„Ja, Tarraco. Flavius Furianus kenne ich aus Erzählungen, aber ich habe weder ihn noch sonst jemanden aus der flavischen Familie getroffen.“ Seiana grinste, als der Blick des Flaviers auf die Lampe fiel und er tatsächlich rot wurde. „Ich weiß nicht, ob du an diesem Stand etwas schlichtes finden wirst… Vierflammig ja“, Seianas Augen richteten sich kurz auf eine weitere Lampe, tatsächlich mit vier Armen, die aber aus einem ähnlich geformten Körper kamen – jedenfalls der obere Teil schien einer Frau zu ähneln, der untere war… ja, was eigentlich? Seiana konnte nicht ganz entscheiden, ob es eher Ähnlichkeit mit Wurzeln besaß oder mit einem Tintenfisch. Die Farbe war von einem merkwürdigen rotviolett, durchzogen von bräunlichen Schlieren. Alles in allem seltsam. „Vierflammig ja, aber schlicht…“ Sie lachte leise, was ihr einen sowohl verwunderten wie erfreuten Blick von Elena eintrug, den sie zwar sah, aber nicht kommentierte. Stattdessen musste sie sich bemühen, nicht noch mehr zu lachen, als der Händler vorführte, wie die erste Lampe konkret zu gebrauchen war. Sie wusste gar nicht, worüber sie sich mehr amüsierte – über die Absurdität der Lampe oder die offensichtliche Verlegenheit der beiden Männer. Aber sie hatte sich, im Gegensatz zu Elena und dem Sklaven des Aeliers, genug unter Kontrolle, um sich diesmal nicht mehr als ein Grinsen zu erlauben. Allerdings konnte sie sich nicht verkneifen, etwas dazu zu sagen. „Ich finde, die Lampe bekommt dadurch tatsächlich… fast schon so etwas wie Charakter. Und wenn sie brennt, fällt die Farbe gar nicht so sehr auf.“ Ihr Tonfall war unschuldig und fast schon honigsüß, während sie in sich hineinlachte. Was hatten die beiden Männer denn erwartet, bei so einer Lampe?
Was machte sie sonst noch so? Seiana fielen auf Anhieb einige Kommentare ein. Eine Lampe betrachten, die ein gewisser Aelier bis gerade eben noch großartig gefunden hatte, im Moment. Aber Sticheleien dieser Art hatte sie früher machen können – heute höchstens noch bei ihren Brüdern. Stattdessen wartete sie, was der Flavier meinte, und sah ihn verständnisvoll an. „Ich weiß was du meinst. Man kann nicht immer das tun, wonach einem der Sinn steht… Jeder Mensch hat eine gewisse Verantwortung, ob er möchte oder nicht.“ War sie deswegen zu Hause geblieben, die ganze Zeit? Weil sie eine Aufgabe gehabt hatte? Oder hatte sie sich einfach nicht getraut… Natürlich hatte sie ihre Mutter nicht alleine lassen wollen, aber je mehr Zeit verging, desto mehr kam Seiana an den Punkt, an dem sie sich eingestehen musste, dass sie auch Angst gehabt hatte. „Man muss versuchen, einen Mittelweg zu finden, denke ich – zwischen dem was erwartet wird, was man von sich selbst erwartet, und dem was man wirklich möchte.“