgte ihr mein Blick. Für einen Moment verlor ich sie aus den Augen, als ich einem großen dicken Mann ausweichen musste, dann jedoch erfasste ich sie wieder und ... Hatten mich meine Augen getäuscht? Hatte sie gerade ... einen Römer bestohlen? Hatte dort nicht vorhin ein Beutel gehangen? War das nicht ihre Hand gewesen?


    Ich beschleunigte meinen Schritt und steuerte direkt auf sie zu.


    "Halt mal..." rief ich.

  • Merit hätte vermutlich laut aufgelacht, hätte man sie in diesem Moment als gehorchende Sklavin bezeichnet. Sie war etwas anderes, von edlem Blute abstammend, wie sie glaubte, und Ägypterin durch und durch. Merit-Amun war nicht von ungefähr jemand, der sich schnell wieder aufrappeln konnte, der einem Römer davongelaufen und sich mehr als vier Jahre lang erfolgreich verborgen gehalten hatte - bis jetzt.


    Denn jetzt, gerade als sie dem dicken Römer mit seiner gewichtigen toga seinen prallen Geldbeutel entwendet hatte, kam dieser Kerl auf sie zu. Scheinbar hatte er etwas bemerkt, das sah sie an seinem Blick und zudem hörte sie es an ihrer Stimme. Panik wallte in ihr auf, und ihr wurde klar, wie dumm und unbedacht diese Aktion gewesen war. Zögernd warf sie dem Lederbeutel in ihrer Hand einen Blick zu - was tun damit? Da drehte sich der Bestohlene auch bereits herum. Sie sah ihn an, er sah sie an, tastete nach seinem Geld und fand es in ihrer Hand. "DIEEEBIN! Eine Diebin!" brüllte er sogleich und zeigte anklagend mit seinem Zeigefinger auf die kleine Ägypterin. Merit ließ in ihrer Panik das Geld fallen und rannte bereits los, ehe sie ihren Beinen den befehl hierzu geben konnte. Sie wollte nur weg vom Markt, weg aus dieser Situation, um nicht aufzufliegen, um nicht die verhasste Zeichnung an ihrem linken Arm offenbaren zu müssen, die sie doch als Sklavin auswies. Leider hatte sie die Rechnung ohne den Kerl gemacht, der ihren Diebstahl entdeckt und den Römer darauf aufmerksam gemacht hatte. Aus Angst, dass er ihr den Fluchtweg abschneiden würde, lief sie an der nächsten Beigung nach links - und endete prompt in einer mit Stroh gefüllten Sackgasse, in der einige Ziegen herumliefen und auf Käufer warteten. Hektisch sah sie sich um, doch hier war ihre Flucht zu Ende. Kurz und jämmerlich war sie gewesen: Außer geraden Wänden gab es nämlich nur eine Tür, und die war verschlossen. Hastig taumelte sie herum und starrte, bereits mit der Freiheit abschließend, in die Richtung, aus der ihr Verfolger kam.




  • Zitat

    Original von Merit-Amun
    "DIEEEBIN! Eine Diebin!"


    Der Schrei des Römers war kaum zu überhören. Und er zeigte genau auf die Sklavin, welcher ich nachgegangen war. Sofort drehten sich einige der Umstehenden in ihre Richtung. Bevor jedoch auch nur einer seine Hand nach ihr ausstrecken konnte, rannte sie los. Was sollte ich tun? Viel Zeit zum Nachdenken hatte ich nicht. Instintiv beschloss ich, ihr nachzulaufen, auch wenn es nicht fest stand, ob ich sie würde einholen können, zumal ich mich in dieser Stadt überhaupt nicht auskannte und mich leicht verlaufen konnte.


    "Bleib stehen!" rief ich ihr nach und versuchte sie nicht aus den Augen zu verlieren. Sie bog nach links und ich folgte ihr. Wider mein Erwarten, schien die Verfolgung damit auch schon beendet, denn es handelte sich um eine Sackgasse. Nach Luft schnappend blieb ich an ihrem Eingang stehen, überflog das Terrain mit meinen Augen, fixierte dann die Frau und versuchte mehrere mögliche Szenarien im Kopf durchzuspielen. Zu meiner Verwunderung war mir jedoch sonst niemand gefolgt. Es ließ sich also nicht umgehen, dass ich mich selbst um sie kümmerte. Das Verfolgen war jedoch die eine Sache gewesen, jemanden zu stellen und dingfest zu machen, war etwas ganz anderes. Etwas entschieden gefährlicheres.


    "... Ich würde aufgeben an Deiner Stelle. Du kommst eh nicht weit.
    Jeden Moment kommen die anderen ..."


    keuchte ich und spuckte dann den Rotz aus, welcher sich in meiner Kehle angesammelt hatte. Das schnelle Laufen war ich einfach nicht mehr gewohnt gewesen.

  • So gefährlich, wie der Sklave annahm, dass sie es war, war Merit eigentlich weniger. Sie würde zwar bei der kleinsten Möglichkeit aufbegehren, aber sie war kein Dummkopf, der in einer aussichtslosen Situation seine Kraft verschwendete. Und diese Situation hier schien auswegslos. Da half es ihr auch nicht viel, wenn sie noch so selbstsicher darauf hinwies, dass sie eine Peregrine war...was genaugenommen auch nicht stimmte.


    Ein Pluspunkt schien zu sein, dass der Kerl allein war. Scheinbar hatte man in Alexandrien einen eher kleinen Drang, potentielle Verbrecher dingfest machen zu wollen. Merit konnte dies nur recht sein. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, als der Widerling ausspuckte. Römer, pah! "Besser ist wenn du lässerst mir laufen. Sonst großes Ärger bekommst du. Ich freies Ägypterin, du nur Sklave von Römer das sicher nicht will Ärger", versuchte sie und kniff die Augen zusammen, als sie ihm etwas näher kam. Wohl bedacht darauf, den linken Unterarm in keinster Weise aus dem Ärmel lugen zu lassen, denn hier befand sich das Mal, das sie selbst ebenfalls als Sklavin eines Römers auswies. Sie wollte nicht zurück zu diesem Mann.



  • Die kleine hatte Nerven. Als ob es darauf ankam, ob man frei war, oder Sklave. Der Sklave eines einflussreichen Römers konnte mächtiger und vermögender sein, als einer Freier, der gar nichts hatte, ausser seiner Freiheit.


    "Gib Dir keine Mühe. Mich kannst Du nicht beeindrucken."


    Ich musste etwas lächeln, ob des Versuchs. Ich musterte sie von Kopf bis Fuß. Sie hatte ein ansprechendes Äusseres, irgendetwas stimmte aber an ihr nicht. Nicht nur die Tatsache, dass ich sie gerade als Diebin auf dem Marktplatz erwischt hatte. Da war noch was anderes.


    "Und was machen wir jetzt? Freie Ägypterin ..."


    Letzteres sprach ich etwas spöttisch aus. Denn im Grunde war es im Imperium scheiß egal, wer man war und woher man kam. Es zählte einzig das römische Bürgerrecht. Und das hatten die wenigsten.

  • Merit-Amun war irritiert. Sie hatte mit allem gerechnet, doch nicht damit, dass der Fremde gar nichts tat. Er war Sklave, genau wie sie. Genau wie sie war er der Besitz eines Römers, das sah man ihm an. Schwer zu sagen, ob er sich in seine Rolle gefügt hatte oder nicht. Er wirkte ja recht ansprechend, und wer wusste schon, ob sie unter anderen Umständen nicht mehr getauscht hätten als einige Worte - aber er war die Gefahr, die sie zurück nach Rom bringen konnte....


    Merit musste hier weg. Noch einmal sah sie sich verstohlen um, dann stürzte sie auf den Sklaven zu, machte einen Ausfallschritt nach links und versuchte, rechts an ihm vorbeizuhechten. Sie kam sagenhafte vier Schritte weit, das musste man ihr lassen, dann jedoch stolperte sie über einen im Stroh zwischen den Ziegen verborgenen Gegenstand und ging kopfüber zu Boden. Panisch versuchte siem davonzukriechen, weg von dem Sklaven, wobei allerdings nun doch der linke Ärmel ihres bunten Gewandes zurückrutschte und das Mal entblößte: M.Aurel.Corv. Merit-Amun starrte es an, sah dann zu dem Mann und bemühte sich, die Tätowierung zu verdecken. Hatte er es gesehen? Adrenalin pulsierte durch ihren Körper, und ob des Schocks vergaß sie gar, ihre ohnehin zum Scheitern verurteilte Flucht fortzusetzen.



  • Die Kleine wollte abhauen. Kurz sah sie sich um, stürzte plötzlich auf mich zu, täuschte auf der einen Seite an und wollte an der anderen vorbei. Sie hatte mich damit tatsächlich überrascht und hätte mit Sicherheit auch eine Chance gehabt an mir vorbeizukommen, wenn es das Schicksal nicht anders gewollt hätte. Ich wusste nicht warum und weshalb, doch sie stürzte. Sie musste sich irgendwo verheddert haben und ehe ich genau überschlug was geschah, lag sie zu Boden, Panik erfasste sie, wich dann jedoch einer Lähmung, welche sie erfasste, als ihr Ärmel ein wenig nach oben rutschte. Auch dies hatte ich nicht registriert. Erst als sie hinstarrte und dann mit aufgerissenen Augen zu mir sah, wusste ich, was es war. Die Markierung einer Sklavin. Das also war sie: Eine Sklavin. Keine freie Ägypterin, wie sie vorgegeben hatte. Ich streckte meinen Arm aus und packte sie am Handgelenk um mich zu vergewissern, dass ich richtig gesehen hatte. M.Aurel.Corv. war in das Fleisch eingebrannt worden.


    "Ich hätte es mir denken können ..."


    sprach ich nur und ließ ihre Hand dann wieder los. Mit Sicherheit wusste ihr Besitzer nichts davon, was sie hier tat. M.Aurel.Corv. ... War das nicht der Aurelier, welche in engen Kontakten zu seinem eigenen Herrn Decimus Meridius stand? Das Schicksal spielte manchen Menschen übel mit.

  • "Lass...lass los!" fluchte Merit, als der Sklave auf sie zu gekommen war und versuchte, sich die bedauerlicherweise recht gut lesbare Tätowierung genauer anzuschauen. Heiße Röte stieg ihr ins Gesicht, hitzig und von Trotz erfüllt entwandte sie ihm schließlich ihr Handgelenk und funkelte ihn zornig an. "Räudiger Bastard!" zischte sie ihn in ihrer Muttersprache, Ägyptisch, an, indes sie ihn mit Blicken aufzuspießen gedachte.


    Ihr war zum Schreien zumute. Zum Heulen, Fluchen und Klagen. Wie gern hätte sie diesem Sklaven einen Dolch in sein anbiederndes Herz gerammt! Oder war es gar besser, nun die Unschuldige zu spielen? Die brave Sklavin, und dann bei der nächstbesten Gelegenheit erneut davonzulaufen? Merit-Amun barg ihren verfluchten Arm wie ein Kleinkind dicht an der Brust, hockte mit angezogenen Beinen auf dem Boden im Stroh zwischen den desinteressiert schauenden Ziegen und fragte sich, was nun passieren würde. Mit einer Mischung aus Furcht, Überlegenheit und kindischem Trotz bohrte sie ihren Blick in den des Sklaven. Sie war überführt. Nur, weil sie Hunger gehabt hatte. Welch ein Schicksal.


    "Du nicht hast Ahnung von wie sich fühlen wenn gesein frei", spuckte sie ihm vor die Füße- Bestimmt war der dort schon als Sklavenkind geboren worden und kannte nichts anderes. Ein braves Schoßhündchen.

  • Die Reaktion überraschte mich keines Falls. Hatte sie sich Hoffnungen gemacht, auf Dauer davon zu kommen, mussten sich diese Hoffnungen gerade in ein Nichts auflösen. Verständlicherweise. Wenn sie diesem Aurelius gehörte, und wenn sie aus Ägypten stammte, hatte sie es zwar in ihre Heimat zurückgeschafft, wenn er sie nicht gerade auf einem Besitztum in dieser Provinz einsetze, doch gerade eben stürzte alles zusammen. Frei? Sie war nicht frei. Sie konnte sich in ihrem eigenen Land nicht frei bewegen. Als Sklave war sie freier.


    "Spielt das eine Rolle? Du solltest besser zu Deinem Herrn zurückkehren. Wenn er Dich findet, bringt er Dich um. Und wenn Dich jemand anderes findet, schmeißen sie Dich in das Colosseum."


    Wieso war sie so bescheuert gewesen und davon gelaufen? Das Leben als Sklave konnte bei Leibe echt beschissen sein. Und zwar wenn man in den Minen Hispanias arbeiten musste, oder in irgeneinem Steinbruch. Doch Haussklaven hatten es recht gut. Und weibliche Sklaven auch, wenn sie nicht gerade in einem Bordell arbeiten mussten.


    "Wenn ich Dich laufen lasse, mach ich mich mitschuldig. Ich hab keine Lust auf das Colosseum."

  • Die Kiefer fest aufeinander gepresst, musterte sie den fremden Sklaven von unten nach oben. "Er nicht findet lange Jahre, er nicht findet jetzt", erwiderte sie trotzig und zog die Nase hoch. "Römer Pah...parah...siten? Pahrahsiten. Nur an ihr selber denken, andere Menschen sind egal." Sie zog eine Grimasse und tastete nach dem Ding, über das sie gestolpert war: Der Stiel einer Heugabel. Daran war sie also gescheitert, nach so langer Zeit. An einer Heugabel und am Hungergefühl. Ironie des Schicksals.


    "Colosseum? Nicht will", beeilte sie sich dann zu antworten und schüttelte den Kopf. "Aber nicht will zurück zu...zu Römer genauso." Mitleid heischend sah sie den Fremden an. "Ich Merit-Amun. Du..? Was du tun jetzt? Mir bringen zurück? Zurück zu...Römer?"

  • Und da hatte ich plötzlich das Problem. Oder doch nicht? Was sollte ich tun? Diese dämliche Frage, die sie in diesem stümperhaften Dialekt herüber gebracht hatte 'Was du tun jetzt?' forderte mich in der Tat heraus. Sollte ich die Stadtwache rufen und dieser dann die Arbeit überlassen? Sollte ich die nächsten Sklavenjäger auf dem Markt verständigen? Womöglich nahmen diese die junge Sklavin einfach an sich und verkauften sie an den nächst besten, statt sie nach Rom zurückzubringen. Sollte ich mich selbst um sie kümmern? Doch welchen Erfolg hatte das? Ich würde permanent den Aufpasser für diese Kleine spielen müssen, hätte keine ruhige Minuten und musste immer damit rechnen, dass sie versuchte zu fliehen. Alle Optionen waren nichts. Zurück zu dem Römer musste sie jedoch in jedem Fall. Die Alternative war sie laufen zu lassen. Doch dann verstrickte ich mich in eine Fluchtgeschichte, und wurde sie jemals gefasst, und wurde ich in den Fall hineingezogen, war das schlecht für mich.


    Da kam mir die zündende Idee.


    "Du kommst mit mir mit. Und wehe Du versuchst davon zu laufen. Bei einem Versuch von Dir, schrei ich. Und dann hast Du alle Stadtwachen und Sklavenjäger auf dem Hals, die Du Dir nur vorstellen kannst."


    Ich hatte nur die Möglichkeit, sie mitzunehmen, in einem Zimmer einzusperren und mir dann zu überlegen, welches das beste Vorgehen war. Hier jedenfalls hatte ich weder Zeit noch den klaren Kopf dafür.

  • Da war der Beweis. Bei den Römern zu leben machte stumpfsinnig. Der Kerl verstand nicht mal die einfachste Frage nach seinem Namen. Merit-Amun schürzte trotzig die Lippen und zupfte sich einen Strohhalm von der tunica. Ein sinnloses Unterfangen, bedachte man, dass sie inmitten von Stroh saß. Sie tat es, um einfach etwas zu tun zu haben. Indes schien der andere Sklave unschlüssig, was er nun mit ihr machen sollte. Insgeheim hoffte die zierliche Ägypterin, dass er sie gehen lassen würde. Andererseits glaubte sie nicht, dass er soviel Courage besaß. Tief in sich drinnen wusste sie bereits, dass sie eher früher als später dem Mann gegenüber stehen würde, dem sie dereinst in griechenland entwischt war. Bei seinem Vorschlag runzelte sie die Stirn.


    "Und dann?" fragte sie provozierend. "Du willst machst was mit mir? Geben zurück zu Römer? Behalten für eigener Freude?" Spott troff aus ihrer Stimme.

  • Behalten zur eigene Freude? Wie kam sie denn auf so einen bescheuerten Gedanken? Ich war total im Stress, hatte einen Auftrag auszuführen, war fremd in der Stadt und hatte nun auch noch eine entlaufene Sklavin am Hals. Immer noch lag sie vor mir, im Stroh. Wieso war hier überhaupt Stroh?


    "Mach Dich nicht lächerlich, ich muss nur darüber nachdenken, wie ich weiter verfahre. Ich bin selbst ein Sklave. Ich will Dich nicht den Sklavenjägern ausliefern. Die machen sich einen Spaß mit Dir und verscherbeln Dich dann weiter, wenn sie Dich nicht gleich tot schlagen..."


    Zeit. Ich brauchte Zeit.


    "Jetzt steh auf!"


    Ich nahm eine herrische Haltung ein, wie ich sie oft beim Maiordomus gesehen hatte und sprach mit einer festen Stimme.


    "Wo hast Du die Geldbörse von diesem Römer hin?"

  • Das Stroh gehörte zu den Ziegen, die der nächstgelegene Stand verkaufte. Merit hatte jedenfalls nicht die Absicht, das Blondchen zu spielen, schließlich hatte sie rabenschwarzes Haar. Und der Sklave dort sah auch nicht wie ein aquarius aus, also kam sie gar nicht auf den Gedanken, dasss das Stroh praktisch sein könnte. :D


    Stattdessen sah sie den anderen zweifelnd an und hob erstaunt eine Braue an, als er davon sprach, sie nicht ausliefern zu wollen. Zumindest nicht den Sklavenhändlern. Vielleicht aber ihrem...Herrn? Der nachfolgende Befehl kam so harsch, dass Merit um ein Haar nur deswegen aufgestanden wäre, weil er keine Widerrede duldete. Doch trotzig ließ sie einige Minuten verstreichen, ehe sie sich absichtlich langsam aus dem Stroh stemmte und aufrichtete. Das Geld... "Ich habe gelassen fallen", gab sie zickig zurück und verschränkte die Arme vor der flachen Brust. Und das war sogar tatsächlich die Wahrheit, denn wo hätte sie es verstecken sollen? Taschen besaß ihre Tunika keine. Wohin würde er sie nun bringen?

  • Das war die Erklärung. Sie hatte das Geld fallen gelassen und der Römer, sowie die anderen Verfolger hatten ihre Bemühungen eingestellt und sich statt dessen den Sesterzen gewidmet. Nur ich war so dumm gewesen, sie weiter zu verfolgen.


    "Nun gut." merkte ich an, als sie endlich stand.


    "Also, wie ich sagte: Du bleibst schön brav und haust nicht ab. Ich muss mir erst überlegen, was ich mit Dir mache. Am einfachsten wäre es, wenn Du einsiehst, dass es das Beste wäre, zurück zu Deinem Herrn zu gehen. Marcus Aurelius Corvinus? Ich kenne ihn. Ich habe ihn im Hause meines Herrn ein paar mal gesehen.


    Wieso bist Du ihm entlaufen? Ist er kein guter Herr?"

  • Ob er kein guter Herr war? Merit starrte den Sklaven an, als sei er ein Lar höchstpersönlich. "Er Herr, das reicht. Ich nutze Möglichkeit zu gehen zurück in Heimat wenn sich bietet in Land jenseits von das Meer. Er hat genennen Krichanland", erwiderte sie und zuckte mit den Schultern. "Ich einsehe nicht. Mensch wie du und der, der sich nennst Herr, ich bin. Einer Recht auf freies Leben." Und davon war sie überzeugt.


    Bald darauf folgte sie ihm nach, wenn auch widerstrebend. Sie war schon dankbar, dass er sie nicht einfach auslieferte. Merits Schicksal stand nun auf Messers Schneide. Ein Messer, welches von Menas geführt wurde.

  • Freies Leben ... Ich musste lächeln. Wo um alles in der Welt nahm sie diese verschrobene Logik her? Hatten nicht alle Gesellschaften Sklaven? Die Ägypter hatten sie gehabt, die Griechen auch, die Parther im Osten hatten welche, die Gallier hatten auch welche, die Karthager, ... man konnte die Liste endlos fortsetzen. Es war keine Schande, wenn man Sklave war. Gut, reicher Römer zu sein war zweifelsohne besser, doch armer Römer zu sein ohne Perspektiven, war wesentlich schlechter, als Sklave bei einem reichen Römer zu sein. Der Kaiser beschäftigte sogar Sklaven in seiner Verwaltung, einige von ihnen waren stinkereich, besaßen selbst Sklaven und Vermögen und wurden sogar nach Jahrelangem Dienst freigelassen.


    "Wie Du meinst."


    antwortete ich nur und marschierte dann los. Es gab sicher noch genug Gelegenheiten, um über das Thema zu debattieren. Doch hier und jetzt hatten wir keine Zeit. Ich packte sie am Handgelenk und zerrte sie hinter mir her.

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