Ad
Lucius Iunius Merula
Casa Iunia
Basileia
Alexandria – Aegyptus
Oh Lucius,
entschuldige, dass ich dir erst jetzt antworte, aber irgendwie hab ich in dem ganzen Tumult ganz vergessen, dir zu schreiben.
Ja, es ist wahr. Aelius Archias ist tot, und nicht nur das, er hat sich vom Tarpejischen Felsen gestürzt! Stell dir das vor, von dem Fels, wo Eidbrecher, Verräter und Inzesttäter gestürzt werden, da hat er sich selbst hinuntergeworfen! Und ich weiß nicht einmal, wieso das so ist. Ich verstehe es nicht! Ich möchte ja gern glauben, dass er vielleicht doch gestürzt wurde, aber er hat ein Testament kurz vor seinem Tod verfasst mit eigener Hand. Ich kenne seine Handschrift, es ist die seine. Das würde doch niemand tun, der ermordet wird, oder?
Das Gerede war schrecklich. Ich weiß gar nicht, wie ich das erklären hätte sollen, also hab ich es auch gar nicht erst versucht. Überhaupt hab ich mich sehr zurückgezogen, bin auch aus dem Palast gleich ausgezogen. Aber ich kann mich hier nicht ewig verstecken, ich glaube, das wäre falsch. Daher hab ich erstmal eine Einladung bei den Flaviern zu einer Sponsalienfeier angenommen. Ich denke, ich sollte mich mehr zeigen, damit nicht der Eindruck entsteht, ich hätte am Ende was damit zu tun.
Oh, es ist einfach alles so schrecklich. Wir konnten seine Leiche nicht einmal richtig aufbahren, weil er so zertrümmert wurde bei dem Sturz. Du magst dir das gar nicht vorstellen. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich es manchmal noch immer vor mir, wie die Knochen durch seine Haut gestochen sind. Ein Tuch verhüllte ihn also, auch bei der Verbrennung noch.
Aber das schlimmste weißt du ja noch gar nicht! Der Präfectus Urbi hat seinen Besitz beschlagnahmt. Obwohl er tot ist! Kannst du dir das vorstellen? Alles beschlagnahmt. Auch das Erbe. Einfach alles. Ich hab keine Ahnung, wie das zusammenhängt, die Acta hat da schon spekuliert. Ich weiß es einfach nicht, und ich bin mir auch nicht sicher, was ich da tun soll. Das ist alles so groß und verwirrend.
Aber nicht alles ist schrecklich. Wir haben ein wenig Zuwachs bekommen. Aulus Iunius Seneca, der Neffe von Silanus, ist auch in Rom. Er hat mir viel geholfen auch in letzter Zeit. Ich denke, es ist gut, dass auch ein männlicher Iunier wieder in Rom ist. Er ist bei den Cohortes Urbanae und daher viel dort in der Castra und wenig hier im haus, aber doch häufig genug.
Und ich bin nun Lectrix bei der Acta. Frag mich nicht, wie das kam. Decima Seiana – ja, die ehemalige Verlobte von Aelius Archias – hat mich nach dessen Tod gefragt, ob ich in der Acta arbeiten möchte. Erst als Schreiberin, und jetzt als Lectrix. Ich versteh es noch nicht so ganz, aber ich bin über die Ablenkung von diesem ganzen Durcheinander froh und nehm das bisschen Glück dankbar an.
Dass Urgulanias Mord immer noch nicht aufgeklärt ist, finde ich furchtbar. Es ist fast, als wollte der Terentier uns verhöhnen, indem er nicht einmal ein Bauernopfer bringt. Kannst du dich da nicht vielleicht an Cleonymus wenden? Er kannte Urgulania auch, und soweit ich das beurteilen kann, hatte er sie auch gern. Vielleicht kann er etwas tun? Ich kann ihn in einem Schreiben auch selbst bitten, wenn du meinst, dass das mehr bringt?
Achja, falls du mit ihm sprichst, ich hatte ihn darum gebeten, ein Bild und eine Orchidee aus dem Paneion zu schicken. Falls er das noch nicht getan hat, kannst du ihm ausrichten, dass es sich erledigt hatte? Der Mann, für den beides bestimmt war, hat seinem Leben ebenfalls ein Ende bereitet, wenn auch nicht ganz so verwirrend spektakulär. Falls er schon tätig geworden ist, freu ich mich natürlich auch.
Ich hoffe, du passt gut auf dich auf, lieber Cousin. Wir Iunier scheinen Fortuna ernsthaft verärgert zu haben. Ich werde erst noch in Rom bleiben, so dass wir uns so schnell wohl nicht wieder sehen. Aber ich hoffe, dass wir das noch gesund und munter werden, wenn dieses ganze Unglück überstanden ist.
Vale
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