Iuridiculus



  • IURIDICULUS
    PROVINCIA ALEXANDRIA et AEGYPTUS


    Das sind die Amtsräume des Iuridiculus.
    Er unterstützt den Praefectus Alexandriae et Aegypti bei den juristischen Aufgaben innerhalb der Provinz und ist Vorgesetzter der Strategen der untergeordneten Regionen.



  • Da der Wächter ihm gesagt hatte, er würde erwartet, sparte sich Nikolaos den Weg zu den Schreibern und suchte sogleich die Arché des Ioridikolos der Rhomäer. Nach einigem Suchen in den verzweigten Hallen der Regia fand er den Raum. Er trat an die Tür und klopfte, kurz und kräftig.

  • Marcellus neue Amtsräume waren bereits mit allem Notwendigen eingerichtet, wirkten jedoch noch ziemlich unpersönlich und kahl. Sein Vorgänger hatte selbstverständlich alle persönlichen Gegenstände, die sich in einem solchen Officium über die Zeit ansammeln und es wohnlicher machen, nach seinem Ausscheiden aus dem Amt mitgenommen und der Aelier war bisher noch nicht dazu gekommen, seine Wünsche betreffend der Einrichtung bekannt zu geben. Möglichkeiten gab es viele – angefangen von der Wahl der Farbgestaltung des Raumes bis zur Auswahl diverser Dekorationen. Doch vorerst musste es reichen wie es war und so saß Marcellus hinter seinem großen, aus dunklem Holz gefertigten Schreibtisch, als der Strategos klopfte.


    "Herein!"

  • Nikolaos ließ nicht lange auf sich warten. Er trat ein. "Chaire, Ioridikole", sagte er und sah den Mann hinter dem Schreibtisch an. Er versuchte, etwas über den Charakter dieses Menschen aus dessen Gesicht zu lesen, doch das Gesicht schien ihm sehr nichtssagend. Er würde abwarten müssen, bevor er sich ein Urteil bilden konnte. Nun wartete er zunächst auf eine Begrüßung und darauf, welches Anliegen der rhomäische Beamte hätte.

  • Marcellus sah auf eine Tabulae mit seinen notierten Terminen als der Mann eintrat. Demnach musste es sich hier um den Strategos von Alexandria handeln, den er zu sich geladen hatte. Der Aelier erhob sich und nickte dem Beamten grüßend zu.


    "Salve Strategos! Wunderbar dass du so kurzfristig Zeit gefunden hast. Bitte nimm doch Platz."


    Danach deutete er auf einen der Stühle, die vor seinem Schreibtisch standen und setzte sich ebenfalls wieder.


    "Ich habe dich heute zu mir bestellt, um mich über die aktuelle Sicherheitslage in Alexandria zu erkundigen. Da ich das Amt des Iuridiculus zum ersten Mal ausübe und dabei für mich sehr viel Neu ist, werde ich gerade jetzt in der Anfangszeit sehr auf die Erfahrung und das Wissen der mir unterstellten Strategen angewiesen sein. Siehe es heute also keineswegs als Bericht, sondern mehr als informatives Gespräch, bei dem ich so viel wie möglich über deine Arbeit in Alexandria erfahren möchte. Ich werde deine Aussagen auch keineswegs bewerten, sondern erwarte mir offene und ehrliche Aussagen, die mir auch weiterhelfen."

  • Der Rhomäer weigerte sich, wie soviele, in Koiné zu antworten. Dass Nikolaos überhaupt die Koiné benutzt hatte, war im Grunde sogar ein Zugeständnis an eine mögliche im geringen Maße vorhandene Bildung des Mannes. Im Grunde schätzte er das Attische mehr. Doch Rhomäer gingen sehr voreilig davon aus, dass jeder, auch die Bewohner der östlichen Teile des Reiches, ihre Sprache verstanden. In Nikolaos Fall traf dies jedoch sogar zu.
    Dass der Ioridikolos sich anmaßte, besonders zu betonen, die Strategen seien ihm unterstellt (und damit, de iure nach Nikolaos Meinung wohl fälschlicherweise (de facto wohl beinahe richtigerweise), den Stadtstrategen von Alexandria mit einschloss, verärgerte Nikolaos ein wenig. Ein kurzes, leichtes Zittern erfasste seine Mundwinkel. Er fuhr sich mit den Fingern über die Schläfe und strich sich einige Haarbüschel aus der Stirn. Diese war blass, wie sein ganzes Gesicht, beinahe farblos. Je länger er eine gewisse (wenn auch stark eingeschränkte) Macht hatte, desto mehr verblasste Nikolaos, desto kälter wurde er. Er selbst hatte diese Entwicklung bereits bemerkt, doch er gab sich Mühe, ihr wenig Bedeutung beizumessen. Dennoch blieb eine unbestimmte Unruhe in ihm.
    Plötzlich flimmerte die Welt vor seinem Auge, plötzlich verblassten die Farben wie unter einem Schleier oder wie im Nebel. Die Arché des Ioridikolos erfuhr in Nikolaos Wahrnehmung eine Drehung. Dann flackerte das Licht der Sonne in einem giftigen grellen Grün. Nikolaos blinzelte kurz. Er biss die Zähne zusammen.
    Auf die Aufforderung des rhomäischen Beamtens hin setzte er sich. Dies verschaffte ihm eine gewisse Erleichterung.
    "Die Ordnung", begann er, nachdem er sein Gleichgewicht wieder zurückgewonnen hatte, "ist in Alexandria zwar möglicherweise immer noch ständig gefährdet, doch besser als je zuvor. Ein Aufstand wurde bereits niedergeschlagen, die überlebenden Täter verurteilt. Die Stadtwache hat eine Neuordnung erfahren, die noch fortgeführt wird. Zwischen der Legion und der Stadtwache herrscht eine gute Zusammenarbeit. Ich denke, jetzt nachdem der Aufstand in Rhakotis niedergeschlagen wurde, zeichnet sich eine gute Entwicklung hinsichtlich der Ordnung und Sicherheit ab."
    Wieder dieses Flackern und nun auch noch ein Rauschen in den Ohren.

  • Der Iuridiculus zeigte für den Strategos wenig persönliches Interesse und merkte daher auch nicht, dass es ihm nicht gut ging. Als der Strategos die gute Zusammenarbeit zwischen der Legion und der Stadtwache ansprach, kam Marcellus wieder in den Sinn, dass vor den Toren des Königsviertels Soldaten der Legion standen. Seit diesem Zeitpunkt fragte er sich, wer nun die polizeilichen Aufgaben in Aegyptus übernahm. Bestimmt konnte ihm der Strategos genauere Auskunft darüber geben.


    "Da du gerade die Zusammenarbeit mit der Legion angesprochen hast. Wie sieht es mit den Befugnissen der Legion und der Stadtwache aus? Welche Verantwortungsbereiche gibt es?"

  • "Alle Angelegenheiten, die allein Sache der Polis sind, übernimmt in aller Regel die Stadtwache, während die Legion vor allem dann zum Einsatz kommt, wenn die Provinz betroffen ist. Allerding patroulliert die Legion auch zur Sicherheit in Alexandria.", antwortete Nikolaos, scheinbar bereitwillig. "Liegt der Befehl über die Legion übrigens in deiner Hand? Ich nahm an, deine Aufgabe wäre die Unterstützung des Eparchos bei der Rechtsprechung."

  • "Nein, ich denke das Kommando der Legion unterliegt nicht meinen Amtsbefugnissen, obwohl ich diese noch weitestgehend mit dem Präfekten abklären muss. Nachdem ich in der Ranghyrarchie über den Strategen stehe, gehe ich jedoch eher davon aus, dass mir die Stadtwachen unterstehen, was nicht bedeutet, dass ich die Legio nicht im Notfall zur Unterstützung anfordern könnte. Aber stellen wir keine Mutmaßungen an. Ich werde das bei meinem nächsten Gespräch mit den Präfekten abklären."


    Marcellus faltete seine Hände ineinander und lehnte sich etwas zurück. Es waren einige Punkte die es noch abzuklären galt und die er schnellstmöglich mit dem Präfekten aussprechen musste. Doch nun sollte er die Gelegenheit nutzen einige Worte mit diesen Strategen zu wechseln.


    "Wie sieht es mit den Amtsbefugnissen der Stategen aus? Wo beginnt und wo endet sie?"

  • Allmählich wurden die Anmaßungen des Ioridikolos dem Stadtstrategen von Alexandria zu bunt. Zwar wusste er auf diesem Gebiet nicht genau, wie die Verhältnisse zwischen Provinzverwaltung und Polis-Beamten aussahen, doch der Ioridikolos schien noch weniger darüber zu wissen. Die Rhomäer waren doch sonst so darauf bedacht, mit der griechischen Bevölkerung vorsichtig umzugehen, warum trat dieser rhomäische Beamte das Trugbild von Autarkia und Autonomia offenbar mit Füßen, völlig rücksichtslos, gleich einem dieser Pferde mit Buckel? Nikolaos beschloss, dass er mit dem Eparchos über diesen so genannten Iuridiculus sprechen würde.
    "Ich hoffe, ich muss dich nicht darauf hinweisen, dass ein Unterschied besteht zwischen strategoi tou nomou und dem Strategos Alexandrinos. Während die strategou tou nomou die Vorsteher der Gaue, also der Verwaltungsbezirke der römischen Provinz Aegyptus sind, ist der Strategos Alexandrinos ein gewählter Beamter der freien Polis Alexandria conta Aigyptos. Ich glaube, du hast da etwas verwechselt, verehrter Iuridikulus. Zwar ist im Vertrag zwischen dem Basileus und der Polis festgeschrieben, dass die Rechtspflege dem Basileus oder seinen Vertretern, also dem Praefekten und letztendlich dir selbst obliegt, doch die Stadtwache gehört nicht unmittelbar zur Rechtspflege, ebensowenig wie der Strategos Alexandrinos irgendeine Funktion als Richter hat. Insofern sind es zwei völlig unterschiedliche Stränge, da kann nicht ein oberes Glied der einen Kette zugleich oberes Glied der anderen sein.", sagte Nikolaos höflich aber mit einem gewissen Nachdruck. "Was die Amtsbefugnisse des strategos alexandrinos betrifft, so hat er die Aufgabe, mithilfe der Stadtwache in Alexandria für die Aufrechterhaltung der Ordnung zu sorgen und Verbrecher der Rechtssprechung des Basileus zuzuführen.", antwortete er schließlich.

  • Während der Schilderungen des Strategen folgte ihm Marcellus äußerst interessiert und hob zuletzt eine Augenbraue leicht an. Es gab wohl wirklich noch einige Punkte, die er dringend mit dem Praefectus Aegypti klären musste. Natürlich war es ihm bewusst, dass es sich bei Aegyptus nicht um eine gewöhnliche Provinz handelte und auch die Gesetzgebung vollkommen anders als in den restlichen Provinzen des Imperiums war, dennoch hatte er nun das Gefühl, dass er als Iuridiculus vor allem in Alexandria kaum ein Mitspracherecht hatte. Zumindest wenn er richtig zwischen den Zeilen des Strategen gelesen hatte. Daher hatte es im Moment auch wohl kaum einen Sinn, dieses Gespräch fortzusetzen.


    "Ich verstehe. Ich sehe, dass ich noch einiges mit dem Präfekten abzuklären habe. Bis dahin schätze ich jedoch, dass du vermutlich nicht mehr im Amt sein wirst. Soweit ich gehört habe, findet demnächst Wahlen in Alexandria statt."

  • "Das ist richtig.", antwortete Nikolaos. Woher wusste der Ioridikolos, dass Nikolaos dann nicht mehr im Amt wäre? Hatte er gar eine Intrige gesponnen, um den vermeintlich aufmüpfigen (und wirklich nur auf das Recht bedachte) Strategos Alexandrinos loszuwerden? Nikolaos machte sich insgeheim darauf gefasst. Doch zunächst galt es, abzuwarten. Der Ioridikolos besaß zumindest die Höflichkeit, nicht weiter darauf zu bestehen, über den Stadtstrategen von Alexandria verfügen zu können. Nun wartete Nikolaos auf das, was vielleicht noch folgte in diesem Gespräch.

  • "Ich nehme an du wirst dann für die nächst höhere Ämterstufe kandidieren. Daher sollte ich das Gespräch mit deinem Nachfolger fortsetzen. Sollte es nicht so sein und du ein weiteres Mal Strategos werden, dann komme ich erneut auf dich zu. Vorerst danke ich dir jedenfalls, dass du dir heute Zeit genommen hast."


    Damit war die Unterredung von Seiten des Iuridiculus beendet. Er wartete nun, bis der Besucher sich erhob und verabschiedete.

  • "Gut, dann werden wir es so halten.", sagte Nikolaos höflich. "Du hast übrigens nicht zu danken, es hat mir kaum Umstände gemacht, im übrigen war es schließlich auch für mich sehr hilfreich, dich kennenzulernen." Er erhob sich und reichte dem Ioridikolos seine Hand. "Lebe wohl, Iuridicule."

  • Marcellus bereitete gerade mit seinem privaten Sekretär die Route seiner bevorstehenden Inspektionsreise vor. Der Scriba hatte in einige Vorschläge unterbreitet und der Iuridiculus hatte nun die Möglichkeit besondere Wünsche zu äußern. Als die beiden durch ein klopfen an der Türe unterbrochen wurden, sah Marcellus verärgert auf. Er mochte es nicht sonderlich mitten in einer Besprechung unterbrochen zu werden. Der Scriba eilte sofort zur Türe um sie zu öffnen.

  • Chaire!


    Begrüßte ich den Untergebenen.


    Kassandros ist mein Name und ich bin hier um mit dem Iuridiculus ein rechtliches Thema zu erörtern, der Präfekt verwies mich auf ihm.


    Ich war mir sicher, dass der letzte Halbsatz mehr Wirkung hatte als es jede hochkarätige Begründung haben könnte.

  • Marcellus hatte selbstverständlich mitgehört und als sein Sekretär sich fragend zu ihm umdrehte, gab er mit einer kurzen Handgeste zu verstehen, dass der Scriba Provincialis eintreten durfte. Während der Sekretär die Türe weiter auf machte und mit einer einladenden Handbewegung in den Raum deutete schob der Aelier seine Unterlagen beiseite und wartete auf den in bisher nicht bekannten Scriba. Selbstverständlich grüßte Marcellus den untergeordneten Beamten nicht zuerst, sondern wartete ab, dass dieser den weit über ihn stehenden Iuridiculus grüßte.

  • Chaire Iuridiculus !


    Begrüßte ich den hohen Beamten der Römer in der Provinz als ich auf die Handgeste des Sekretärs hin eingetreten war.


    Mein Name ist Kassandros aus Alexandrien und ich möchte mit dir ein rechtliches Tehma erörtern. Ich bin ein Anhänger der Religion um Serapis und Isis und fragte vor kurzem beim Präfekten um die Erlaubnis für die Verehrung der Heiligen Familie einen Kultverein nach römischen Recht zu gründen. Er stimmte zu und hieß mich euch um detailierteren juristischen Rat zu befragen.

  • Marcellus nickte dem Scriba lediglich zu, sagte jedoch kein Wort der Begrüßung sondern wartete ab, was dieser vorzutragen hatte. Der Scriba kam auch gleich ohne große Umschweife zur Sache, was dem Iuridiculus äußerst imponierte. Er mochte keine Schwafler, die lange um ein Thema redeten, ehe sie zum meist kurzen Kern ihrer Aussage kamen. Aufmerksam lauschte er den Worten des Mannes, der sich als Kassandros vorgestellt hatte.


    "Dann nimm Platz Kassandros von Alexandrien und stelle deine Fragen."

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