Fhionn beobachtete den Aurelier. Es kam ihr so vor ,als suche er nach Worten. Ihm mußte ihrer Traurigkeit aufgefallen sein. Anders konnte sie es sich nicht erklären. Mit einem Wort des Trostes rechnete sie allerdings nicht. Niemand hatte sich jemals für das Leid und die schrecklichen Erinnerungen von Sklaven interessiert. Umso erstaunter war sie, als sie hörte, was er sagte. Brigantia? Er kannte die Göttin ihres Volkes. Bisher hatte sie keinen Römer getroffen, der sich um sie oder ihre Götter geschehrt hatte. Als er jedoch näher an sie heran trat und seine Hand auf ihre Schulter legte, wich sie ängstlich zurück. Nein, soviel Nähe konnte sie nicht ertragen! Auch wenn der Römer ein wenig Vertrauen geschaffen hatte. Diesen Schritt war sie noch nicht bereit zu tun. Zu viel war geschehen, als daß sie auch diese Barriere hätte hinter sich lassen können. Für kurze Zeit war die Angst in ihren Augen zu sehen, dann besann sie sich wieder. Im Grunde war sie ihm und jedem anderen der Herrschaft rechtlos ausgeliefert. "Tun leid,", sagte sie verlegen und versuchte wieder die Anspannung von sich zu nehmen. "Du kennen Brigantia?"
culina
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Sie wich zurück. Hatte sie etwa gedacht, dass er...? Orestes hatte sich selbst zuzugeben, dass sie wahrscheinlich genau das gedacht haben musste. Er würde den Umgang mit Sklaven ganz offensichtlich erst wieder lernen müssen. "Ich will Dir nichts tun. Du musst keine Angst haben!" Dann lenkte er aber schnell das Gespräch wieder auf den Inhalt, den sie gerade wiederzufinden im Begriff waren. "Ich werde sacerdos. Ich habe viel über die Götter gelesen. Die Götter der Römer." Die Interpretatio Romana - diesen komplizierten Sachverhalt der Identität des Götterhimmels und die verschiedenen Verehrungsformen der Völker in einfach für Fhionn verständliche Worte zu fassen, war eine Herausforderung. "Anders: Die Griechen nennen Iuppiter - Zeus und Mars nennen sie Ares. Ihr kennt Taranis, der aber niemand ist als Iuppiter und Teutates ist Mars. Und Brigantia ist Victoria. Verstehst Du?"
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Seine beschwichtigenden Worte gaben ihr wieder etwas Vertrauen zurück. Sie wußte nicht, was sie noch denken sollte. So etwas wie Freundlichkeit und nette Gesten, hatte sie noch nicht all zu oft erlebt, seid man sie gefangengenommen hatte. Aber auch ihm war dies wohl unangenehm und so wechselte er schnell das Thema.
Er benutzte ein seltsames Wort, welches ihr völlig fremd war "Sac... Sacer...des? Was ist?" Alleine beim Aussprechen des Wortes hatte sie schon Schwierigkeiten. Überhaupt war es sehr verwirrend und sonderbar, was er nun erzählte. Iuppiter, Zeus, Mars Ares? Damit konnte sie nicht viel anfangen. Womöglich hatte sie schon einmal einige dieser Namen gehört. Aber das war auch schon alles.
"Ah Taran! Teutates, ja!" Fhionn nickte bestätigend. Ja, mit diesen Namen war sie vertraut. Wieso Taranis Iuppiter sein sollte und Teutates Mars, konnte sie sich nicht so genau erklären. Aber womöglich meinte er damit ja etwas ganz anderes! Als sie sich dann auch zusammeneimte, was dies bedeuten sollte, sah sie sehr erstaunt aus. "Taran ist Iuppiter? Teutates Mars? Ja, verstehen! Sacerdes, du Druide? Druide, ja?" Sie glaubte jetzt endlich verstanden zu haben, was dieses eigenartige Wort bedeutete und lächelte fast schon erleichtert. -
"Es sind die gleichen Götter, nur unterschiedliche Namen!", sagte Orestes bestätigend. Fhionn schien es einigermaßen verstanden zu haben, was er sagen wollte. "Druide..hm..ja fast. Bei uns heißen die Druiden Sacerdos. Ich muss noch eine Prüfung machen. Dann bin ich Sacerdos." Er überlegte. "Wenn Du also mal zu Brigantia beten willst, musst Du zum Tempel der Victoria gehen. Hast Du verstanden?".
Auch wenn dieses Gespräch nicht wirklich einfach war und nicht nur wegen der Tatsache, dass Fhionns Sprachkenntnisse eher gering waren, nein auch wegen der Themen und der Uhrzeit. Auch wenn es also eher schwirig war, genoß Orestes das nächtliche Gespräch, so dass er - trotz oder vielleicht wegen der stärker werdenden Müdigkeit - sich seinen Becher nahm und noch etwas zu trinken einschenken wollte, um sich nach diesem Becher in sein Cubiculum zurückzuziehen.
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Er mußte nur noch eine Prufung machen und dann war er so etwas, wie ein Druide? Nein, dann war das keinesfalls das gleiche! Ein Druide lernte ein Leben lang und war erst nach langem, sehr langem Studium ein Druide... und sicher mußter er auch nicht erst eine Prüfung machen, für die er einige Schriftrollen lesen mußte. Zumal die Römer jegliche Befugnisse der Druiden unterbunden hatten. Man war sogar so weit gegangen und hatte vor Jahrzehnten, lange bevor Fhionn geboren war, alle Druiden, derer man habhaft geworden war, abgeschlachtet. Tauchte nun irgendwo ein Druide auf, wurde er erbarmungslos gejagt.
Auch mit dem Gedanken, die Götter in ein Haus einzusperren, konnte sich Fhionn nicht anfreunden. Die Götter waren überall. Sie lebten in Flüssen, Quellen oder in Bäumen. Dort konnte man sie anbeten, aber nicht in einem Tempel!
Aber um ihn nicht vor den Kopf zustoßen, nickte sie nur freundlich. Auch wenn er einige Namen ihrer Götter kannte. Er würde sie und ihr Volk niemals verstehen!
Sie erkannte seine Müdigkeit und fragte sich, warum er es trotzdem vorzog, sich hier mit ihr zu unterhalten. "Du müde? Schlafen wollen?", fragte sie, so als sei sie um sein Wohl besorgt. "Ich auch müde, auch schlafen" fügte sie noch hinzu, auch wenn dies nicht ganz der Wahrheit entsprach. -
Orestes meinte bei Fhionn etwas wie ein Missfallen zumindest aber ein Missverstehen entdecken zu können, das lag aber zumindest an der Unterschiedlichkeit der Kulturen und es würden wohl noch einige Jahrhunderte vergehn müssen, bis die Interpretation Romana die keltischen Kulte adaptiert hatte. Aber: es würde irgendwann geschehen. "Ja. Ich glaube, ich bin reif für mein Bett. Ähm ich wollte sagen, ich bin müde." sagte er und trank den gerade gefüllten Becher aus. Er wandte sich zum Gehen: "Es war schön Dich getroffen zu haben, Fhionn!"
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Fhionn blieb noch in der Küche zurück und sah Orestes nach. "Gute Schlaf," hatte sie ihm noch nachgerufen. Dann trank auch sie ihren Becher aus und verließ die culina. Sie spürte nun auch die Müdigkeit und beschloß, nicht doch noch in den Garten hinaus zu gehen.
Unmerklich schlich sie sich wieder zurück zur Sklavenunterkunft und ging zu Bett. Diese nächtliche Begegnung hatte die bösen Erinnerungen vertrieben und neue Hoffnung gegeben. Zum ersten Mal seit langem, fiel sie in einen ruhigen, traumlosen Schlaf.
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