Officium - Lucius Iunius Silanus
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Er war da! Der Sklave hatte es ihr vorhin erst gesagt. Schnell war sie in ihr Cubiculum daraufhin gelaufen und hatte sich umgezogen. Üblicherweise trug sie eine einfache Tunika, aber so wollte sie ihrem Vetter nicht das erste Mal über den Weg laufen. Nein, sie machte sich für ihn hübsch, er sollte beeindruckt sein.
Also stand sie nun vor seinem Officium mit dem grünen Kleid, das ihre Augenfarbe so schön unterstrich und ihrer Haut diese noble Blässe verlieh. Unter der ägyptischen Sonne war sie ohnehin viel zu dunkel geraten, da war das Kleid goldrichtig, um es weniger auffallen zu lassen. Ihre Haare, die sie sonst wild offen trug, waren zusammengesteckt, so dass sie fast wie eine richtig edle Dame aussah. Sofern ein Mädchen von 16 Jahren, das nervös vor einem Zimmer auf und ab lief und sich nicht traute, anzuklopfen, wie eine edle Dame aussehen konnte.
Die Sklaven, die aus verschiedensten Gründen vorbeigingen, konnten sich mittlerweile ein Schmunzeln schon nicht mehr verkneifen. Sie musste auch zu komisch aussehen. Als würde ihr Cousin sie auffressen, wenn sie anklopfte! Sie wollte ihn dabei doch nur begrüßen und ihn vielleicht darum bitten, ihr ein paar Tipps zu geben, wie sie am besten eine angesehene Arbeit fand. Aber das war leichter gedacht als getan.
„Komm schon, Axilla, er wird dich schon nicht beißen“, machte sie sich selbst noch einmal Mut und klopfte dann beherzt an die Tür. -
Silanus saß gerade hinter seinem Schreibtisch und ging gerade seine private Korrespondenz durch, die er im laufe der Woche erhalten hatte, es allerdings nicht für nötig empfand sie sich ins Legionslager nachbringen zu lassen. Da er jedoch die letzte Zeit meist in Nikopolis verbracht hatte, kam einiges an Briefen und Abschriften zusammen, die hauptsächlich aus Rom stammten und auch die eine oder andere Neuigkeit aus der Hauptstadt in die entlegene Provinz brachte. Als es an der Türe klopfte sah er vorerst nicht auf sondern las in Ruhe weiter und erwiderte lediglich mit der Aufforderung einzutreten.
"Herein!"
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Axilla trat mit Elan in das Zimmer, der ihre Unsicherheit überspielen sollte. Als sie dann aber sah, dass Ihr Vetter nicht einmal aufgeblickt hatte, nahm es ihr schon wieder den Schwung. Andererseits gab es ihr die Gelegenheit, ihn sich einen Augenblick in Ruhe anzusehen, ehe sie ihn ansprach. Sie hatte ihn anders in Erinnerung. Größer… und weniger attraktiv. Was aber beides auch einfach daran liegen mochte, dass sie damals nicht einmal zehn Jahre alt war und alle Jungs prinzipiell schon mal doof waren. Und jetzt mit 16 war sie eben in einem Alter, in dem sich das ein klein wenig geändert hatte und die meisten Mädchen ihre Zeit damit verbrachten, miteinander die Vorteile der verschiedenen männlichen Zeitgenossen ausgiebigst zu diskutieren.
„Salve, Vetter.“
Sie hatte lange überlegt, wie sie ihn begrüßen sollte, hatte nach ihrer Ankunft sogar damit begonnen, vor dem Spiegel zu üben. Bis eben war sie sich noch nicht sicher gewesen, ob sie „Vetter“ oder „Silanus“ oder eine förmlichere Anrede wählen sollte. Aber nun war es raus, und hoffentlich klang es so gut wie vor dem Spiegel. Axilla war immer noch etwas nervös. -
Erst als er von Axillia angesprochen wurde sah Silanus überrascht auf. Eigentlich ging er davon aus das es sich um einen der Sklaven handelte, der nach seinem Herren sehen wollte Doch die junge und unbekannte Stimme ließ ihn sofort stocken und er las nicht einmal die begonnen Zeile zu Ende. Ein Lächeln trat in sein Gesicht und er legte das Dokument vor sich auf den Tisch. Danach erhob er sich und trat hinter seinem Schreibtisch hervor.
"Axilla! Ich habe bereits gehört, dass du diese Woche bei uns angekommen bist. Verzeih mir, dass ich dich nicht gleich aufgesucht habe. Komm her und lass dich umarmen."
Er streckte seiner jungen Cousine lächelnd die ausgestreckten Arme entgegen.
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Einen Herzschlag lang stand Axilla völlig perplex da. Sie hatte sich auf alles Mögliche eingestellt, aber nicht auf eine so herzliche Begrüßung. Aber dann zauberte sich ein Lächeln auf ihr Gesicht, das sogar ihre Augen hell strahlen ließ. Mit tippelnden Schritten kam sie seiner Aufforderung gerne nach und genoss das Gefühl, mal wieder herzlich umarmt zu werden. Am liebsten hätte sie ihn gar nicht los gelassen, aber das ging nicht.
Sie strahlte noch immer, als sie sich von ihm löste. „Nach so einer herzlichen Begrüßung würde ich dir alles verzeihen, Silanus. Und ein Tribunus Augusticlavus kann ja nicht einfach alles stehen und liegen lassen, weil seine Cousine etwas schneller als üblich gereist ist.“ -
Erst als er seine Cousine kurz in den Armen hielt viel Silanus auf das sie sich seit ihrer letzten Begegnung sehr verändert hatte - aus dem frechen kleinen Kind war eine hübsche junge Frau geworden. Als sie sich lösten musterte er sie noch einmal kurz und sah schließlich in ihr strahlendes Gesicht.
"Leider hast du damit Recht. Aber hin und wieder habe ich dennoch Zeit für meine Familie. Und nun erzähl was dich hier her nach Aegyptus treibt. Du bist doch nicht etwa allein gereist oder gar von zu Hause ausgebüchst?"
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Ihr Lächeln wurde mit einem Mal sehr traurig, dann gequält, und verschwand schließlich ganz. Also war der Brief nicht angekommen. Ab und zu ging die Post schon mal verloren, vor allem bei so langen Strecken wie zwischen Hispania und Aeguptus. Und die Zeiten waren auch nicht unbedingt die ruhigsten.
„Nein, ich bin nicht ausgebüchst.“
Sie suchte einen Moment lang nach den richtigen Worten, versuchte die Haltung zu wahren. Eine einzelne Träne wurde von ihr beinahe zornig weggewischt, während sie anfing zu reden. Erst langsam, doch dann fast schon sprudelnd wie ein Wasserfall.
„Mutter ist gestorben. Du weißt vielleicht, sie war noch nie mit besonders robuster Gesundheit gesegnet. Nach Vaters Tod kam der Husten wieder, und wurde über die letzten beiden Jahre schlimmer. Zuletzt sehr viel schlimmer.
Der Arzt hat ihr zwar ein Mittel verschrieben, aber von dem wurde sie ganz wirr. Deshalb hat sie es auch nicht immer genommen. Und jetzt vor zehn Wochen ist sie gestorben.
Ich hab dir geschrieben, aber der Brief kam wohl nicht an. Ich hab dann den Hausstand aufgelöst. Die neuen Sklaven hab ich verkauft, um den Arzt und die Beerdigung zu bezahlen. Die Behandlung war sehr teuer, und wir hatten noch bei ein paar anderen Nachbarn Schulden. Die älteren Sklaven hab ich frei gelassen. Vater wollte einige schon vor zwei Jahren frei lassen, aber…
Und Iason, also mein Lehrer, der hat mir dann noch geholfen, hierher zu kommen. Hat die Schiffsreise organisiert und so, als letzten Dienst, du weißt schon.“
Sie fühlte einen dicken Klos in ihrem Hals und verstummte. Sie wollte hier nicht in Silanus’ Officium losheulen wie ein kleines Kind. Sie wollte überhaupt nicht mehr weinen. Sie wollte… eigentlich wusste Axilla nicht genau, was sie wollte. -
Silanus schien etwas erschrocken als die Stimmung bei Axilla plötzlich so umschlug und schließlich sogar Tränen aus ihren großen und fasst noch kindlich wirkenden Augen flossen. Auf Grund seines Aufstiegs zum Eques und seiner Stellung beim Exercitus Romanus hatte er trotz seines jungen Alters mehr oder weniger die Führung der Familie hier in Alexandria übernommen und Ereignisse wie diese machten ihm immer wieder deutlich, dass dies kein leichtes Amt war. Dennoch hatte er von Anfang an versucht Stark zu sein und alles zu meistern, was ihm das Schicksal auferlegte. Erneut ging Silanus einen Schritt auf seine Cousine zu, schloss sie in seine Arme und sprach mit ruhiger und gefasster Stimme.
"Komm her Axilla! Es tut mir leid, ich habe deinen Brief wirklich nicht erhalten, sonst hätte ich einen Weg gefunden dir beizustehen. Der Verlust deiner Mutter trifft auch mich."
Kaum vorzustellen was dieses junge Ding die letzten Monate durchmachen musste. Der Tod der Mutter, die Auflösung des Haushaltes, die Tilgung offener Schulden und schließlich die Reise nach Aegyptus. Fast machte er sich selbst Vorwürfe, dass dieser Brief nicht angekommen war und seine Cousine das alles alleine auf sich nehmen musste.
"Ich bin sehr froh, dass du Wohlbehalten hier in Alexandria angekommen bist. Hier soll es dir an nichts fehlen und mein Haus soll dein neues Zuhause werden."
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Zunächst sträubte sich Axilla etwas gegen die neuerliche Umarmung. Sie wusste, wenn er sie so umarmte, konnte sie ihre Fassung nicht lange behalten, und sie wollte nicht weinen. Aber ihr Widerstand war schnell gebrochen. Sie schmiegte sich an ihn, hielt sich an ihm fest, als wäre er der einzige Bestandteil ihrer Welt, der nicht im Wanken begriffen war. Ihre Tränen flossen leise, nur begleitet von ein paar leisen Schluchzern, während sie ihren Kopf an die Kuhle zwischen Schulter und Hals schmiegte.
Sie ließ seine tröstenden Worte auf sich wirken, verlor sich in seiner schützenden Umarmung und hasste sich dafür. Sie wollte ihn weiter festhalten, und hasste sich noch mehr dafür. Iason hatte stets versucht, ihr die Grundsätze Platons und Zenons beizubringen, dass der Verstand über die Materie erhaben sei, dass Gefühle nicht den Verstand diktieren sollten. Und sie stand da und weinte sich bei ihrem Vetter aus.
Langsam versiegten die Tränen, aber sie blieb noch ein wenig in der Umarmung, ohne etwas zu sagen. Erst als ihr gewahr wurde, dass es ihrem Cousin vielleicht unangenehm sein konnte, so mit seiner Cousine zu „kuscheln“, löste sie sich langsam von ihm. Sie wischte sich die Tränen von den rosigen Wangen. Venus sei dank war Axilla damit gesegnet, beim Weinen nicht wie so manch anderes Mädchen aufzuquellen, sondern nur mit rosigen Wangen noch hübsch zu sein.
„Jetzt hab dich ganz nass gemacht. Und den schönen Stoff.“
Sie wischte mit ihrer Hand sanft die Feuchtigkeit an seinem Hals weg, wo noch ein paar ihrer salzigen Tränen klebten, und danach wischte sie sich sich noch einmal sicherheitshalber über ihre eigenen Wangen.
„Und dabei wollte ich doch gar nicht weinen.“
Sie schämte sich ein wenig. Aber weniger wegen der Tränen, sondern mehr, seine Umarmung so lange genossen zu haben. -
"Schon gut. Das macht doch nichts! Weder das du weinst und schon gar nicht wegen dem Stoff."
Silanus versuchte möglichst einfühlsam zu sein, aber seiner Cousine dabei doch den nötigen Halt zu bieten. Die innige Umarmung war führ ihn keinesfalls Unangenehm gewesen. Ganz im Gegenteil wurde ihm dabei bewusst, wie lange es schon her war, dass er zuletzt jemanden umarmt hatte. Axilla wirkte auf ihn ziemlich zerbrechlich, was nach all den Erlebnissen nicht besonders verwunderlich war.
"Wichtig ist einzig und allein das du nun wohlbehalten hier bei mir bist. Cousine Urgulania und Cousine Varilla werden sich schon gut um dich kümmern. Da bin ich mir sicher."
Er musterte sie erneut ein wenig und versuchte dann wieder ein Lächeln aufzusetzen, das auf Axilla möglichst herzlich wirken sollte. Dann griff er kurz auf seinen Schreibtisch und nahm ein Stofftuch zur Hand das er ihr reichte.
"Hier – um deine Tränen zu trocknen. Wir haben uns schon so lange nicht mehr gesehen Axilla. Wie alt bist du nun eigentlich?"
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Silanus war so nett, am liebsten hätte sie ihn wieder umarmt, oder ihn sogar geküsst. Natürlich schwesterlich auf die Wange. Aber da beherrschte sie sich nun doch. Ein paar Manieren waren ihr trotz allem doch beigebracht worden.
„Ja, Urgulania hat mir mein Zimmer herrichten lassen und mich begrüßt bei der Ankunft. Sie ist meine Cousine? Sie ist so…. alt.“
Das war nicht böse gemeint, aber in ihrer Familie waren nun schon so viele so jung gestorben, dass es doch verwunderlich war, jemanden so altes zu treffen. Und noch verwunderlicher, wenn dieser dann gar keine Großtante oder so was war, sondern eine Cousine.
Dankbar nahm sie das Tuch entgegen und fuhr sich damit sanft einmal um die Augen.Und damit waren sie auch schon beim Thema Alter angelangt. Sie und Silanus hatten sich wirklich sehr lange nicht mehr gesehen. Damals musste sie noch ein richtiges Kind gewesen sein.
„Ich bin sechzehn.“
War das nur Neugier oder wollte er auf etwas hinaus? Er hatte sie vorhin gemustert, das war Axilla aufgefallen. Plötzlich schossen ihr Iasons Worte vom Hafen wieder durch den Kopf, dass sie ihrem Cousin mit ihrem Charme noch den Kopf verdrehen würde. Allein bei dem Gedanken daran wurde sie ein wenig rot.
Nein, nein, das stimmte bestimmt nicht. So hatte Silanus nun auch wieder nicht geguckt. Dämliche graeculi und ihre Worte.
„Und du?“
Nur schnell weiterreden und sich nichts anmerken lassen. -
Silanus schmunzelte, als Axilla das alter von Urgulania ansprach. In der Jugend nahm man sich kein Blatt vor dem Mund und sprach meist alles offen an. Auch in diesem Fall war Axilla entrüstend ehrlich.
"Nun du hast Recht. Sie ist bereits etwas älter und eigentlich auch nicht wirklich unsere direkte Cousine. Sie ist die Cousine meines Vaters bzw. deines Großvaters. So wie du eigentlich auch nicht meine Cousine bist, sondern dein Vater mein Cousin ist."
Er überlegte kurz.
"Meine Kinder wären jedoch wieder deine Großcousinen und –cousins. Alles sehr verwirrend!"
Silanus lachte auf. Er verlor beim Familienstammbaum selbst sehr oft die Übersicht, so viele Kinder und Kindeskinder hatten die Iunier im Laufe der Zeit hervorgebracht. Als Axilla schließlich auf ihr eigenes Alter zu sprechen kam sah er sie etwas verdutzt an. 16 Jahre war sie schon! Sie war also damals wirklich noch ein Kind gewesen und es war überraschend, das sie sich überhaupt an ihn erinnern konnte.
"Dann bin ich genau um 10 Jahre älter wie du."
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„Du hast Kinder?“
Axilla war überrascht. Sie dachte, Silanus sei nicht einmal verheiratet – obwohl das, wie sie wusste, nicht unbedingt Voraussetzung zum Kinderkriegen war. Und normalerweise hätten sie oder ihre Mutter doch sicher einen Brief oder ähnliche Nachricht gekriegt, wenn es Verwandtschaftszuwachs gab.
Nunja, er war 26, er sah für ihre Begriffe sehr gut aus, warum sollte er keine Kinder haben? Aber wo waren die dann? Sie hatte im Haus in den ganzen tagen kein Kind und auch keine dazugehörige Mutter entdecken können. Vielleicht hatte sie ihn auch nur falsch verstanden mit den Großcousinen. -
Silanus lachte beherzt.
"Nein! Ich habe gesagt sie wären dann deine Großcousins.... also wenn ich welche hätte!"
Er schmunzelte noch ein wenig und wurde dann jedoch gleich wieder etwas ernster. Ein Gedanke betreffend Axillas Alter schoß ihm durch den Kopf, den er auch gleich ansprechen wollte.
"Nunja Axilla. Mir fällt gerade ein - da du noch nicht Volljährig bist brauchst du vom Gesetz her einen Vormund. Es kann einer von deinen nahestehenden Verwandten sein."
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Er hatte also keine Kinder? „ Ah, gut. Also, ich meine, nicht gut. Ähm, ich meine, ein so stattlicher Mann wie du könnte sicher… ähm, nein, ich meine natürlich nicht dass… also doch, natürlich aber…nicht so…ich…“
Ja, was eigentlich? Axilla hätte vielleicht erst ihren Verstand und hinterher ihr Mundwerk einschalten sollen, denn so wurden ihre Wangen nur immer roter und ihr Reden immer konfuser.
„Ich geh am besten in die Küche und wasch mir den Mund gleich mal mit Seife aus. Man merkt, die rhetorische Grundausbildung hatte bei mir vollen Erfolg.“Gut, dass die Sache mit dem Vormund ein anderes Thema noch hergab. Das vorherige Thema verlief so ganz und gar nicht nach Axillas Vorstellung. Und dabei wollte sie ihren Vetter doch beeindrucken, wie stark und selbstständig sie war. Und stattdessen hatte sie ihn nass geweint und angeflirtet und sich alles in allem eben wie eine 16jährige benommen.
„Nun, du könntest mein Vormund doch sein? Ich meine, wenn du nicht befürchtest, dass ich und mein Mundwerk dich noch in Schwierigkeiten bringen.“ -
Es war Silanus vermutlich anzusehen, dass ihm Axillas Redeschwall etwas verwirrt hatte. Was sie nun letztendlich tatsächlich sagen wollte oder mit ihren kryptischen Worten gemeint hatte war ihm nicht ganz klar. Auch er war froh, dass sich schließlich ein neues Thema fand, das sofort wieder seine Gedankengänge beanspruchte. Er sollte also ihr Tutor werden. Diese Entscheidung zu treffen war gar nicht so einfach, da er sich selbst noch viel zu jung für eine solche Aufgabe fand. Doch eigentlich gab es kaum Alternativen dazu. Er war ihr am nächsten stehende männliche Verwandte und somit die einzige Möglichkeit für eine Vormundschaft. Und über etwaige Probleme machte er sich keine Gedanken – davon hatte er ihn Axillas Alter selbst genügend verursacht. Doch das blieb vorerst sein Geheimnis.
"Wenn du mit mir als Tutor leben kannst, werde ich deine Vormundschaft gerne übernehmen. Viele Möglichkeiten bleiben uns ohnehin nicht. Daher ist es wohl die beste Entscheidung. Ich kann es mir zwar nicht vorstellen, da ich mich selbst erst aus den Jugendalter entwachsen fühle, aber wir werden das schon irgendwie hinbekommen."
Er lächelte sie gewinnend an. Diese Vormundschaft war ja fast so, als wäre man selbst der Vater seines Schützlings. Er war schon ziemlich gespannt was da alles auf ihn zukam und wie ihn Axilla auf Trapp halten würde.
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So wie er sie anlächelte, musste Axilla einfach zurücklächeln. Gut, dass er nicht so ernst war, Silanus schien recht offen und zugänglich. Axilla war froh, dass dies nun geregelt war, jetzt konnte sie sich dann wirklich wie zuhause zu fühlen beginnen.
„Ach, ich bin ganz froh, dass du noch nicht so alt bist. Die meisten alten Menschen, die ich kenne, haben jedes Gefühl für Spaß verloren. Und dabei lach ich doch so gern.“
Ja, bestimmt konnte sie mit Silanus auch mal etwas unternehmen, das Spaß machte. Nicht immer nur lernen und sittsam dasitzen und so tun, als würde einen der Klatsch der Nachbarn wirklich interessieren.
„Oh, da fällt mir aber noch etwas anderes ein. Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du mir vielleicht helfen kannst. Ich würde gerne irgendwas Sinnvolles tun. Wenn ich die ganze Zeit nur hier im Haus sitze, fällt mir noch die Decke auf den Kopf.“ -
"Ich arbeite daran mir meine fröhliche Art auch mit dem älter werden zu behalten. Das ist zwar nicht immer einfach als Tribun bei der Legion, aber bisher hat es recht gut geklappt."
Sein Lächeln wurde zu einem breiteren Grinsen. Allem Anschein nach war es für sie ebenso ungewöhnlich plötzlich einen so jungen Vormund zu haben, wie für ihn in seinem alter bereits für ein Mündel verantwortlich zu sein. Als sie eine Beschäftigung ansprach sah er sie etwas verwundert an.
"Eine Beschäftigung? Nun was hast du dir denn vorgestellt? Mädchen in deinem Alter sind in den meisten Fällen zu Hause und helfen maximal etwas im Haushalt oder beschäftigen sich mit Handarbeiten. Und unserer Familie geht es ja nicht wirklich so schlecht, dass wir dich arbeiten schicken müssten."
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„Ich möchte ja auch nicht den ganzen Tag auf dem Feld schuften oder so was. Aber ich fühle mich hier so nutzlos.
Weißt du, zuhause hab ich mich um Mutter gekümmert und den ganzen Schreibkram erledigt und geschaut, dass alle Sklaven ihre Arbeit machen und die Schulden so gut es ging in Grenzen gehalten. Und hier… ich hab einfach nichts zu tun. Urgulania macht das mit dem Haushalt so souverän und alles funktioniert. Aber mir fehlt das irgendwie ein wenig, Papiere zu sortieren und Schreiben aufzusetzen, und sich danach schön mit einem Buch in den Garten zu setzen und Gedichte zu lesen. Das war dann immer eine Belohnung. Wenn ich jetzt ein Gedicht lese, komm ich mir dabei vor, als hätte ich es gar nicht verdient, so faul rumzusitzen.“
Sie hoffte, er verstand das. Normalerweise waren Mädchen ja eher zuhause und warteten sittsam und tugendhaft darauf, verheiratet zu werden und dann möglichst viele männliche Nachkommen zu gebären. So zumindest war Axillas Eindruck, wie sie hätte sein sollen. Aber sie war mehr wie ein Junge, musste sich mit anderen messen, ihre geistigen Grenzen austesten, am besten in Arbeit versinken, um sich dann hindurch zu kämpfen und die eine Stunde dann in vollem Triumph zu genießen, wenn man alles geschafft hatte.
„Ich weiß auch nicht so genau, vielleicht braucht ja irgendjemand einen Scriba oder so, für ein paar Stunden am Tag.“
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