Für eine Hinrichtung war der Tag im Grunde zu schön. Es hatte in der vorherigen Nacht nicht geregnet, und zum angesetzten Termin der Hinrichtung war die Luft kühl und klar, fast zu kalt, um sie angenehm einzuatmen, aber die wärmenden Strahlen der Sonne an freien Plätzen vermochte obdachlose Herumtreiber zu versöhnen. Die Ränge waren noch nicht so weit gefüllt, wie es dem Anlass entsprach - aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis auch der letzte müßige Stadtrömer von der anstehenden Hinrichtung erfahren hatte und sich einfand, nicht zuletzt, weil es einige Tage keine Spiele gegeben hatte und die geifernde Menge allzu bereit war, dem Tod eines Mitmenschen zuzusehen, auch wenn dieses Ende grausam und unmenschlich ablaufen würde.
Vielleicht waren Hinrichtungen gerade deswegen so beliebt, wer wusste das schon? Das kleine amphitheatrum, welches ich gewählt hatte, war weder bedeutend noch fanden hier die großen Veranstaltungen statt, aber man konnte schließlich für einen einfachen Verbrecher, der noch nicht einmal jemanden getötet hatte, nicht das amphitheatrum Neronis reservieren. Letztendlich war und blieb dieses Ereignis nur eines von vielen, es war nicht die einzige Hinrichtung heute, aber die erste, und nach dem geplanten Tod des Finn Kylian würden noch einige andere folgen - Verbrechen begangen wurden immer, egal, ob der Kaiser nun tot war oder nicht, das Leben ging weiter, musste weiter gehen.
Nicht, dass es mir gefiel, bei dieser Angelegenheit eine treibende Kraft zu sein. Nicht, dass mir bei der Verurteilung nicht auch Zweifel gekommen wären. Aber es war so in Rom, das Spiel ging weiter, es ging voran, und man selbst trieb entweder mit oder wurde entzweigerissen im sinnlosen Bemühen, etwas ändern zu wollen, das nicht zu ändern war - vor allem nicht, wenn es um einen Mann ging, der einen solchen Ruf mitbrachte wie Finn Kylian, dessen Worte so eindringlich und erschreckend gewesen waren. Er musste verrückt sein, oder zumindest so hasserfüllt, dass er solche Worte hervorquetschen konnte, und beides war nicht gerade die beste Voraussetzung für ein friedliches Weiterleben in Coexistenz. Einige weitere Menschen schoben sich herein und füllten die unteren Ränge, einige hatten ein Fladenbrot dabei und kauten ihr Frühstück, andere schwatzten mit ihrem Nachbarn, Dritte wetteten, wenn man ihre Handbewegungen bedachte - ich blieb auf meiner kleinen Empore stehen und beobachtete die Menge schweigend, wie es einem Amtsträger zukam. Als sich im Rund eine der beiden Holztüren öffnete und zwei Männer der cohortes urbanae den Gefangenen hereinführten - es kam mir eher wie ein hereinschleifen vor - wurden die Anwesenden langsam aufmerksam für das Geschehen im Sandrund und starrten neugierig nach vorn.
Auch ich blickte auf den Verurteilten, der zumindest ein wenig sauberer war als bei unserer letzten Begegnung, zu gut war es ihm allerdings im carcer nicht ergangen, man hatte sich nur darum gekümmert, dass er erkennbar war und aufrecht stehen konnte, für mehr reichte die zärtliche Fürsorge unserer Aufsichtsbehörten bei Menschen, die eigentlich schon tot waren, nicht. Ich atmete tief ein und ließ dem Mann noch einige Momente der Stille, in denen er vielleicht einen Blick für das Wetter haben würde, oder die Tatsache bedenken, dass er von seinem Tod nicht mehr allzu weit entfernt sein würde - begeistert sahen seine Bewacher nicht aus, und wenn sie ihn in Gefangenschaft schon kennengelernt hatten, war es nicht erstaunlich, dass sie bald froh sein würden, ihn loszuwerden. Da war er also, Finn Kylian, und mit ihm eine ganze Menge an namenlosen Römern, die auf seinen Tod warteten.