Es war der Abend des ersten Saturnalientages. Der Germane hatte sich nach einer kurzen Stippvisite abgesetzt, von dem haarsträubend heuchlerischen Fest, das heute in der Villa stattfand, und trat in den Garten hinaus. Er umging die Grüppchen von Gästen, die ebenfalls dort unterwegs waren, und plauderten, frische Luft schnappten oder lustwandelten, zwischen kahlen Rosensträuchern, akkurat gestutzten Hecken und den allgegenwärtigen Statuen von Göttern und Heroen.
Die Luft war kühl, und der Germane fand es nach dem Gedränge im Atrium eine wirkliche Erleichterung wieder reichlich Raum um sich zu haben. Seine Schritte trugen ihn vorbei an einem Fischteich, in dessen Wasser sich die Figur der Athene widerspiegelte. Erhaben, weisschimmernd in der Dämmerung, stand sie auf ihrem Sockel am Rande des Weihers. Da stockte sein Schritt, und sein Blick heftete sich auf jene Statue.
Ein Jahr, genau ein Jahr ist es her...
Langsam trat er näher, wie von unsichtbaren Fäden gezogen. Der Schatten der Athene lag tief und dunkel über dem Sockel, und ganz kurz war es ihm, als würde dieses letzte Jahr zusammenschrumpfen, dieses ruhmlose, quälerische Jahr, als würde es Substanz verlieren, immer mehr, bis es ganz verschwunden war... Er starrte in den Schatten, mit unstetem Blick, als erwarte er jeden Moment, Arrecina dort hervortreten zu sehen. Nichts. Nur ein Zweig wippte, in der abendlichen Brise, und die Binsen am Ufer des Teiches raschelten leise. Natürlich nichts. Ganz nah trat der Germane an die Statue heran. Er schloss die Augen und legte die Stirn gegen den Stein. Die Falten ihres Gewandes waren ganz glatt. Der helle Mamor kühlte seine Stirn. Er atmete langsam ein, stiess dann heftig die Luft aus und löste sich schnell von der Statue.
Beinahe überstürzt wandte er sich ab und verschwand im hinteren Teil des weitläufigen Gartens. Dort, am Rande einer kleinen Wiese, lehnte er sich an den graufleckigen Stamm einer Platane. Seine Finger umschlossen ein Stück Rinde, spielten abwesend damit, während er ruhig wartete. Auf ein Stelldichein der ganz anderen Art.
Hortus | Unter Männern
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Nachdem ich mich von der höchst angenehmen Begleitung auf dem Fest entfernt hatte - die Götter mochten wissen, dass ich es nicht gern tat, aber mein Versprechen mich band, diese Sache durchzustehen - schritt ich hinaus in den Garten, nickte dem einen oder der anderen zu, die sich noch hier befinden mochten, sei es wegen eines Gesprächs, sei es, um sich diskret in irgendeinen Busch zu erleichtern, wenn schwerer Wein und fettige Häppchen auf den Magen geschlagen waren. Wobei der Wein auch mit Wasser gemischt hätte werden können und die Häppchen waren nicht so fettig gewesen, zumindest nicht die, die ich probiert hatte, aber das war wie in vielen anderen Dingen eben Geschmackssache.
Die Nacht war kühl, wie so viele in der letzten Zeit, aber nach der Hitze im Haus selbst empfand ich die Abkühlung als angenehme Abwechslung. Im vorderen Bereich der Gartenanlage konnte ich noch niemanden erkennen, der Severus' breite Statur ungefähr besaß, so ging ich einfach weiter, schlenderte den Weg entlang, als hätte ich kein bestimmtes Ziel. Jetzt, im Angesicht unserer Prügelei, ließen die Sorgen langsam von mir ab, die mich in den letzten Wochen begleitet hatten, ich ließ den Patrizier einfach beim Haus zurück und wurde zumindest geistig wieder zu dem Mann, der eine lange Zeit als Fischer verbracht hatte. Demjenigen, der sich auch mit einem anderen Mann prügeln würde, um eine lange schwelende Sache zu klären, wie man es eben tat, wenn alles andere nicht funktionierte.
Ich konnte mir gleichzeitig nicht vorstellen, mich mit jemandem wie Gracchus oder Corvinus zu prügeln, das passte einfach nicht zu ihnen - beide hätten wohl eher eine verbale Lösung bevorzugt - und so war der Gedanke daran auch eher absurd. Unter Patriziern regelte man Unstimmigkeiten anders. Ein vergifteter Sklave, Intrigen, Geldgeschäfte, das war schon eher der Weg meines Standes, für profane Schlägereien waren sich die meisten zu fein und auch nicht kräftig genug. Vielleicht war auch das der Grund, warum uns der Glanz der früheren Zeiten verloren gegangen war. Ein Mann musste nicht mehr körperlich stark sein, um etwas zu werden, musste sich nicht mehr körperlich bemühen, um für seine Familie einzustehen - Worte hatten Stärke ersetzt. Eigentlich eine traurige Entwicklung, wenn man es recht bedachte.
Schlendernd passierte ich die Statue der Athene, eine wirklich vorzügliche Arbeit von Meisterhand, die mein Auge immer wieder zu delektieren wusste angesichts ihrer klaren, eleganten Formen, und weiter schritt ich, dem hinteren Teil des Gartens zugewandt, um dann endlich, an einem Baum lehnend, denjenigen zu entdecken, den ich zu sehen gewünscht hatte. Zumindest ließ mich sein Umriss vermuten, dass ich den Richtigen gefunden hatte.
"Severus," sagte ich und ging näher, um, im Mondlicht stehen bleibend, zu ihm zu blicken. "Gehen wir die Sache an, hier bin ich."
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