[Grundausbildung] Probatus Tiberius Germanicus Probus

  • Die Probati wickelten das Werfen in Formation schnell und ordentlich ab, wie Reatinus es wünschte. Der Fleiß zahlte sich aus für die jungen Rekruten, denn je besser, desto weniger mussten sie sich abschinden. Der letzte Wurf für heute stand somit bevor. Ganz langweilig schien den Probati diese Disziplin nicht zu sein. Das machte es für den Schreihals natürlich einfach, denn interessierte Rekruten waren lernwilliger und leistungsfähiger.


    "Tollite Pila!"


    "Mittite!"


    Und erneut flogen die Pila, nachdem Reatinus´ Befehle den Probati um die Ohren sausten. Ein wenig komisch war der Gedanke, den Reatinus gerade empfand. Wie schön war der Anblick dieser römischen Errungenschaft, wie sie durch die Lüfte flog, doch wie grauenhaft war er, wenn diese Errungenschaft dem Feind ihre eisernen Grüße überbrachte. Irgendwie hatte das etwas Groteskes, dachte Reatinus.
    Bald schon prasselten die letzten Pila auf den staubigen Exerzierplatzboden und Reatinus beendete so langsam, hoch zufrieden über die Leistungen seiner Schützlinge.


    Auch sparte er nicht mit einigen letzten Worten, die die Probati dazu anspornen sollten, das nicht so schnell zu vergessen und an sich zu arbeiten. Eine Centuria musste stark und erfahren sein, um andere Centuriae decken zu können. Zwei Centuriae nebeneinander waren für Reatinus wie das Verhältnis zweier Legionäre in der Formation: Sie mussten sich gegenseitig decken.


    "Probati, ihr habt euch heute gut geschlagen! Ihr werdet denken, dass ich immer das Gleiche sage! Mag sein, aber dafür meine ich es umso ernster: Merkt euch, was ihr heute gelernt habt, ihr werdet es brauchen, wann immer Gefechte anstehen. Ihr seid verantwortlich dafür, dass ihr nicht einrostet! Hiermit seid ihr für heute frei! Abite, wascht euch den Schweiß vom Leib, ich ersticke hier!"


    Während die Probati sich erleichtert und erfreut zugleich über den Abschluss einer weiteren Übung davon machten, winkte Reatinus den Nachwuchsschreihals zu sich, oder den Schreihals in spe. So langsam nahm Drusus´ Stimme richtig gute Offiziersmaße an. Sollte er eines Tages in Reatinus´ Fußstapfen treten, hätte auch er sich den Titel des Schreihalses redlich verdient.
    "Optio Iulius, du hast so langsam ordentlich Erfahrung gesammelt. Ich möchte dich morgen mit einer gesamten Lektion betrauen.", erklärte er dem Optio, was Sache ist, "Fühlst du dich dieser Aufgabe gewachsen?!". Der letzte Satz klang ein wenig streng, doch ein wenig Verspieltes war kaum zu überhören. So unter Offizieren kam man in der Regel gut miteinander klar.

  • Während Drusus das Treiben der durchaus gelehrigen Auszubildenden verfolgte, überlegte der Iulier wie das wohl damals bei ihm gewesen war, was Crispus und Reatinus wohl so über seine Leistungen und die seiner Kameraden gedacht hatte... Ob der Iulier und die anderen aus seiner Ausbildungsgruppe wohl bei ersten Mal die Pila weitergeworfen hatten als Probus und seine Kameraden? Drusus selbst wusste es wirklich nicht mehr. Erstens war es schon sehr lange her und zweitens war es zudem sehr schwer sich selbst einzuschätzen...


    Wenig später ließ der Centurio die Probati wieder abtreten. An das hingegen konnte sich Drusus noch sehr gut erinnern. Er und seine Kollegen natürlich auch waren immer sehr erleichtert gewesen Crispus für diesen Tag loszusein und die Thermen besuchen zu können, etwas warmes zu sich zu nehmen und noch einen netten Abend mit den Kameraden aus dem Contubernium verbringen zu können. Ja, es waren schöne Zeiten gewesen zur Zeit der Grundausbildung des Iuliers, von der Grundausbildung selbst einal abgesehen, aber die jetzigen Zeiten waren auch nicht zu verachten.... Mehr Gehalt, eine größere Unterkunft... Dafür allerdings war der kontakt zu Sabinus, Lupus und anderen fast gänzlich abgerissen... Nun es hatte nun einmal alles seine Vor- und Nachteile.


    Drusus wollte sich schon zum Gehen wenden, als der Nachwuchsschreihals mehr oder weniger plötzlich die Stimme des echten Schreihalses vernahm. Augenblicklich wirbelte der Iulier herum und hörte den Worten seines Vorgesetzten gezwungenermaßen aufmerksam zu. Der Mund blieb dem Optio fast offen stehen als Reatinus meinte er solle einen ganzen Ausbildungstag leiten. Eifrig nickte Drusus und antwortete dem Artorier stolz: "Es wäre mir eine sehr große Ehre, Centurio! Und ich denke schon, dass cih dieser Aufgabe gewachsen bin!" Ein wenig Selbstbewusstsein war schließlich nie verkehrt.

  • "Sehr gut, Optio!", meinte Reatinus erfreut, "Morgen gehören die Probati dann dir! Bogenschießen steht auf dem Plan!". Damit salutierte Reatinus vor seinem Optio und befreite zu guter letzt auch ihn für den Rest des Tages... sichtlich erfreut, dass sein Optio sich so selbstbewusst zeigte und schnell neue Erfahrungen erntete. Ein würdiger Nachfolger, wenn Reatinus einmal seine 20 Jahre abgeackert haben würde...

  • "Zu Befehl, Centurio!", erwiderte Drusus, der es immer noch kaum fassen konnte und salutierte ebenfalls vor seinem Vorgesetzten. "Vale, Centurio!" Dann machte sich auch der Optio in Richtung seiner Unterkunft auf um sich für Morgen ein wenig vorzubereiten.


    Am nächsten Morgen war es ausahmsweise einmal Drusus, der der erste auf dem Exerzierplatz war. Der Optio war am vorherigen Abend extra früh zu Bett gegangen und umso früher wieder aus den Federn zu springen. Schließlich wollte er an diesem, für ihn großen Tag auf gar keinen Fall zu spät kommen! Ein wenig nervös trippelte der Nachwuchsschreihals entlang der extra aufgestellten Zielschieben auf und ab. In Gedanken ging er noch einmal seinen Plan für den heutigen Tag durch. Immer und immer wieder... Bis der Iulier sich schließlich vollkommen sicher war und sich entschied nun dei Probati zusammenzurufen.


    Diesmal befand sich der Versammlungsplatz für die Ausbildungsgruppe um Probus ein wenig abseits von dem üblichen Platz. Nämlich dort wo, sich die Zielscheiben für das Bogenschießen, um welches sich an jenem Tag alles drehen würde aufgestellt waren. Natürlich standen daneben auch drei Holzkisten mittlere Größe in denen sich die Übungsbogen und die dazugehörigen Köcher befanden. Diese Kisten hatten zwei Legionäre noch am Abend des Vortages auf Befehl von Drusus dorthin geschleppt. Der Iulier räusperte sich noch einmal kurz und brüllte über den Platz:


    "Probati, Venite!"


    Nachdem alle Rekruten angetreten waren, setzte der Nachwuchsschreihals seine Rede fort:


    "Wie manche von euch vielleicht schon bemerkt haben, werden wir uns heute dem Bogenschießen widmen. Auch wenn ihr das vermutlich in eurer Zeit beim Militär nicht sehr oft brauchen werdet ist es dennoch sehr wichtig das Bogenschießen zumindest halbgwegs zu beherrschen. Wer weiß in welcher Situation ihr diese Waffe noch einmal brauchen werdet....


    Jedoch gibt es auch Hilfstruppeneinheiten in der römischen Armee, welche sich ganz auf das Bogenschießen spezialisiert haben. Die berühmten syrischen Bogenschützen zum Beispiel werden in solchen Einheiten zusammengefasst.


    Im Prinzip ist das Bogenschießen sehr einfach. Den Bogen nehmen, Pfeil einlegen, zielen, Bogen anspannen, loslassen, beobachten ob der Pfeil das Ziel getroffen hat. Am Besten, ihr probiert es einfach aus.


    Doch nun zum Praktischen! Nehmt einen der Bögen und stellt euch dreißig Schritte von den Zielscheiben auf. Dann schießt! Doch mit dem Holen der Geschosse wartet ihr bis ich es euch befehle!"

  • An diesem Morgen war ich etwas frischer als sonst aus dem Bett gekommen, was sich sofort in meiner gehobenen Laune widerspiegelte. Gestern hatte die Übung nicht solange gedauert, wie ich es erwartet hatte. Zum Glück, denn so hatte sich meine Schulter auch ohne einen Besuch im Valetudinarium erholen können. Jedenfalls schien der ausgiebige Thermenbesuch am gestrigen Nachmittag ihr sehr gut getan zu haben. Am heutigen Morgen hatte ich mehr Appetit als sonst und aß zu meinem Brot ein Stück Käse dazu. Auch die üblichen Frotzeleien der Stubenkameraden störten mich nicht im geringsten. Im Gegenteil.


    Wie immer machte ich mich früh fertig und ging Richtung Campus. Selbst der Himmel schien heute seine freundliche Seite entdeckt zu haben. Nur wenige Wolken zeichneten sich in ihm ab und es wehte ein lauer Wind. So kam ich am Campus an und grüßte die anwesenden Probati. Auch sie schienen mir heute irgendwie ausgelassener. Aber vielleicht lag das auch nur am fortschreitenden Frühling. Jeder war froh, dass der Winter nun langsam sein endgültiges Ende fand.


    Plötzlich hörte ich, wie uns der Optio aus einiger Entfernung zum Antreten rief. Verwundert sahen sich die Probati an und gingen dann schnell zu dem Platz. Er lag etwas abseits der üblichen Stelle zum morgendlichen Sammeln. Ich sah die Zielscheiben. Bogenschießen, dachte ich mit gerunzelter Stirn. Müssen wir das auch können? Ich dachte immer, dafür gäbe es Hilfstruppen. Nachdem die Probati angetreten waren, hörten sie aufmerksam dem Optio zu. Scheinbar würde er uns heute die Ausbildungslektion erteilen.


    Auf Befehl rannten die Probati zu den Kisten und jeder nahm sich im Gedränge ein Bogen und einen Köcher voller Pfeile. Wenn jemand diese ergattert hatte, rannte er sofort zu einer der Zielscheiben und stellte sich in der angewiesenen Entfernung auf. Nach einigem Drängeln war ich auch soweit und suchte mir eine Position. Einige der Probati hatten mit ihrer Übung schon begonnen. Nachdem ich den Köcher auf den Boden neben mir gelegt hatte, entnahm ich ihm einen Pfeil. Ich versuchte mich an die Beschreibung des Vorganges zu erinnern. Ich hatte bisher noch nie mit Pfeil und Bogen geschossen. Das Fleisch, dass es bei mir zu Hause gegeben hatte, hatte meine Mutter immer auf dem Markt geholt, so daß mein Vater oder ich nie auf die Jagd gegangen waren. Als Jungen hatten wir lediglich uns darin geübt, Vögel mit kleinen Steinen zu beschmeißen.


    Ich nahm den Bogen in die linke und den Pfeil an seinem gefiederten Ende in die rechte Hand. Vorsichtig legte ich den Pfeil auf die Bogensehne. Mit einer Bewegung nahm ich den Bogen nach oben und hielt in mit ausgestrecktem linken Arm von mir wer. Gleichzeitig zog ich mit der rechten Hand die Sehne nach hinten, bis ich mit meiner rechten Hand meine Wange berührte. Ich visierte das Ziel über den Pfeil an und hielt die Luft an. Ich spürt die enorme Spannung und zitterte leicht. Immer wieder kam die Pfeilspitze aus dem Zentrum des Zieles weg. Nach kurzer Zeit wurde die Spannung zu groß und ich ließ die Sehne los. Mein Pfeil traf gerade so die Zielscheibe am oberen rechten Rand. Verdammt, dachte ich. Das muss besser gehen.


    Ich nahm mir einen neuen Pfeil und legte wieder an. Diesmal wartete ich nicht solange, bis ich die Sehne losließ. Erstaunt sah ich, dass ich diesmal wenigsten in den äußersten Ring geschossen hatte. Also den nächsten Pfeil. Auch dieser traf, wenn nicht vielbesser als der zweite. Leider hatte bei diesem Schuss die Bogensehne schmerzhaft meinen linken Unterarm getroffen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht vollführte ich einen kleinen Tanz, während ich mir den Unterarm hielt. Er tat tierisch weh. Nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, übte ich weiter. Aber alle meine Pfeile trafen das Ziel weit vom Rand entfernt. Ich sah zwischendurch auf die Zielscheiben der anderen Probati. Auch ihnen schien es nicht viel besser als mir zu gelingen. Nur bei einer etwas weiter entfernt stehenden Scheibe sah ich viele Pfeile dicht am Zentrum stecken. Ich fragte mich, wer wohl dieser Meisterschütze wäre. Ich schoss weiter, bis mein Köcher leer war. Ich brauchte nicht lange zu warten, bis auch der letzte Probati seine Pfeile verschossen hatte.

  • Mit leicht spöttischem Gesichtsaudruck betrachtete der Nachwuchsschreihals wie die Probati sich bei ihren ersten Versuchen im Bogenschießen schlugen. Die meisten der auszubildenden trafen gerade so, mit viel Mühe noch die Zielscheibe, doch es gab unter den Rekruten auch einige wenige Lichtblicke! Der Nachwuchsschreihals erspähte sogar einen Probatus, welcher sogar genau die Mitte der Zielscheibe traf. Vielleicht sollte er ihn zu den syrischen Bogenschützen stecken? Der Optio grinste bei diesem Gedanken.


    Nach einiger Zeit hatten alle Probati auch den letzten Pfeil aus ihren Köchern verschossen. Drusus wartete noch einige Augenblicke und brüllte dann mit noch nie da gewesener Lautstärke über den Exerzierplatz und über die Köpfe seiner Schützlinge hinweg:


    "Das war ja noch gar nichts!


    Pfeile holen und noch mal schießen!!!"


    Gespielt enttäuscht schüttelte der Optio den Kopf um den Probati damit zu signalisieren, dass er noch bessere Leistungen erwartete!

  • Kaum hatte der letzte Probati seine Pfeile verschossen, brüllte der Optio sie an, so lautstark, dass es garnicht auffiel, dass der Centurio nicht da war. So beeilten sie sich seinem Befehl nachzukommen. Sie rannten los und zogen die Pfeile aus den Zielscheiben. Das war nicht so einfach, denn sie hatten sich tief hineingebohrt. Doch schließlich hatte jeder seinen Köcher wieder aufgefüllt, so dass sie mit der Übung wieder anfangen.


    Bei den meisten Probati klappte es besser als beim ersten Mal. Zwar traf kaum einer von ihnen die Mitte der Zielscheiben. Bis auf die wenigen Ausnahmetalente, wovon einer sich als wahrer Meisterschütze entpuppte. Doch die Leistungen vereinzelter Probati waren mehr als unzureichend. Wenigstens gehörte ich nicht zu ihnen.Zwar waren meine Pfeile noch weit von der Mitte der Scheibe entfernt. Aber wenigsten landeten die meisten nun wesentlich kontrollierter in den inneren Kreis. Scheinbar besaß ich kein Talent für einen guten Bogenschützen. Um einen Barbaren in einer anrennenden Horde zu treffen, würde es noch reichen. Würde man doch einfach hineinzielen und abziehen, in der berechtigten Hoffnung irgendwen irgendwo zu treffen. Aber einen Mann gezielt aus großer Entfernung zu treffen, dazu reichte es definitiv noch nicht. Ich merkte, dass diese Übung anstrengender war, als es mir auf dem ersten Blick erschienen war. Ich brauchte schon etwas Kraft, um den Bogen zu spannen. Und mit der Zeit merkte ich die Belastung im linken Arm und in der rechten Schulter. Doch schließlich waren alle Pfeile abgeschossen und ich sah mehr oder weniger zufrieden auf mein Ergebnis auf der Zielscheibe. Das Werfen der Pila hatte mir besser gefallen und lag mir mehr. Ich wartete wieder bis der letzte Probati seine Pfeile verschossen hatte. Mal sehen, wie zufrieden der Optio jetzt mit uns war.

  • Wieder feuerten die Probati ihre tödlichen Geschosse in Richtung der Zielscheiben ab. Und erneut beobachtete der Nachwuchsschreihals das Treiben seiner Schützlinge mit einer aufgesetzt strengen Miene. Der Iulier versuchte den Verlauf der Pfeile möglichst genau zu verfolgen. Zwar trafen die Meisten die Mitte des anvisierten Zieles bei weitem noch nicht, allerdings stellten sich manche schon gar nicht so schlecht an... Immerhin war es ihr erstes Mal. Außerdem würden sie das Bogenschießen in ihrer gesamten Zeit beim Militär wohl wenig bis gar nicht brauchen... Also entschied sich Drusus diesen Ausbildungstag zu beenden. Die Probati konnten in ihrer Freizeit schließlich auch üben..


    "Probati, Venite!"


    Nach gar nicht allzu langer Zeit waren die Auszubildenden vollständig angetreten und der Optio konnte weiterbrüllen:


    "Das war zwar noch lange nicht das, was man sich von einem röischen Soldaten erwartet, aber für den Anfang war eure Leistung gar nicht so schlecht! Abite!"

  • Der Optio brüllte zum Antreten. Die Probati beeilten sich und standen kurze Zeit später in Linie vor ihm. Ich wusste nicht, ob meine Leistung ausreichend gewesen war. Doch zu meinem Erstaunen hörte ich, dass er mit uns zufrieden war, auch wenn wir noch viel üben müssten. Nachdem er das Abtreten befohlen hatte, rannten die Probati schnell zu den Zielscheiben und zogen die Pfeile aus ihnen, stopften diese in die Köcher und rannten zu den Kisten, um Bogen und Köcher in sie zu legen.


    Danch gingen sie frohgelaunt zu ihren Unterkünften, war der Ausbildungstag doch kürzer und weniger anstrengend gewesen, als sie es befürchtet hatten. Ich beschloss, dass ich nach meiner Grundausbildung das Bogenschießen üben würde. Aber ob ich je ein guter Bogenschütze werden würde, dass stand im Himmel geschrieben.

  • Heute stand eine Übung abseits des Exerzierplatzes auf dem Plan. Zwar brauchte ein Legionär das, was sie heute lernten nicht ausgesprochen oft, aber brauchen würde er es auf Fälle... früher oder später. Es war also Zeit für ein feucht-fröhliches Vergnügen. Das Wetter war wie so oft düster, woran man sich in Germanien eh schon gewohnt hat. Hoffentlich würde bald der Sommer kommen. Reatinus war schon drauf und dran, zu vergessen, wie die Sonne aussieht!


    Mit lauter Stimme rief er die Probati zu sich und erklärte, was vor ihnen stand:


    "Probati, venite!"


    "Heute werdet ihr schwimmen lernen! Manche von euch können es vielleicht schon, dem Rest werden der Optio und ich es beibringen! Wir werden nun zu einem See abseits der Stadt marschieren, wo wir unsere Übungen anfangen werden! Parate vos ad iter!" ( "Marschbereitschaft herstellen!" )


    "Pergite!" ( "Marsch!" )

  • Wie meistens in der letzten Zeit war das Wetter etwas unschön. Grau und dunkel dräute es am Himmel. Das drückte bei mir ein bisschen auf die Stimmung. Wie jeden Morgen standen die Probati auf dem Campus und harrten der nächsten Übung. Da diese in den letzten Tagen sich als kurzweilig herausgestellt hatten, waren die meisten Probati trotz des schlechten Wetters relativ gut gelaunt.


    Lautstark wie immer befahl der Centurio uns anzutreten. Und so schnell wie immer traten wir an. Dieser Befehl war uns mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen. Als der Centurio uns in seiner unnachahmlichen Art mitteilte, dass heute das Schwimmen auf dem Plan stehen würde, erhob sich ein leises Raunen durch die Reihen der Probati. Auch ich war nicht gerade erfreut darüber. Bei dem Wetter konnte es nur bedeuten, dass das Wasser noch arschkalt war. Das einzige, was es mir noch etwas schmackhaft machte, war, dass wir mal aus dem Lager kamen.


    Wie befohlen stellten die Probati unter mürrischem Grummeln die Marschbereitschaft her und marschierten auf Befehl los.

  • Wieder einmal stand das Schwimmen bei einer der Grundausbildungen an. Dieses Mal war es die Gruppe um Germanicus Probus, welcher der Nachwuchsschreihals und sein Vorgesetzter aus dem Geschlecht der Artorier das Schwimmen beibringen sollten. Wieder würde es zu dem See gehen, in dem schon Lupus und seine Kameraden erste Erfahrungen mit dem kalten Nass gemacht hatten.


    Wie immer wenn sie marschierten bildete der Optio den Abschluss, schließlich war es seine Aufgabe seine Männer im Ernstfall zusammenzuhalten. Also marschierte er hinter dem letzten Probatus in RIchtung See.

  • Neuer Tag, neues Glück, hieß es mal wieder auf dem Exerzierplatz, wo heute erneut die lächelnde Sonne über den Übenden fehlte. Doch für Reatinus war diese Tatsache nun kein Weltuntergang, denn man war diese in Germanien eh gewohnt. Außerdem war er bei bestem Willen auch nicht bereit, die Ausbildung deswegen zu stoppen, was ja mehr als banal gewesen wäre. Es musste einfach weiter gehen...
    Mit seinem typischen Statussymbol, der Crista Transversa auf dem Helm, marschierte der Centurio zusammen mit seinem Optio in voller Montur auf dem Exerzierplatz und trommelte die Probati zusammen. Heute beschäftigten sie sich mit Formationen, welche eine große Portion Teamwork erforderten. Es ging los mit der Testudo!


    "Probati, venite!", schallte des Schreihalses Stimme wie gewohnt und ließ die Ohren der Probati klingeln.


    "Habt ihr euch eigentlich jemals die Legion ohne die wichtigen Formationen und die Disziplin vorgestellt, die sie aufbringen? Nun, ich kann euch mit Gewissheit sagen, dass eine Truppe nicht einmal halb so effektiv agieren kann, wenn sie nicht weiß, wie man eine Testudo mit den Kameraden bildet oder Reiter abzuwehren weiß! Von daher erklärt es sich von selbst, dass jeder Einzelne und die Gruppe als solche darin eingespielt sein müssen, schnell und ordentlich eine Formation vor ihren Offizieren zu erschaffen! Fangen wir an mit der Testudo!"


    Reatinus warf einen musternden Blick auf die Probati, welche so langsam zu richtigen Männern wurden. Ach, so langsam kam doch immer die Zeit, als sich die Probati ihren täglichen Übungen auf den Exerzierplatz entzogen und als Legionäre ihren Dienst antraten. Diese Gruppe brauchte auch nicht allzu lange.


    "Kommen wir einmal zum Sinn und Zweck einer Testudo! Testudo bedeutet Schildkröte, und genauso wie die Schildkröte in ihren Panzer sicher ist, sollt ihr hinter euren Scuta sicher sein! Die Testudo ist eine geschlossene Formation, welche den Legionären hervorragenden Schutz vor feindlichen Beschuss bietet! Ihr werdet diese Formation öfter gebrauchen, da sie sowohl bei Pfeilhageln in Feldschlachten gerne benutzt wird als auch zum Vorrücken auf feindliche Stellungen!


    Und so bildet ihr sie: Die erste Reihe hält ihr Schilde so nach vorne, dass sie gut geschützt ist! Die Reihen dahinter halten ihr Schilde jeweils über die Köpfe ihrer Vordermänner und decken jene, damit am Ende jeder optimal geschützt ist! Die Formation muss stabil sein und darf keine Lücken aufweisen, denn sonst bringt sie auch herzlich wenig! Und jetzt bildet eine Testudo!".





    Reatinus winkte kurz seinen Optio zu sich herbei, damit dieser sich schließlich nicht langweilte. Wie immer wollte er sehen, wie der Iulier sich schlug. "Optio, du darfst später die Formation zur Kavallerieabwehr behandeln!". Reatinus war niemand, der sich scheute, auch mal das Kommando an seinen Stellvertreter abzugeben, zumal sich jener von Reatinus wirklich hervorragend machte!

  • Die Probati standen wie jeden Morgen pünktlich auf dem Campus. Sie waren heute etwas ausgelassener als sonst und erzählten sich die haarsträubensten Geschichten über das gestrige Abenteuer im See. Mich hätte es nicht gewundert, wenn ein Ungeheuer dabei noch eine Rolle gespielt hätte. Aber dafür hatten wir ja unseren Centurio, der uns wie immer mit seiner markerschütternden Stimme den Morgen versüßte.


    Alle liefen zu ihren Plätzen. Kurz musste ich an die erste Übung denken, in der wir antreten sollten. Wenn man uns heute so sieht, dachte ich, wer würde dann noch das damalige Chaos vermuten. Formationsübung hörte sich für mich sehr interessant an. Zumal das Wort einen netten Tag versprach. Aufmerksam hörten die Probati zu und versuchten sich alles zu merken. Das hörte sich schon komplizierter an als ein Pilumwurf. Ich hoffte nur, dass auch der letzte Dorftrottel aus der Gruppe verstanden hatte, was ein Testudo war. Leicht war das bestimmt nicht.


    Auf Befehl des Centurio versuchten die Probati solch eine Testudo zu bilden. Leider stand ich nicht in der ersten Reihe. Denn die hatten es schön einfach und mussten nur ihre Schilder vor sich halten. Ich war in der dritten. Die Probati in den weiteren Reihen versuchten nun, der Beschreibung des Centurios zu folgen. Nur leider alle gleichzeitig. So hatte ein Hintermann sein Schild schon oben, während der Vordermann sein Schild gerade mal angehoben hatte. Der nächste stieß seinen Schild seinem Vordermann gegen den Nackenschutz am Helm, dass es nur so schepperte. Man hörte ein Fluchen, Meckern und Aufschreien aus der Gruppe, die mich nun doch wieder an unseren Anfang erinnerten. Ich hatte mittlerweile mein Schild oben und bekam dafür das meines Hintermannes in den Rücken. Also wenn der Centrio bei dem Anblick nicht vor Lachen umgefallen ist, dachte ich. Aber ich war mir sicher, dass das nicht so sein würde und hielt mein Schild fest. Vielleicht hilft so ein Testudo auch gegen Centurio Artorius Orkanstimme, hoffte ich.

  • Die Testudo half aber nur gegen Reatinus´ Orkanstimme, wenn sie stabil und ordentlich war. Andernfalls sollte sie in den wenigen Sekunden, die Reatinus sich das mit ansah, gnadenlos zusammenbrechen.
    "Das gibt´s ja nicht! Ich habe schon Ratten gesehen, die hatten mehr Teamwork im Blut als ihr!", gab Reatinus der verschandelten Testudo gänzlich unzufrieden den letzten Rest. Aus der Sicht des außenstehenden Centurios war die Vorstellung nur eine wirre Aneinanderreihung von Flüchen, lautem Scheppern, und "Autsch!" rufenden Probati. Wer jetzt viel Fantasie hatte, könnte annehmen, dass man keine Testudo mehr bräuchte, da die Pfeile durch die Schallwellen ihre Flugbahn ändern konnten, wenn Reatinus schrie. Aber leider ging auch das nicht, weshalb man eben die Testudo hatte. Reatinus hatte eine starke Stimme, aber auch keine Göttergleiche.


    Letztlich ließ sich der Schreihals dazu hinreißen, den Probati einen Tipp zu geben. "Wenn das alle auf einmal versuchen, dann klappt das nicht! Jede Reihe nacheinander, schnell und ordentlich! Nochmal!". Hoffend auf etwas Besseres als eine fluchende, scheppernde Gruppe sah sich Reatinus das Schauspiel an. Naja, zumindest konnte es nicht mehr Schlimmer kommen!

  • Während die Männer die Testudo trainierten, erschien plötzlich der Primus Pilus auf dem Campus. Er hatte seinen Tesserarius mitgebracht und gemeinsam stellten die beiden sich etwas abseits von der Übungsgruppe auf und beobachteten das ganze.


    Crispus sah, dass die Probati das ganze wohl zum ersten Mal machten. Nunja, da gab es noch einiges zu üben...aber erst einmal weiter abwarten...

  • Kaum hatte ich den Gedanken gehabt, da erschallte die Stimme des Centurios. Enttäuscht musste ich feststellen, dass ich sie nicht minder laut hören konnte als sonst. Also half diese Testudo doch nur gegen Feindbeschuss. Die Probati ließen ihre Schilder wieder sinken und hörten der Anweisung des Centurios zu. Na das hätte er aber wirklich gleich sagen können, dachte ich, aber ließ mir äußerlich nichts anmerken.


    Wie angewiesen fingen die Probati mit ihrer Übung wieder an. Zuerst hob die erste Reihe ihre Schilder vor sich. Gleichzeitig hob die zweite Reihe die Schilder über ihre Kameraden in der ersten. Kaum hatten sie ihre Schilder oben, begann die dritte Reihe mit derselben Prozedur. Reihe für Reihe hob jetzt ihre Schilder. Und es klappte tatsächlich. Natürlich gab es hier und da einige kleine Kollisionen. Aber im großen und ganzen war die Testudo wirklich gut gelungen. Ich merkte aber schnell, dass man diese nicht ewig würde halten können. Denn die Schilder mit ihrem Gewicht würden mit der Zeit ganz schön auf Arme und Schulter drücken. Und außen würde ich auch nicht stehen wollen. Waren die Kameraden an den Seiten nun ungeschützt.


    So hielt die Probatischar die Testudo aufrecht und hoffte, dass der Centurio damit zufrieden wäre. Auch wenn es bestimmt noch etwas zu lange gedauerte hatte, bis sie die Formation eingenommen hatten.

  • Optisch gesehen war die Testudo jetzt schon ordentlich, fand Reatinus. Aber ob sie auch stabil war und etwas aushielt? Nun, das wollte der stimmgewaltige Schreihals nun heraus finden. Denn was wäre wohl ein Centurio, wenn er nicht auch ab und zu eine kleine Überraschung für seine Soldaten auf Lager hätte? Und die Überraschung war sorgfältig geplant, allerdings verzichtete der Centurio im Gegensatz zum letzten Übungsgefecht auf Soldaten aus der I. Cohorte. Diesmal suchte er sich einige erfahrene Legionäre aus seiner Centuria heraus, die wohl um einiges "erträglicher" für die Probati werden würden, die ja noch grün hinter den Ohren waren. Aber trotzdem freuten sie sich darauf, Reatinus´ Überaschung durchzuführen.


    Mit einem lauten Pfeifen holte Reatinus die 10 Legionäre herbei (sie hatten sich übrigens freiwillig gemeldet), welche auf das Signal sofort reagierten. Reatinus musste jetzt schon erfüllt Grinsen, während die Männer ihr Werk vollbrachten. Geplant war, die Testudo frontal mit Steinen zu bewerfen und zu sehen, ob sie bei den Probati genauso stabil war, wie sie aussah. Natürlich waren diese Steine nicht unbedingt Felsbrocken. Es konnte nichts passieren, wenn die Rekruten ihre Helme an hätten. Hastig kamen die Legionäre in Reichweite, ließen ihre Kisten mit Steinen völlig stürmisch auf den Boden knallen und nahmen sich schon erste Steine zur Hand. Spöttisch lachend sahen sie der Testudo entgegen. Das war Reatinus´ Härtetest, ob sich die Testudo nicht so schnell aufzulösen vermochte. Er hoffte es, im Ernstfall konnte er keine Rückzieher gebrauchen. Und wenn die Probati die Testudo halten würden: Alle Achtung, dann konnten sie zufrieden und unverletzt vom Platz gehen.


    "Ihr kennt die Anweisung! Legt los, Legionarii, aber macht mir bloß keine Verletzten! Zielt nicht direkt auf die Probati, das wollen wir doch nicht!"


    Auch wenn die Steine nicht zu groß waren, würde man wohl lautes Knallen auf den Scuta der Probati hören. Und schon flogen die ersten Steine durch die Lüfte... und währenddessen sprach Reatinus zu seinem Optio, der wohl in letzter Zeit ein wenig schweigsam schien. Woran das wohl liegen konnte?


    "Optio, alles in Ordnung? Wenn die Legionäre ihre Steine aufgebraucht haben, bist du an der Reihe!"

  • Nun stand ich mit den anderen Probati in dieser Formation und wartete auf den Befehl des Centurios, dass wir sie auflösen könnten. Zu meiner Verwunderung hörte ich einen Pfiff. Was hatte das denn nun schon wieder zu bedeuten? Die Antwort kam prompt von den Probati aus der ersten Reihe, denn von meiner hinteren Position konnte ich nicht allzu viel sehen. Sie fingen an zu murmeln. Und ich hörte so was, wie: „Ach du Scheiße!“ „Was ist denn jetzt los?“ „Das kann doch nicht sein Ernst sein!“ Bevor ich nachfragen konnte, gab der Centurio Befehle an irgendwelche Legionarii. Ich fragte mich noch besorgt, was er wohl mit dem Verletzen meinte, als auf einem Mal ein Gedonner einsetzte, dass es mir in den Ohren wehtat. Kurz vorher kam von vorne noch die Warnung, dass wir die Köpfe einziehen sollten. Was immer da passierte, es machte jedenfalls einen barbarischen Lärm. Ich merkte, wie etwas mit einem lauten Krach mein Scutum traf.


    In den Reihen der Probati war während dieser Aktion leichte Unruhe ausgebrochen. Doch die Testudo hielt. Denn keiner von ihnen wollte eines der geworfenen Geschosse abbekommen. Somit blieben sie zwangsläufig in der Formation und ertrugen diese Überraschung des Centurios. Durch diese Übung bekamen sie einen Eindruck davon, wie es im Ernstfall sein könnte. Jeder hielt sein Scutum fest, hoffte das er nicht von einem Stein getroffen werden würde und wartete sehnsüchtig auf das Ende dieser Übung, denn der Lärm beim Aufprall der Steine auf die Scuta zerrte mit der Zeit an den Nerven der Probati.

  • So flogen die Steine und mit einem diabolischen Grinsen beobachtete Reatinus das Geschehen. Erfreut stellte er fest, dass die Testudo hielt, während immer mehr Steine auf die Scuta prasselten und knallten. Bald ging jedoch der Vorrat der zehn Legionäre zur Neige und mit leichter Enttäuschung im Gesicht blickten sie auf die leeren Kisten. "Schade...", murmelten und seufzten sie im Chor. Die Probati hatten in ihrer Formation stand gehalten. Sehr gut!


    Kurz vergewisserte sich Reatinus, dass keine Steine mehr flogen und ließ die angehenden Legionäre wieder die Testudo abbauen. "Testudo auflösen, venite!", erschallten die nächsten Befehle. Es dauerte nicht lange, schon wurden die Befehle des Schreihalses in die Tat umgesetzt, während dieser den Nachwuchsschreihals zunickte. "Optio, du hast das Kommando!".


    Anschließend blickte Reatinus autoritär zu den Legionarii, welche sich anfangs freiwillig gemeldet haben. Fießerweise hatte er ihnen nicht gesagt, dass sie sich mit dem Bewerfen der Testudo automatisch auch mit dem aufsammeln der Steine melden würden. Aber hätte Reatinus das gesagt, gäbe es wohl keine Freiwilligen mehr.


    "Und jetzt Steine aufsammeln, Legionarii!". Damit machten die Legionär brummig und ein wenig erboßt ihre Aufgabe. "So ein Arschloch...", dachten sie einige unter ihnen. Aber Reatinus musste manchmal eben zu solchen Mitteln greifen. Selbst wenn sie fieß waren!

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